Beim E-Antrieb muss der hohe Preis oder die reduzierte Nutzlast nicht grundsätzlich einer Anschaffung entgegenstehen. Sicher zählen auch Sympathiewerte wie die ungehinderte Fahrt in der Umweltzone, der Fahrspaß oder die hohe Akzeptanz beim Kunden – Letzteres wird der Handwerksunternehmer geschickt für sein Marketing berücksichtigen können. Doch zeigt sich: Wer sich intensiv mit der Anschaffung eines Elektroautos auseinandersetzt, trifft auf komplexe Zusammenhänge. Da haben selbst widersprüchliche Aussagen von Experten ihre Berechtigung und lassen dem Entscheider eher die Qual der Wahl.
In der Cityregion eine Überlegung wert
Dennoch: Wer täglich ein Nutzfahrzeug benötigt, um Entfernungen bis zu etwa 80 km zurück zu legen, kann dies durchaus mit einem E-Antrieb realisieren. Dann entfällt die Sorge um eine limitierte Reichweite und die Suche nach einer Ladesäule. Man kann nahezu emissionsfrei unterwegs sein, was manchem Ballungsraum sicher zugutekommt.
Doch eine solche Betrachtung wirft Fragen zur ökologischen Bilanzierung auf. Da hat zum einen die energieaufwändige Herstellung des Akkus hohe Bedeutung. Und ein weiterer Punkt im Für und Wider ist besonders wichtig: Es würde erst recht keinen Sinn machen, das Fahrzeug mit Kohle-Strom statt regenerativ erzeugter Energie übers Ladekabel zu versorgen.
Marken wollen präsent sein
Das Modellangebot für batteriebetriebene leichte Nutzfahrzeuge erweitert sich allmählich. Bislang ist die Nachfrage allerdings bei weitem hinter dem zurückgeblieben, was zu den Strategien für eine Verkehrswende passen würde. Und offen ist, ob die inzwischen erhöhten Fördermaßnahmen auch bei Lieferwagen und Transportern Wirkung zeigen werden. Auch ist nicht von der Hand zu weisen, dass das Preis-/Leistungsverhältnis sicher nicht zu Gewerbetreibenden passt, die Betriebskosten möglichst niedrig halten wollen. Oder doch? Das attraktive Leasingangebot für ein E-Fahrzeug kann man ja durchaus für einen Vergleich heranziehen. Marketing-Strategen arbeiten jedenfalls daran, den Umstieg vom Verbrenner auf den E-Antrieb zu erleichtern.
E-Kunden sollen Fahrt aufnehmen
Renault ergriff Ende Januar als erste Marke die Initiative und garantierte interessierten Kunden, dass sie in jedem Fall den im Klimapaket in Aussicht gestellten Elektrobonus von 6000 Euro bekommen würden. Andere Marken folgten dieser Art von Kundenwerbung. Oft belassen sie es auch nicht bei der inzwischen offiziell vom Staat gewährten und gestaffelten Finanzspritze, sondern erhöhen zusätzlich den Rabatt beim Kauf bzw. Leasing. Doch wie sieht das Modellangebot für Nutzfahrzeuge im Detail aus?
Renault hat seit längerem das Kürzel Z.E. (Zero Emission = Null Emissionen vor Ort) etabliert und stattet damit die Riege an Elektrofahrzeugen aus. Inzwischen gibt es den Kangoo Z.E., der im Modelljahr 2020 in zweiter Generation mit modifizierter Technik unterwegs ist, aber auch im Laufe des Jahres durch einen Nachfolger abgelöst werden soll. Der ebenfalls in Serie gebaute Transporter Master Z.E. verfügt über eine stark bauähnliche Antriebsart, die bei beiden neuerdings auch durch einen Range Extender mit Wasserstoffantrieb ergänzt werden kann. Der Cityflitzer Zoe Cargo Z.E. rundet als kleiner Dienstleister das Angebot nach unten ab.
Eng verbunden mit Renault ist die Marke Nissan, die den Lieferwagen e-NV200 im Programm hat – hier sind sogar die Varianten mit Verbrennerantrieb seit Mitte 2019 aus dem Programm gestrichen worden.
Der französiche PSA-Konzern hatte den E-Antrieb seit einigen Jahren in der Lieferwagenklasse platziert: durch die beiden nahezu baugleichen 2,2-Tonner Citroën Berlingo Electric und Peugeot Partner Electric. Doch die Neuauflage steht erst 2021 an.
Das PSA-Angebot verlagert sich im Laufe dieses Jahres auf die nächst größere Klasse der Kompakttransporter: Angekündigt sind Citroën Jumpy Electric, Peugeot Expert Electric und auch der in den Markenverbund aufgenommene Opel Vivaro-e. In den Folgejahren wird sich die Elektrifizierung noch auf die Transporter Jumper, Boxer und Movano ausdehnen, so die Strategie der drei Marken.
Pionier kommt aus Italien
Längere Zeit bestand das einzige Angebot für einen Transporter mit Batterieantrieb durch den Iveco Daily Electric, der sich somit zu den Pionieren in der E-Mobilität zählen darf.
Fiat Professional hatte im letzten Sommer einen Ducato-Prototyp mit E-Antrieb vorgestellt und angekündigt, dass im Laufe von 2020 mit der Markteinführung dieses Stromers zu rechnen ist.
China treibt die E-Mobilität in großem Stil voran, konzentriert sich aber stark auf den heimischen Markt. Lediglich der Transporter Maxus EV80 aus dem Konzern SAIC kommt über die Importeure Maske sowie LeasePlan bis nach Deutschland.
eVito und eSprinter in Serie
Mercedes-Benz hat bei seinen leichten Nutzfahrzeugen mit E-Antrieb einen Neustart vollzogen. Der eVito ist bereits seit 2018 am Markt und erfährt im Frühjahr 2020 eine Modellüberarbeitung. Für den eSprinter startete die Serienfertigung im Dezember. Beide Fahrzeuge haben ausgiebige Feldtests im Zustellbetrieb bei Logistikunternehmen durchlaufen.
Auch Ford ist mit seinem großen Transit elektrisch unterwegs, entwickelte bislang jedoch exklusiv eine Flotte großvolumiger Paketwagen – den Work XL zusammen mit der DHL-Tochter Streetscooter. Der kleinere Streetscooter Work L mit Kofferaufbau ist seit längerem vor allem im Flotteneinsatz und soll auch fürs Handwerk eine Alternative sein. Doch Ende Februar kam das (vorläufige) Aus für Streetscooter, weil die Suche nach einem Investor bislang vergebens verlaufen war. Nur noch bestehende Aufträge werden ausgeliefert, sodass die beiden Modelle in der Tabelle nicht mehr enthalten sind.
Für den Kompakttransporter Ford Custom gibt es die Version PHEV in ersten Stückzahlen seit Ende 2019. Das Kürzel steht für Plug-In Hybrid Electric Vehicel: Herzstück ist ein Benziner, der als Generator eine kleine Batterie lädt (Reichweite rein elektrisch: ca. 40 km) und darüber hinaus als Range Extender Strom für den E-Antrieb erzeugen kann (Reichweite mit einer Tankfüllung: nach Werksangabe etwa 500 km).
Volkswagen Nutzfahrzeuge hat den e-Crafter 2018 in die Serienfertigung aufgenommen. Aus gleicher Produktion stammt der Zwillingsbruder, der als MAN eTGE vermarktet wird. Auch besteht eine enge Kooperation mit Fahrzeugbauer ABT, der jetzt den Caddy Maxi mit E-Antrieb als Leasingfahrzeug anbietet und darüber hinaus im Modelljahr 2020 noch das E-Angebot auf den Transporter T6.1 ausweiten wird. Nicht mehr im Angebot von VW-Nutzfahrzeuge ist der Stadtlieferwagen eLoad UP! (bleibt jedoch als Pkw-Variante). Für 2022 hat VW den futuristisch wirkenden I.D.Buzz angekündigt, einen Elektro-Bulli, der in Cargo-Version auch für Gewerbetreibende entwickelt wird.
Auch die Langstrecke ist möglich
Möchte der Handwerksbetrieb mit einem E-Fahrzeug deutlich mehr als 80 km zurücklegen, wird eine Ladezeit während der Tour wahrscheinlich. Dann macht es Sinn, sich vor der Fahrzeugwahl über Ladesysteme mit unterschiedlichen Steckern und deren Standzeiten an einer Ladesäule auseinander zu setzen. Ein Beispiel: Wenn in den technischen Daten zum E-Mobil eine Reichweite von 270 km nach dem (inzwischen veralteten!) Neuen Europäischem Fahrzyklus (NEFZ) angegeben ist, lassen sich erfahrungsgemäß davon 100 km streichen, um auf eine realistisch erreichbare Entfernung zu kommen – bei Frost, Dunkelheit und hohem Tempo kann sich die Reichweite nochmals drastisch verkürzen. Doch es ist keineswegs allein der zur Verfügung stehende Aktionsradius, der von Bedeutung ist.
Unterwegs ist schnelles Laden wichtig
Wer eine Langstrecke bewältigen will und eine Ladezeit einplanen muss, wird nicht lange pausieren wollen – eine Schnelllademöglichkeit muss her. Bei neuen Fahrzeugen sind folgende Systeme gebräuchlich:
Ein sowohl-als-auch?
Seit über zwei Jahren zeigt sich die Konzernspitze von Volkswagen entschlossen, in Zukunft besonders viel für die E-Mobilität zu tun. Die Marke macht gleichzeitig aber auch ein passables Angebot an ausgereiften Nutzfahrzeugen mit Erdgasantrieb – und bedient ebenso eine Bandbreite an SUV’s, die in der Ökobilanz durch ihren erhöhten Verbrauch einen eher zweifelhaften Ruf haben. Wie passt das zusammen? Antwort: Eigentlich nicht.
Doch um konkurrenzfähig zu bleiben, müssen die europäischen Automobilbauer – allesamt – zum einen attraktive Modelle für den Käufer schaffen, zum anderen die europäisch verordneten Flottengrenzwerte einhalten. Deshalb kommt es neben Benziner und Diesel umso mehr auf den Marktanteil an emissionsarmen oder gar -freien Antrieben an, um nicht durch Brüssel zukünftig zu erheblichen Strafzahlungen verpflichtet zu werden.
CO2-Einsparung umso dringlicher
Immer deutlicher zeichnet sich ab, dass die Klimaziele 2030 nur durch drastische Maßnahmen (wie z.B. die Besteuerung bzw. die Bepreisung der CO2-Emissionen) erreichbar sind. Die EU-weit verordneten Verbrauchs- und Emissionswerte ab 2030 werden mit den bislang bekannten Leistungen schadstoffarmer Verbrenner nicht einzuhalten sein.
Fahrzeuge mit Hybridantrieb (Benziner oder Diesel kombiniert mit Elektro) werden durch EU-Regelungen in der CO2-Bilanz anders, nämlich deutlich positiver bewertet, weil nicht der Verbrenner mit zum Teil erheblichen Emissionen im Vordergrund steht, sondern die elektrische Betriebsweise. Im gesteigerten Absatz sehen Hersteller hier Chancen, ihre Flottengrenzwerte rein rechnerisch verbessern zu können – die Kritik an der Rechenart für den ermittelten ökologischen Fußabdruck bleibt nicht aus.
Bei schweren Nutzfahrzeugen zeichnet sich für die Hersteller eine besonders prekäre Entwicklung ab: Die EU-weit verordneten Verbrauchs- und Emissionswerte ab 2030 werden allein mit schadstoffarmen Dieselaggregaten aller Voraussicht nach nicht einzuhalten sein – und Hybrid- oder Batterieversionen, durch die sich Flottengrenzwerte rein rechnerisch einhalten ließen, können hier mangels Stückzahl keinen Durchbruch erzielen.
Vor diesem Hintergrund kam Mitte 2019 von Bosch eine Meldung, die aufhorchen ließ: Man werde die Brennstoffzellen-Forschung erheblich verstärken, um auch mit dieser Technik ein Angebot von Null-Emissions-Antrieben machen zu können – zumindest für Lkw und Busse.
Energiequellen im Wettstreit
Wenn die Weiterentwicklung der mobilen Brennstoffzelle, die schließlich auch als Energiequelle für den Elektroantrieb genutzt wird, in den nächsten Jahren sehr erfolgreich verläuft, könnte es zwischen Batterie und Brennstoffzelle zum Wettstreit kommen. Auch wäre denkbar, dass synthetische Kraftstoffe (sogenannte E-Fuels) für den Massenmarkt der bestehenden Verbrenner tauglich gemacht werden. Die Verbrennung gelingt hier nahezu CO2-neutral, doch noch ist die Herstellung mit Hilfe regenerativer Energien bei mäßigem Wirkungsgrad sehr kostenintensiv. Der Kostennachteil würde sich im Vergleich zu fossilen Kraftstoffen allerdings deutlich verringern, wenn der Umweltvorteil von E-Fuels einen Wert erhielte und beispielsweise in der CO2-Bepreisung der kommenden Jahre berücksichtigt würde.
Info
Auf einen Blick
Vor Ort emissionsfrei unterwegs – dieser Slogan wirkt wie ein Trumpf in einer ansonsten teils konträr geführten Diskussion rund um das Nutzfahrzeug mit E-Antrieb. Unstrittig ist auch, dass man mit einem elektrisch angetriebenen Lieferwagen oder Transporter bei voraussichtlicher Wegstrecke von täglich nicht mehr als 80 km problemlos mobil sein kann. Denn dann lässt sich der Akku stets an der firmeneigenen Wallbox laden. Das muss allerdings mit regenerativ erzeugtem Strom gelingen, sonst kippt das Öko-Konzept. Und noch etliche weitere Punkte sind zu bedenken.