Bereits seit Herbst 2013 schafft es Daimler, dass die aktuelle Baureihe des Mercedes Sprinter die Schadstoffgrenze Euro6 für Transporter einhält. Damit sind recht ambitionierte Grenzwerte verbunden, denn es geht um eine drastische Senkung der Emissionsgrenzen von gesundheitsgefährdenden Stickoxiden (NOx), Kohlenwasserstoffen (THC) und der Partikelmasse. Der Sprinter erreicht dies unter anderem durch den Einsatz eines SCR-Katalysators und der Einspritzung von Harnstoff (Adblue) ins Abgas. Zum Marktstart hieß es, Daimler wolle seinen Führungsanspruch in der wettbewerbsstarken Riege der Transporter unterstreichen und als Verkaufsvorteil nutzen.
Hier muss man anmerken: Diese Abgas-Nachbehandlung verursacht zusätzliche Investitionen von etwa ein- bis zweitausend Euro pro Fahrzeug, weil SCR-Katalysatoren noch ziemlich teuer sind. Unter dem Aspekt des allgemeinen Kostendrucks also eher ein Wettbewerbsnachteil? Seit Marktstart hört man nur Positives vom Sprinter. Daimler sieht sich mit dem Angebot genau auf Kurs und wurde durch seine Initiative für weniger Schadstoffe im Sprinter-Abgas bereits mit einem Umweltpreis ausgezeichnet.
Gegenstrategie: noch möglichst lange mit Euro5
Da ist es nur logisch, dass die Wettbewerber Gleiches tun und jetzt für das Modelljahr 2015 mit Euro6-konformen Aggregaten nachziehen? Schließlich gilt für die Autohersteller bereits der 1.9.2014 als Stichtag für die Typprüfung, wenn ein Modell 2015 gemäß Euro6 vermarktet werden soll. Antwort: Weit gefehlt – lediglich der neue Iveco Daily ist derzeit die Ausnahme von der Regel. Ansonsten mangelt es wenige Wochen vor der Nutzfahrzeugmesse Ende September in Hannover an einem klaren Bekenntnis der Branche für Euro6.
Unter den Neuvorstellungen von Lieferwagen und Transportern in diesem Frühjahr ist mancher Scheinwerfer, manche Motorhaube etwas schöner gestaltet. Auch modifizierte Motoren können es sich nicht leisten, nicht doch ein wenig sparsamer geworden zu sein. Aber ein deutliches Zeichen pro Euro6 in den technischen Unterlagen? Fehlanzeige. Statt dessen Floskeln aus dem Marketing, wie sie sich beispielsweise im Opel-Pressetext zum künftigen Movano lesen lassen: „Zum Einsatz kommt ab sofort modernste Turbodiesel-Technologie, die Verbrauchs- und Emissionswerte purzeln lässt...“
Weder reicht es bei den neuen Opel-Transportern Vivaro und Movano, noch bei den baugleichen Renault Trafic und Master für die kommende, recht ambitionierte Schadstoffnorm. Auch die Transit-Familie von Ford sowie der neu gestylte Fiat Ducato mit seinen baugleichen Konkurrenten Citroën Jumper und Peugeot Boxer nutzen Übergangsfristen im Paragraphen-Dschungel. Denn weiterhin bleibt es möglich, eine Zulassung nach Euro5b+ zu bekommen. Abhängig von Tonnage und Typzulassung kann sich der endgültige Wechsel auf Euro6 hinziehen – 2015 bzw. 2016.
Lange Wartungsintervalle
Für den Handwerksbetrieb wird ein Lieferwagen oder Transporter nutzlos, wenn ein Service in der Autowerkstatt ansteht. Deshalb bedeutet es für die Hersteller eine erhebliche Errungenschaft bei der Zuverlässigkeit und es bietet sich ein weiteres Verkaufsargument, wenn ein Nutzfahrzeug eine jährliche Laufleistung von 40000 km erreichen kann und erst dann zur Wartung muss. Alternativ lässt sich bei modernen Fahrzeugen mit wenig Bewegung anbieten, dass sie lediglich alle zwei Jahre zum Check in die Werkstatt müssen.
Vor diesem Hintergrund wird deutlich: Wer als Marke möglichst kostengünstige Aspekte in den Vordergrund stellt, kann in der Euro6-Norm keine Vorteile erkennen. Denn erstens verteuert die Abgastechnologie das Fahrzeug, zweitens wird die Motorentechnik noch aufwendiger als sie ohnehin schon ist und drittens verlangt der SCR-Katalysator, dass Harnstoff nachgefüllt wird. Letzteres will man aber nicht dem Nutzer überlassen, sondern mit einem jährlichen Werkstattbesuch kombinieren. Dies sorgt für ein Dilemma: Das erwünschte Plus an Umsatz für das Kfz-Handwerk sowie die Ausfallzeit des Fahrzeugs passen nicht zur Hersteller-Strategie einer konsequenten Kostenminimierung. Das mag zumindest in Teilen erklären, warum sich etliche Marken Vorteile davon versprechen, wenn sie noch möglichst viele Fahrzeuge mit Euro5 unter Ausnutzung von Übergangsfristen auf die Straße bringen. Kurzum, das Motto könnte momentan heißen: Umwelttechnik ja, darf aber dem Kommerz nicht im Weg stehen.
Marken und Aktivitäten
Citroën: Der Transporter Jumper hat zum Modelljahr 2015 ein Facelift erhalten und Motoren, die etwas günstiger im Verbrauch sind. Verfügbare Start-/Stopp-Technik soll eine weitere Ersparnis bringen. Welche Verbesserungen bei den kleineren Nutzfahrzeugen Jumpy und Berlingo kommen, wird die Nutzfahrzeugmesse in Hannover zeigen.
Fiat: Der Transporter Ducato (baugleich mit Citroën Jumper und Peugeot Boxer) bekommt für das Modelljahr 2015 ein Facelift und Motoren, die etwas günstiger im Verbrauch sind. Auch hier gilt: Verfügbare Start-/Stopp-Technik soll eine weitere Ersparnis bringen. Welche Verbesserungen bei den kleineren Scudo und Doblò kommen, wird die Nutzfahrzeugmesse in Hannover zeigen.
Ford: Vom kleinen Stadt-Lieferwagen Courier über den Lieferwagen Connect sowie den Transit Custom (2,8-Tonner) bis hin zum neuen „großen“ Transit – die Nutzfahrzeugflotte im ähnlich gestalteten Outfit hat sich im Lauf der letzten beiden Jahre komplettiert. Der Transit mit seinem Schwerpunkt als 3,5-Tonner steht auch bereits als Kastenwagen bei den Händlern und wird im Lauf des Jahres um weitere Versionen ergänzt – als komplett neu entwickelte Baureihe mit Front-, Heck- oder Allradantrieb sowie in vier Karosserie-Versionen.
Iveco: Rechtzeitig für das Modelljahr 2015 fährt der Daily in neuer Generation vor. Sechs verschiedene zulässige Gesamtgewichte zwischen 3,3 und 7 Tonnen bzw. Nutzlasten bis zu 4,7 Tonnen (inklusive Fahrer) sind im Angebot. Die Volumina der jeweiligen Kastenwagen sind optimiert, um den Betrieb noch effizienter zu machen. Dazu tragen nicht zuletzt acht Motoren bei, die entsprechend Euro6 bzw. Euro5b+ zugelassen sind. Es bleibt bei Varianten für Diesel bzw. Erdgas.
Mercedes-Benz: Während der Mercedes Sprinter mit seinen etwa 1000 möglichen Varianten bereits seit Herbst 2013 technisch auf der Höhe der Zeit ist, rollt der Kompakt-Transporter Vito momentan noch mit vertrauter Karosse. Die Premiere der nächsten Generation ist aber bereits angekündigt und wird vermutlich zum Jahresende bei den Händlern sein. Der Stadt-Lieferwagen Citan hat in seiner Vielfalt zugelegt und ist jetzt auch in einer siebensitzigen Lang-Version zu bekommen.
Nissan: Bislang haben der 3,5-Tonner NV400 sowie der kompakte Transporter Primastar das an Technik übernehmen können, was bereits durch die Projektarbeit von Renault und Opel entwickelt wurde. Ob die Zeit für Neuvorstellungen bereits auf der Nutzfahrzeugmesse im Herbst gekommen ist, bleibt abzuwarten. Die Eigenentwicklung, der Lieferwagen NV200, bleibt weiter im Angebot und ist erst kürzlich mit seiner Elektro-Variante in die Serienproduktion gestartet.
Opel: Der neue Kompakt-Transporter Vivaro (baugleich mit Renault Trafic) hat mehr als ein Facelift erhalten. Nicht nur der Frachtraum in zwei Längen wurde optimiert, sondern auch vier neue Euro5-Motoren können für einen reduzierten Verbrauch sorgen. Für den Movano mit aufgefrischter Front stehen gleich fünf optimierte Diesel bereit (Euro5), die den Front- oder Hecktriebler mit bewährten Frachtraumgrößen noch wirtschaftlicher machen sollen. Als Lieferwagen bleibt es beim Combo, der je nach Variante mit Diesel, Benzin oder Erdgas angetrieben wird.
Peugeot: Der Transporter Boxer hat zum Modelljahr 2015 ein Facelift erhalten und Motoren, die etwas günstiger im Verbrauch sind. Verfügbare Start-/Stopp-Technik soll eine weitere Ersparnis bringen. Welche Verbesserungen bei den kleineren Nutzfahrzeugen Expert sowie Partner kommen, wird die Nutzfahrzeugmesse in Hannover zeigen.
Renault: Der kompakte Transporter Trafic (baugleich mit Opel Vivaro) hat jetzt keinen Buckel mehr über der Fahrerkabine und eine neue Front bekommen. Nicht nur der Frachtraum in zwei Längen wurde optimiert, sondern auch vier neue Euro5-Motoren können für einen reduzierten Verbrauch sorgen. Für den Renault Master mit aufgefrischter Front stehen gleich fünf optimierte Diesel bereit (Euro5), die den Front- oder Hecktriebler mit bewährten Frachtraumgrößen noch wirtschaftlicher machen sollen. Als Lieferwagen bleibt es beim variantenreichen Kangoo in drei Längen.
Volkswagen: Noch stammen VW Crafter und Mercedes Sprinter in ihren verschiedensten Varianten aus gemeinsamer Produktion, denn bis auf Front und Antrieb sind die beiden Transporter stark bauähnlich. Ab 2016 wird VW jedoch seinen 3,5-Tonner nach eigenem Konzept und in einem neuen Werk herstellen. Für 2015 wird die nächste Generation des VW-Transporters erwartet (T6), der zwar kantiger aussieht, aber weitestgehend auf dem Konzept des T5 basieren soll. Verbesserte Energiespartechnik (BlueMotion) haben in diesem Jahr die Verbrauchswerte beim T5 und beim Stadtlieferwagen Caddy nochmals senken können.