Das Seminarcenter „Viega World“ in Attendorn-Ennest ist durch die integrale Planung mit der Arbeitsmethodik Building Information Modeling (BIM) ein branchenweit anerkanntes Leuchtturmprojekt für das Bauen von morgen – und damit der optimale Rahmen für einen Fachkongress zur Zukunft des Bauens. Zum zweiten Mal veranstaltete das BIM Center Aachen (siehe Infokasten) am 12. und 13. November 2024 diesen Kongress.
Mit den vier Themengebieten BIM in der Praxis, effiziente und wirtschaftliche Ausführung von BIM, nachhaltiges und wirtschaftliches Bauen im digitalen Zeitalter sowie Zukunftsperspektiven im Bauwesen besetzte der Veranstalter genau die Zukunftsthemen, die für Architekten und Fachplaner, Fachhandwerk und Investoren die Entwicklung der kommenden Jahre maßgeblich bestimmen werden.
Stand beim ersten BIM-Fachkongress zur Zukunft des Bauens in erster Linie die integrale Planung mit BIM im Vordergrund, bezogen sich die 18 Referentinnen und Referenten diesmal darüber hinaus ebenso auf das konkrete Machen, also die Auswirkungen der digitalen Planung auf deren Umsetzung auf der Baustelle und die spätere Betriebsphase sowie die Frage, wie der Bauprozess der Zukunft industrialisierter gestaltet werden kann.
Ergänzend konnten in den begleitenden Workshops Vorfertigung, Lebenszyklusanalyse, Fachkräftemangel und Robotik in der technischen Gebäudeausstattung (TGA) auch individuelle Fragen und Meinungen zu den Themen gemeinsam in Kleingruppen diskutiert werden.
Aus der analogen Baustelle muss eine Produktionslinie nach industriellem Vorbild werden.
Bild: Viega / Udo Geisler
Produktionslinie nach industriellem Vorbild als Ziel
Wie grundlegend der Umbruch ist, vor dem das Bauwesen steht, machte dabei Prof. Dr.‑Ing. habil. Christoph van Treeck, Inhaber des Lehrstuhls
für Energieeffizientes Bauen (E3D) an der RWTH Aachen, deutlich. Aus der analogen Baustelle muss, so seine Kernaussage, eine Produktionslinie nach industriellem Vorbild werden, um perspektivisch den Bedarf beispielsweise an neuen Geschosswohnungen schneller, kostengünstiger und qualitativ hochwertiger bedienen zu können.
Weil das Bauhauptgewerbe aber nicht dafür bekannt sei, gerne Investitionen in Forschung und Entwicklung zu tätigen, sei ein eigenständiger Industriezweig notwendig, der das Bauen komplett neu denke. Und zwar über modulare Bausysteme, die – im Gegensatz zum Plattenbau von früher – flexibel an unterschiedlichste Anforderungen anzupassen sind, ohne die Effizienz der Produktion zu verlieren. Die werde nämlich, so die These von Prof. van Treeck, künftig von der Baustelle getrennt und auf Basis der BIM-Daten des Objektes in eine Fabrikumgebung verlagert, ähnlich der der Automobilindustrie.
Prof. van Treeck erläutert: „Mit industrieller Fertigung außerhalb der Baustelle meine ich nicht nur Betonfertigteile. Gerade in den technischen Ausbaugewerken steckt viel Potenzial. Im Bauwesen ist die TGA oft der komplexeste und kritischste Teil des Bauprozesses. Durch die Industrialisierung kann auch diese vorgefertigt, bauteilintegriert und standardisiert werden, was den gesamten Bauprozess erheblich vereinfacht und beschleunigt. Dabei geht es nicht nur um die Mechanisierung, sondern genauso um die intelligente Verknüpfung von Prozessen, Gewerken und Schnittstellen.“
Vorfertigung in der Werkstatt schon mit BIM
Dieses große, visionäre Bild fand, wenn auch in deutlich kleinerem Maßstab, sogleich eine inhaltliche Entsprechung, und zwar durch Handwerksmeister Ulrich Bergmann aus Mosbach. Denn die von ihm entwickelte „neue Badvorfertigung mit BIM als Lösung gegen den Fachkräftemangel“ hat er in der Praxis bereits vielfach durch das Modulbausystem Badia unter Beweis gestellt.
Der Ausgangspunkt dafür sind die Daten des Planers, hier: Autodesk Revit zum Einspielen in BIM. Sie stellen die Basis dar für die wirtschaftliche Vorfertigung kompletter Badmodule in der Werkstatt, von der Vorwandkonstruktion über die notwendige Verrohrung bis hin zum Spülkasten oder den schon montierten Steckdosen. Auf die baulichen Bedingungen vor Ort abgestimmt müssen diese Module dann beim Endkunden nur noch aufgestellt, beplankt oder gefliest und feininstalliert werden.
Das zahle sich aus, so Bergmann: „Der Planungsprozess ist detaillierter, die Kunden werden über die 3D-Planung von Anfang an eng in den Abstimmungsprozess eingebunden, und durch die weitgehende Vorfertigung können die SHK-Fachbetriebe mit weniger Mitarbeitenden mehr Aufträge effizienter und damit ertragreicher umsetzen.“
Hinzu komme die höhere Ausführungsqualität, weil nicht auf unumgängliche Unwägbarkeiten auf der Baustelle, wie die Koordination verschiedener Gewerke vor Ort, Rücksicht genommen werden müsse: „Damit können Kosten und Realisierungszeiten für den Prozess der Badplanung bis zur Installation um bis zu 50 % reduziert werden.“
Es ändert sich die Zusammenarbeit
Sowohl an dem Beispiel aus der Forschungswelt als auch aus dem des täglichen Handwerks wurde deutlich, wie stark sich die Zusammenarbeit auf der Baustelle in Zukunft ändern wird. Der Übergang vom seriellen Arbeiten – der Abfolge der einzelnen Gewerke – auf die schon in der Planungsphase durch die integrale Planung digital vernetzte, parallele Zusammenarbeit macht zwingend neue, kooperative Arbeitsmethoden notwendig.
Wie die aussehen können, schilderten Ulrich Zeppenfeldt (Viega) und Heike Kling (Hilti)– und schnitten zugleich ein weiteres herausforderndes Thema an, das die Arbeitenden auf den Baustellen in Zukunft immer öfter beschäftigen wird: der über digitale Daten forcierte Einsatz von Robotern wie dem semi-autonomen Bohrroboter Jaibot, die mehr und mehr ausführende Arbeiten schneller, präziser und vor allem 24/7 rund um die Uhr übernehmen werden.
Zu den dabei gemachten Erfahrungen sagte Kling: „Unser Jaibot stellt jeden Tag in der Praxis diese Vorteile unter Beweis, beispielsweise durch das absolut präzise Bohren hunderter Löcher in Betondecken für Trassenkonstruktionen. Also eine harte, den Menschen physisch stark belastende Arbeit, die die Mitarbeitenden auf den Baustellen entlastet und unmittelbar den Fachkräftemangel lindert. Gleichzeitig ersetzen die Roboter diese Mitarbeitenden. Der Robotereinsatz löst also einen Prozess aus, der über eine entsprechende Führung der Mitarbeitenden eng begleitet werden sollte, um frühzeitig Vorbehalte abzubauen und den Kollegen Jaibot als Chance und nicht als Bedrohung zu begreifen.“
Führung der Mitarbeitenden trägt den Übergang
Wie groß dieser Bedarf an Mitarbeiterführung nicht erst bei der Begegnung mit Robotern, sondern schon bei der Implementierung von BIM und dem generellen Umgang mit digitalen Prozessen auf der Baustelle ist, wusste in diesem Zusammenhang Christoph Ulland, Geschäftsführer des gleichnamigen SHK-Unternehmens aus Ahaus, zu berichten. Ulland, ein Komplettanbieter rund um Heizung und Sanitär, Lüftung-, Klima- und Kältetechnik für Privat- wie Gewerbekunden, hat schon früh das Potenzial digitalisierter Prozesse für alle Bereiche seines Unternehmens erkannt.
„Der Erfolg“, so Ulland, „steht und fällt mit der entscheidenden Frage, wie ich meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mitnehme!“ Aus der Praxis für die Praxis – seine Hinweise, was dabei beachtet werden muss und wo mögliche Bedenken oder Einwände zu erwarten sind, dürften viele Teilnehmende künftig auch bei der Einführung oder der Intensivierung der digitalen Planung mit BIM im eigenen Unternehmen nutzen können.
Als Nächstes kommt – die KI
Vor allem, weil dieser Digitalisierungsprozess schon vor dem nächsten, mindestens genauso großen Entwicklungsschritt steht: der „künstlichen Intelligenz (KI) im Planen und Bauen“, so Prof. Dr.-Ing. Markus König von der Ruhr-Universität Bochum. Prof. König forscht seit vielen Jahren zur Digitalisierung im Bauwesen und hat unter anderem die BIM-Pilotprojekte des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) wissenschaftlich begleitet.
Aktuell befasst er sich z. B. mit der Entwicklung von Verfahren, die durch KI zum einen Bauwerksdokumente wie zweidimensionale Pläne, Bilder, Punktwolken oder Textdokumente in digitale 3D-Modelle überführen und die zum anderen bei Umbaumaßnahmen bestehende digitale Bauwerksmodelle aufgrund von Baudokumenten automatisiert aktualisieren.
Die Nutzung von KI, so Prof. König, werde sich aber nicht auf diesen Planungsbereich beschränken, sondern sei schon heute im gesamten Baubereich zu finden: „In Ländern wie China übernimmt die KI beispielsweise schon die Baustellenüberwachung samt Einlasskontrolle und Einhaltung der Sicherheitsvorschriften. In Deutschland lässt der Datenschutz solche Anwendungsmöglichkeiten allerdings nur bedingt zu.“
Bereits umsetzbare Anwendungsfälle wären aber hierzulande laut Prof. König die Nachverfolgung von Material auf den Baustellen, ein automatisches Schadensmanagement oder das Energiemanagement in der Betriebsphase. „Andere Anwendungsfälle sind die Auswertung von Berichten und Kennzahlen oder die Organisation von Plänen und Dateien. Die KI kommt künftig also überall da zum Einsatz, wo große Datenmengen zur Verfügung stehen und über die automatisierte Auswertung Prozesse beschleunigt und verbessert werden können.“
Durch eine Badvorfertigung mit BIM können Kosten und Realisierungszeiten für den Prozess der Badplanung bis zur Installation um bis zu 50 % reduziert werden.
Bild: Bergmann
Digitaler Wandel sichert Unternehmensexistenz
Inwieweit sich ein Planungsbüro oder ein planendes Fachhandwerksunternehmen proaktiv mit der Einführung digitaler Methoden wie BIM und im folgenden Schritt der Nutzung von KI befasst, hängt für Prof. König dabei entscheidend von der Frage ab, wie lange das Unternehmen am Markt agieren wolle. Die nächsten zehn Jahre gebe es, so seine Einschätzung, noch genug konventionelle Projekte.
Aber derer werden weniger, es müsse in den Transformationsprozess ins Digitale investiert werden: „Planungsbüros, die das nicht machen, werden auf Dauer verschwinden. Gleichzeitig aber werden sich neue, innovative Ingenieurbüros etablieren, die auf eben diese digitalen Prozesse spezialisiert sind und dem Bauen von morgen entsprechend wichtige Impulse geben.“
Wie weit die KI bereits in der Praxis ist, konnte Dr.‑Ing. Bernd Petraus (TMM / Digital Building Industries) darstellen. Mithilfe der Software „berta & rudi“ wurde veranschaulicht, wie Energiekonzepte in einer völlig neuen Vorgehensweise kollaborativ erstellt werden können. Petraus konnte zeigen, dass es – wie so häufig bei der Anwendung von generativer KI – weniger darum geht, auf Knopfdruck fertige Ergebnisse zu erhalten. Viel entscheidender ist, dass hier eine Art Dialog stattfindet zwischen Maschine, welche die aufwendige Fleißarbeit übernimmt, und Mensch, der durch die Lösungsfindung leitet, die Machbarkeitsprüfung durchführt sowie die Kommunikation mit fachfremden Dritten übernimmt.
Und das nicht länger gefangen im ewigen Kreislauf aus zeitintensiver Konzepterstellung und der Erkenntnis im Kundentermin, dass falsche Annahmen zugrunde lagen. Stattdessen kann der gesamte Prozess auf einen gemeinsamen Konzeptworkshop in Echtzeit verdichtet werden, in welchem alle Annahmen validiert, alle Fragen geklärt und alle Ergebnisse gemeinsam abgesegnet werden können.
Fazit
Aktuell steht die Baubranche stark unter Druck. Die Zahl der Genehmigungen im Wohnungsbau sinkt (–12 %), der Umsatz im Bauhauptgewerbe ging im Vergleich zum auch schon schwachen Vorjahr um 2,2 % zurück, und die weitere Prognose für das laufende Jahr weist sogar ein Minus von 3 % aus (alle Zahlen bezogen auf das 1. Halbjahr 2024; Quelle: Hauptverband des Deutschen Baugewerbes).
Diese negative Entwicklung kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass am Bau gleichzeitig ein beträchtlicher Nachhol- und Handlungsbedarf besteht. Wesentliche Stichworte dazu sind beispielsweise der Wohnungsmangel (über 700.000; Quelle: Hans-Böckler-Stiftung), zu lange Genehmigungs- und Bearbeitungsverfahren oder der Fachkräftebedarf. Spätestens mit Wiederanziehen der Konjunktur werden diese Herausforderungen also wieder verstärkt auf die Akteure der Baubranche zukommen.
Ein wesentlicher Ansatz, ihnen zu begegnen, ist die konsequent durchgängige Digitalisierung sämtlicher Bauprozesse. Das war eine entscheidende Botschaft des zweiten BIM-Fachkongresses in der „Viega World“. Einmal mehr ging das Konzept des Kongresses auf, Referentinnen und Referenten aus unterschiedlichsten Bereichen zu Wort kommen zu lassen. Entsprechend positiv fiel das Fazit der rund 100 Teilnehmenden im Anschluss an die zweitägige Veranstaltung aus.
„Durch das breite Themenspektrum ist zum einen sehr deutlich geworden, wie stark die Digitalisierung die künftige Entwicklung des Bauwesens in allen Belangen bestimmen wird. Von der ersten Bedarfsplanung über die Detailplanung und Bauausführung bis in die spätere Betriebsphase und sogar den nachhaltigen Rückbau. Zum anderen haben die hochkarätigen Referentinnen und Referenten gleichzeitig wichtige Anregungen gegeben, wie sich alle am Bauprozess Beteiligten schon heute auf diese Entwicklung einstellen können. Und das war ausgesprochen positiv, denn so wurden eventuell vorhandene Unsicherheiten abgebaut und konkrete Chancen der fachlichen Weiterentwicklung aufgezeigt“, fasste Ulrich Zeppenfeldt das Stimmungsbild abschließend zusammen.
Der Erfolg bei der Implementierung von BIM und digitalen Prozessen auf der Baustelle hängt davon ab, wie ich meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mitnehme.
Bild: Ulland
BIM Center Aachen
Das BIM Center Aachen adressiert die Digitalisierung im Bauwesen aus Sicht von Herstellern und Ausführenden mit dem Ziel, BIM in die Praxis zu bringen. Dabei stehen die Prozesse und Schnittstellen nach Abschluss der digitalen Planung im Vordergrund, zwischen Herstellung, Vorfertigung, Lieferung, Montage, Bauausführung, Logistik, Inbetriebnahme, Dokumentation, Wartung, computergestütztem Facility-Management (CAFM) und Rückbau.
Neben Forschung und Entwicklung unterstützt das Center auf dem RWTH Aachen Campus auch die Qualifizierung und Zertifizierung im Bereich BIM. Das BIM Center Aachen agiert hierbei als branchenübergreifender Verbund zwischen Wissenschaft und Industrie und setzt in der Startphase zunächst einen Schwerpunkt auf die technische Gebäudeausrüstung.
Initiatoren des BIM Center Aachen sind – von der RWTH Aachen University kommend – der Lehrstuhl für Energieeffizientes Bauen E3D, gia – das Institut für Geodäsie, Bauinformatik und Geoinformationssysteme, E.ON ERC – der Lehrstuhl für Gebäude- und Raumklimatechnik sowie CAAD – der Lehrstuhl für Computergestütztes Entwerfen. Unterstützung aus der Praxis erhält das BIM Center Aachen durch ein Netzwerk marktführender Unternehmen, darunter auch Viega.
Weitere Informationen unter:
www.bim.rwth-campus.com