Es gibt kaum eine Baustelle, auf der sich ein Auftragnehmer nicht mit seinem Auftraggeber darüber auseinandersetzen muss, dass die Abschlagsrechnungen vollständig (und pünktlich) bezahlt werden. Damit der Auftragnehmer nicht das geschuldete Werk erst vollständig herstellen muss, bevor der Anspruch auf eine Vergütung fällig wird, hat der Gesetzgeber vorgesehen, dass der Auftragnehmer Abschlagszahlungen in Höhe des Wertes der bis zur Stellung der Abschlagsrechnung erbrachten Leistungen verlangen kann. Dies regelt § 632a BGB. So soll das sogenannte Vorleistungsrisiko des Auftragnehmers reduziert werden. Der Begriff Vorleistungsrisiko meint, dass der Auftragnehmer erst leisten muss, bevor der Auftraggeber zur Zahlung des Werklohns verpflichtet ist. Nicht selten passiert es, dass der Auftraggeber – obwohl er ein mangelfreies Werk erhalten hat – nicht zahlen kann oder will. Deshalb sollten unbedingt frühzeitig Abschlagsrechnungen gestellt werden.
Vorteil von Abschlagsrechnungen
Es wird die meisten Auftragnehmer finanziell schnell überfordern, wenn jede laufende Baustelle vollständig vorfinanziert werden muss. Durch das Stellen von Abschlagsrechnungen kann Liquidität geschaffen werden. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass durch die Stellung von regelmäßigen Abschlagsrechnungen die Zahlungsfähigkeit und/oder Zahlungswilligkeit des Auftraggebers geprüft werden kann.
Abschlagsrechnungen als Druckmittel
Solange das Werk noch nicht fertiggestellt ist, hat der Auftragnehmer ein großes Druckmittel – er kann seine Arbeit einstellen und den Auftraggeber mit einem unfertigen Werk „alleine“ lassen. Dieses effektive Druckmittel besteht nach Fertigstellung des Werks nicht mehr. Stellt der Auftragnehmer eine berechtigte Abschlagsrechnung, die der Auftraggeber nicht oder nicht vollständig bezahlt, darf er seine Arbeiten einstellen. Ist die VOB/B wirksam vereinbart, muss er dem Auftraggeber jedoch vor der Arbeitseinstellung eine Nachfrist zur Zahlung setzen, § 16 Abs. 5 Nr. 4 VOB/B. Zwar gibt es im BGB-Vertrag keine ausdrückliche Vorgabe, dass eine Nachfrist zu setzen ist, jedoch sollte zur Sicherheit auch hier eine Nachfrist gesetzt werden. Die Nachfrist darf kurz gehalten werden, etwa 5 Werktage sind in der Regel ausreichend. Im BGB-Vertrag ergibt sich das Recht, die Arbeit einzustellen, aus § 273 Abs. 1 BGB.
Der Auftragnehmer darf den Auftrag auch kündigen, wenn die Nachfrist zur Zahlung der Abschlagsforderung abgelaufen ist. Im VOB/B-Vertrag muss die Kündigung jedoch unbedingt angedroht werden, bevor sie ausgesprochen wird, § 9 Abs. 2 VOB/B.
Risiken einer Arbeitseinstellung
Bevor der Auftragnehmer die Arbeiten einstellt, sollte er sich klarmachen, dass der Auftraggeber den Auftrag kündigen darf, wenn sich die streitige Abschlagsrechnung als unberechtigt erweist, zum Beispiel weil der Arbeitsstand nicht so weit fortgeschritten ist, wie in der Abschlagsrechnung angegeben. Der Auftraggeber kann in Folge einer unberechtigten Arbeitseinstellung auch Schadensersatz (z. B. wegen Verzugs) verlangen.
Damit die Abschlagsrechnung berechtigt ist, muss sie auch in der richtigen Höhe gestellt sein. Bei Einheitspreisen oder auch im Detailpauschalvertrag sollte sich der Auftragnehmer an den im Leistungsverzeichnis aufgeführten Preisen orientieren und diese der Abschlagsrechnung zugrunde legen. Wichtig ist auch, dass die „Abschlagsrechnung eine rasche und sichere Beurteilung der erbrachten Leistung ermöglichen muss“, also prüfbar ist. Die Angabe eines Pauschalbetrages (z. B. 10 000 Euro) ohne Aufgliederung der ausgeführten Arbeiten reicht nicht aus. Schwierig ist es, eine formal korrekte Abschlagsrechnung zu stellen, wenn ein sogenannter Globalpauschalvertrag vereinbart ist. Hier muss auf die Urkalkulation zurückgegriffen werden und mithilfe dieser Kalkulation die für den erbrachten Teil angemessene Vergütung berechnet werden.
Rechtstipp
Handwerker sollten in kurzen Intervallen Abschlagsrechnungen stellen. So werden Sie schnell merken, mit welcher Art von Auftraggeber Sie es zu tun haben. Ist die Zahlungsmoral auffällig schlecht, weil beispielsweise permanent zu spät bezahlt wird oder sogar der Verdacht besteht, nach Fertigstellung des Werks hinter seinem Werklohn herlaufen zu müssen, sollte erwogen werden, der Abschlagsforderung mit einer Androhung, die Arbeit niederzulegen, Nachdruck zu verleihen. In Fällen, in denen selbst das nicht hilft, sollte erwogen werden, den Vertrag wegen der Säumnis mit den Abschlagszahlungen zu kündigen. In allen Fällen sollten die Voraussetzungen der VOB/B (Fristsetzung, Androhung, Arbeit einzustellen bzw. Auftrag zu kündigen) beachtet werden. Der Auftragnehmer sollte sich an den Voraussetzungen der VOB/B orientieren, da diese in dem Punkt der Arbeitseinstellung und der Kündigung wegen Zahlungsverzuges strenger sind als im BGB, sodass er bei Einhaltung der Voraussetzungen der VOB/B „auf der sicheren Seite“ ist.