Prof. Dr. Stephan Friedrich von den Eichen widmete sich zum Auftakt der Fachtagung in Pforzheim (im Anschluss an die Jubiläumsfeier, siehe vorherige Seite) dem Aspekt der Digitalisierung – einem Begriff, der inflationär verwendet wird und unter dem jeder etwas anderes versteht. Leider auch ein Begriff, an dem sich viele sattgehört haben, oder an dessen Durchführung an sich sie bereits gescheitert sind.
Daher bemühte sich der BWL-Honorarprofessor zunächst, die Digitalisierung zu differenzieren in Prozessdigitalisierung, bei der es um das Vernetzen von Anlagen und Informationstechnologien geht, mit dem Ziel, Effizienz zu steigern. In Produktdigitalisierung, bei der es um das Aufwerten von Produkten und Lösungen geht, um dem Kunden einen zusätzlichen Nutzen zu schaffen, und um Digitalisierung von Geschäftsmodellen, um neue Geschäftspotenziale zu erschließen. Häufig scheiterten derlei Digitalisierungsprozesse, weil der Bedarf entweder vom Unternehmer nicht erkannt wird, er womöglich nur die Risiken sieht oder sich der Sache nicht mit der erforderlichen Zeit widmet, so der Experte. Das Thema werde häufig „weg-delegiert“. Wie gelingt es besser? Der Referent nannte drei Erfolgsfaktoren:
Ob Digitalisierung gelinge, werde im Kopf entschieden: „Es liegt an euch, ob ihr einen Trend als Bedrohung empfindet oder Bewegung als Chance versteht. Ihr entscheidet selbst, ob ihr Digitalisierung als etwas Schwieriges empfindet oder ob ihr euch positiv darauf einstellt.“ Und angelehnt an ein Fußballspiel: „Es entscheidet sich alles auf dem Platz!“ Und dort gelte es auch, das Team mitzunehmen. Als Unternehmer gebe man das Ziel vor, aber die Schritte muss der Mitarbeiter tun. Und die müssten, jeder einzelne für sich, gefeiert werden. „Wir müssen sichtbare kleine Schritte kommunizieren und wertschätzen“, so sein Rat.
65 % EE: wie im Neubau erreichen, wie im Bestand?
Während bei dem Vortrag zur Digitalisierung die Übertragung auf die Situation im eigenen SHK-Betrieb jeder Teilnehmer noch selbst gedanklich leisten musste, wurden die Folgen für das SHK-Handwerk von dem, was Prof. Dr. Bert Oschatz anschließend aufzeigte, sehr schnell deutlich. Der Experte vom ITG Dresden analysierte, was sich in der Wärmeversorgung von Gebäuden ändern muss, um die klima- und energiepolitischen Ziele zu erreichen.
Ausgehend vom Status quo der jetzigen Beheizungsstruktur, der Versorgungskonzepte und der Energieträger und Wärmeerzeuger im Bestand erläuterte er, wie sich dies zeitnah entwickeln wird. Dabei berücksichtigte er bereits die „65 %-EE-Regel“, also die Vorgabe gemäß Klimaschutz-Sofortprogramm, dass bereits bis zum Jahr 2024 jede neu eingebaute Heizung auf der Basis von 65 % erneuerbare Energien betrieben werden muss.
Als Optionen, um dies im Bestand zu erreichen, sieht der Experte in erster Linie Wärmepumpen und (dekarbonisierte) Wärmenetze. Vorstellbar wären beispielsweise zunächst auch Wärmepumpen-Brennwertkessel-Hybride. Im Neubau schätzt er als zukunftsfähige Versorgungskonzepte ein:
Gleichzeitig, prognostizierte Oschatz, werde es einen Arbeitskräfte-Mehrbedarf geben: im SHK-Handwerk, aber auch bei TGA-Planern, Energieberatern, Genehmigungsbehörden und Herstellern.
Sein Fazit: Die Erreichung der Klimaziele erfordert eine grundlegende Umgestaltung der bisherigen Wärmeversorgung. „Ein solches Ausmaß an Veränderungen habe ich in meiner bisherigen Karriere noch nicht erlebt“, so der Ingenieur. Die zentrale energie- und klimapolitische Weichenstellung werde in Richtung Wärmepumpen, Photovoltaik und Wärmenetze gehen. Regeneratives Gas oder Öl als „breite“ Problemlösung sah er eher als unwahrscheinlich an. Während es im Neubau anlagentechnisch relativ unkritisch werde, da der Wärmepumpeneinsatz relativ einfach ist und Nahwärme häufig möglich, werde der Bestand die große Herausforderung. „Technische Lösungen sind verfügbar, aber die Investitionen werden deutlich steigen und die Energiekosten vergleichsweise kaum sinken.“ Doch, die Ziele seien erreichbar, wenn der Klimaschutz entsprechend priorisiert werde.
Ein Angebot muss mehr sein als eine Preisabgabe
Wie die SHK-Fachschiene zwischen Tradition und Disruption steckt, das zeigte anschließend, gewohnt provokant, Unternehmensberater Arno Kloep auf. Angesichts des Engpasses an Montagekapazitäten werde es dazu kommen, dass die alte Fachschiene von einer neuen abgelöst werde. Branchenexternen Lösungen erteilte Kloep dabei ein klares „Nein“! Mit Seitenhieb in Richtung des Papiers zum „Fachkräftebooster“ betonte Kloep: „Du kriegst arbeitslose Nail-Artisten nicht in zwei Wochen zu Wärmepumpen-Spezialisten.“ Insofern riet er zu brancheninternen Hebeln, um an den „Engpass Fachkräfte“ anzusetzen. Dies seien:
Kloep riet den Unternehmern, Angebote nicht durch Digitalisierung „beliebig“ zu machen. „Ein richtiges Angebot ist eine Abgrenzung gegenüber relevanten Wettbewerbern. Seien Sie nicht schneller, sondern bunter, kreativer, individueller. Grenzen Sie sich ab von Schnellschraubern!“ Ziel sei es, im Kopf des Kunden die Nummer eins zu sein. Dieser müsse erkennen, dass er in den richtigen, in sicheren Händen sei. Angesprochen auf die aktuelle Nachfrage-Flut, empfahl Kloep, sich auf bestimmte Auftragsarten und Kundentypen zu spezialisieren. Ihm sei klar, dass dies vielen Angst mache, jedoch seien Spezialisten mehr gefragt und verdienten auch mehr.
Nicht nur die Themen Spezialisierung und Kooperation wurden in der anschließenden, von SBZ-Chefredakteur Dennis Jäger moderierten Diskussionsrunde angesprochen, sondern auch das Thema Daten und wer zukünftig über diese verfügt. Anknüpfend an Arno Kloep, der die Unternehmer aufforderte, sich die Frage zu stellen: „Möchte ich getrieben werden oder bin ich in der Lage, eigene Ideen zu denken?“, bedauerte Professor von den Eichen, dass es erfahrungsgemäß in den meisten Fällen erst einer Bedrohung bedürfe, bevor sich in Firmen etwas bewege. Erst dann werde nach vorne gedacht. Fachverband-Hauptgeschäftsführer Wolfgang Becker schloss die Diskussion damit ab, dass die erlebte Fachtagung ja genau diesen Gedanken verfolge: mithilfe von Expertenwissen zu zeigen, in welche Richtung es gehen wird, sodass jeder Unternehmer selbst analysieren kann, welche Konsequenzen er daraus für sich und sein Unternehmen ziehen muss.