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Abwerben, aber richtig

SBZ: Fachkräfte für den Betrieb finden und nachhaltig binden, wie geht das?

Thorsten Moortz: Zunächst ist es wichtig, sich dort zu zeigen, wo sich potenzielle Mitarbeiter aufhalten. Das ist nicht nur der örtliche Sportverein, den man als Sponsor unterstützt, sondern auch das Internet. Die Bewerbung als guter Arbeitgeber bei den künftigen Mitarbeitern muss ebenso professionell betrieben werden wie die Werbung um neue Kunden.

SBZ: Eine Anzeige in der lokalen Tageszeitung ist demnach zu wenig?

Moortz: Die Zweifel, dass das alleine ausreicht, werden zumindest nicht geringer. In den sozialen Netzwerken, allen voran Instagram und Facebook, zeigen Handwerksbetriebe, dass sie als Unternehmen spannende Jobs erledigen und der Zusammenhalt passt. Echt, authentisch, ehrlich. Am besten mit Videos. Als Beispiel kann man einmal den Hashtag #lustaufhandwerk auf Instagram suchen. Dort zeigen Handwerksunternehmen, weshalb Arbeiten im Handwerk so viel Spaß macht – und jeder einzelne dort vertretene Unternehmer macht automatisch Werbung für sich selbst.

SBZ: Nach dem Finden kommt das Binden. Was bedeutet moderne Mitarbeiterführung für Sie?

Moortz: Modern im Handwerk bedeutet, dass man eine Karriere-Chance anbieten muss. Zudem ist es die Aufgabe der Führungskräfte, die Mitarbeiter nach ihren Fähigkeiten und Neigungen einzusetzen. Eine weitere Führungsaufgabe ist die Heranführung an die digitalen Werkzeuge auf der Baustelle, z. B. an die digitale Bauakte. Wer hier bei der Einführung seine Mitarbeiter nicht mitnimmt, sondern ihnen nur kommentarlos einen Tablet-PC in die Hand drückt, der scheitert.

SBZ: Wie werden Handwerksunternehmen attraktive Arbeitgeber?

Moortz: In Abwandlung des alten Sprichwortes: „Es reicht häufig zur Mitarbeitermotivation schon aus, die Mitarbeiter nicht zu demotivieren“, empfehle ich zunächst einmal die Basis-Hygienefaktoren im Unternehmen zu prüfen:

  • Können die Mitarbeiter ihre Arbeit weitgehend störungsfrei erledigen oder hemmt die schlechte Organisation Abläufe?
  • Sind die Werkzeuge, Arbeitskleidung und Fahrzeuge auf aktuellem Stand?
  • Haben alle Mitarbeiter eine Vorstellung von dem Sinn ihrer Arbeit? Beantwortet das Unternehmen die Frage danach, wozu es überhaupt existiert?
  • Können Mitarbeiter, die mehr Verantwortung und höherqualifizierte Aufgaben übernehmen, auch mehr verdienen – oder ist die Verdiensthöhe ausschließlich an die Betriebszugehörigkeit und die angelegten Prüfungen gebunden?

Anhand der letzten Frage entwickle ich gemeinsam mit meinen Coaching-Kunden spannende Entlohnungsmodelle, die den Fokus auf die vom Mitarbeiter selbst beeinflussbaren Faktoren legen. Diese Modelle verzichten auf pauschale Lohnerhöhungen und ersetzen sie durch erreichbare Zusatzprämien. So werden Handwerksbetriebe als Arbeitgeber nicht nur attraktiv, sie sind auch schwerer mit der Konkurrenz zu vergleichen.

SBZ: Inwieweit sehen Sie die aktive Abwerbung als geeignetes Mittel an, um dem Fachkräfteengpass zu begegnen?

Moortz: Also, Abwerbung klingt so negativ. Das ist es aber gar nicht. Es geht doch darum, Menschen vor ihrem schlechten Arbeitgeber zu retten. Denn wem es gut gefällt, der hat doch keinen Grund zu wechseln. Wenn der Mitarbeiter sagt, ich gehe, dann nicht, weil er nur mehr Kohle bekommen hat, sondern weil er mit dem Arbeitgeber unzufrieden ist.

SBZ: Wie bitte? Geld spielt keine Rolle?

Moortz: Also, Geld ist sicherlich immer eine Triebfeder, es ist ein Impuls- und vielleicht auch der Entscheidungsgeber, aber mit Sicherheit nicht der Hauptgrund. Wenn ein Mitarbeiter das Unternehmen wechselt, dann hat er auch ein soziales Umfeld, dem er seine Entscheidung erklären muss. Warum wechselt er? Ja, weil er mehr Kohle kriegt. Und da antwortet doch jeder, ach so ja, das ist in Ordnung. Wenn er aber nur sagt, ich bin unzufrieden, der Laden ist einfach miserabel organisiert, der Chef ist ein Tyrann, wir haben keinen Spaß mehr am Arbeiten, dann sagen die Leute alle zu ihm: Ja, stell dich nur nicht so an. Ich halte den Wohlfühlfaktor deshalb für mindestens ebenso wichtig. Wir sprechen nur zu wenig darüber.

SBZ: Warum soll das funktionieren? Es geht doch allen gut, die Geschäfte laufen von allein.

Moortz: Wenn ich mich mal umschaue, wie im Moment die Organisation schleift bei vielen Handwerksbetrieben, da kann den Mitarbeitern schon die Lust vergehen. Und man mag es auch gar nicht glauben, wie viele Unternehmen da draußen wirklich miserable Arbeitswerkzeuge haben, wie unmotiviert teilweise Projekte angegangen werden. Da kann man nur noch die Hände überm Kopf zusammenschlagen. Wie viele Betriebe sind da draußen, die von sich behaupten können, sie haben eine gute Arbeitsorganisation? Nicht viele, behaupte ich. Aber die, die es bejahen können, die sollen es auch erzählen. Denn damit locken sie Fachkräfte und Azubis ganz legal an.

SBZ: Es geht also um eine Art innere Zufriedenheit. Kann ich das so ausdrücken?

Moortz: Ja, das passt. Wer auch nur ansatzweise keine Lust mehr hat, in seinem Unternehmen zu arbeiten, ja, was macht der? Der geht ins Internet und sucht nach einer Alternative.

SBZ: Aha. Und wer sich als Arbeitgebermarke online und in der realen Welt gut präsentiert und positioniert, der hat die besseren Karten im Wettbewerb um gute Mitarbeiter?

Moortz: Um im Internet wahrgenommen zu werden, muss man sich als Betrieb online positionieren. Das bedeutet auch: Nutzt das Internet und Social-Media-Kanäle, um euer Unternehmen für potenzielle Mitarbeiter darzustellen! Sagt ihnen, was sie bei euch erwartet und wofür euer Unternehmen steht. Und das nicht nur online. Bandenwerbung in der Sporthalle, Anzeigen im Regionalblatt, Plakate – wie man den Weg in die Köpfe findet, ist letztlich egal. Hauptsache, der Betrieb ist als Alternative präsent, wenn es darauf ankommt.

SBZ: Interessierte Mitarbeiter sollten eine Vorstellung davon bekommen, wie es ist, bei einem anderen zu arbeiten?

Moortz: Genau. Es macht Spaß zu arbeiten, das ist ein tolles Team, es freut sich auf jeden Neuen, der kommt, der Betrieb ist toll organisiert. Das sind so die Hauptpunkte, die im Moment am besten funktionieren.

SBZ: Also, wenn sich Betriebe passiv präsentieren, bis jemand zu ihnen kommt, dagegen kann ja auch niemand etwas einwenden. Aber die Mitarbeiter der Konkurrenz ansprechen und gezielt abwerben? Da ist im Handwerk schon Skrupel vorhanden.

Moortz: Ich denke, es sollte jedem freigestellt sein, über mögliche Methoden nachzudenken, wie er an Mitarbeiter kommt, die mit einer gewissen Qualifikation ausgestattet sind.

SBZ: Wie wäre es mit einer Wechselprämie?

Moortz: Ich betreue ein Unternehmen, bei dem wir eine 1000-Euro-Kopfprämie ausgeschrieben haben. Diese Summe erhält derjenige, der einen neuen Mitarbeiter empfiehlt. Ob mir jemand einen neuen Mitarbeiter bringt oder einen neuen Kunden, da sehe ich ehrlich auch moralisch keinen Unterschied. Wechselprämien, um neue Mitarbeiter anzulocken, halte ich für unnötig. Wie das wohl aufs Team wirkt, wenn der Neue eine dicke Prämie kriegt, ohne vorher irgendetwas geleistet zu haben?

SBZ: Was ist mit Zeitarbeitern?

Moortz: Im Grunde schon, wobei die Qualität da leider auch abgenommen hat. Insofern hat man es meistens mit Hilfskräften zu tun. Manchmal trifft man aber eben auch ein paar Perlen, die wirklich Bock haben zu arbeiten. Wo deutlich wird, der möchte sich weiterentwickeln. Aber für anspruchsvolle SHK-Tätigkeiten benötigen die auch erst mal eine weiterführende Ausbildung, damit sie dann auch wirklich für das Unternehmen gut einsetzbar sind. Aber das hilft auch nur bedingt. Wenn qualifiziertes Personal benötigt wird, richtet sich der Blick fast schon automatisch auf die Mitarbeiter der regionalen Mitbewerber.

SBZ: Besten Dank für das Gespräch. Am 7. November in Stuttgart erfahren wir mehr!

SBZ-Tipp

Veranstaltung: Wie Sie Arbeitgebermarke werden

Digitalisierung macht jedes Handwerksunternehmen besser – unabhängig von seiner Größe. Betriebe können sich effizienter aufstellen, um ihr Leistungsvermögen besser auszuschöpfen. Angesichts fehlender Fachkräfte und einer rosigen Auftragslage ist das ein lohnenswertes Ziel. Welche Faktoren dazu beitragen, eine Wertschöpfung in größerem Maßstab zu erzielen, stellt das „forum handwerk digital 2019“ am 7. November in Stuttgart vor. Schwerpunkte des eintägigen Kongresses sind „Das digitale Büro“ und „Onlinemarketing/Fachkräfte begeistern“. Die Teilnahme kostet 199 Euro. Mehr zum Forum und zur Anmeldung unter

www.haustec.de/forum-handwerk-digital-2019