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Baden-Württemberg wird Vorreiter

Bessere Standards für Geothermie

Inhalt

Geothermie bleibt weiterhin ein wichtiger Bestandteil der Energiewende. Diese Bekundung kommt nicht von einem Lobbyverband, sondern von Eva de Haas, Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg. Dabei stand gerade im Südwest-Staat die Fortführung der oberflächennahen Geothermie aufgrund spektakulärer Schadensfälle lange Zeit auf der Kippe. Die Aussage: „Noch ein Staufen und die Geothermie ist in Baden-Württemberg am Ende“, zieht sich seither wie ein roter Faden durch die einschlägigen Fachveranstaltungen. Unstrittig ist: Alle Schadensfälle in Baden-Württemberg beruhen nachweislich auf Ausführungsmängel und menschlichem Versagen. Im Jahr 2009 reagierte das Landesamt für Geologie des Regierungspräsidiums Freiburg darauf mit einer landesweiten Begrenzung der Bohrtiefe bis zum ersten Grundwasserstockwerk, was faktisch einem Baustopp gleichkam. Zeitgleich wurden auch die Regelungen im Wasserhaushaltsgesetz (WHG) und Wassergesetz BW (WG) ergänzt. So sind nach § 37 WG alle Erdwärmesonden (EWS) erlaubnispflichtig. Im Zweifelsfall gelten die Vorgaben der LQS EWS, die zu einer Geothermie-Verordnung weiterentwickelt werden sollen, so de Haas.

Mit der Einführung der Qualitätssicherungsmaßnahme LQS EWS Ende 2011 setzte Baden-Württemberg den Schludrigkeiten am Bohrloch ein Ende. Eva de Haas: „Neben der Qualifizierung des Bohrgeräteführers ist eine Mindestausrüstung auf Baustellen heute Pflicht, ebenso die taggleiche Abdichtung der EWS-Bohrung. In geologisch und hydrogeologisch schwierigen Gebieten ist die Grundwasseransprache durch einen externen Sachverständigen inzwischen obligatorisch.“ Um mehr Gewissheit über die Qualität der Ringraumverfüllung sowie über Anomalien im Untergrund zu erhalten, initiierte das Land Baden-Württemberg im Rahmen der Qualitätssicherungs-Leitlinie auch die Entwicklung von ­automatischen Abdichtungsüberwachungssystemen. Ziel ist es, den Suspensionsspiegel in der Bohrung sowie die eingebrachte Suspensionsmenge dem Geräteführer während des gesamten Abdichtungsvorgangs anzuzeigen und digital zu dokumentieren.

Verschiedene Verfahren zur Überwachung der Abdichtung

Aktuell sind drei Systeme im Einsatz, zwei befinden sich in der Feldtestphase und ein weiteres System ist noch in der Entwicklung (siehe Infokasten). Wichtig sei es, den Bohrführern baustellenreife Geräte mit hoher Messgenauigkeit zur Verfügung zu stellen, mit der Option, die Messung nach einer gewissen Zeit wiederholen zu können. Gleichzeitig sollen durch den Einsatz der Abdichtungsüberwachungsgeräte die (teuren) Präsenzzeiten von Sachverständigen auf der Baustelle reduziert werden. Weitere Qualitätssteigerungen am Bohrloch erhoffen sich die Akteure durch den Einsatz dotierter Verfüllmaterialien (Zirkonsande, magnetische Dotierung). Nach Abschluss der Testphase der automatischen Abdichtungssysteme werde Baden-Württemberg die Verfahren verbindlich in das LQS EWS-Qualitätsaudit aufnehmen, so de Haas.

Rein theoretisch betrachtet reichen die meisten der bestehenden Gesetze, Verordnungen und Richtlinien aus, funktionsfähige und effiziente geothermische Wärmepumpenanlagen zu erstellen, auch unter komplexen geologischen und hydrogeologischen Bedingungen.

Warum es in der Praxis dennoch zu Problemen am Bohrloch kommen kann, hat nach Ansicht des Geologen Dr. Claus Heske, CDM Smith Consult GmbH, Bochum, einen ganz einfachen Grund: „Auf den Baustellen werden keine Vorschriften und Richtlinien gelesen.“ Dennoch ist der Bundesverband Wärmepumpe (BWP) e.V. überzeugt, dass der aktuelle Katalog an Qualitätsanforderungen ausreicht. „Bevor neue Vorgaben gemacht werden, muss zunächst sichergestellt sein, dass die bestehenden Normen, Richtlinien und Leitlinien umgesetzt und eingehalten werden“, sagt Dr. Martin Sabel vom BWP. Zusätzliche Qualitätskriterien solle man erst diskutieren, wenn sich herausstellt, dass die bestehenden Anforderungen nicht ausreichen. Wichtig sei, das Auditsystem nach dem DVGW-Arbeitsblatt W 120-2 (Qualitätsanforderungen für die Bereiche Bohrtechnik und oberflächennahe Geothermie, Erdwärmesonden) am Markt zu etablieren und die dort genannten Kriterien der Selbstverpflichtung bei den zertifizierten Unternehmen vor Ort – auch unangemeldet – zu überprüfen. Dazu bedürfe es objektiver und möglichst messbarer Kriterien in Form von Checklisten. Wer als zertifiziertes Unternehmen gegen die vereinbarten Qualitätsanforderungen verstoße, müsse mit Sanktionsmaßnahmen aus einem abgestuften Katalog rechnen, so Sabel.

Auch bei der heizungstechnischen Planung sieht er noch Optimierungsspielraum. So müssten der Wärmebedarf, das Heizsystem und die Wärmequelle besser aufeinander abgestimmt werden. Wichtig sei es, den Nutzer und dessen Heiz- und Hygienegewohnheiten mit einzubeziehen. So spiele in hochwärmegedämmten Wohngebäuden der Warmwasserverbrauch bei der Auslegung der Wärmepumpe eine zunehmend größere Rolle. Sabel konkret: „Wellnessduschen im Niedrigenergiehaus überfordern oftmals die Leistung der Wärmepumpe und der Wärmequelle.“ Auch müsse man die vom Energieversorger auferlegten Sperrzeiten bei der Konzeption der Gesamtanlage stärker berücksichtigen, insbesondere unter dem Aspekt Smart-Grid-geführter Wärmepumpen.

Frost-Tau-Beständigkeit in der Diskussion

Nach wie vor sehr kontrovers diskutiert wird das Thema Frost-Tau-Beständigkeit im Ringraum einer Erdwärmesonde. Zur Erinnerung: Bei lang anhaltendem Spitzenlastbetrieb der Wärmepumpe kann es durch das Auffrieren des Sondenringraumes und des umgebenden Erdreichs zu Undichtigkeiten in der Hinterfüllung und damit zur Wasserzirkulation zwischen dem oberen und unteren Grundwasserstockwerk über den Ringraum kommen. Parallel dazu fordern die Genehmigungsbehörden zunehmend reines Wasser als Wärmeträgermedium, was einem frostfreien Betrieb gleichkommt. Diese Vorgaben beeinflussen die Entzugsleistung der Sonde und damit die Sondenlänge ganz erheblich und somit die Wirtschaftlichkeit von Erdwärmesonden insgesamt. Eine Minderung der Entzugslast von 50W/m (Vorgabe nach VDI 4640, Blatt 2) auf 40W/m (Vorgabe der schweizerischen Richtlinie SIA 384/6) führt beispielsweise zu einer Verlängerung der Sonde von 100 auf 125m, so Dr. Markus ­Kübert, Tewag GmbH, Regensburg. Simula­tionsrechnungen mit Entzugsleistungen von 50, 45 und 40W/m und den entsprechenden Sondenlängen von 100, 111, 125m hätten ergeben, so Kübert, dass bei Einhaltung praxisgerechter Rahmenbedingungen (Wärmepumpe = 5kW, Laufzeit 1800h/a, Entzugsarbeit Wärmepumpe 9000kWh/a bei Ein-/Austrittstemperaturen der EWS von –3/0°C) keine Durchfrostung des Ringraums eintritt, bei Temperaturen < –3/0°C über einen längeren Zeitraum jedoch mit einer signifikanten Durchfrostung zu rechnen ist. Da in der Praxis die Sondenrohre einer Doppel-U-Sonde nicht zentrisch, sondern eher beliebig im Rohrloch verteilt sind, lassen sich die Simulationsergebnisse nicht ohne weiteres in die Praxis übertragen. Kübert regt deshalb an, die Simulationsergebnisse mit Monitoring-Datensätzen von realen Anlagen abzugleichen und zu verifizieren. Wichtig sei es, tatsächliche Taktzyklen von Wärmepumpenanlagen bei dieser Betrachtung zu berücksichtigen. Ob sich allerdings der Betreiber einer Wärmepumpe an die Planungsgrundlagen und speziell vorgegebenen Betriebsweisen hält, muss bezweifelt werden.

Ringraum-Kontrolle wird immer wichtiger

Wer in kritischer Geologie bohrt, muss mit Überraschungen rechnen und deshalb auf alle Eventualitäten vorbereitet sein. Die bekannt gewordenen Schadensfälle machen deutlich, dass Schwachstellen im Ringraum von Erdwärmesonden oftmals ursächlich für Gebäudeschäden in deren Umfeld verantwortlich sind. Die André Voutta Grundwasserhydraulik, Herrenberg, empfiehlt deshalb, beim Bau von Erdwärmesonden folgende Vorkehrungen zu treffen:

  • Aufnahme eines möglichst detaillierten geologischen Profils und der Wasserzutritte
  • Sicherstellen der &bdquo;Befahrbarkeit&ldquo; der Sondenrohre mit Messsonden
  • Einbau von T-Stücken, um eine nachträgliche Zugänglichkeit der Sondenrohre zu gewährleisten
  • Verfolgung des Zementspiegels im Ringraum während des Verpressvorgangs, z.B. über Drucksensoren oder durch die Verwendung von detektierbarem Hinterfüllungsmaterial
  • Herstellen eines Referenzkörpers aus dem verwendeten Hinterfüllungsmaterial

Bei der Bauabnahme sollten für jede Erdwärmesonde Messprotokolle von folgenden geophysikalischen Untersuchungen vorliegen:

  • Temperaturprofil (unmittelbar nach dem Verpressen des Ringraumes erstellen, da nur so die Verteilung der Hydrationswärme erfasst werden kann). Mehr Hydra­tionswärme bedeutet ein verfülltes Überkaliber in der Bohrung bzw. dessen erfolgreiche Verfüllung
  • Dichte-Anomalie-Messung
  • Thermal-Response-Test
  • Ruhetemperaturprofil nach angemessener Erholungsphase

Empfehlungen für die Betriebsphase:

  • Monitoring der Vor- und Rücklauftemperaturen der Erdwärmesonden
  • Aufzeichnung von Betriebstemperaturprofilen gegen Ende der Wärmeentzugsphase (Heizperiode) und Abgleich mit den Messprotokollen der Bauabnahme.

Bei Beachtung dieser Maßnahmen könne die von Erdwärmesonden ausgehende Gefährdung so weit minimiert werden, dass, Zitat André Voutta, „der Nutzen der Erdwärmeenergie an geologisch empfindlichen Standorten höher ist als die Risiken.“ Mehr Infos zur Dichte-Anomalie-Messung unter http://www.avoutta.de.

Wer am Verfüllmaterial spart, handelt kriminell

Fehlerhafte Verfüllungen des Ringraums beeinträchtigen nicht nur die Funktion von Erdwärmesonden, sie können auch massive volkswirtschaftliche Schäden verursachen. Thomas Neuhaus, Schwenk Zement KG, Ulm, hatte deutliche Worte für die schwarzen Schafe unter den Bohrfirmen. „Wer am Verfüllmaterial spart, handelt grob fahrlässig, ja kriminell. Das ist Betrug am Bauherrn. Noch ein Schadensfall wie in Staufen und wir können die Geothermie in Deutschland vergessen.“ Neuhaus unterstützt die LQS EWS-Qualitätsoffensive am Bohrloch, fordert aber mehr Qualitätsbewusstsein bei der Wahl der Verfüllbaustoffe.

„Mit Baustellenmischungen kommen wir nicht weiter.“ Neben den Eigenschaften wie Wasser-Feststoffverhältnis, Suspensionsstabilität, Druckfestigkeit und Wärmeleitfähigkeit der Verfüllbaustoffe müsse die Dichtheit und Beständigkeit gegen Frost-Tau-Wechsel bei der Auswahl der Verfüllbaustoffe eine größere Rolle spielen. Unterschätzt werde bisher die wasserhygienische Unbedenklichkeit der Suspension und der Widerstand ­gegenüber betonaggressiven Grundwässern. Letztere Eigenschaft sei notwendig, damit sich Ringraumverfüllungen nicht im Laufe der Zeit wieder auflösen und Grundwasserstockwerke miteinander verbinden. Auch wenn es heute eine ganze Reihe an Methoden und Messverfahren zur Überprüfung der Abdichtungsqualität der Ringraumverfüllung gäbe, seien erfahrene Sachverständige zur Interpretation der Messergebnisse notwendig.

Eine einfache Möglichkeit, die Qualität am Bohrloch zu verbessern, sei der Einsatz von magnetisch markierten Füllbindern mit anschließender Messung über die Sonde nach dem Verfahren MagnetikLog (MAL). Grundsätzlich könne durch das magnetisch markierte Material überprüft werden, ob die Bohrlochverfüllung über die gewünschte Einbauhöhe vorhanden ist oder ob Fehlstellen existieren, die zu einer erhöhten Wasserwegsamkeit führen können.

Potenzialunterschiede bestimmen Suspensionsdichte

Wie komplex das Bohren von Erdwärmesonden in Baden-Württemberg geworden ist, verdeutlicht der Vortrag von Frank Burkhardt, Burkhardt GmbH & Co. KG, Neuweiler, über den kritischen Stockwerksbau. Gefahren am Bohrloch lauern immer dann, wenn Wasser aus dem Bohrloch strömt, wenn die Strömung trotz ausreichend erscheinender Suspensionssäule nicht stoppt oder aufsteigendes Wasser trotz Verfüllung durch seitliche Hohlräume oder Kiesschichten abströmt und damit eine langfristige Gefahr für Schäden angelegt wird. Aus seiner Sicht zählen nicht wieder hergestellte Grundwasserstauer zu den häufigsten Schadensverursachern in Baden-Württemberg. Je nach Potenzialunterschied zwischen der Geländeoberkante und den oberen bzw. unteren Grundwasserleitern müssen entsprechende Suspensionsdichten bei der Ringraumverfüllung ausgewählt werden. Wichtig sei es, so Burkhardt, die Ansprache der Wasserverhältnisse anhand von Bestandsdaten anderer Bohrungen in der Region gut vorzubereiten. Dazu sei geschultes Personal zwingend erforderlich, ebenso umfassendes Wissen über den Stockwerksbau und wie man sich bei eventuell auftretenden Problemen verhält.

Wasserhaushalts- oder Bundesberggesetz?

Die Geothermie hat nicht nur bei der technischen Planung und Bohrung ihre Tücken, sie setzt auch bei der Genehmigungspraxis fundiertes Wissen über die rechtlichen Grundlagen für die Genehmigung voraus. Wichtig sei es, die Unterschiede zwischen der Genehmigung nach Bergrecht und nach Wasserrecht zu kennen, sagt Dr. Claus Heske, sonst könne das Genehmigungsprozedere langwierig und teuer werden. Dabei spiele es eine Rolle, wie tief gebohrt werde und ob die Erdwärmebohrung nur Gebäude auf dem jeweiligen Grundstück oder auch andere Gebäude mit Wärme versorgt.

Grundsätzlich verfolgen das Wasserhaushaltsgesetz (WHG) und das Bundesberggesetz (BBergG) bei der Genehmigung von oberflächennahen geothermischen Anlagen ganz unterschiedliche Ansätze. Zitat:

  • Der Zweck nach §1 des WHG ist es, durch eine nachhaltige Gewässerbewirtschaftung die Gewässer als Bestandteil des Naturhaushalts, als Lebensgrundlage des Menschen, als Lebensraum für Tiere und Pflanzen sowie als nutzbares Gut zu schützen.
  • Der Zweck nach §1 des BBergG ist es, zur Sicherung der Rohstoffversorgung das Aufsuchen, Gewinnen und Aufbereiten von Bodenschätzen zu ordnen und zu fördern.

Das WHG regelt u.a. das Einbringen und Einleiten von Stoffen in Gewässer, wie beispielsweise Erdwärmesonden, Bohrspülungen, Verfüllmaterial und Wärme. Nachteilige Veränderungen der Wasserbeschaffenheit müssen dabei vermieden werden. Dazu zählen auch hydraulische Verbindungen zwischen unterschiedlichen Grundwasserstockwerken, der Eintrag von oberflächennahem, anthropogenem Grundwasser in tiefere Grundwasserstockwerke, Temperaturveränderungen im Erdreich sowie daraus resultierende Lösungs- und Füllungsreaktionen. Auch bestehen Anforderungen an die Beschaffenheit einzubringender und einzuleitender Stoffe, wie Verfüllbaustoffe, Zuschläge zur Bohrspülung, Material der EWS-Rohre sowie Stoffe, die dem Wärmetransport in den Erdwärmesonden dienen.

Werden für die wasserrechtliche Beurteilung schon sehr spezifische Kenntnisse des WHG vorausgesetzt, so ist die Genehmigung nach BBergG eher ein Terrain für Juristen. Wer versteht schon Sätze wie „Auf bergfreie Bodenschätze erstreckt sich das Eigentum an ­einem Grundstück nicht“ (BBergG § 3, Abs. 2). Andere Formulierungen sind eindeutiger, wirken auf Bauwillige aber eher einschränkend. So darf sich nach BBergG, § 4, der Wärmeentzug nur auf das Grundstück beschränken und die Temperaturänderung an der Grundstücksgrenze höchstens 0,1K betragen. Dr. Heske weist auch auf die unterschiedliche Handhabung der Bundesländer hinsichtlich eines grundstücksübergreifenden Wärmeentzugs hin. Und natürlich gäbe es auch Sonderfälle, wie beispielsweise in Bayern: Dort wird die Erdwärme als Bodenschatz bewertet, wenn die Entzugsleistung der EWS größer ist als 200kW. Der Rat von Dr. Heske: Das WHG greift immer und gibt deshalb den großen Handlungsspielraum vor. Das BBergG kommt je nach Auslegung zur Anwendung. Sein Votum: Die Anwendung des BBergG ist für EWS-Anlagen nur bedingt geeignet.

Energie-Contracting mit dezentralen Wärmepumpen

Viele Gemeinden wollen in Neubaugebieten nur noch Wärmepumpen oder andere regenerative Heizungsanlagen zulassen. Dabei werden oft mehrere Lösungen in Erwägung gezogen, z.B. zentrale oder dezentrale Erdwärmesonden, ggf. in Kombination mit solarer Unterstützung, zentrale oder dezentrale Grundwasserbrunnen, kalte Nahwärmesysteme oder zentral mit Groß-Wärmepumpen beheizte Nahwärmesysteme.

Auch die Stadtwerke Troisdorf evaluierten verschiedene Möglichkeiten der Energiegewinnung. Sie entschieden sich für eine geothermische Anlage, die auf drei bestehenden Brunnen einer stillgelegten Trinkwassergewinnungsanlage basiert. Die Versorgungsstruktur mit Grundwasser für zwei in unmittelbarer Nachbarschaft liegende Siedlungen (Wärmebedarf 750kW, voraussichtliche Betriebszeit 2100h/a, Wärmearbeit etwa 1300 MWh/a) erfolgt durch zwei separate Systeme, die aus Redundanzgründen miteinander gekoppelt sind. Um die Investitionskosten für die Eigenheimbesitzer möglichst niedrig zu halten, bieten die Stadtwerke die Wärmepumpe in einem Energie-Contracting an. Die Abrechnung erfolgt über die Menge an genutztem Grundwasser und den Stromverbrauch der Wärmepumpe. Der Kundenvertrag mit den Stadtwerken ist mit der Verpflichtung verbunden, eine Fußbodenheizung bzw. eine statische Heizung mit ­einer maximalen Vorlauftemperatur von 35°C einzubauen. Für die Trinkwassererwärmung stehen maximal 60°C Vorlauftemperatur zur Verfügung. Nach ersten Schätzungen liegen die Wärmekosten für den Nutzer etwa gleichauf mit denen einer Erdgasheizung. Für den Nutzer entfallen jedoch die Investitionskosten für die Wärmepumpe. Die geothermische Begutachtung und Planung lag bei Dr. Erich Mands von der Fa. UBeG Dr. Mands & M. Sauer GbR, Wetzlar.

Neue Berechnungsverfahren für thermische Bauteile

Die thermische Aktivierung erdberührender Bauteile als Wärmequelle für geothermische Heiz- und Kühlsysteme ist weit wirtschaftlicher als Erdwärmesonden, versichern Sylvia Kürten von der RWTH Aachen und Dr. Da­rius Mottaghy von der Geophysica Beratungsgesellschaft mbH, Aachen. Dabei gehe es darum, ohnehin erforderliche Bauteile durch die Integration von Wärmetauscherrohren thermisch zu aktivieren. Beispiele sind Energiepfähle, Energiebodenplatten, Energietunnel, Energieschlitzwände und neuerdings auch Energiespundwände. Vorteil ist, dass diese Bauteile meist eine Abdichtungsfunktion gegen das strömende Grundwasser übernehmen, sodass oftmals sehr hohe Entzugsleistungen möglich sind. Bei der neu entwickelten Energiespundwand der Fa. SPS Energy GmbH, Horhausen, könne so mit Entzugsleistungen von 40 bis 350 W/m2 gerechnet werden, bei Energieschlitzwänden mit 20 bis 100 W/m2 und bei Bodenplatten mit 15 bis 30 W/m2. Allerdings gebe es bei der Berechnung der Entzugsleistungen solcher Bauteile noch erheblichen Diskussionsbedarf, zumal die heute gültige VDI-Richtlinie 4640 „Thermische Nutzung des Untergrundes, erdgekoppelte Wärmepumpenanlagen“, nur sehr vage Ergebnisse liefere und nicht alle am Markt verfügbaren Systeme abbilde, so die Referenten. Vor diesem Hintergrund entwickelte der Lehrstuhl für Geotechnik im Bauwesen (GIB) der RWTH Aachen in Zusammenarbeit mit Geophysica und mit Unterstützung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU; Aktenzeichen 29546) ein Berechnungsmodell für thermoaktive Bauteile. In diesem werden analog zur Berechnung von Erdwärmesonden alle relevanten Wärmeübergangsvorgänge zusammengefasst.

Alternative Wärmequellen kommen stärker in den Fokus

Die Schadensfälle in Baden-Württemberg mit Erdwärmesonden zeigen auf dem Markt für Wärmepumpen bereits Wirkung: Die Absatzzahlen erdgekoppelter Wärmepumpen sind rückläufig, die von Luft/Wasser-Wärmepumpen steigen, obwohl erdgekoppelte Wärmepumpen deutlich bessere Jahresarbeitszahlen aufweisen. Viele Aussteller der Geotherm haben auf diese Veränderungen reagiert und ­alternative Quellenerschließungssysteme als Ersatz für Erdwärmesonden vorgestellt.

Gerd Lugert, Frank GmbH, Mörfelden-Walldorf, empfiehlt sowohl Sonden mit geringer Einbautiefe als auch Wärmequellensysteme zur Nutzung von Abwasser und Oberflächengewässern. Für Bohrtiefen von 6 bis 12m hat Frank die Vertical Thermpipe entwickelt, die sich bei hohem Grundwasserstand anbietet und zeitsparend mittels Hohlschneckenbohrer eingebaut werden kann.

Steht Abwasser in ausreichenden Mengen zur Verfügung, könne die konventionelle Abwasserleitung durch eine PSK-Thermpipe ersetzt werden. Das innen glatte Kunststoffrohr mit äußerer Rohrumwicklung habe den Vorteil, dass keine Einbauten im Gerinne notwendig sind, so Lugert. Durch die an der Außenseite des Abwasserrohrs anliegenden Rohre könne auch das umgebende Erdreich als Wärmequelle genutzt werden. Voraussetzung sei, dass eine Abwassermenge von mindestens 5l/sek zur Verfügung steht und der Kanal mindestens DN 300 groß ist. So kommen rund 20% der Wärme bei diesem System aus dem Abwasser, 80% aus dem umgebenden Erdreich. Der Vorteil gegenüber Kanaleinbausystemen sei, dass die Wärmegewinnung auch ohne oder mit geringem Abwasserstrom funktioniere.

Fazit

Die Qualitätsoffensive durch die vom Land Baden-Württemberg initiierte Leitlinie LQS EWS zeigt Wirkung. Offen ist, ob unter den verschärften Bedingungen Erdwärmesonden für Kleinanlagen bezahlbar bleiben. Durch die Begrenzung der Bohrlochtiefe auf den Gipsspiegel rücken andere Energiegewinnungsverfahren, zum Beispiel Erdkollektoren, Energiepfähle, Schlitzwände, Spundwände und Brunnen mehr in den Fokus.

INFO

Überwachung der Abdichtung

An automatischen Abdichtungsüberwachungssystemen sind bereits folgende auf Baustellen im Einsatz:

Sotronix und Fa. Dietrich – Digital Borehole Observation (DBO): Messung der Suspen­sions- und Wassersäule über einen Drucksensor

System der Firma Michalik: Messung der Suspensions- und Wassersäule über zwei Drucksensoren

HDG – EWS-Datenlogger: Erfassung des Druckanstieges über Druckaufnehmer am Sondenkopf, Umrechnung in die Tiefe, Korrektur des Umrechnungsfaktors nach erster Messung erforderlich

Im Baustellentest sind folgende Systeme:

MAT – Messsystem Mathmes-FH Matlog-PMD: Erfassung des Suspensionsspiegels durch Leitfähigkeitsmessung

Datenlogger EnBW: Messung von P, T, Feuchte, Leitfähigkeit und Neigung im Bohrloch durch neuartigen Sensor (bis ein Jahr danach noch möglich)

In der Entwicklung befindet sich das Verfahren:

Dr. Rainer Klein, Boden & Grundwasser GmbH – Time Domain Reflectometry (TDR-Messung, Zeitbereichsreflektometrie)

Quelle: Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft, Baden-Württemberg

INFO

Saisonspeicher berechnen

Die Planung und das Monitoring von saisonalen Wärmespeichern war bisher eine Spielwiese für Universitäten und Forschungsinstitute mit dem Ziel, einen Funktionsnachweis zu erbringen und Speicheralternativen zu entwickeln. Je nach Größe und Bauart des Speichers lagen die Investitionskosten der hauptsächlich vom Bund geförderten saisonalen solarthermischen Speicher anfänglich bei über 450 Euro je m3 Wasseräquivalent für 500 bis 1000 m3 Speichervolumen. Durch die Erfahrungen mit elf Pilotanlagen aus Deutschland, mehreren dänischen Großwärmespeichern sowie durch die Entwicklung neuer Speicherkonstruktionen lassen sich heute Wärmespeicher mit einem Speichervolumen von etwa 50000 m3 Wasseräquivalent zwischen 20 und 120 Euro/m3 realisieren. Nach Auffassung von Mathieu Riegger, Solites-Steinbeis Forschungsinstitut für solare und zukunftsfähige thermische Energiesysteme, Stuttgart, sei die Zeit reif, multifunk­tionsfähige Konzepte zur Nutzung von Sonne, Abwärme, Kälte und Strom zu entwickeln anstatt nur solare Wärme zu speichern.

Eine Pilotanlage in Crailsheim, bestehend aus 88 Erdwärmesonden auf 55m Tiefe mit einem äquivalenten Speichervolumen von 37500 m3, soll Aufschluss geben, wie ein multienergetisches Nahwärmekonzept für 260 Wohneinheiten, Schule und Sporthalle funktioniert. Die Herausforderung liegt darin, die Wärme aus einem 7300 m2 großen Kollektorfeld über einen 1000 m3 fassenden Pufferspeicher und einem Erdsondenfeld mit einem 480 m3 großen Zwischenspeicher sowie einer Großwärmepumpe so zu bewirtschaften, dass eine möglichst hohe Jahresdeckung erreicht wird. Die extra für diese Anwendung entwickelte Wärmepumpe mit einer thermischen Leistung von 480kW ist auf eine Vorlauftemperatur von dauerhaft 75°C ausgelegt. Die Wärmequellentemperatur kann zwischen 52 und 20°C schwanken. Die garantierte Jahresarbeitszahl wird mit 4,9 angegeben. Eine Besonderheit ist der konstruktiv vorgegebene hydraulische Abgleich des Sondenfeldes: Alle Sondenrohre der 80 EWS-Bohrungen (Doppel-U, PEX) sind gleich lang. Rohrüberlängen durch den kreisförmig angelegten Erdsondenspeicher werden innerhalb der 40cm dicken Dämmung aus Schaumglas so zum Mittelpunkt des Speichers geschleift, dass sich eine Art Anschluss-Mandala bildet. Für einfache Dimen­sionierungen sowie Ertrags- und Wirtschaftlichkeitsberechnungen solarer Nah- und Fernwärmeanlagen bietet Solites im Netz eine Informationsseite und einen kostenlosen Online-Rechner an:

Autor

Wolfgang Schmid ist Fachjournalist für Technische Gebäudeausrüstung, 80751 München, wsm@tele2.de

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