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SBZ-Serie: Das aktuelle Problem

Sicherheits­einbehalte gehören aufs Sperrkonto

Inhalt

Häufig wird vom Auftraggeber ein vertraglich vereinbarter Einbehalt von den Abschlagsrechnungen bzw. der Schlussrechnung abgezogen. Der Umgang mit diesen Einbehalten erfolgt in der Praxis mehrheitlich fehlerhaft. In einem aktuellen Urteil hat sich deshalb wieder einmal ein Oberlandesgericht mit dieser Frage beschäftigt und ein für die Bauwirtschaft bedeutsames Urteil erlassen.

Das Urteil lautet im Leitsatz:

Der Vorstand eines insolventen Bauunternehmens haftet persönlich für den vertragswidrig nicht auf ein Sperrkonto einbezahlten Gewährleistungseinbehalt (OLG Jena, Urteil vom 20.5.2009 – 4 U 73/08, noch nicht rechtskräftig). Die persönliche Haftung des Vorstandes sah das Gericht als gegeben an, weil entgegen der Vertragsvereinbarung der Sicherheitseinbehalt nicht auf ein Sperrkonto einzahlt wurde. Dieses Urteil ist für die Auftraggeber ein Signal, durch korrekten Umgang mit Sicherheitseinbehalten eine persönliche Haftung auszuschließen. Für Auftragnehmer bietet diese Entscheidung einen Ansatz, im Falle einer Insolvenz des Auftraggebers, über die persönliche Inanspruchnahme der verantwortlich Handelnden nachzudenken und sich den Sicherheitseinbehalt wenn schon nicht von dem insolventen Vertragspartner, so doch von den persönlich Verantwortlichen zu holen.

Voraussetzungen für den ­Sicherheitseinbehalt

Nach Beendigung der Arbeiten und Erstellung der Schlussrechnung zieht der Auftraggeber häufig einen Sicherheitseinbehalt in Höhe von 5 % von der Schlussrechnungssumme ab und zwar mit dem Argument, dass dies in der Baubranche üblich sei und schließlich die VOB/B vereinbart wurde. Die Berechtigung zum Abzug eines Sicherheitseinbehaltes von der Schlussrechnung kann nur dann entstehen, wenn es eine vertragliche Vereinbarung zwischen den Bauvertragsparteien über den Abzug eines Sicherheitseinbehaltes gibt. Eine Üblichkeit oder entsprechende Verkehrssitte, die zum Abzug eines Sicherheitseinbehaltes berechtigen würde, existiert nicht. Es ist auch ein Irrglaube, dass allein aufgrund der Einbeziehung der VOB/B in den Vertrag ein Recht zum Sicherheitseinbehalt bestehen würde. Zwar trägt der § 17 der VOB/B die Überschrift „Sicherheitsleistung“, aber ein Rechtsanspruch ergibt sich daraus noch nicht. Er beginnt nämlich mit den Worten: „Wenn Sicherheit vereinbart ist...“. Eine konkrete vertragliche Vereinbarung ist also nötig. Insofern ist die Einbeziehung der VOB/B in den Vertrag keine Begründung für den Abzug einer Sicherheitsleistung, sondern allenfalls die Grundlage für die Regelung der Modalitäten, wenn eine Sicherheitsvereinbarung zwischen den Parteien getroffen worden ist. Auch öffentliche Auftraggeber sind zuweilen der fehlerhaften Auffassung, sie seien wegen der zwingenden Anwendung der VOB/A und VOB/B in jedem Fall zum Abzug einer Sicherheitsleistung berechtigt. Es existiert also weder bei der privaten noch bei der öffentlichen Vergabe von Bauaufträgen ein Automatismus hinsichtlich von Sicherheitsleistungen.

Arten der Sicherheitsleistung

Grundsätzlich können die Vertragspartner in dem Bauvertrag die Art der Sicherheitsleistung festlegen. Sofern es keine ausdrückliche vertragliche Regelung zur Art der Sicherheitsleistung gibt, bietet der § 17 Nr. 2 VOB/B drei unterschiedliche Arten zur Auswahl der Sicherheitsleistung an. Das sind:

1. der Einbehalt von Zahlungen

2. die Hinterlegung von Geld und

3. die Bürgschaft.

Sofern die vertragliche Vereinbarung zur Sicherheitsleistung keine bestimmte Art vorschreibt, hat der Auftragnehmer das Wahlrecht (§ 17 Nr. 3 VOB/B). In der übergroßen Mehrheit der Fälle wird der Auftraggeber den Sicherheitseinbehalt in Form eines Abzugs von der Schlussrechnung vornehmen. Das einbehaltene Geld ist, juristisch gesehen, noch nicht fälliger Werklohn, der quasi wie Fremdgeld zu behandeln ist. Diese Vorgabe hat das OLG Jena dann auch veranlasst, eine persönliche Haftung des Vorstandes des Bauunternehmens anzunehmen. Die Geschäftsleitung trifft eine Vermögensbetreuungspflicht. Wenn sie diese verletzt, begeht sie eine Straftat und kann dann aus § 823 Abs. 2 BGB persönlich zivilrechtlich in Haftung genommen werden. Der einbehaltene Betrag darf nicht auf dem Konto des Auftraggebers verbleiben und schon gar nicht, in den Finanzkreislauf des Auftraggebers mit einfließen. Die Eigenverwendung von Sicherheitseinbehalten kann eine strafrechtliche Untreue darstellen, so urteilte auch das OLG München bereits im Jahr 2006. Die Verpflichtung des Auftraggebers, den zur Absicherung eventueller Gewährleistungsansprüche einbehaltenen Restwerklohn auf ein Sperrkonto einzuzahlen, stellt jedenfalls bei Geltung der VOB/B eine qualifizierte Vermögensbetreuungspflicht gegenüber dem Werkunternehmer dar. Unterlässt der Auftraggeber die Einzahlung auf ein Sperrkonto und kann er den Restwerklohn infolge eigener Insolvenz nicht mehr auszahlen, so kann dies Untreue nach dem Treuebruch-Tatbestand sein (OLG München Urteil vom 23.2.2006 – 2 Ws 22/06). Die Vorgaben in der VOB/B sind eindeutig: Das Geld ist vom Auftraggeber auf ein gemeinsames Und-Sperrkonto einzuzahlen (§ 17 Nr. 5 VOB/B). Für diese Handlung ist dem Auftraggeber – was in der Praxis entweder nicht bekannt ist oder nicht beachtet wird – eine Frist von 18 Werktagen gesetzt.

Das Und-Sperrkonto

Im Sinne der VOB/B anerkannt ist ein Sperrkonto dann, wenn der Auftraggeber über dieses Konto nicht allein verfügen kann. Es muss sich also um ein so genanntes Und-Konto handeln, über das sowohl Auftraggeber als auch Auftragnehmer nur gemeinsam verfügen können. Erfüllt sind die Anforderungen an eine Sicherheitsleistung nur, wenn es sich um ein sogenanntes Und-Konto handelt und auf dieses innerhalb von 18 Werktagen der Sicherheitseinbehalt eingezahlt worden ist und schließlich die kontoführende Bank durch den Auftraggeber veranlasst wurde, den Auftragnehmer über die Einrichtung und die Einzahlung des vereinbarten Betrages zu unterrichten (siehe VOB/B § 17).

In der überwiegenden Mehrheit der Praxisfälle werden weder die Und-Sperrkonten eingerichtet, noch innerhalb der vorgeschriebenen 18 Werktage die Einbehalte eingezahlt. An der Einrichtung des Und-Kontos muss der Auftragnehmer mitwirken bzw. muss er seine Bereitschaft zur Mitwirkung bekannt geben. Dazu ist der Auftragnehmer bereits aus der VOB/B heraus verpflichtet. Deshalb könnte der Unternehmer den Auftraggeber zunächst auffordern, innerhalb der Frist die Einrichtung eines Und-Kontos unterschriftenreif vorzubereiten. Würde der Auftraggeber nach Kontoeröffnung den Sicherheitseinbehalt dennoch nicht einzahlen, so bedürfte es einer weiteren Nachfristsetzung, um die im nächsten Absatz beschriebenen Rechtswirkungen des § 17 Nr. 6 Abs. 3 zu erreichen. Es empfiehlt sich daher, dem Auftraggeber innerhalb der Nachfristsetzung des § 17 Nr. 6 Abs. 3 Satz 1 VOB/B zwei Fristen zu setzen und zwar eine zur Vorbereitung der Kontoeröffnung und eine andere zur Einzahlung des Sicherheitseinbehaltes (Musterschreiben 1. Nachfristsetzung für die Einzahlung eines Sicherheitseinbehalts).

Rechtsfolgen der Nichteinzahlung

Wird der Sicherheitsbetrag nicht fristgerecht auf das Und-Konto eingezahlt, kann der Auftragnehmer dem Auftraggeber eine angemessene Nachfrist setzen. Angemessen ist hier sicherlich eine kurze Nachfrist von ca. einer Woche, weil der Auftraggeber bereits die in der VOB/B vorgesehenen 18 Werktage Zeit hatte. Eine entsprechende Form ist für die Nachfristsetzung nicht zwingend vorgegeben, allerdings ist in jedem Falle zur Schriftform aus Beweiszwecken zu raten. Verstreicht nun die gesetzte Nachfrist erfolglos, dann kann der Auftragnehmer seinen Anspruch auf Auszahlung ohne weitere Sicherheitsleistung geltend machen und zusätzlich Verzugszinsen verlangen (Musterschreiben 2. Auszahlung des Einbehalts). Darüber hinaus kann der Auftragnehmer die Arbeiten einstellen, sofern er dies in seinem Schreiben zur Nachfristsetzung angekündigt hat. Alternativ steht dem Auftragnehmer das Kündigungsrecht des Bauvertrages zu, wenn er in seinem Schreiben zur Nachfristsetzung eine Kündigungsandrohung an den ergebnislosen Ablauf der Frist gekoppelt hatte.

Ablösung des Einbehalts durch Bürgschaft

Dem Auftragnehmer ist es überlassen, ob er den vorgenommenen Einbehalt durch eine Bürgschaft ablöst. Die Bürgschaft hat sich als taugliches Sicherungsmittel deshalb durchgesetzt, weil der Auftragnehmer, dem bekanntlich das Wahlrecht zwischen den unterschiedlichen Sicherheitsarten zusteht, von vornherein entweder mit seiner Hausbank oder über die Fachverbände des Handwerks kostengünstig an Sicherheitsbürgschaften von tauglichen Bürgen herankommt. Durch die Übermittlung der Bürgschaft geht der Unternehmer etwaigen Streitigkeiten über die Einzahlung des Sicherheitsbetrages aus dem Weg und schafft so die Voraussetzun­gen für schnelle Liquidität. Wer als Bürge ­akzeptiert werden muss, steht im § 17 Nr. 2 VOB/B.

Taugliche Bürgen

Als Bürge kommt nur ein in den Europäi­schen Gemeinschaften zugelassenes Kredi­institut oder ein Kreditversicherer in Betracht. Welches Kreditinstitut oder welchen Kreditversicherer der Auftragnehmer als Bürgen auswählt, bleibt ihm überlassen. Andere Bürgen kommen auch in Frage, wenn Sie vom Auftraggeber akzeptiert werden. Für die Form der Bürgschaft ist die Schriftform vorgeschrieben. Die Übermittlung eines Telefaxes beispielsweise als Kopie der Bürgschaft reicht hier nicht aus. Vorzulegen hat der Auftragnehmer eine Originalbürgschaft mit Originalunterschriften.

Zum Inhalt der Bürgschaft enthält der § 17 Nr. 4 die entsprechenden Vorgaben. Es muss sich um eine selbstschuldnerische Bürgschaft handeln, die unter Verzicht auf die Einrede der Vorausklage abgegeben ist. Diese darf nicht begrenzt sein und muss den Vorgaben des Auftraggebers entsprechen. Der Grund dafür, dass eine Bürgschaft nicht auf bestimmte Zeit begrenzt sein darf, liegt darin, dass in verschiedener Weise die Verjährung von Gewährleistungsansprüchen unterbrochen oder gehemmt werden kann. Immerhin ist bei Zugrundeliegen der VOB/B schon durch schriftliche Mängelanzeige gemäß § 13 Nr. 5 Abs. 1 Satz 1 VOB/B eine Hemmung bzw. eine Unterbrechung der Gewährleistungsverjährung gegeben. Ferner ist eine Bürgschaft nur dann wirksam, wenn die Hauptschuld hinreichend bezeichnet ist.

Dem Auftragnehmer steht das Recht zu, die Sicherheiten nach Belieben auszutauschen. In jedem Fall hat der Auftraggeber einen Sicherheitseinbehalt auszuzahlen, wenn er eine Bürgschaft erhalten hat. Der Auftraggeber hat eine nicht verwertete Sicherheit für Mängelansprüche nach Ablauf von bereits zwei Jahren zurückzugeben, sofern kein anderer Rückgabezeitpunkt vereinbart worden ist (§ 17 Nr. 8 Abs. 2, Satz 1). Eine Abweichung von dieser Rechtslage sieht die VOB/B nur dann vor, wenn eine konkrete Vereinbarung zur Frist der Sicherheitsleistung im Vertrag enthalten ist bzw. innerhalb der Verjährungsfrist, aber noch vor Rückgabeverlangen des Auftragnehmers, Mängelrechte geltend gemacht und noch nicht erfüllt sind. Für diesen Fall darf der Auftraggeber einen entsprechenden Teil der Sicherheit zurückbehalten.

Fazit

Es gibt keinen Automatismus bei der Vereinbarung von Sicherheitsleistungen. Diese müssen vertraglich in jedem Falle zwischen den Parteien vereinbart sein. Die Auftragnehmerseite sollte spätestens nach 18 Tagen der Mitteilung über die Vornahme des Einbehaltes die Auftraggeberseite auffordern, ein sogenanntes Und-Sperrkonto einzurichten und dort den Sicherheitseinbehalt einzuzahlen. Der Auftragnehmer muss an der Einrichtung eines Und-Sperrkontos mitwirken. Der Auftragnehmer hat die Wahl zwischen den Arten der Sicherheitsleistung. Er kann beliebig oft eine Sicherheitsleistung durch eine andere Art ersetzen bzw. austauschen. Zwei Jahre nach Abnahme hat der Auftragnehmer das Recht, sofern im Vertrag nichts anderes vereinbart ist und bis zu diesem Zeitpunkt keine Mängelrechte geltend gemacht wurden, Gewährleistungssicherheiten zurück zu verlangen.

Neue SBZ-Serie

In jeder zweiten SBZ-Ausgabe wird das SBZ-Autorenteam der SBZ-Serie „Das aktuelle Problem“ Lebenshilfe zu einem ­aktuellen Problem der täglichen Praxis geben.

Dr. jur. Hans-Michael Dimanski, Falk Kalkbrenner und Veit Schermaul sind Rechtsanwälte der in Magdeburg ansässigen Anwaltskanzlei Dr. Dimanski & Partner und täglich mit Problemen von SHK-Handwerksunternehmen konfrontiert.

Extras

Folgende Musterschreiben gibt es zum Down­loaden unter http://www.sbz-online.de/­aktuell/extras zum Heft:

Nachfristsetzung zur Einzahlung des Sicherheitseinbehalts

Auszahlung des Sicherheits­einbehalts

Weitere Musterschreiben finden Sie auch auf den Seiten Ihrer Berufsorganisation.

Checkliste

Was es in puncto Sicherheitseinbehalt zu beachten gibt!

Ist im Vertrag der Abzug einer Sicherheitsleistung vorgesehen?

Hat der Auftraggeber die Sicherheitsleistung abgezogen?

Sind die vorgesehenen 18 Werktage zur Einzahlung auf ein Und-Sperrkonto verstrichen?

Ist eine Nachfrist zur Einzahlung durch den Auftragnehmer gesetzt worden?

Ist die gesetzte Nachfrist erfolglos verstrichen?

Ist die Herausgabe des Einbehalts verlangt worden?

Ist im Vertrag eine ausdrückliche Laufzeit für die Sicherheitsleistung vorgesehen?

Sind – bei nicht ausdrücklich formulierter Laufzeit – zwei Jahre nach der Abnahme vergangen?

Liegen seit der Abnahme (innerhalb des Zwei-Jahreszeitraumes) Mängelanzeigen vor?

Ratgeber Recht

Noch Fragen?

Das Autorenteam dieser ständigen SBZ-Kolumne Dr. jur. Hans-Michael ­Dimanski, Falk Kalkbrenner und Veit Schermaul (v. l.) sind Rechtsanwälte der in Magdeburg ansässigen Anwaltskanzlei Dr. Dimanski & Partner. Der Kanzleischwerpunkt liegt in der Betreuung von SHK-Firmen.

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