Mit Infrarotkameras sieht man mehr. Doch man muss erst lernen, Fehler bei der Thermografieaufnahme zu vermeiden, die Wärmebilder richtig zu deuten, zu interpretieren und daraus die passenden Schlüsse zu ziehen. Thermografieschulungen vermitteln die dafür notwendigen Grundlagenkenntnisse, aber auch Praxis- und Spezialwissen. Über optionale Zertifizierungskurse können die Teilnehmer darüber hinaus ihre fachliche Qualifikation gegenüber Auftraggebern oder Versicherungen in Form von Zertifikaten nachweisen. Viele Kurse werden auch für die Aus- und Weiterbildung beispielsweise von Energieberatern angerechnet.
Welche Schulungen werden angeboten?
In der Regel ein-, teilweise auch zweitägige Grundlagenkurse vermitteln Thermografie-Basiswissen aus den Bereichen Wärmestrahlung, Wärmeleitung, Messtechnik, Materialkunde oder Bauphysik, Know-how zur Bedienung von Wärmebildkameras, zur Anwendung von Auswertungsprogrammen, zur Interpretation von Wärmebildern sowie zur Erstellung von Thermografieberichten. Vier- bis fünftägige Zertifizierungskurse zur Thermografie bieten die Möglichkeit, sich gemäß den Normen DIN EN ISO 9712 oder ISO 18 436-7, jeweils in den Stufen 1, 2 oder 3 zertifizieren zu lassen. Dadurch können sich die Teilnehmer gegenüber Auftraggebern oder Versicherern als professionelle Thermografen ausweisen.
Schulungen zur Differenzdruck-Thermografie vermitteln Basis- und Expertenwissen zur Luftdichtheitsmessung nach DIN EN 13 829 (ISO 9972) und DIN 4108-7. Zu den Inhalten zählen gesetzliche Vorgaben nach EnEV bzw. EAVG, die Bestimmung des Gebäudevolumens, die Theorie zur Leckageprüfung und zum Dichtheitsnachweis, den Aufbau der Messvorrichtung und die praktische Durchführung einer Messung inklusive Leckagesuche. Tipps zum Abdichten von Gebäuden, zu typischen Fehlern und deren Vermeidung sowie die Bewertung und Einstufung der Leckagen und die Berichterstellung runden den ein- oder mehrtätigen Kurs mit oder ohne anschließende Zertifizierung ab.
In der Regel vermitteln eintägige Photovoltaik-Thermografiekurse das notwendige theoretische und praktische Wissen zur Erkennung und Bewertung typischer Fehler an PV-Modulen. Anhand praktischer Übungen und eines Musterkatalogs wird den Teilnehmern gezeigt, welche Modulfehler welche Farbmuster im Wärmebild erzeugen, wie man diese bewertet und beseitigt. Mit diesem Fehlersuchverfahren entfällt das aufwendige Abklemmen von Modulen. Errichter können damit die korrekte Funktion der Anlage nachweisen, Betreiber und Wartungsfirmen können Fehler frühzeitig erkennen, Garantieansprüche durchsetzen und Erträge optimieren.
Zusätzlich offerieren einige Anbieter auch spezielle Fachseminare, z. B. ITC, Testo oder Trotec zur Bauthermografie oder InfraTec zur Aktiv-Thermografie. Das ist eine zerstörungsfreie Prüfung in der Gebäudediagnostik, bei der Bauteile zuvor thermisch angeregt werden. Teilweise werden auch Schulungen für die Drohnen-, Industrieanlagen- oder Elektrothermografie offeriert.
Speziell auf den SHK-Bereich zugeschnittene Schulungsangebote gibt es derzeit nicht. Die Preise für die jeweiligen Schulungskurse liegen zwischen 350 Euro für eintägige Einführungskurse und etwa 2500 Euro (jeweils netto) für fünftägige Zertifizierungskurse. Im Preis enthalten ist in der Regel auch die Verpflegung. Etwas teurer sind individuell zugeschnittene Schulungen vor Ort im eigenen Unternehmen. Hier sollte man beim jeweiligen Anbieter nachfragen und ein Angebot einholen.
Zertifizierung und Rezertifizierung
Die Bezeichnung Thermograf ist nicht geschützt und sagt nichts über die Qualifikation aus. Deshalb sind Zertifizierungen sinnvoll, weil Thermografie-Dienstleister damit ihre Fachkompetenzen gegenüber Auftraggebern oder Versicherern nachweisen können. Teilweise werden von Schulungsfirmen zwei Zertifizierungsverfahren angeboten, die DIN EN ISO 9712 oder die ISO 18 436-7. Die Unterschiede liegen beispielsweise in den Schulungsinhalten und den Voraussetzungen, wobei die DIN EN ISO 9712 in Deutschland und in Europa, die ISO 18 436-7 eher in englischsprachigen Ländern und weltweit verbreitet ist. Beide Regelwerke verfügen über drei Qualifizierungsstufen respektive Kategorien, wobei 3 die höchste Stufe/Kategorie ist.
In der Stufe 1 bzw. Kategorie 1 erlernen die Teilnehmer theoretische Grundlagen und Prinzipien der Infrarot-Messtechnik, eignen sich Wissen zur Verarbeitung und Analyse von Thermogrammen an, befassen sich mit praktischen Anwendungen und üben die Handhabung von Wärmebildkameras ein. Die Stufe/Kategorie 2 befähigt Absolventen, thermografische Untersuchungen selbstständig durchzuführen. Die DIN EN ISO 9712 bietet die Möglichkeit, ein Zertifikat zur Fachkraft für Thermografie Stufe 2 in den Sektoren Bau, Industrie, Elektro oder Aktive Thermografie zu erlangen. Mit der Zertifizierung der Stufe 3 weisen Absolventen ihre Fähigkeit nach, thermografische Prüfungen durchzuführen und zu leiten. Sie können Normen/Regelwerke auslegen, Verfahrensbeschreibungen verfassen, Prüfanweisungen erstellen und validieren, Prüfverfahren festlegen, Personal anleiten oder Verantwortung für eine Prüfeinrichtung übernehmen.
Jede Stufe/Kategorie schließt mit einer umfangreichen theoretischen und praktischen Prüfung ab und baut auf der darunterliegenden auf, wobei es für Meister, Techniker oder Ingenieure Sonderregelungen gibt. Selbstständig arbeitende Thermografen sollten mindestens über eine Zertifizierung in Stufe/Kategorie 2 verfügen. Sobald sämtliche Voraussetzungen vorliegen, wird das Zertifikat von anerkannten Zertifizierungsstellen ausgestellt. Es gilt maximal für fünf Jahre und kann danach über eine Rezertifizierung für weitere fünf Jahre erneuert werden (Kosten: ca. 250 Euro).
Organisation, Voraussetzungen und Ablauf
Vor allem mehrtägige Schulungen müssen in die eigenen Unternehmensabläufe terminlich integriert und deshalb geplant werden. Wer an einer bestimmten Schulung teilnehmen möchte, sollte rechtzeitig online buchen, denn manche Kurse sind schnell ausgebucht. Während auf Schulungen spezialisierte Anbieter über das ganze Jahr Termine offerieren, beschränken sich andere auf bestimmte Zeiten. Bei einer weiten Anreise ist eine Hin- und Rückfahrt am selben Tag nicht sinnvoll. Deshalb muss man zur aufzuwendenden Zeit und den Kosten mindestens einen Tag für die An-/Abreise und Übernachtung hinzuzählen. Der Veranstalter hält dafür in der Regel eine Liste von Hotels in der näheren Umgebung bereit, die für Schulungsteilnehmer Sonderkonditionen bieten.
Die Buchung und Abrechnung erfolgt in der Regel individuell durch den Schulungsteilnehmer. Geschult wird meist in unternehmenseigenen Räumen, angemietete Hotel-Seminarräume haben den Vorteil kurzer Wege. Findet die Schulung zu Wochenbeginn oder -ende statt, lässt sich Nützliches mit Angenehmem verbinden, etwa eine Wochenend-Stadtbesichtigung. Während Grundlagenkurse nichts voraussetzen, müssen Teilnehmer von Zertifizierungskursen Praxiserfahrungen und eine Sehfähigkeitsbescheinigung vorweisen (Nahsehfähigkeit, Farbsehvermögen).
Teilweise wird auch ein Notebook für praktische Übungen mit der Auswertungssoftware empfohlen. Ist eine eigene Thermografiekamera vorhanden, kann man diese in der Regel mitnehmen. Zu Veranstaltungsbeginn erhalten Teilnehmer ein detailliertes Tagesprogramm, Schulungsunterlagen und Schreibmaterial. Der Unterricht beginnt in der Regel gegen 9 Uhr mit Vorträgen und endet um 17 Uhr, unterbrochen durch kleine Pausen und eine Mittagspause.
Der Nachmittag ist häufig praktischen Übungen vorbehalten, wobei an Arbeitsplätzen mit ein bis zwei Teilnehmern Praxisaufgaben nach Anweisung eigenständig mit Anleitung und Hilfestellung durch die Dozenten absolviert werden. Zur Kontrolle des Lernfortschritts und zur Vorbereitung auf die Zertifizierungsprüfung werden regelmäßig Wissenstests und Wiederholungen angeboten. Grundlagenkurse werden meist von angestellten Lehrkräften geleitet, Fachseminare werden durch Experten aus der Industrie, Hochschulen, Behörden oder Dienstleistungsunternehmen ergänzt.
Darauf sollte man achten
Wer seine wertvolle Zeit und mehrere Hundert Euro in Schulungen investiert, sollte einen Anbieter seines Vertrauens wählen. Das kann ein IR-Kamera-Hersteller/-Anbieter oder ein Schulungsdienstleister sein. Der gewählte Kurs sollte zum eigenen Wissensstand passen und durch Praxisbezüge beruflich unmittelbar verwertbar sein. Während Grundlagenschulungen und Schulungen zur IR-Kamera- und Softwarebedienung meist allgemein gehalten werden und auch industrielle Anwendungen berücksichtigen, sollten Fachseminare detailliertes Know-how in der Bau-, Blower-Door- oder Photovoltaik-Thermografie vermitteln. Die Teilnehmerzahl sollte bei Gruppenschulungen auf etwa 20 Personen beschränkt sein.
Werden viele Schulungszeiten übers Jahr an verschiedenen Orten offeriert, hat man eine größere Auswahl. Man muss aber auch damit rechnen, dass Anbieter einzelne Termine bei zu geringer Auslastung kurzfristig absagen. Während eine Sehfähigkeits-Bescheinigung für die Ausstellung einer Zertifizierung meist auch nachgereicht werden kann, sollten Teilnehmer – auch aus eigenem Interesse – vor Kursbeginn bereits über eine praktische Erfahrung mit der Thermografie-Messtechnik (in der Regel mindestens drei Monate) verfügen. Die Qualität der Schulung wird durch den Anbieter und die Dozenten, aber auch durch Details wie die Organisation oder die Schulungsunterlagen bestimmt.
Ist der Kurs respektive sind die Dozenten nach ISO 9001, ISO 18436-7, Stufe 3 oder ISO 9712, Stufe 3 zertifiziert, hat man eine gewisse Qualitätssicherheit. Vieles hängt jedoch auch vom persönlichen Stil des Dozenten und seiner Eignung als Wissensvermittler ab. Nicht jeder Experte kann sein Wissen anschaulich und spannend rüberbringen. Wie umfangreich und informativ die gedruckten, online oder zum PDF-Download bereitgestellten Schulungsunterlagen sind, erfährt man leider erst nach Kursbeginn.
Viele Schulungsunterlagen können sich durchaus mit der einschlägigen Schulungsliteratur messen lassen, aber längst nicht alle. Eine gewisse Orientierung bieten auch Zertifizierungskurse: Wer diese anbietet (möglichst in allen Qualitätsstufen), hat meist auch das fachlich sattelfeste Schulungspersonal zur Verfügung. Bei den Schulungskosten sollte zuvor geklärt werden, welche Leistungen und Zusatzleistungen enthalten sind und welche Kosten gegebenenfalls zusätzlich entstehen, etwa Prüfungs- oder Zertifizierungsgebühren.