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Nachgefragt

Ein brenzliges Thema

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SBZ: Herr Ishorst, sowohl die Muster-Verkaufsstättenverordnung (MVKVO) als auch die Muster-Leitungsanlagen-Richtlinie (MLAR) regeln den baulichen Brandschutz in Verkaufsstätten. Da stellt sich die Frage, welche Vorschrift in einem konkreten Fall anzuwenden ist und wie sich die jeweils genannten Forderungen zueinander verhalten?

Bernd Ishorst: Ziel der Muster-Verkaufsstättenverordnung ist die Regelung für den Bau und Betrieb von Verkaufsstätten, deren Verkaufsräume und Ladenstraßen einschließlich ihrer Bauteile eine Fläche von insgesamt mehr als 2000 m² haben. Detaillierte Angaben zur brandschutztechnischen Planung und Ausführung von Leitungsanlagen sind in der Muster-Verkaufsstättenverordnung nicht enthalten. Wie Leitungsdurchführungen durch Wände und Decken mit Anforderungen an die Feuerwiderstandsfähigkeit bzw. die Leitungsverlegungen in Flucht- und Rettungswegen auszuführen sind, einschließlich der erforderlichen Nachweise, ist in der Muster-Leitungsanlagen-Richtlinie MLAR geregelt. Im Bereich der Leitungsanlagen in Verkaufsstätten müssen also beide Richtlinien angewendet werden.

SBZ: Sind MLAR und die MVKVO verbindliche Rechtsnormen?

Ishorst: Die Musterbauordnung (MBO) und die Muster-Sonderbauverordnungen sowie die Muster-Leitungsanlagen-Richtlinie (MLAR) sollen die dem Landesrecht unterliegenden Landesbauordnungen vereinheitlichen. Auf diesen Musterbauordnungen basieren die Bauordnungen sämtlicher Länder. Die Musterbauordnungen selbst sind kein Gesetz bzw. verbindliche Rechtsnormen. Aus Gründen der Vereinfachung und Übersichtlichkeit wird in der Regel jedoch auf die Musterregelungen Bezug genommen, die im Bereich der Bauprodukte und Bauarten nahezu einheitlich in den Ländern übernommen sind. Die Landesbauordnungen enthalten deshalb im Wesentlichen übereinstimmende Vorschriften und unterscheiden sich nur in Details.

SBZ: Dennoch ist die MVKVO im Rahmen des Bauordnungsrechts praxisrelevant, oder?

Ishorst: Die Landesbauordnung (LBO) und die Sonderbauverordnungen sowie die Leitungsanlagenrichtlinie (LAR) des jeweiligen Bundeslandes sind in Deutschland wesentlicher Bestandteil des öffentlichen Baurechts. Einem Rechtsgutachten des Bundesverfassungsgerichts zufolge liegt die Kompetenz für das Bauordnungsrecht bei den deutschen Bundesländern. Die Muster-Verkaufsstättenverordnung – Stand September 1995 – ist in den meisten Bundesländern bauaufsichtlich eingeführt worden.

SBZ: Worin unterscheiden sich geregelte und ungeregelte Sonderbauten?

Ishorst: Für geregelte Sonderbauten gibt es Sonderbauvorschriften, wie zum Beispiel die Muster-Hochhausrichtlinie, die Muster-Versammlungsstättenverordnung oder die Muster-Verkaufsstättenverordnung. Zur Erfüllung der Schutzziele des vorbeugenden Brandschutzes ist hier immer ein Brandschutzkonzept oder Brandschutznachweis erforderlich. Bei Sonderbauten, für die es keine Sonderbauvorschriften gibt, können die besonderen Anforderungen und Erleichterungen nach der Musterbauordnung nur in einem individuell für das jeweilige Bauvorhaben zugeschnittenen Brandschutzkonzept oder einem Brandschutznachweis festgelegt werden. Zu den ungeregelten Sonderbauten zählen zum Beispiel Verkaufsstätten, deren Verkaufsräume und Ladenstraßen eine Grundfläche von insgesamt mehr als 800 m² bis 2000 m² haben.

SBZ: Ist die Verwendung von brennbaren Rohrwerkstoffen der Baustoffklasse B2 in Verkaufsstätten zulässig?

Ishorst: Es gibt kein generelles Verbot für den Einsatz brennbarer Rohrwerkstoffe der Baustoffklasse B2 in Verkaufsstätten. Für Flucht- und Rettungswege gelten aber die Anforderungen der jeweiligen Leitungsanlagen-Richtlinien der Länder, das heißt Null-Brandlast in Flucht- und Rettungswegen. Generell sollten nichtbrennbare Werkstoffe der Brandklasse A bevorzugt werden, da sie keine zusätzlichen Brandlasten herbeiführen und keine toxischen Brandgase entwickeln. Außerdem besteht keine Gefahr des brennenden Abtropfens. Zur Erfüllung der Schutzziele des vorbeugenden Brandschutzes ist das projektspezifische Brandschutzkonzept von entscheidender Bedeutung.

SBZ: Können Sie das besondere Gefahrenpotenzial bei Verkaufsstätten benennen?

Ishorst: Nach Angaben der Versicherer und Feuerwehren werden Brände in Verkaufsstätten am häufigsten durch Mängel an elektrischen Anlagen, Arbeiten mit offenem Feuer, aber auch Brandstiftung verursacht. Erfahrungsgemäß werden die Brände durch hohe Brandlasten, etwa durch brennbare Einrichtungen, Waren und Verpackungen, beschleunigt. Ein weiteres Problem ergibt sich bei der Evakuierung, da die Kunden zum überwiegenden Teil nur eingeschränkt ortskundig sind. Zur wirkungsvollen Realisierung der Schutzziele des Brandschutzes sind ein umfassendes Brandschutzkonzept unter Einbeziehung der zuständigen Feuerwehr sowie gezielte Sicherheitsinformationen für Angestellte und Kunden erforderlich.

SBZ: Herr Ishorst, vielen Dank für die interessanten Erläuterungen.