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Wie Innungen zu einer neuen Rolle finden

Wegweiser in der Krise

Das SHK-Handwerk mit seinen überwiegend kleinen und mittelständischen Unternehmen gilt als relativ robust gegenüber äußeren Einflüssen. Dies liegt an der aktuell guten Auftragslage, familiären und agilen Strukturen in den Betrieben, einer Förderlandschaft, die energetische Sanierungen und barrierefreie Umbauten attraktiv macht, sowie gewachsenen Stammkundenbeziehungen im Wartungsgeschäft. Daraus resultieren Flexibilität und Anpassungsfähigkeit im Tagesgeschäft. Darüber hinaus profitieren die Unternehmen der Branche von gesellschaftlichen und politischen Veränderungen, wie der Energiewende oder dem demografischen Wandel. Krisen, wie die Baukrise ab 1995 oder die Börsenkrise 2008/2009 zeigten, dass das SHK-Handwerk dennoch nicht unbeschadet bleibt. Die Baukrise verursachte bspw. massive Auftragseinbrüche, Entlassungen von Mitarbeiter*innen, rückläufige Ausbildungsplatzangebote und in Berlin auch betriebsbedingte Löschungen und damit einen Rückgang der Mitgliederzahlen. Von 1260 Mitgliedern im Jahr 1992 verlor die Innung bis zum Jahr 2000 fast 400 Mitglieder.

SHK-Handwerk als eigenständige und systemrelevante Branche

In der aktuellen Coronakrise können unsere Betriebe weiterhin gut arbeiten. Positiv wirkte sich der Rückstau in der Auftragslage aus. Der Auftragsbestand in SHK betrug nach aktuellen Daten des Zentralverbands SHK im Mai 2021 14,5 Wochen. Auch Stornierungen während des ersten Lockdowns von Privatkunden, die keine Monteur*innen in den Wohnungen haben wollten, wurden im Herbst 2020 nachgeholt. Betroffen waren rund 15 % der Betriebe. Insgesamt gab es in Berlin aber keinen dramatischen Einbruch des Umsatzes und der Aufträge, wie eine Corona-Umfrage der Innung im Sommer 2020 ergab. Da keine eklatanten Einbußen des Umsatzes zu verzeichnen waren, kamen staatliche Hilfen während der Krise (Corona-Sofortgelder oder Ausbildungsprämien) bei SHK-Betrieben auch so gut wie nicht an. Die Auftragslage war mehrheitlich sehr stabil. Die aktuelle Geschäftslage wird vom SHK-Handwerk laut Frühjahrsumfrage sehr optimistisch eingeschätzt. 2020 gab es trotz Corona 7,3 % Jahresumsatzplus.

Grundlage dieser Stabilität während der Pandemie war, dass am 27. März 2020 das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie die bundesweit geltende Systemrelevanz des SHK-Handwerks feststellte. SHK als Teil der „KRITIS“ ermöglichte es allen Betrieben, konstant in allen Pandemiephasen durchzuarbeiten. Beeinträchtigungen gab es nur in Quarantänesituationen, durch höhere Hygienekosten, die Testangebotspflicht oder aufgrund von Belastungen für Mitarbeiter*innen wegen Schließung der Kindertageseinrichtungen. Trotz kontinuierlicher Fortführung der Arbeit gab es kein relevantes Infektionsgeschehen. Monteur*innen hatten stets zuverlässige Möglichkeiten, sich bei der Arbeit zu schützen. Hinzu kommt, dass es bislang nur geringe nachgelagerte Effekte gibt, wie sie andere Gewerke längst erleiden, die Kunden verlieren, obwohl auch sie systemrelevant sind.

Bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen wird deutlich, dass SHK Zukunft bedeutet.

Bild: Innung SHK Brlin

Bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen wird deutlich, dass SHK Zukunft bedeutet.

Zentraler Akteur für Betriebe: Innung und ihre Taskforce

Während der Pandemie wurde deutlich, dass die SHK-Branche in Krisenzeiten mehr denn je eine zentrale Anlaufstelle bei Fragen und Problemen benötigt. Die Rolle der Berliner Innung wandelte sich von der eher im Hintergrund agierenden Dienstleisterin (technische und rechtliche Beratung, Gremienarbeit, Weiterbildung, Meisterschule, Fachkräftesicherung) hin zu einer strategischen Informationszentrale. Herzstück war die Gründung der Taskforce Corona.

Die Möglichkeit der Bildung einer Taskforce, also eines Kernteams, wurde bereits im Change-Prozess der Innung seit 2017 angelegt („Agenda 2025“). Ziel war, flexible, agile und reaktionsschnelle Gruppenstrukturen aufbauen zu können. Am Vortag des ersten Lockdowns wurde diese Taskforce zusammengezogen. Das Krisenteam setzte sich aus Geschäftsführung und Bereichsleiter*innen jeder Stabsstelle zusammen. Zwei Aufgaben hatte die Taskforce: zum einen die Handlungsfähigkeit der Innung sicherstellen und zum anderen tagesaktuelle Informationen an die Betriebe weitergeben.

Die Handlungsfähigkeit der Innung wurde zunächst enorm herausgefordert, weil mit den Schulschließungen auch das Kompetenzzentrum der Innung schließen musste. Um die Weiterarbeit aufrechtzuerhalten, begann die Konzeption von Onlineschulungen, vor allem der Online-Meisterschule. Alle internen Abläufe erfuhren umgehend digitale Anpassungen: virtuelle Teamsitzungen, Gremienarbeit per Zoom, der geschützte Mitgliederbereich als zentrale Plattform, Rotation der Mitarbeiter*innen im Homeoffice. Die Lehrlingsverwaltung sorgte überdies für Corona-konforme Abläufe der Gesellenprüfungen oder Aufschub. Da Fachkräfteengpässe jeden Aufschwung gefährden, lag auch ein Hauptaugenmerk auf der Fortführung der Berufs­orientierung. Hierbei gab es virtuelle Events in Berlin, aber auch mobile Messen im Freien, an denen die Innung teilnahm. Die Steigerung der Berliner Azubizahlen im Sommer 2020 bestätigt die Erfolge dieses Engagements.

Die zweite Ebene betraf die Aufbereitung von Informationen an die Betriebe. Seit Beginn der Pandemie erfolgt eine tägliche Sichtung, Analyse, Filterung und Aufbereitung der sich teils widersprechenden und ständig ändernden Informations- und Rechtslage. Die vielfältigen Informationen von Bundesregierung, Land Berlin, Robert-Koch-Institut, aber auch von ZDH, ZVSHK oder Handwerkskammer Berlin mussten gebündelt und für die Betriebe lesbar gemacht werden. Zunächst erhielten nur die Innungsmitglieder Informationen. Dann wurde solidarisch das gesamte Berliner SHK-Handwerk einbezogen. Besonderer Beratungsbedarf bestand im Arbeitsrecht. Die Taskforce schaltete eine Hotline, besetzte diese im Schichtdienst, versendete täglich eine Corona-Mail. Die Innung leistete hier eine auf die Bedarfe der Betriebe zugeschnittene und passgenaue Übersetzung der Lage. Die Taskforce-Arbeit der Innung wird dabei getragen von den drei Leitmotiven:

  • Verantwortung und Solidarität gegenüber Mitgliedern, aber auch gegenüber der Gesellschaft und Branche
  • Aufarbeitung von Informationen für Betriebe mit Blick auf den Nutzen für den Betriebsablauf
  • Keine Wertung oder Erzeugung von Stimmungen, sondern Lektüre der Fakten und Austausch darüber mit den relevanten Akteuren aus Politik und Verbänden in Berlin.
  • Die Innung Berlin ist zur zentralen Informationsquelle für die Betriebe geworden.

    Bild: Innung SHK Brlin

    Die Innung Berlin ist zur zentralen Informationsquelle für die Betriebe geworden.

    SHK im aktuellen Trend: krisensicher und zukunftsfähig

    Wie ist die Lage jetzt im Sommer 2021 mit Inzidenzen und Lockerungen? So moderat die Folgen aktuell noch sind, mit nachgelagerten Effekten ist zu rechnen, denkbar ist, dass verminderte Steuereinnahmen des Landes Berlin dazu führen, dass öffentliche Aufträge und Investitionen ausbleiben, gleichzeitig könnten Gewerbekunden wie Gastronomie, Fitnessstudios oder Hotels wegen Insolvenz oder zurückgestellter Investitionen verloren gehen. Das ist aber Spekulation und bleibt abzuwarten.

    Kritisch sind aktuell die Lieferengpässe bei Materialien, die besonders den Badbau, aber auch den Heizungsbau betreffen und inzwischen von zwei Dritteln der Betriebe beklagt werden, wie die Frühjahrsumfrage des ­ZVSHK 2021 feststellt. Hinzu kommen in den vergangenen Monaten Versorgungsengpässe auf den Rohstoffmärkten, Ausfälle in den globalen Lieferketten sowie pandemiebedingte Logistikprobleme, die zu einem erheblichen Anstieg der Rohstoff- und Betriebskosten führen. Hiervon ist das SHK-Handwerk auch betroffen.

    Das Berliner Handwerk gilt laut einer Umfrage der Handwerkskammer Berlin im Frühjahr 2021 als krisensicher und anpassungsfähig. Das SHK-/Ausbaugewerbe beeinflusst mit seiner guten Entwicklung vermutlich das Gesamtergebnis, denn natürlich hat es andere Gewerke hart getroffen. Zwei Drittel der Handwerksbetriebe in Berlin wollen die Ausbildungsleistung stabil halten oder ausweiten.

    Diese Aussagen werden durch die Umfrage der Innung für den SHK-Bereich aus dem Mai 2020 gestützt. Die Innung SHK Berlin konnte die Ausbildungszahlen sogar leicht steigern (über 300 Neuverträge). Auch das ist ein Ergebnis einerseits der Systemrelevanz von SHK, aber auch die Leistung der Taskforce. Trotz des Wegfalls üblicher Rekrutierungswege hat die Innung Schülerinnen und Schüler auf digitalen Berufsmessen, über Radiowerbung, eine Plakataktion und das Karriere­mobil der Handwerkskammer erreicht. Das gewachsene Schul- und Lehrernetzwerk der Innung war dabei eine entscheidende Grundlage. Bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen wird deutlich, dass SHK Zukunft bedeutet.

    Die Innung ist zur zentralen Informationsquelle für die Betriebe und damit zu einer Krisenautorität geworden. „Wir sind der Karl Lauterbach des Berliner Handwerks“, überspitzt die Taskforce Corona selbst ihre Rolle augenzwinkernd. Die Etablierung der Informationszentrale war besonders charakterisiert durch die Schaffung neuer Personalstrukturen, die schnelle Einführung von neuen digitalen Kommunikationsformen sowie neuen Beobachtungs- und Auswertungs­strategien. Dem SHK-Handwerk wurde so zu einem Mehr an Robustheit verholfen. Damit verbunden sind Mitgliederzufriedenheit, ­Anerkennung, Neumitglieder und eine Intensivierung der inneren Bindung an die Innung.

    Fazit: Rollen finden – Robustheit herstellen

    Insofern können Krisensituationen auch Chancen eröffnen; genutzt werden müssen diese jedoch proaktiv. Gerade in diesem Punkt zeichnet sich die Innung durch die Fähigkeit aus, schnell unter den ihr zur Verfügung stehenden Ressourcen Wirksamkeit zu entfalten. Dies setzt ein spezifisches Selbstverständnis voraus, nämlich die Bereitschaft zur Innovation und zum Rollenwechsel.

    Freilich kann die Innung nicht – oder nur in beschränktem Maß – Auftragslage, Konjunktur und Kunden beeinflussen. Allerdings ist sie eine entscheidende Instanz in der Vertretung der Betriebe gegenüber etwa der Politik und in der Kommunikation. Aus dieser Schlüsselposition heraus erwachsen die spezifische Handlungsfähigkeit der Innung SHK Berlin und deren Flexibilität, in Krisensituationen auch andere Rollen einzunehmen – wie die einer strategischen Informationszentrale.

    Die vielfältigen ­Informationen von Bundesregierung, Land Berlin, ­Robert-Koch-Institut aber auch von ZDH, ZVSHK oder Handwerkskammer Berlin mussten gebündelt und für die Betriebe nutzbar gemacht werden.

    Bild: Innung SHK Brlin

    Die vielfältigen ­Informationen von Bundesregierung, Land Berlin, ­Robert-Koch-Institut aber auch von ZDH, ZVSHK oder Handwerkskammer Berlin mussten gebündelt und für die Betriebe nutzbar gemacht werden.

    Info

    Sinkende Inzidenzen, maßvolle Lockerungen und die Rückkehr der Berliner Schulen zum Regelunterricht eröffneten plötzlich im Juni 2021 ein kleines Zeitfenster für Berufsorientierung in Präsenz.

    Bild: Innung SHK Brlin

    Sinkende Inzidenzen, maßvolle Lockerungen und die Rückkehr der Berliner Schulen zum Regelunterricht eröffneten plötzlich im Juni 2021 ein kleines Zeitfenster für Berufsorientierung in Präsenz.

    Für den Branchennachwuchs geworben

    Viele Corona-Geschichten sind schon erzählt worden, aber längst nicht alle. Eine dieser Geschichten ist auch die der Jugendlichen im zweiten digitalen Schuljahr, im zweiten Sommer ohne Berufsorientierung an den Schulen und ohne Berufsmessen zum Ausprobieren.

    Die Sorge um diese Corona-Jahrgänge ist groß. Inzwischen ist das auf höchster politischer Ebene angekommen. Der Zentralverband des Deutschen Handwerks erklärt unermüdlich die Vorzüge einer dualen Ausbildung, die jungen Menschen gerade in diesen ungewissen Zeiten zukunftssichere und anspruchsvolle Berufe mit hervorragenden Fortbildungs- und Karrieremöglichkeiten bietet. Während nämlich Schulen pandemiebedingt schließen mussten, hat die betriebliche Ausbildung ganz überwiegend weiter vor Ort stattgefunden. Auszubildende konnten ihre Ausbildung weiterführen oder abschließen. Sie gingen nicht ins Homeoffice. Die Systemrelevanz z. B. des SHK-Handwerks macht das möglich und die Zukunftsthemen Energie- und Mobilitätswende, Wohnungsbau oder Smarthome wären ohne dual ausgebildete Fachkräfte nicht umzusetzen.

    Die Innung SHK Berlin hat bereits im Sommer 2020 alle Möglichkeiten ausgeschöpft und Netzwerke mobilisiert, um virtuelle Berufsmessen zu bespielen, direkte Ansprache an den Schulen zu suchen und an politische Akteure zu appellieren, diese Corona-Generation nicht zu vergessen. Berlin war dadurch sogar in der Lage, die Ausbildungszahlen zu halten.

    Sinkende Inzidenzen, maßvolle Lockerungen und die Rückkehr der Berliner Schulen zum Regelunterricht eröffneten plötzlich im Juni 2021 ein kleines Zeitfenster für Berufsorientierung in Präsenz. Die Innung nutzte das kurzfristig. Gemeinsam mit den Berliner Elektro-, Metall-, Maler- und KFZ-Innungen sowie der Fachgemeinschaft Bau und mit Unterstützung durch die Ausbildungskampagne #seiDUAL sowie der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales organisierte die Innung den ersten Berliner Berufsorientierungstag in Präsenz seit der Pandemie: Zukunft Handwerk. 210 Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufen 9 und 10 nutzten das Angebot.

    Der Schwerpunkt lag auf der Präsentation von Umweltberufen, die jungen Menschen mit klimapolitischen oder technischen Interessen eine krisensichere Perspektive geben. Die Berufe des Sanitär- und Heizungshandwerks, der Baubranche, des Elektrohandwerks, Malerhandwerks, Metallbaus und des Kraftfahrzeughandwerks stehen alle für Fachwissen, das unverzichtbar ist für die Energiewende, die Mobilitätswende, die vernetzte Gebäude- und Automatisierungstechnik, Dämmung der Gebäudehülle und Nachhaltigkeit.

    Autoren

    Dr. Stephanie ­Irrgang 
    ist verantwortlich für die ­Öffentlichkeitsarbeit der Innung SHK Berlin.

    Bild: Innung SHK Berlin

    Dr. Peter Biniok
    ist dort wissenschaftlicher Mitarbeiter des ­Projekts „Ausbildung stärken – Nachwuchskräfte binden“.

    Bild: Innung SHK Berlin