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Kastenwagen in der Marktübersicht: Fast alles paletti

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Über die Lieferwagenklasse wurden in den letzten Jahren nicht viele Worte verloren. Hat es kaum Veränderungen gegeben? Das mag vielleicht der erste Eindruck sein, doch lohnt es sich, genauer hinzuschauen. Passend zu markentypischen Akzenten durfte zumindest manche Front bei einer Neuauflage ein wenig gestylter sein und bekam beispielsweise durch LED-Scheinwerfer markante Akzente (Opel Combo), Blattfedern wurden endgültig von der Hinterachse verbannt (VW Caddy) und etwa 20 elektronische Assistenten können jetzt den Fahrkomfort bereichern (Mercedes Citan) – aber war‘s das dann?

Weit gefehlt: Zunächst kann man herausstellen, dass jedes herkömmliche Verbrennermodell auch einen alternativen Elektroantrieb anbieten kann. Ein Pionier der E-Mobilität, der jetzige ­Renault Kangoo E-Tech, fährt gar in zweiter Generation, hat anhaltende Schwächen bei der Reichweite korrigiert und vermag auch eine deutlich kürzere Ladezeit anzubieten.

Innovation bei den Türen

Mit der als „Open Sesame“ bezeichneten Karosserie­variante konnte der Kangoo in Normallänge ab 2021 sogar für eine verblüffende Innovation sorgen: Die B-Säule auf der rechten Seite kann zugunsten anderer konstruktiver Maßnahmen entfallen. Sind Beifahrertür samt Schiebetür geöffnet, ergibt sich hier ein komfortabel breiter Zugriff auf den Laderaum, wenn beispielsweise eine begrenzte Parklücke keinen Platz an den Hecktüren zulässt. Doch weg vom Besonderen beim Kangoo wieder zurück zu Allgemeinem in der Lieferwagenklasse.

Konzept gemäß Baukasten

Die Karosserie für einen Lieferwagen wird mittlerweile so komplex entwickelt, dass aus dem Basiskonstrukt heraus nicht nur die Normallänge L1 mit gut 3 m3 im Laderaum entstehen kann. Ebenso bietet die Entwicklung eine um 25 oder gar 40 cm längere L2-Variante, die dann durchaus einen Kubikmeter mehr im Laderaum ermöglicht. Ein schwenkbares Trenngitter oder eine Öffnung in der Trennwand schafft zudem eine Durchlademöglichkeit bis über den geklappten Beifahrersitz, was zusätzlichen Stauraum von etwa 0,5 m3 bringt.

Damit nicht genug: Dank dieser Baukastenarchitektur sind auch Voraussetzungen geschaffen, um das Modell samt Verbrenner oder mit E-­Antrieb fertigstellen zu können – und das sowohl für den Kastenwagen als auch für eine hochwertig ausgestattete Freizeitversion.

Nutzlast max. 1000 kg

Zusätzliche Verstärkungen für die Karossen können zudem dafür sorgen, dass eine möglichst hohe Nutzlast zur Verfügung steht. Eine solche Auflastung kann man bei einigen Modellen über die Wunschausstattung separat ordern. Beim Verbrenner werden meist Werte zwischen 750 und 1000 kg erreicht. Bei einem E-Antrieb mitsamt seinem schwergewichtigen Akku, der in dieser Klasse durchweg jeweils nur in einer Baugröße zur Anwendung kommt, reduziert sich die verfügbare Nutzlast entsprechend.

Ließ sich vor Jahren bei einem E-Antrieb nicht zusätzlich eine Anhängevorrichtung ordern, so ist die Entwicklung weitergegangen. 1500 kg sind bei den meisten Modellen heute als Anhängelast möglich.

Kangoo L1 ohne B-Säule: Statt Blechtrennwand gibt es hier ein schwenkbares Trenngitter in Kombination mit einem Rotationsregal von Sortimo – als Ausbauvorschlag für ein Servicefahrzeug.

Bild: Sortimo

Kangoo L1 ohne B-Säule: Statt Blechtrennwand gibt es hier ein schwenkbares Trenngitter in Kombination mit einem Rotationsregal von Sortimo – als Ausbauvorschlag für ein Servicefahrzeug.

Enge Verwandtschaft zum Pkw

Als Kasten erreicht der Stadtlieferwagen VW Caddy beispielsweise eine Normallänge von 450 cm und 485 cm in der verlängerten Maxi-Version, bei einem Wendekreis von 11,4 bzw. 12,1 m – das erweist sich als taugliche Voraussetzung für die Verwendbarkeit in der City mit knappen Park­streifen.

Eine Probefahrt mit einem Caddy in L1 oder L2, Mercedes Citan, Opel Combo oder auch im preisreduzierten Renault Express offenbart Pkw-Qualitäten. Eine Überraschung ist dies nicht, denn schließlich werden gerade in der Lieferwagenklasse Kastenwagen und Pkw-Versionen in enger Verbindung entwickelt. Daher ist für manche Wunschausstattung auch der gehobene Komfortanspruch privater Nutzer Maßstab.

Ob Serienausstattung oder optionale Ergänzungen: Assistenzsystem oder Chromapplikation werten auch diese Nutzfahrzeugklasse mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 2,0 bis etwa 2,4 t zu einem komfortablen Arbeitsplatz auf. Verarbeitungsgüte, Fahrverhalten und auch die mögliche Spurtstärke mit den zur Verfügung stehenden Motoren lassen kaum Wünsche ­offen – erst recht durch manchen Elektroantrieb, der selbst mit PS-starken Verbrennern gleichziehen kann.

Neue Zulassung gemäß Euro 6e

Apropos Verbrenner: Bis zum 31. August 2024 konnten Pkw-Modelle noch gemäß Euro 6d-ISC-FCM neu zugelassen werden. Diese Abgas-Prüfnorm setzt bereits enge Grenzen für Schadstoffe, die auch während der Fahrt unter verschiedenen Betriebszuständen einzuhalten sind. Eine Diagnosesoftware an Bord zeichnet diese Werte auf, um per Schnittstelle bei einer Inspektion den Nachweis bieten zu können, dass Emissionsgrenzen eingehalten – oder überschritten – wurden.

Mit der Schadstoffnorm Euro 6e, die seit dem 1. September für eine Neuzulassung Voraussetzung ist, ändern sich Emissionsgrenzen nicht grundsätzlich, doch gelten engere Toleranzgrenzen für Stickoxide (NOx) und Werte für Feinstaubpartikel. Weil Nutzfahrzeugmodelle in der Lieferwagenklasse eng mit der Pkw-Entwicklung und deren Vorgaben verbunden sind, ist es gut möglich, dass sich die Zulassungsfrist auch auf Kastenwagen auswirkt und Händler Fahrzeuge mit Tageszulassung (vor dem 1. September 2024 datiert) im Angebot haben. Denn über diesen Weg lassen sich noch Lagerbestände abbauen und das lässt sich gleich mit Preisnachlässen kombinieren.

Frachtraum kann variabel sein

Vom Antrieb weiter zur Konfiguration der Karossen: Kommt für den Job im SHK-Handwerk nur ein Kastenwagen infrage oder könnte es auch ein Kombi sein? Für die Kaufentscheidung ist eventuell einzubeziehen, dass mal Utensilien, mal Personen transportiert werden sollen. Letzteres realisiert beispielsweise der Caddy recht gut. Seit etlichen Jahren sind alle hinteren Sitze eines Kombis durch Steckverbindungen im flachen Boden verankert. Ein zeitraubendes Lösen von Schrauben entfällt, sodass selbst der als Personenwagen konfigurierte Fünf- oder Siebensitzer zum Frachter umfunktioniert werden kann.

Lang gemacht: Dank der schma­leren Flügeltür, die sich rechtwinklig arretieren lässt, kann der Mercedes Citan auch Fracht in Überlänge transportieren.

Bild: Thomas Dietrich

Lang gemacht: Dank der schma­leren Flügeltür, die sich rechtwinklig arretieren lässt, kann der Mercedes Citan auch Fracht in Überlänge transportieren.

Flexible zweite Sitzreihe

Beim Kastenwagen (meist in Langversion) bieten Hersteller zudem eine clevere Ausstattung ­unter der Bezeichnung Doppelkabine bzw. ­Mixto an: Hier kann der Aus- und Einbau hinterer Sitze komplett entfallen. Denn für die zweite Sitzreihe ist eine faltbare dreisitzige Bank in Kombination mit einem Trenngitter eingebaut. Würde man einen möglichst großen Laderaum benötigen, kann man mit wenigen Handgriffen die Rückenlehne der Bank umklappen und mitsamt Sitzpolster nach vorne falten. Dabei streckt sich das fest angebaute Trenngitter als Schutz für Fahrer und Beifahrer.

Statt eines Stahlgitters gibt es inzwischen auch Alternativen: ein Schutzgitter als Rollo – oder eine gänzlich neuartige Strecktechnik der Sitzbank, die mit der diesjährigen Markteinführung des Ford Connect und VW Caddy verbunden ist.

Marken und Allianzen

Im Markt der Lieferwagen agieren die Anbieter kaum auf sich allein gestellt. Forschung, Entwicklung und Fertigung finden häufig im Verbund statt. Das ist für den Interessenten nicht gleich erkennbar, denn Wert legen die Designer auf das typische Outfit einer Marke, das sich vor allem in der Gestaltung der Front zeigt. Wenn sich jedoch zumindest in einzelnen Bereichen beträchtliche Investitionen mit Mitbewerbern teilen lassen, bringt dies erhebliche Vorteile. So profitiert ein Materialeinkauf deutlich, wenn sich Komponenten vereinheitlichen und somit auch Stückzahlen multiplizieren lassen.

Partnerschaften sind zwar langfristig angelegt, können aber durchaus auch neu gebildet werden, wie sich in den letzten Jahren gezeigt hat. So hat der Wandel der französischen PSA-Gruppe hin zur Markenfamilie Stellantis bewirkt, dass die etliche Jahre währende Zusammenarbeit zwischen Renault-Nissan und Opel gelöst wurde. Das bedeutet: Renault Kangoo, ­Mercedes Citan und ­Nissan Town Star kommen wie gehabt aus gemeinsamer Produktion. Jedoch der Opel Combo und auch der Fiat Doblò rollen inzwischen unter der Regie von Stellantis vom Band, gemeinsam mit Citroën Berlingo und Peugeot Partner. Genau genommen muss hier auch noch Vauxhall als fünfte Stellantis-Marke (für den britisch-australischen Markt) erwähnt sein. Und selbst Toyota hat sich längst Kontingente in der Fertigung bei Stellantis gesichert und lässt dort den Proace City bauen.

Ford und VW im Duo

In der europäischen Nutzfahrzeugsparte war Ford über Jahrzehnte eher Einzelgänger als erklärter Profiteur einer gemeinsamen Entwicklungsstrategie. Doch aufgrund einer seit 2020 erklärten Kooperation mit VW Nutzfahrzeuge hat sich dies geändert. Im Segment der 2,8-Tonner hat Ford seinen kompakten Transporter Custom bereits im Markt und VW adaptiert dieses Konzept für den neuen Transporter, der Mitte September auf der Messe IAA Transportation in Hannover offiziell vorgestellt wurde.

Bei den Stadtlieferwagen entwickelt sich Ähnliches, es geht aber umgekehrt: VW überlässt Ford das seit Jahren etablierte Caddy-Konzept. Die Pkw-Variante ist bereits als Tourneo Connect bei den Ford-Händlern, und den Connect-­Kastenwagen kann man inzwischen auch in einigen Versionen konfigurieren.

Plug-in-Hybrid im Lieferwagen

Für die Antriebstechnik bringt Ford wiederum wichtiges Know-how in die Kooperation ein. Vorbereitet ist, dass Connect und Caddy ab Herbst auch als Plug-in-Hybrid mobilisiert werden können. Die rein elektrische Reichweite soll etwa 110 km betragen. Da der Caddy bislang weitestgehend auf den Verbrenner fokussiert war, wird sich der alternative Antrieb gut ins VW-Angebot einfügen lassen.

Der E-Antrieb bringt Raumgewinn unter der Motorhaube: Für den Ford Courier bietet sich dort ein Staufach als Stammplatz fürs Ladekabel.

Bild: Ford

Der E-Antrieb bringt Raumgewinn unter der Motorhaube: Für den Ford Courier bietet sich dort ein Staufach als Stammplatz fürs Ladekabel.

Ladung sichern ist wichtig

In einer Basisausstattung ist der Frachtraum im Lieferwagen allermeist spartanisch ausgestattet. Grund dafür mag der Wettbewerbsdruck sein, um einen möglichst attraktiven Einstiegspreis listen zu können. Doch strapazierfähige Boden- und Seitenverkleidungen sollten wichtige Bestandteile im Frachtraum sein, weil sie zum Werterhalt des Fahrzeugs beitragen und Dellen in der Karosserie verhindern können.

Die obligatorischen Verzurrösen am Boden erweisen sich eher selten als wirklich gebrauchstauglich. Weit nützlicher im Handwerkeralltag sind Verzurrleisten auf halber Höhe, denn in Kombination mit Spanngurt oder -stange können sie verhindern, dass Fracht während der Fahrt ins Wanken gerät.

Über die Liste möglicher Optionen für den Neuwagen kann man bei der Konfiguration Passendes mitbestellen. Oder man bekommt das geeignete Interieur über einen Ausrüster, der den Laderaum sogar bis zur mobilen Werkstatt oder für ein Servicefahrzeug perfektionieren kann.

Neu kann auch retro sein

Vergleicht man einen Lieferwagen neuester Technik mit einem Vorläufer, der noch in den 1980er-Jahren vom Band lief, zeigen sich die Weiterentwicklungen überdeutlich. Von möglichen Emissionen ganz zu schweigen, haben inzwischen von der Ladungssicherung bis zur passiven Sicherheit sehr viele technische Systeme Einzug gehalten. So können mittlerweile rund 20 Fahrassistenz­systeme den Akteur hinter dem Lenkrad unterstützen. Entweder müssen sie inzwischen durch EU-Vorgaben sogar zur Serienausstattung gehören oder sie sind optional erhältlich.

Wer dennoch mit einem Augenzwinkern „die gute alte Zeit“ aufleben lassen möchte, kann dies auch fernab von Oldtimer-Technik verwirklichen. Denn Citroën bietet über den zertifizierten Autobauer Caselani einen werksneuen Berlingo in Normal- oder Langversion an, der durch eine Kunststoffverkleidung im Retrolook französisches Flair verbreitet und damit garantiert auffällt – das allerdings nicht zum Schnäppchenpreis (www.caselani.com). Ein solcher „Wellblechlieferwagen“ könnte jedoch genau der Kick sein in einem Marketingkonzept, das der SHK-Betrieb für sich wirken lässt, um sich stadtbekannt zu machen.

Ob für Verbrenner oder E-Antrieb: Im Design der Marke zeigt sich die ­Instrumentierung im höherwertig ausgestatteten Lieferwagen zeitgemäß mit großem Display.

Bild: Simona Alampi / Fiat Professional

Ob für Verbrenner oder E-Antrieb: Im Design der Marke zeigt sich die ­Instrumentierung im höherwertig ausgestatteten Lieferwagen zeitgemäß mit großem Display.
Citroën Berlingo im Retrolook als Hingucker: Autobauer ­Caselani versteht es, das französische Flair eines 2CV Fourgonnette aufleben zu lassen.

Bild: www.caselani.com

Citroën Berlingo im Retrolook als Hingucker: Autobauer ­Caselani versteht es, das französische Flair eines 2CV Fourgonnette aufleben zu lassen.

Klasse der Mikro-Vans aufgelöst

Über Jahre hinweg haben etliche Hersteller ihr Lieferwagenangebot mit sogenannten Mikro-Vans nach unten abgerundet. Dazu gehörten z. B. Renault Kangoo Compact oder Citroën Nemo bzw. Peugeot Bipper – für die es nur noch Ersatzteile gibt. Von diesen Kleinfahrzeugen übrig geblieben ist der noch erhältliche Fiat Fiorino mit 2,5 m3 hinter der Trennwand. Wegen der geringen Größe findet er in dieser Übersicht keine Berücksichtigung – im Gegensatz zum Ford Courier, der inzwischen im Raumangebot zugelegt hat.

Punkte für die Kaufentscheidung

  • Seit dem 1. September 2024 gilt für neu zugelassene Pkw und leichte Nutzfahrzeuge die Abgasnorm ­Euro 6e. Entspricht ein Neufahrzeug noch Varianten der Euro 6d-Norm, handelt es sich um Lagerware von unbestimmtem Alter.
  • Die nutzbare Höhe im Laderaum beträgt etwa 110 oder auch 125 cm und erreicht damit für Pkw typische Maße.
  • Der Frachtraum wird meist halbhoch und spärlich verkleidet, der Boden kann völlig ungeschützt sein. Optionale Ausstattungen oder die Nachrüstung beim Fahrzeugausbauer schaffen Abhilfe.
  • Für eine Werkstatteinrichtung ergeben sich durchaus etliche Variationen, die zu einem Servicefahrzeug passen.
  • Ist der Kastenwagen nicht voll verblecht, sondern sind Trennwand und rechte Schiebetür verglast, hat der Fahrer eine bessere Sicht nach rechts hinten, beispielsweise bei vorfahrtberechtigten Straßen.
  • Partielle Öffnungen für die Trennwand bieten die meisten Hersteller. So lässt sich auch Langgut deponieren.
  • Eine Heckkamera oder zumindest Abstandswarner für den Heckbereich erleichtern das unfallfreie Rangieren ungemein.
  • Zahlreiche Assistenzsysteme sind mittlerweile serienmäßig oder optional erhältlich. So lassen sich kritische Situationen entschärfen (z. B. Fußgängererkennung oder Toter-Winkel-Warner). Ein Spurassistent kann helfen, kann aber auch nerven (z. B. durch Fehlalarme). Eine Müdigkeitserkennung vermag ein Assistent allermeist nicht zu leisten, allenfalls anhand der Lenkzeit zu errechnen.
  • Freisprecheinrichtung, Konnektivität und Navigation sollten zur Verfügung stehen, um mögliche Ablenkungen zu reduzieren.
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