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Damit die Bohrung nicht zum Desaster wird

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Das von Schäden durch Erdwärmesondenbohrungen besonders betroffene Baden-Württemberg entwickelt sich zum Musterland in Sachen Qualitätssicherung von Erdwärmesonden (EWS). Allerdings scheinen die vom Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft in Stuttgart per Erlass herausgegebenen „Leitlinien Qualitätssicherung Erdwärmesonden“ (LQS-EWS) [1] noch nicht flächendeckend zu wirken. Wie es heißt, verfügen viele Kontrollinstanzen noch nicht über das notwendige technisch geschulte Personal, derweil viele Bohrunternehmen nur lückenhafte Dokumentationen über niedergebrachte Erdwärmesonden bei den zuständigen Ämtern vorlegen.

Währenddessen arbeiten Forschungsinstitute wie Solites weiter an der Erforschung des Verfüllvorgangs, an der Qualitätssicherung am Bohrloch und an zuverlässigeren Berechnungsmethoden – auch, um dem erheblichen Imageschaden durch fehlerhafte Erdwärmesondenbohrungen entgegenzuwirken. Nicht nur dies wurde auf der „Geotherm 2018“ in Offenburg deutlich, welche als Europas größte Kongressmesse im Bereich der oberflächennahen und tiefen Geothermie gilt.

Fast alle Bundesländer ignorieren noch die LQS-EWS

Mit der rechtsverbindlichen Einführung der LQS-EWS in Baden-Württemberg zogen die Verantwortlichen einen Schlussstrich unter den Schlendrian rund um das Bohrloch und den dadurch entstandenen bundesweiten Imageschaden für die Branche. Ein Gremium aus Vertretern von Behörden, Sachverständigen und Firmen hat dazu einen Leitfaden erarbeitet, der viele Arbeitsschritte neu regelt, Mindestanforderungen an Personal, Materialien, Systeme und Bohrung aufstellte sowie den Verfüllvorgang bei Erdwärmesonden neu definierte. Parallel dazu wurden neue Versicherungslösungen entwickelt und verpflichtend eingeführt.

Nach den Erfahrungen von Frank Burkhardt von der Burkhardt Ingenieurgesellschaft mbH, Neuweiler im Landkreis Calw, hat dieses in Baden-Württemberg per Erlass eingeführte Regelwerk jedoch nicht bei allen in der oberflächennahen Geothermie tätigen Unternehmen die notwendige Akzeptanz gefunden. Insbesondere einzelne Hersteller von Mischern und Verfüllmaterial würden sich über die Vorgaben der LQS-EWS hinwegsetzen, obwohl die Anforderungen klar formuliert sind. Zitat: „Einfach handelsübliche Mischer vorzugeben reicht nicht aus, die Kriterien der LQS-EWS zu erfüllen.“ Im Text der LQS-EWS heißt es: „das Verfüllmaterial ist vollständig aufzuschließen und zu durchmischen … Grundsätzlich sind automatisch gravimetrisch dosierende Kolloidal-Mischanlagen einzusetzen.“ Burkhardt berichtet: „Vielfach wird von den Bohrfirmen die Spülwanne als Mischanlage eingesetzt. Die Spülwanne hat jedoch die Funktion, Feststoffe aus der Bohrspülung abzusetzen, und eignet sich in keinem Fall als Mischanlage.“ Beim Anmischen von Suspensionen werde genau das Gegenteil benötigt, nämlich eine homogene Verteilung aller in der Suspension enthaltenen Stoffe. Verpflichtend sei auch, Trinkwasser für die Anmischung zu verwenden und kein Wasser aus der Bohrspülung, betont Burkhardt.

Für den Abdichtungsvorgang im Bohrloch ist in Baden-Württemberg – im Gegensatz zu anderen Bundesländern – eine automatische Überwachung und Dokumentation des Verpressvorgangs vorgeschrieben. Burkhardt favorisiert hierfür das Verfahren CemTrakker, das mit dem Messprinzip der magnetischen Suszeptibilität arbeitet, also den Einsatz von (teurerem) Magnetit-Verfüllmaterial voraussetzt. Wegen der zusätzlichen Kosten für das Mess- und Dokumentationssystem inklusive Fortbildung der Bohrführer sowie der höheren Kosten für das Verpressmaterial und den Verpressvorgang verhalte sich die Branche gegenüber der automatischen Abdichtungsüberwachung noch zurückhaltend. Burkhardt: „Es ist offensichtlich, dass nicht jedes Bohrunternehmen an einer derart genauen Dokumentation interessiert ist.“

Vertreter der zuständigen Behörden bemängelten, dass sich trotz amtlichem Erlass immer noch viele Bohrfirmen über die Dokumentationspflicht hinwegsetzen bzw. die Dokumentation und deren Interpretation nicht an die Behörde weitergegeben werden. Burkhardt bedauert, dass die umfassenden Erkenntnisse in Baden-Württemberg in der Qualitätssicherung von Erdwärmesonden bisher von anderen Bundesländern weitgehend ignoriert werden. „Probleme mit Gips und Anhydrid werden dort vielfach übergangen und Messsysteme aus Unwissenheit schlechtgeredet.“ Im Vergleich zu den LQS-EWS von Baden-Württemberg seien viele landesspezifische Vorschriften praxisfremd, da sie nicht den Stand der Technik widerspiegeln. Paradox sei, dass zum Teil dotiertes Verpressmaterial vorgeschrieben ist, nicht aber die dazugehörende Messung. „Es ist ein Armutszeugnis, dass aus den Fehlern, die in Baden-Württemberg erkannt wurden, nicht bundesweit oder europaweit gelernt wird. Der Lernprozess rund um die Qualitätssicherung von Erdwärmesonden in Baden-Württemberg hätte durchaus Vorbildcharakter“, resümiert Burkhardt.

Schäden bei nicht sachgerechter Bohrlochverfüllung

Erdwärmesondenanlage, Heizungswärmepumpe und Wärmeübergabesystem arbeiten nur dann optimal zusammen, wenn Planung bzw. Ausführung in einer Hand liegen. Meist treten das Bohrunternehmen und damit der Ersteller der EWS-Anlage als Subunternehmer des TGA-Fachbetriebs auf oder das Bohrunternehmen wird vom Bauherrn beauftragt. Damit liegt das Haftungsrisiko für die EWS-Anlage allein beim Bauherrn.

Bei der Schadensanalyse von EWS-Anlagen in Baden-Württemberg hat sich gezeigt, dass fast alle Schäden durch eine nicht sachgerechte Verfüllung der Bohrlöcher entstanden sind. Ulrich Santherr, Santherr Geothermietechnik, Kisslegg, weist darauf hin, dass nicht sachgerecht verfüllte Erdwärmesonden nicht nur ein Sicherheitsrisiko für den Auftraggeber darstellen, sondern oft auch die geforderte Entzugsleistung nicht erbringen und damit dauerhaft höhere Betriebskosten verursachen.

Deshalb sei es wichtig, die in Baden-Württemberg (theoretisch) verbindliche automatische Überwachung des Abdichtungsvorgangs im Bohrloch auf breiter Basis anzuwenden und die noch vorhandenen Wissenslücken bei den Bohrfirmen und Behörden möglichst bald zu schließen. Santherr: „Die Behörden sollten nicht jedes vom Bohrunternehmen vorgelegte Protokoll akzeptieren. Wir sind bei der automatischen Abdichtungsüberwachung noch nicht im grünen Bereich, das zeigen die Verkaufszahlen bei den automatischen Überwachungseinrichtungen. Neben den Mitarbeitern der Bohrfirmen sollten auch Sachverständige und Behörden durch die Gerätehersteller besser geschult werden, denn die Interpretation der Prüfprotokolle lässt einen größeren Spielraum zu. Der alte Bohrerspruch, „wenn das Bohrloch voll ist, ist alles gut“, reiche nicht aus, um einen Bohrvorgang abzuschließen. Auch der Bauherr müsse die Dokumente einfordern, denn er trage bei der Bohrung von Erdwärmesonden das größte Risiko. In der anschließenden Diskussion war dann viel von schwarzen Schafen die Rede und vom Vertrauensverlust gegenüber den Bohrunternehmen, von denen sich immer noch zu viele über alle Regeln hinwegsetzen, auch im LQS-EWS-Musterland Baden-Württemberg.

Keine gewerkeübergreifenden Vorgaben in den Regelwerken

Ganzheitliche Ansätze bei der Planung von erdwärmegekoppelten Wärmepumpenanlagen sowie den dazu passenden gebäudetechnischen Anlagen sind heute noch eher selten. Holger Kaiser, GWE Pumpenboese GmbH, Peine, weist darauf hin, dass die einschlägigen Regelwerke aus Geothermie und technischer Gebäudeausrüstung keine gewerkeübergreifenden Vorgaben enthalten. Die Funktion einer geothermischen Wärmepumpenanlage hänge somit von der Sachkunde und der Erfahrung der jeweiligen Ingenieurbüros und Unternehmen ab. Damit seien Schnittstellenverluste schon vorprogrammiert.

Grundsätzlich sei die Planung einer erdgekoppelten Wärmepumpenanlage mit dem dazu passenden Wärmeverteilsystem ein interaktiver Prozess, bei dem die wesentlichen gewerkespezifischen Größen direkt voneinander abhängen. Ein technisches wie auch wirtschaftliches Optimum entstehe nur, wenn die Planungsschnittstellen vorab richtig definiert sind. Am einfachsten sei dies heute mit der BIM-Planungsmethode zu erreichen, da nur so die Kompetenz der einzelnen Fachplaner verlustlos zusammengeführt werden könne. Durch die damit mögliche Interaktion zwischen der Planung der Wärmesenke bzw. der Wärmequelle, der Auslegung der Wärmepumpe und dem Wärmeverteil- bzw. Temperiersystem könne ein Optimum an Energieeffizienz und Wirtschaftlichkeit erreicht werden.

Wichtigstes Verbindungsglied zwischen Geothermieanlage und Haustechnik sei das jeweilige wärmetransportierende bzw. wärmeabführende Rohrleitungssystem. Dieses beeinflusst, wegen der auf beiden Seiten meist geringen Temperaturdifferenzen, die Effizienz, Wirtschaftlichkeit und Betriebssicherheit der Wärmepumpe entscheidend. Erforderlich sei dazu ein hohes beiderseitiges Verständnis der Gewerke Haustechnik und Geothermie, betont Kaiser.

Zu den typischen Schwachstellen bei geothermischen Wärmepumpenanlagen zählen:

  • zu kurze EWS, die mit zu tiefen Soletemperaturen betrieben werden
  • eingefrorene Leitungen, da Wasser bei Unterdruck bereits ab 4 °C in der Wärmepumpe gefriert
  • Verschmutzungen in den Rohrleitungen (höherer Druckverlust)
  • hydraulische Probleme
  • überdimensionierte Umwälzpumpen (beeinflussen die Jahresarbeitszahl der Wärmepumpe negativ)
  • fehlerhafte Annahmen von Entzugsleistungen bei Erdwärmesonden
  • überdimensionierte Wärmepumpenanlagen
  • fehlerhaft eingestellte Wärmepumpenregler

Kaiser ist überzeugt, dass die breite Einführung der BIM-Methode bei geothermischen Wärmepumpenanlagen die Planung und Berechnung wesentlich vereinfacht und damit die typischen Fehler der Vergangenheit angehören müssten. Dennoch sollte man nicht vergessen, alle Kugelhähne im Verteiler vor Inbetriebnahme zu öffnen – eine offensichtlich häufig vorkommende Nachlässigkeit.

 

Literatur

[1] Auf der Seite www.geothermie.de (Service/Publikationen) lassen sich die Geothermie-Leitfäden der Bundesländer als PDF-Dokumente downloaden; inkl. der „Leitlinien Qualitätssicherung Erdwärmesonden“ (LQS-EWS).

Autor

Wolfgang Schmid ist freier Fachjournalist für technische Gebäudeausrüstung, München, wsm@tele2.de