Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch
Nachgefragt

Nicht immer einfach

Inhalt

SBZ: Herr Ishorst, sowohl die Muster-Hochhaus-Richtlinie (MHHR) als auch die Muster-Leitungsanlagen-Richtlinie (MLAR) regeln den baulichen Brandschutz von Hochhäusern. Da stellt sich die Frage, welche Vorschrift in einem konkreten Fall anzuwenden ist und wie sich die jeweils genannten Forderungen zueinander verhalten?

Ishorst: Ziel der Muster-Hochhaus-Richtlinie ist die Regelung für den Bau und Betrieb von Hochhäusern. Detaillierte Angaben zur brandschutztechnischen Planung und Ausführung von Leitungsanlagen sind in der Muster-Hochhaus-Richtlinie, mit Ausnahme des Abschnittes 7.2 (Leitungen, Installationsschächte und -kanäle), nicht enthalten. Wie Leitungsdurchführungen durch Wände und Decken mit Anforderungen an die Feuerwiderstandsfähigkeit bzw. die Leitungsverlegungen in Flucht- und Rettungswegen auszuführen sind, einschließlich der erforderlichen Nachweise, ist in der Muster-Leitungsanlagen-Richtlinie MLAR geregelt. Im Bereich der Leitungsanlagen in Hochhäusern müssen also beide Richtlinien angewendet werden.

SBZ: Sind MLAR und MHHR verbindliche Rechtsnormen?

Ishorst: Die Musterbauordnung (MBO) und die Muster-Sonderbauverordnungen sowie die Muster-Leitungsanlagen-Richtlinie (MLAR) sollen die dem Landesrecht unterliegenden Landesbauordnungen vereinheitlichen. Sie werden ständig aktualisiert von der Bauministerkonferenz (Aregebau), in der alle Bundesländer vertreten sind. Auf diesen Musterbauordnungen basieren die Bauordnungen sämtlicher Länder. Die Musterbauordnungen selbst sind kein Gesetz bzw. verbindliche Rechtsnormen. Aus Gründen der Vereinfachung und Übersichtlichkeit wird in der Regel jedoch auf die Musterregelungen Bezug genommen, die im Bereich der Bauprodukte und Bauarten nahezu einheitlich in den Ländern übernommen sind. Die Landesbauordnungen enthalten deshalb im Wesentlichen übereinstimmende Vorschriften und unterscheiden sich nur in Details.

SBZ: Dennoch ist auch die MHHR im Rahmen des Bauordnungsrechts praxisrelevant, oder?

Ishorst: Die Landesbauordnung (LBO) und die Sonderbauverordnungen sowie die Leitungsanlagenrichtlinie (LAR) des jeweiligen Bundeslandes sind in Deutschland wesentlicher Bestandteil des öffentlichen Baurechts. Einem Rechtsgutachten des Bundesverfassungsgerichts zufolge liegt die Kompetenz für das Bauordnungsrecht bei den deutschen Bundesländern. Die Muster-Hochhaus-Richtlinie, Stand April 2008, ist in vielen Bundesländern bauaufsichtlich eingeführt worden. Im Bundesland Nordrhein-Westfalen ist sie Bestandteil der Sonderbauverordnung; das Saarland führte sie als einziges Bundesland 1:1 als Verordnung ein. Im Rahmen des Bauordnungsrechts sind die jeweilige Landesbauordnung des Bundeslandes sowie deren Sonderbauvorschriften anzuwenden; Gleiches gilt für die Leitungsanlagenrichtlinie (LAR).

SBZ: Ist die Verwendung von brennbaren Rohrwerkstoffen der Baustoffklasse B2 in Hochhäusern zulässig?

Ishorst: Es gibt kein generelles Verbot für den Einsatz brennbarer Rohrwerkstoffe der Baustoffklasse B2 in Hochhäusern. Für Flucht- und Rettungswege gelten aber in jedem Fall die Anforderungen der jeweiligen Leitungsanlagen-Richtlinien der Länder, das heißt Null-Brandlast in Flucht- und Rettungswegen. Generell sollten nichtbrennbare Werkstoffe der Brandklasse A bevorzugt werden, da sie keine zusätzlichen Brandlasten herbeiführen und keine toxischen Brandgase entwickeln. Außerdem besteht keine Gefahr des brennenden Abtropfens. Zur Erfüllung der Schutzziele des vorbeugenden Brandschutzes ist hier immer das projektspezifische Brandschutzkonzept von entscheidender Bedeutung.

SBZ: Nach der Muster-Hochhaus-Richtlinie (MHHR) müssen Leitungen, die durch mehrere Geschosse führen, in Installationsschächten angeordnet werden. Diese Anforderung gilt nicht für wasserführende Leitungen aus nichtbrennbaren Baustoffen. Sind Abwasserleitungen wasserführende Leitungen?

Ishorst: Gemäß dem Bauphysik-Kalender sind unter wasserführenden Leitungen nur Leitungen zu verstehen, die ständig unter Wasserdruck stehen, wie etwa Trinkwasser-, Warmwasser- oder Heizungsleitungen. Abwasserleitungen sind nicht wasserführend im Sinne der MHHR, da sie nur gelegentlich mit Wasser durchspült werden und ansonsten leer sind.

SBZ: Herr Ishorst, vielen Dank für die interessanten Erläuterungen.