SBZ: Herr Ehrenreich, warum tut sich das Fachhandwerk – natürlich abgesehen von löblichen Ausnahmen – so schwer, die moderne Fernwirktechnik zu vermarkten?
Ehrenreich: Das fängt leider schon in der Ausbildung der jungen Leute an, denn in den Berufsschulen wird zum Teil noch mit der Regelungstechnik aus den 1980er-Jahren ausgebildet. So geht die Digitalisierung der Heizungstechnik an den jungen Leuten während der Ausbildung oft ganz vorbei. Glücklicherweise gibt es aber auch Lehrer, die sich für die moderne Technik begeistern, die sich selbst weiterbilden und die den Auszubildenden dieses Wissen vermitteln. Zu einigen dieser Lehrer habe ich persönliche Kontakte und wir machen an den Schulen auch gemeinsame Aktionen. Wenn es zeitlich passt, unterrichte ich die jungen Leute gelegentlich sogar selbst. Grundsätzlich wäre aber eine systematische Unterstützung der Schulverwaltungen in Verbindung mit der Modernisierung der Lehrinhalte wünschenswert. So könnten viel mehr Impulse in die Handwerksunternehmen kommen.
SBZ: Bieten denn wenigstens Sie bzw. Buderus die Schulungen in Sachen Automatisierungs- und Fernwirktechnik offensiv an?
Ehrenreich: Wir haben 2014 Schulungen zu diesem Thema entwickelt und führen diese mittlerweile erfolgreich durch. Anfangs mit zögernder Teilnahmebereitschaft, mittlerweile jedoch mit großem Andrang. Auf der letzten Messe GET Nord in Hamburg wurden wir geradezu von Kunden genötigt, sie in diesem Thema zu schulen. Immer öfter verlangen Kunden diese Technik direkt vom Handwerker. Nach meiner Beobachtung entwickelt sich die Nachfrage nach der Smart-Technik für die Heizung ebenso rasant wie vor einigen Jahren die Marktdurchdringung der Smart-Phones.
SBZ: In welchen Schulungen behandeln Sie das Thema Automation und wie viele Handwerker erreichen Sie damit?
Ehrenreich: Derzeit handeln wir das Thema in unseren Grundkursen zur Regelungstechnik und zur Wartung von Öl- und Gasgeräten ab. Bei der Schulung zur Regelungstechnik ist der Part, wo wir auf die Automation und die Apps eingehen, natürlich wesentlich größer. Wir zeigen den Handwerkern, wie man einen Kessel ins Internet bringt und wie man mit PowerLAN umgeht, also der Datenübertragung über das Stromnetz, wenn im Keller kein WLAN ist. Mit den Schulungen erreiche ich pro Jahr etwa 1500 Handwerker, wobei einige natürlich mehrfach in verschiedene Schulungen kommen. Wir gehen bei guten Kunden auch in die Betriebe und machen die Schulungen vor Ort.
SBZ: Und wie verpacken Sie das Thema Automation bei Ihren Schulungen zur Öl- und Gaskesselwartung?
Ehrenreich: Bei der Verbrennungstechnik legen wir neben den Produktschulungen auch einen Schwerpunkt auf die Anlagenperipherie. Wir versuchen dabei möglichst einen Rundumblick zu vermitteln. Bei der Öltechnik liegen nach meiner Erfahrung als Werkstechniker rund 80 % der Störungen an Tankanlage und Ölzufuhr. Und auch bei der Gasfeuerung führen Fehler bei der Gaszufuhr immer wieder zu Störungen. Das ist dann ein guter Link zu unserer App Easycontrol Pro für Handwerker. Diese ermöglicht die Überwachung von Kundengeräten über das Internet und ermöglicht im Störfall – Einverständnis des Kunden vorausgesetzt – Eingriffe in die Anlage. Viele Störungen lassen sich über die Fernwirktechnik beseitigen oder durch telefonische Anweisungen an den Kunden, der bei einfachen Problemen auch selbst Hand anlegen kann, wie uns die Erfahrung zeigt. In den anderen Fällen steht der Servicemitarbeiter dann mit dem richtigen Ersatzteil vor der Türe des Kunden. Das ermöglicht den Aufbau von ganz neuen Premium-Dienstleistungen mit starker Kundenbindung. Sogar eine Anlagenoptimierung ist vom Büro aus möglich. Bei Geräten mit unserer EMS-Regelung, die seit 2003 im Einsatz ist, reicht das Nachrüsten eines kostengünstigen Internet-Gateways, was bei 200 Euro liegt.
SBZ: Entwickeln die Handwerker in den Schulungen die gleiche Begeisterung wie Sie?
Ehrenreich: Viele Betriebe haben noch nicht begriffen, dass diese Technik eine erhebliche Arbeitserleichterung darstellt. Da wird lieber diskutiert, wie viele neue Vorschriften heute zu befolgen sind, zum Beispiel die Trinkwasserverordnung. Aber die Zahl der Anwender nimmt zu, die das Potenzial für sich erschließen wollen. Schließlich spart es immens Zeit, wenn sich nutzlose Fahrten sparen lassen, bei denen der Monteur dann nur feststellt, dass die Schaltuhr verstellt oder der Öltank leer ist. Gerade bei Stammkunden tut sich der Chef dann auch noch schwer, solche Einsätze voll abzurechnen. Insbesondere im ländlichen Raum lässt sich die Grenze zwischen Handwerksleistung und Nachbarschaftshilfe sowieso nicht so scharf ziehen.
SBZ: Dann kann ein Handwerksbetrieb, der mehrere Mitarbeiter im Kundendienst hat, also den einen oder anderen Mann einsparen?
Ehrenreich: Ganz sicher nicht, denn gute Kundendienstleute sind heute echte Mangelware und werden gerne auch von Wettbewerbern abgeworben. Vielmehr kann der Betrieb seine Leute dann vermehrt für produktive Arbeiten einsetzen. Es wären auch Konstellationen denkbar, bei denen ein Kundendienstmonteur im Büro stationiert ist. Der kann viele Störungen vom Schreibtisch aus erledigen und seine Kollegen im Außendienst optimal steuern. Wenn im Büro ein kompetenter Techniker sitzt, können sich noch weitere Vorteile ergeben: Oft kostet es Zeit und Nerven, wenn Kundenanrufe erst mal im Büro aufschlagen. Dann hat vielleicht die Chefin doch nicht das vertiefte technische Wissen und muss dann zwischen Kunde und Meister vermitteln.
SBZ: Neben der Profi-App haben Sie noch die Easycontrol App für Endkunden zur Heizungssteuerung über das Smartphone. Muss der Kunde diese nutzen, wenn er in den Genuss der Fernwartung durch den Handwerker kommen will?
Ehrenreich: Nein. Und das ist ein weiterer Vorteil, denn viele Endkunden, zum Beispiel ältere Leute, wollen oder können sich nicht auf eine solche Technik einstellen. Trotzdem kann ich mir gut vorstellen, dass sich einige dennoch für einen Premium-Wartungsvertrag mit Fernüberwachung begeistern könnten. Doch auch der Einstieg zu Nutzung der Endkunden-App ist heute einfach geworden. Ich habe einen befreundeten Heizungsbauer, der verkauft seinen Kunden das Modul für die Steuerung per Smartphone mit dem Kessel und verweist auf ein Youtube-Video, das die Nutzung erklärt. Er sagte mir, dass zur Fernsteuerung keine Nachfragen mehr von seinen Kunden kommen.
SBZ: Ist die Sicherheit im Internet ein Thema in Ihren Schulungen?
Ehrenreich: Fragen hierzu tauchten nur in der Anfangszeit auf – mittlerweile lässt die Verunsicherung nach. Wir treiben als Bosch-Konzern beim Thema Sicherheit extrem hohen Aufwand. Unsere Module haben eine feste IP-Adresse, über die eine direkte Verbindung mit dem Bosch-Server hergestellt wird. Dieser Server arbeitet mit sehr hohen Sicherheitsstandards, weil dort auch wertvolle Daten, beispielsweise zu Firmenpatenten, lagern. Vergleichbar ist die Sicherheit bei uns vielleicht mit dem Online-Banking. Und wenn jemand so gut ist, dass er den Bank-Server knacken kann, dann räumt er die Bank selbst ab und nicht mein Konto. Es gibt in dem Bereich keine absolute Sicherheit, aber die Kunden beruhigt dieses Hintergrundwissen in der Regel.
SBZ: Was ist zu tun, damit sich die smarte Heizungssteuerung und Überwachung im Markt durchsetzt?
Ehrenreich: Zunächst sind natürlich wir als Hersteller in der Bringschuld und wir bemühen uns auch nach Kräften, die Heizungsbauer auf allen Kommunikationskanälen mitzunehmen. Wer die Technik dann nutzt, der bereut in der Regel schnell, dieses nicht schon viel früher gemacht zu haben.
SBZ: Das werte ich mal als Schlussplädoyer und bedanke mich für das interessante Gespräch.