Die Nürnberger N-Ergie AG geht bei der Energiewende neue Wege und baut im Stadtteil Sandreuth einen 70 m hohen und 33000 m3 Wasser fassenden Wärmespeicher. Damit soll die Stromerzeugung von der Wärmeerzeugung entkoppelt werden. Solche Speicher sind bei KWK-Anlagen nichts Neues. Neu sind jedoch die zwei in den Wärmespeicher eingebauten Elektroheizer mit je 25 MW, die überschüssigen Strom aus den KWK-Anlagen und dem Stromnetz in Wärme umwandeln und für das Nürnberger Fernwärmenetz bereithalten. Mehr noch: Auch Stromüberschüsse aus erneuerbaren Energien sollen – um Überspannungen zu vermeiden – in Nürnberg künftig in Wärme umgewandelt werden. Das sei billiger, als den Strom im Ausland zu verramschen, sagt N-Ergie-Chef Josef Hasler auf dem 8. Deutschen Energiekongress in München, September 2013. Heißwasser als Energiespeicher sei in diesem Fall die wirtschaftlichere Alternative zu anderen Speicherkonzepten. Power-to-Heat wird damit salonfähig!
Die bislang unterbewertete Rolle des Wärmemarktes entwickelte sich zum Schwerpunktthema der zweitägigen Veranstaltung mit prominenten Referenten aus Politik, Energiewirtschaft und Industrie. Ein Ergebnis vorweg: Alle Seiten sind sich darüber einig, dass das EEG reformiert werden muss. Über das künftige Stromdesign gibt es allerdings ganz unterschiedliche Auffassungen. Einig war man sich jedoch darin, dass die Energiewende jetzt auch im Wärmemarkt stattfinden müsse, denn dort seien die Einspar- und Energieeffizienzpotenziale ungleich höher, wirtschaftlicher und schneller umsetzbar als im Strommarkt.
Einspeisevorrang für Erneuerbare abschaffen
Für Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes in Berlin, ist die Reform des EE-Gesetzes gleichbedeutend mit einer Wiederherstellung der Wettbewerbssituation auf dem Strommarkt. Anders sei die Versorgungssicherheit auf Dauer nicht gewährleistet. Seine Forderungen lauten:
- Abschaffung der Einspeisevergütung
- Standortwahl von EE-Projekten muss sich an der Aufnahmefähigkeit der Netze orientieren
- Verpflichtende Direktvermarktung von EE-Strom aus neuen Anlagen
- Senkung der Entschädigungszahlungen für nicht abgenommenen EE-Strom.
Im Gegensatz zu den meisten anderen Referenten lehnt Mundt ein neues Strommarktdesign wegen der hohen Regelkomplexität ab. Er plädiert für ein wettbewerblich organisiertes Stufenmodell aus strategischen Kraftwerksreserven und ein nach Wettbewerbskritierien funktionierendes Kapazitätsmodell. Zum Trend der Re-Kommunalisierung der Netze äußerte sich Mundt eher kritisch: Die Zersplitterung der Netze mache deren Handhabung schwieriger.
Nicht der weitere Zubau von Kraftwerkskapazitäten bringe die Energiewende voran, sondern der Netzausbau auf regionaler, nationaler und europäischer Ebene, möglichst in Kombination mit einem Nachfragemanagement und regionalen Speicherlösungen. Philip Lowe, Generaldirektor für Energie der Europäischen Kommission, Brüssel, appellierte an die Verantwortlichen, der Energieeffizienzverbesserung mehr Beachtung zu schenken und Regelstrategien wie Last- und DemandSide-Management stärker zu forcieren. „In den EU-Ländern mangelt es nicht an Stromkapazitäten, nur sind diese nicht da, wo sie gebraucht werden.“ Der entscheidende Vorteil von Energieeffizienzmaßnahmen sei die Reduktion von Spitzenlasten bei gleichzeitiger Verbesserung der Reservekapazitäten. Energieeffizienzmaßnahmen könnten zudem sehr wirtschaftlich realisiert werden, da hierfür weniger Infrastrukturmaßnahmen, sprich Netzausbau, notwendig seien. Auch bei künftigen Überlegungen der EU werde die Verbesserung der Energieeffizienz eine ganz wesentliche Rolle spielen, so Lowe.
Versorgungssicherheit ist höher zu gewichten
„Weiter so wie bisher geht nicht“, sagt auch Jochen Homann, Präsident der Bundesnetzagentur, Bonn, und moniert den schleppenden Netzausbau und die sinkende Versorgungssicherheit in Deutschland. Speziell die Lage in Süddeutschland könnte wegen der noch fehlenden Stromtrassen zwischen Nord- und Süddeutschland in den Jahren 2014/2015 kritisch werden. „Wenn die Thüringer Strombrücke bis zur Abschaltung des Kernkraftwerks Grafenrheinfeld im Jahr 2015 nicht betriebsbereit ist, haben wir im Süden ein Netzproblem.“ Wichtig sei eine schnelle Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, um den Ausbau von EE-Strom mit dem Netzausbau besser zu koordinieren. Auch müsse die Direktvermarktung von Strom aus erneuerbaren Energien verbindlich festgeschrieben werden. „Es kann nicht sein, dass jeder nach Lust und Laune EE-Strom in das Netz einspeist“, so Homann. Nach Aussagen des Netzbetreibers 50Hertz könnte die Nord-Süd-Leitung – Investitionskosten 250 Millionen Euro – jährlich bis zu 150 Millionen Euro an Eingriffskosten in das Netz verhindern.
PV- und Windstromausbau mit Netzausbau synchronisieren
„Bei Wind und PV war das Tempo eindeutig zu schnell, da oftmals die entsprechenden Netze fehlten“, sagt auch Stephan Kapferer, Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, Berlin. Er plädiert deshalb für eine rasche EEG-Reform mit synchronen Ausbauprozessen. Schon jetzt sei jedoch klar, dass die EEG-Reform zu regionalen Ungleichgewichten führen wird. Betroffen von einem koordinierten Ausbau seien in erster Linie die Windenergieunternehmen an der Nordseeküste, da viele geplante und bereits in Auftrag gegebene Windparks wegen fehlender Netzanbindungen unter Umständen derzeit nicht gebaut werden können. Erschwerend bei der Reform des EEG seien die Komplexität des Strommarktes und die vielen regionalen Interessen, die kosteneffizientere Lösungen hinauszögerten. Hohe Priorität hätte die Netz- und Speicherforschung, da damit viele Probleme gelöst werden könnten. Kapferer ist optimistisch, dass die Industrie schon bald mit innovativen Speicherlösungen auf den Markt kommen wird, die sich gleichzeitig zu einem weltweiten Exportschlager entwickeln könnten.
Die Energiewende braucht selbst eine Wende
So paradox es klingt: Der Ausbau der Erneuerbaren begünstigt den Einsatz von Braunkohle- bzw. Kohlekraftwerken, die ihrerseits die Klimabilanz verschlechtern. Ursache dafür ist die Einsatzfolge (Merit Order) der Kraftwerke nach deren jeweiligen Grenzkosten. Dadurch werden alte, abgeschriebene und mit preisgünstigem Brennstoff betriebene Kraftwerke begünstigt.
Rune Bjørnsen, Statoil, Stavanger/Norwegen, plädiert für eine Energiewende zum Erdgas, da nur so die Ziele des Klimaschutzes eingehalten werden könnten. „Wir müssen die für die Residuallast notwendigen Kraftwerke nach ihren CO2-Emissionen einsetzen und nicht nur nach ihren Grenzkosten.“ Langfristig sei eine Energiewende mit Erdgas wirtschaftlicher als mit Kohle, so Bjørnsen. Das derzeitige Ausbautempo mit erneuerbaren Energien hält Bjørnsen für riskant, denn es bedrohe die Energieversorgung im Süden Deutschlands. Gaskraftwerke könnten das Versorgungsproblem am besten lösen, allerdings nur, wenn für Investoren und Betreiber wirtschaftliche Anreize geschaffen werden.
Auch Dr. Ingo Luge, Eon Deutschland, Essen, sprach sich für eine stärkere Synchronisierung zwischen dem Ausbau mit erneuerbaren Energien und den Netzerweiterungen aus. Um Investitionen nicht zu gefährden, sei auf der Kraftwerksseite langfristig ein Kapazitätsmarkt mit einem intelligenten Ansatz notwendig. Auf absehbare Zeit könne auf konventionelle Kraftwerke nicht verzichtet werden. Mittelfristig müsse der Netzausbau vorangetrieben werden, um die Durchleitung von Windstrom vom Norden nach Süden zu gewährleisten. Derzeit werde „Grünstrom“ aus dem Norden Deutschlands in die Nachbarstaaten umgeleitet und verdränge dort den Strom aus Gaskraftwerken. Weitere Megawatt an erneuerbaren Energien zuzubauen ohne Integration in die bestehenden Versorgungsstrukturen mache keinen Sinn. Wichtig seien neue Speichertechnologien, ein aktives Energiemanagement beim Kunden und intelligente Stromnetze. Luge räumt allerdings ein, dass der flächendeckende Roll-out von intelligenten Stromzählern mangels fehlender Geschäftsmodelle derzeit noch zu teuer ist.
Direktvermarktung von EE-Strom
Ganz Europa und die halbe Welt schaut auf Deutschland und seine Energiewende. Diese Vorbildfunktion könnte aus der Perspektive des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), Berlin, schnell verblassen, wenn die dringend notwendige Reform des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes nicht schnellstens eingeleitet werde. Geschäftsführerin Hildegard Müller fordert eine grundlegende Änderung des Marktdesigns mit dem Ziel, den weitgehend ungesteuerten Zubau von volatilen Stromerzeugungsanlagen mit dem Netzausbau zu synchronisieren. Wichtig seien das Absichern der Residuallast (nachgefragte Leistung abzüglich der fluktuierenden Einspeiser aus nicht steuerbaren Kraftwerken, zum Beispiel Wind- und PV-Strom) und der Einbau von Energiespeichern. Eine Möglichkeit, das Netz zu stabilisieren, seien monetäre Anreize für die Anbieter von EE-Stromanlagen, bei geringer Nachfrage keinen EE-Strom in das Stromnetz einzuspeisen, sondern den Strom selbst zu vermarkten oder selbst zu nutzen. Auch müsse der Ausbau der Offshore- und Onshore-Windparks besser mit dem Netzausbau koordiniert werden, um die Einspeisung von Wind zu verstetigen. Gleichzeitig verringere sich dadurch der Bedarf an teurer Speicherkapazität. Auch der Wärmemarkt müsse besser in die Energiewende integriert werden, denn die bisherigen Aktivitäten konzentrierten sich fast ausschließlich auf den Strommarkt.
Wir brauchen Wärmespeicher mit elektrischen Heizpatronen
„Man hat die Komplexität der Energiewende unterschätzt.“ Diese Bewertung von Josef Hasler, Vorstandvorsitzender der N-Ergie AG, Nürnberg, zog sich wie ein roter Faden durch die Veranstaltung. Eine wichtige Rolle in der Energiewende komme den bestehenden und derzeit in Neugründung befindlichen Stadtwerken zu, da diese Strom und Wärme lastnah erzeugen und die Interessen der Kommunen und nicht die von Investoren und ihren Anteilseignern vertreten. Auch Hasler plädiert dafür, den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien stärker an die Anforderungen des Strommarktes anzupassen und den „Grünstrom“ möglichst regional und zeitnah zu vermarkten bzw. an der Nachfrage auszurichten, beispielsweise durch Preissignale. Dadurch ließe sich der Bedarf an Ausgleichsenergiekapazitäten reduzieren.
Ein wesentlicher Baustein der Energiewende sei die Kraft-Wärme-Kopplung, die derzeit rund 19 % an der Nettostromerzeugung ausmache. Eine Studie von Prognos im Auftrag von AGFW und BDEW prognostiziert einen KWK-Anteil im Jahr 2030 von 30 bis 46 % , bis 2050 sogar von bis zu 60 % . Wichtig für die Bedarfsanpassung seien stromgeführte KWK-Anlagen, die den sogenannten Grünstrom regional in das Energiesystem integrieren. Dazu sei es notwendig, die kommunalen Wärme- und Kältenetze weiter auszubauen und diese mit ausreichend Wärmespeicher zur Unterstützung des stromgeführten Betriebs auszurüsten. Zusätzlich könne durch die Kombination aus Elektroheizern und Wärmespeichern die Wirtschaftlichkeit von KWK-Anlagen verbesset werden. Überschüsse des Regelenergiemarktes könnten damit direkt genutzt werden. Hasler: „Es ist besser mit Überschussstrom zu heizen, als KWK-Anlagen abzuregeln.“
Der Wärmemarkt ist doppelt so groß wie der Strommarkt
Wärme ist im Gegensatz zu Strom schon heute gut speicherbar. Deshalb sollte dem Wärmemarkt bei der Integration von konventioneller und erneuerbarer Energie mehr Beachtung geschenkt werden. Für Dr. René Umlauft, Vorstandsprecher MAN Diesel & Turbo, Augsburg, begünstigt die Energiewende dezentrale Kraftwerke in der Bauart von BHKW. Diese seien flexibler, ließen sich modular einsetzen und hätten bessere Teillastwirkungsgrade als zentrale Kraftwerke. Außerdem könne bei dezentralen KWK-Lösungen Strom und Wärme lastnah erzeugt werden. Zur weiteren Flexibilisierung und Stabilisierung der Energieversorgung seien sowohl Speicher für Wärme als auch für elektrische Energie notwendig. Durch die gleichzeitige Erzeugung von Strom und Wärme seien Gesamtnutzungsgrade von 85 bis 90 % erreichbar. Unverzichtbar sei der Ausbau der Speicherkapazitäten auf der Wärmeseite. Überschüssigen Windstrom könne man am besten durch Verfahren wie Power-to-Liquid, Power-to-Gas und Power-to-Heat umwandeln, um ihn später an anderer Stelle nutzen.
Der Wunsch nach Komplett-Angeboten steigt
Mit Energiedienstleistungen, Beratung und neuen innovativen Produkten wollen Energieversorger und Stadtwerke den schrumpfenden Commodity-Markt kompensieren. Als Commodities gelten im Energiebereich austauschbare Produkte wie Strom, Erdgas, Telekommunikation, zum Teil auch Fernwärme. Um sich von anderen Commodity-Anbietern abzusetzen, sollen diese Standardangebote durch zusätzliche Dienstleistungen und innovative Produkte und Systeme „veredelt“ werden. Die zukünftigen Handlungsfelder für Stadtwerke sieht Dr. Dieter Steinkamp, Rheinenergie AG, Köln/Stadtwerke Köln, im Ausbau der erneuerbaren Energien, in der Bereitstellung der Residuallast aus konventionellen Kraftwerken, in Dienstleistungen rund um das Thema Energieeffizienz sowie in Smart City-Konzepten, das heißt, in intelligent vernetzten Strukturen zwischen Energieanbietern (erneuerbar, konventionell), Energienutzern und E-Mobility.
Bei den erneuerbaren Energien setzt Rheinenergie künftig auf Onshore-Lösungen wie Biogasanlagen, PV-Anlagen, Onshore-Windparks und Holz-Heizkraftwerke. Bei den konventionellen Kraftwerken geht es in erster Linie darum, deren Effizienz mittels Kraft-Wärme-Kopplung weiter zu steigern und das Fernwärmeangebot weiter auszubauen bzw. vorhandene Gebiete zu verdichten. Zusätzlich soll die Kraft-Wärme-Kopplung auch in Nahwärmesystemen stärker forciert werden. Ebenso will Rheinenergie auch Programme zur Förderung von Mikro-KWK-Anlagen und Brennstoffzellen-Heizungsanlagen auflegen. Wichtigstes Ziel sei jedoch, die Stadtwerke als Energiedienstleister für Industrie, Gewerbe, Wohnungswirtschaft und Hauseigentümern fest zu etablieren. Zusammen mit Partnern aus den Bereichen Ingenieurplanung, Anlagenbau und SHK-Handwerk sollen unter Federführung von Rheinenergie bzw. der Stadtwerke Köln neue Produkte entwickelt werden. Steinkamp: „Wir können die Themen nicht alleine heben, wir brauchen dazu Kooperationspartner.“ Die Stadtwerke sollen dabei als Systemmanager für die energiewirtschaftliche Steuerung von kommunalen Netzen auftreten. Dazu gehören auch die Vermarktung dezentraler Energieerzeugungsanlagen, die Bereitstellung von negativer Regelenergie (Demand-Side-Management) und die Bewirtschaftung von dezentralen Stromspeichern.
Überangebote erneuerbarer Energien gefährden Netzstabilität
„Die Situation in den Netzen entwickelt sich dramatisch. Allein in der Tennet-Netzzone sind jährlich rund 1000 Eingriffe notwendig, um die Stromversorgung stabil zu halten.“ Laut Rudolf Martin Siegers, Siemens AG, Berlin, werden sowohl Netze als auch Kraftwerke an immer mehr Tagen im Jahr durch die Energiewende überstrapaziert. So kam es am 26. August 2012 zu einem temporären Überangebot aus erneuerbaren Energien, das nur über Stromexporte in die Nachbarländer abgeleitet werden konnte. Dagegen musste am 8. Februar 2012 wegen fehlender Leistung aus Wind- und PV-Strom fast der gesamte Tagesbedarf durch konventionelle Kraftwerke abgedeckt werden. Deutsche Pumpspeicherwerke könnten in einem solchen Fall allenfalls knapp eine Stunde Strom liefern, so Siegers. Er plädiert dafür, Offshore-Windanlagen weiter auszubauen, da ihre Leistungskonstanz höher sei als die von Onshore-Anlagen. Wichtig sei jedoch der Ausbau der Netze mittels Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ), denn nur so könnten große Strommengen verlustarm vom Norden in den Süden Deutschlands übertragen werden. Die Lösung der Energiewende sieht Siegers in der Kombination aus erneuerbaren Energien und hocheffizienten, schnell reagierenden Gaskraftwerken sowie einem leistungsfähigen Stromnetz. Energiespeicher jeglicher Technologie seien derzeit noch nicht wirtschaftlich, aber auf dem Weg zur Marktreife. „Wenn wir das Kostenproblem gelöst haben, haben wir gleichzeitig einen Exportschlager, denn Stromspeicher werden in der ganzen Welt dringend gebraucht“, betont Siegers. Neben einem neuen Strommarktdesign mit einer regional effizienten und am technologischen Fortschritt orientierten Förderung weist Siegers auch auf die bislang eher ungenutzten Energieeffizienzpotenziale hin. Hier gäbe es noch erheblichen Nachholbedarf. Auch Siegers plädiert dafür, EE-Strom ohne Nachfrage im Netz künftig nicht mehr zu vergüten.
Doch brauchen wir den EE-Ausbau überhaupt in der geplanten Dimension? Ist es nicht sinnvoller, zunächst die Energieeffizienzpotenziale der bestehenden Versorgungsstrukturen besser zu nutzen, um dann gezielt und koordiniert den Ausbau von erneuerbaren Energien und Hocheffizienz-KWK-Anlagen und intelligenten Stromnetzen voranzubringen? Stefan Wenzel, Umweltminister Niedersachsen, Hannover, geht davon aus, dass 40 % der Primärenergie durch Energieeffizienzmaßnahmen eingespart werden können; in Haushalten sei sogar eine Halbierung des Stromverbrauchs möglich. Wichtig bei der Reform des EEG ist für Wenzel der bevorzugte Einsatz energieeffizienter Gaskraftwerke und nicht von Braunkohle- bzw. Steinkohlekraftwerken. Was die wirtschaftliche Einschätzung von Offshore- und Onshore-Windkraftanlagen anbelangt, so plädiert Wenzel für „ehrlichere Zahlen“, meint aber, wir brauchen beide Standorte, um die Energiewende voranzubringen. Um den Ausbau von Offshore-Windanlagen abzusichern, müsse vermehrt das Speicherpotenzial von Pumpspeicherwerken in Nordeuropa genutzt werden, das heißt, überschüssiger Windstrom sollte zu Wasserstrom umgewandelt werden.
Info
Die Thesen im Überblick
Strom zu Wärme, neudeutsch Power-to-Heat, ist im Rahmen des Ausbaus der erneuerbaren Energien kein Tabu mehr.
Was im großen Stil bei Heizkraftwerken funktioniert, könnte künftig auch bei Mikro-KWK-Anlagen und BHKW eine ernstzunehmende Option sein. Mittels Elektrodenkessel und Heizschwertern lässt sich die Strom- und Wärmeerzeugung entkoppeln und damit die Stromproduktion erhöhen.
Dem schrumpfenden Markt für Commodities begegnen Stadtwerke und Dienstleister mit innovativen Dienstleistungen und Produkten. Mangels eigenem Personal wird eine Zusammenarbeit mit Planern, Anlagenbauern und SHK-Fachfirmen angestrebt.
Das Einspar- und Effizienzpotenzial des Wärmemarktes im Rahmen der Energiewende gilt als unterbewertet.
Für wärmetechnische Effizienzmaßnahmen sind keine periphere Infrastrukturmaßnahmen, z. B. Netze, notwendig. Einsparerfolge stellen sich unmittelbar ein.
Viele Effizienzmaßnahmen sind auch ohne Förderung wirtschaftlich. Allerdings bedarf es einer besseren Informationspolitik.
Im Gebäudesektor sind leicht zu realisierende Energieeinsparungen und Energieeffizienzverbesserungen möglich. Bei der Hochrechnung wird jedoch meist der sogenannte Rebound-Effekt außer Acht gelassen. Wer in Effizienzmaßnahmen investiert, verbraucht anschließend oftmals mehr Energie aus dem Gefühl heraus, etwas für die Umwelt getan zu haben.
Geschäftsmodelle mit zeit- und lastvariablen Stromtarifen lassen auf sich warten. Die Versorger zögern deshalb den Roll-out von Smart Metern weiter hinaus. Smart Grid-ready-Wärmepumpen sind derzeit eher ein Geschäftsmodell für den Verleiher des Gütezeichens und weniger für den Käufer.
Aufgespiesst
Grotesken der Energiewende
Die Energiewende droht in eine Sackgasse zu geraten. Die Liste der Widersinnigkeiten wurde auf dem 8. Deutschen Energiekongress des Süddeutschen Verlages in München um einige Punkte ergänzt. Im Rahmen der Podiumsdiskussion „Wie kann eine zukunfts- und wettbewerbsfähige Energieversorgung gelingen?“ sagte Michael Feist, Stadtwerke Hannover, dass moderne GuD-Gaswerke auf Grund des Merit-Order-Effekts (Kraftwerke mit geringen Grenzkosten werden bei der Reihenfolge der Zuschaltung von Kraftwerken bevorzugt) durch abgeschriebene Kohlekraftwerke verdrängt werden. Gleichzeitig fehle es an Stromleitungen zu den Windparks, um EE-Strom überhaupt ins Netz zubringen. Völlig paradox klingt der Hinweis, dass abgeschaltete Gaskraftwerke und noch nicht ans Netz angeschlossene Windparks per Notstrom in Betrieb gehalten werden müssen, um funktionstüchtig zu bleiben.
Dr. Ludwig Möhring, Wingas, Kassel, weist auf die durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz ausgelöste Kettenreaktion hin: „Die Energiewende führt zu mehr Kohlestrom und damit zu höheren CO2-Emissionen. Die Energiewende richtet sich damit nicht mehr am Klimaschutz aus. Das ist grotesk!“
Ewald Woste, Thüga AG, München, fordert eine schnelle Reform des EEG mit dem Ziel, den Subventionswahn zurückzudrängen und mehr Marktwirtschaft zuzulassen. Dr. Rudolf Staudigl, Wacker Chemie, München, sieht in den steigenden Strompreisen bereits Standortprobleme für Deutschland. „Die De-Industrialisierung ist bereits in Gang. Wegen der günstigen Energiepreise in den USA und Kanada wendet sich die Chemieindustrie bereits von Deutschland ab.“
In der öffentlichen Wahrnehmung sei die Energiewende gleichbedeutend mit einer Stromwende, bei der Licht gespart werden müsse, sagt Dr. Werner Brinker, EWE, Oldenburg. Der Erdgas- und Wärmemarkt komme in der Energiewende-Diskussion bisher viel zu kurz. Woste präzisiert dies: „Das eigentliche Energiewendeprogramm ist die energetische Gebäudesanierung. Beginnen wir einfach hier und ersetzen die alten Ölheizungen durch moderne Gasheizgeräte.“
Auch Möhring ist der Auffassung, dass das Einsparpotenzial des Wärmemarktes total unterschätzt werde: „Wir sind am Wärmemarkt noch nahe an den Werkseinstellungen.“ Feist ergänzt: „Die Energiewende im Wärmemarkt ist billiger als die Energiewende im Strommarkt. Nur darf der Staat keine Zwangsinvestitionen für Hausbesitzer verordnen. Der Heizkesselaustausch ist die wirtschaftlichste Lösung und zudem zehnmal billiger als die Wärmedämmung eines Hauses.“
Dr. Marcel Huber, Bayerischer Umweltminister, München, setzt auf mehr Information und weniger auf Förderprogramme: „Es gibt genügend Maßnahmen, die sich schnell amortisieren, beispielsweise ein Pumpenaustausch. Dazu bedarf es keiner Förderung, sondern gezielter Informationen“. Zum EEG hat Huber eine klare Einstellung: „Das Ding muss weg!“ Wichtig sei, die Thüringer Spange zügig fertigzustellen, die Entwicklung von Speichertechnologien voranzutreiben und Anreize für Demand-Side-Management zu schaffen.
Info
Unkonventionelle Lagerstätten
Mit Hilfe unkonventioneller Fördermethoden könnte Deutschland über einen Zeitraum von über 100 Jahren seinen Selbstversorgungsanteil an Energierohstoffen absichern. Nach Aussagen von Dr. Rainer Seele, Wintershall Holding, Kassel, werden derzeit die technologischen Voraussetzungen geschaffen, die heimische Förderung von Öl und Erdgas zu verbessern und bereits aufgelassene Lagerstätten mit Hilfe neuer Technologien nochmals auszubeuten. Besondere Hoffnungen setzt Wintershall in den Waldpilz Schizophyllum commune, ein – Zitat Wintershall – „Naturwunder aus dem Wald, das bei der Erdölförderung hilft.“ Das aus dem Pilz gewonnene Bio-Polymer dient dazu, das Lagerstättenwasser einer Ölquelle einzudicken, um dort mehr Öl aus den Poren des Trägergesteins zu verdrängen.
Die neue Fördertechnologie – sollten sich die Feldversuche in Deutschland bewähren – könnte weltweit zur nochmaligen Ausbeutung bereits leergepumpter Lagerstätten eingesetzt werden. Das bislang als Nahrungsergänzungsmittel und Verdickungsmittel in Kosmetikartikeln verwendete Bio-Polymer sei in der Lage, die heute üblichen thermischen und chemischen Flutverfahren zu ersetzen. Der Entölungsgrad von Lagerstätten ließe sich damit auf bis zu 45 % steigern, so Wintershall. Zum Vergleich: Mit den klassischen Pferdekopf-Pumpen lassen sich allenfalls 30 bis 40 % des eingelagerten Öls fördern. Rainer Seele plädiert dafür, die Versorgung mit Energie stärker zu differenzieren und durch Partnerschaften mit Norwegen und Russland abzusichern. Auch das umstrittene Fracking zur Förderung von Schiefergas dürfe nicht pauschal verboten werden, das schade dem Technologiestandort Deutschland. Denn so Seele: „Ohne die Förderung von unkonventionellem Erdöl und Erdgas wird die Energiewende unbezahlbar.“
Autor
Wolfgang Schmid ist Fachjournalist für Technische Gebäudeausrüstung, 80751 München, wsm@tele2.de