In dieser Kolumne gibt das SBZ-Expertenteam Lebenshilfe zu rechtlichen Fragen und Problemen der täglichen Praxis. Dr. jur. Hans-Michael Dimanski, Falk Kalkbrenner und Veit Schermaul (v. l.) stellen aktuelle Urteile vor und vermitteln Handlungstipps.
Innungsmitglieder erhalten über ihre Verbandsorganisation viele wichtige Formulare und Musterschreiben, die für den korrekten rechtlichen Schriftverkehr notwendig sind.
Wenn Sie Fragen oder Anregungen für die Behandlung von baurechtlichen Themen in der SBZ haben, wenden Sie sich bitte an
Dr. Dimanski & Partner
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Grundsätze zur Unverhältnismäßigkeit der Mängelbeseitigung
Sachverhalt
Wenn Mängel auftreten, stellen sich nach der Frage der Ursachen und der Verantwortlichkeit sogleich die Fragen des Aufwandes zur Beseitigung des Mangels im Falle der Haftung. In begrenztem Rahmen kann der Auftragnehmer die Mangelbeseitigung wegen unangemessen hoher Kosten verweigern. Dazu gibt es in der Rechtsprechung ebenso viele wie differenzierte Aussagen. Ein wesentlicher Ansatzpunkt ist die Gesamtabwägung der Umstände und die Frage des Verhältnisses der Gesamtleistung und den Mangelbeseitigungskosten und gegebenenfalls auch der Sinnhaftigkeit bzw. Wertigkeit der Mangelbeseitigung.
Urteil
Ein Bauhandwerker kann die Beseitigung eines Werkmangels verweigern, wenn dies mit unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden ist. Bei der Beurteilung der Frage, ob der Unternehmer zu Recht den Einwand des unverhältnismäßig hohen Mängelbeseitigungsaufwands erhoben hat, ist der Grad des Verschuldens des Unternehmers an der Entstehung des Mangels in die Gesamtabwägung einzubeziehen. Der Bundesgerichtshof stellt in diesem Zusammenhang jedoch klar, dass allein der Umstand, dass der Unternehmer den Mangel vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat, es nicht rechtfertigt, ohne eine solche Gesamtabwägung dem Unternehmer diesen Einwand zu verweigern. Ist jedoch die Funktionsfähigkeit des Werks spürbar beeinträchtigt, so kann die Nachbesserung in der Regel nicht wegen der hohen Kosten verweigert werden (BGH vom 16.04.2009 – Az. VII ZR 177/07).
Praxistipp
Bei der Beurteilung der Chancen einer Verweigerung der Mangelbeseitigung wegen zu hoher Kosten stehen die betriebsindividuellen Interessen und Ansichten des Auftragnehmers zunächst nicht im Vordergrund. Es kommt regelmäßig durch die dann letztlich entscheidenden Gerichte zur Abwägung der jeweiligen Interessen der Vertragspartner. Das Interesse und der Anspruch des Auftraggebers an einer mangelfreien Leistung bildet das Schwergewicht. Stehen diese Interessen allerdings in einem Missverhältnis zu dem zur Erreichung dieses Zieles zu betreibenden Aufwandes, wird der Auftragnehmer das Argument der zu hohen Kosten erfolgreich führen können. Im Falle von Mangelrügen sollte in jedem Fall zunächst nach praktikablen Lösungen gesucht werden.
Auseinanderfallen von Kostenvoranschlag und Abrechnungsergebnis
Sachverhalt
Die Diskrepanz zwischen Angebotsbetrag und Abrechnung ist bei Bauvorhaben allgegenwärtig. Der zunächst vorgelegte Kostenvoranschlag beinhaltete Leistungen über 22400 Euro. Wie in der Praxis ebenfalls häufig zu beobachten, hoffen Auftraggeber, das etwaige Zusatzleistungen nicht abgerechnet werden. Es gibt aber keine Schenkungsvermutung im deutschen Baurecht, wie ein Richter einmal formulierte. Nach Ausführung der Arbeiten legte der Auftragnehmer Schlussrechnung über 27100 Euro. Der Bauherr bezahlte auf diese Rechnung nur den Angebotspreis. Die Restwerklohnsumme wurde vom Auftragnehmer erfolgreich eingeklagt.
Urteil
Überschreitet die Schlussrechnung des Bauunternehmers den Kostenvoranschlag um ca. 10 %, berechtigt dies den Bauherrn nicht zur Kürzung der Rechnung. Das Landgericht Coburg gab dem Auftragnehmer weitgehend recht. In der Schlussrechnung waren auch Arbeiten im Wert von 2300 Euro abgerechnet, die im Angebot nicht enthalten waren. Sie beruhten auf Zusatzaufträgen des Auftragebers. Bei der Frage, ob eine wesentliche Überschreitung des Kostenvoranschlags vorlag, die einen Schadenersatzanspruch des Bauherrn hätte begründen können, mussten diese zusätzlichen Arbeiten unberücksichtigt bleiben. Die maßgebliche Preiserhöhung belief sich damit auf 2400 Euro oder rund 10 %. Darin sah das Gericht noch keine wesentliche Überschreitung. Es kürzte den Klagebetrag lediglich geringfügig, weil ein Teil der in Rechnung gestellten Stunden nicht nachgewiesen war (LG Coburg, 12 O 81/09).
Praxistipp
Grundsätzlich kann der Auftraggeber erwarten, dass er mit dem Kostenangebot eine kalkulierbare und verlässliche Grundlage für seine Kostendisposition erhält. Angebote ins Blaue bringen den Auftragnehmer in Schwierigkeiten, was die Realisierung der dann höheren Rechnungen angeht. Bei der Abweichung vom Angebot ist der Auftragnehmer gehalten, dem Auftraggeber die Auswirkungen dieser Änderungen oder Zusätze deutlich zu machen. Das geschieht vernünftigerweise in schriftlichen Nachtragsangeboten, aus denen klar die Abweichung vom Ursprungsangebot und der Vergütungsmehranspruch hervorgehen.
Einbehalt von Restwerklohn wegen Mängeln
Sachverhalt
Klar ist, dass der Auftragnehmer sein Werk mangelfrei zu errichten hat. Nach Fertigstellung von Leistungen dienen Mangelanzeigen aber häufig dem Zweck, den Restwerklohn des Auftragnehmers zu reduzieren. Das Problem besteht darin, dass der Unternehmer seinem Lohn hinterherprozessieren muss und dann auch noch erhebliche Darlegungs- und Beweislasten aufgebürdet bekommt. Er muss sich mit der Unsitte auseinandersetzen, dass für möglicherweise kleine und wertmäßig unbedeutende Mängel erhebliche Abzüge vorgenommen werden.
Urteil
Es ist grundsätzlich Sache des Unternehmers darzulegen, dass ein vom Besteller einbehaltener Betrag unverhältnismäßig und deshalb unbillig hoch ist. Die Richter des BGH bestätigten zunächst den hinlänglich bekannten Grundsatz, dass der Auftraggeber Werklohn wegen angeblicher Mängel zurückhalten, also seine Leistung verweigern könne. Dabei sei sein Leistungsverweigerungsrecht nicht auf einen dem noch ausstehenden Teil der geschuldeten Gegenleistung entsprechenden Betrag beschränkt. Nach der zum Urteilzeitpunkt bestehenden Rechtslage konnte grundsätzlich das Dreifache der Kosten, die für die Beseitigung der Mängel erforderlich seien, zurückbehalten werden. (Nach dem Forderungssicherungsgesetz ist dies für Verträge ab dem 1. Januar 2009 nur noch das Zweifache.) Das Gericht führte aus, dass es Sache des Unternehmers sei, zu belegen, dass der einbehaltene Betrag unbillig hoch sei. Nicht der Besteller, sondern der Unternehmer müsse dementsprechend die Höhe der Kosten der Mängelbeseitigung darlegen und beweisen. Wichtig: § 17 Nr. 8 VOB/B steht dem Leistungsverweigerungsrecht nicht entgegen. Danach hat der Auftraggeber eine nicht verwertete Sicherheit spätestens nach Ablauf der Verjährungsfrist für die Gewährleistung zurückzugeben. Soweit jedoch zu dieser Zeit seine Ansprüche noch nicht erfüllt sind, darf er einen entsprechenden Teil der Sicherheit zurückhalten, wenn er die Mängel, auf die er sein Leistungsverweigerungsrecht stützt, in unverjährter Zeit gerügt hat (BGH, VII ZR 125/06).
Praxistipp
Werden Mängel vorgetragen, sollte der Auftragnehmer fach- und sachkundig und für den (meistens) fachunkundigen Auftraggeber umgehend und nachvollziehbar die Nachbesserungskosten erfassen, wenn vom Auftraggeber Abzüge angedroht werden. Mit Hinweis auf die Rechtsprechung kann dann möglicherweise eine Relativierung der Abzüge erfolgen, indem der Auftragnehmer dem Auftraggeber den Rahmen für etwaige Abzugsmöglichkeiten vorgibt. Sachdienlicher ist allerdings die eigenverantwortliche schnelle Klärung des eigentlichen Mangelproblems, wenn es denn eins gibt.