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BHKW für 5000 Euro

Revolution im Heizungskeller?

Inhalt

Es war schon eine spektakuläre und aufsehenerregende PR-Aktion, die dem unabhängigen Energieanbieter Lichtblick (ca. 530000 Kunden) mit seinem „ZuhauseKraftwerk“ gelungen ist; die Bilanz kann sich se­hen lassen:

Ankündigungen in mehreren TV-Nachrichtensendungen zur besten Sendezeit, längere Beiträge im „Heute Journal“ und in den „Tagesthemen“, ca. 1,5 Seiten im Nachrichtenmagazin „Spiegel“, Titelgeschichte bei der „TAZ“ sowie viele Berichte auf allen wichtigen Nachrichtenseiten im Internet. Und was war der sensationelle Aufhänger?

Erst der Strom, dann die Wärme

Auf den ersten Blick geht es eigentlich um etwas ganz Banales: Ein gasbetriebenes Blockheizkraftwerk, hergestellt von VW, wird an Hauseigentümer vermietet und in deren Heizungskeller aufgestellt. Dort erzeugt es dann Wärme und Strom. Pfiff bekommt die Geschichte aber dadurch, dass Lichtblick einen komplett anderen Ansatz hat, als die Heiztechnikbranche sowie andere Anbieter von BHKWs: Der Energieversorger will die lokal aufgestellten „ZuhauseKraftwerke“ erst in zweiter Linie zur Wärmeversorgung der Gebäude nutzen und vorrangig zu einem modernen Großkraftwerk vernetzen. „Man muss sich die ZuhauseKraftwerke wie einen Fischschwarm vorstellen: Viele kleine Einheiten bilden eine große, leistungsfähige Gemeinschaft, die Schwarmstrom erzeugt“, erläutert der Vorstandsvorsitzende Dr. Christian Friege auf einer Pressekonferenz.

Als (vorläufiges?) Ziel möchte man 100000 Einheiten „zu Deutschlands größtem Gaskraftwerk vernetzen“, dessen Leistung mit 2000 MW die Kapazität von zwei Atomkraftwerken erreichen soll.

Schwarmstrom-Lieferung, wenn das Windrad sich nicht dreht

Mit dem Schwarmstrom-Konzept möchte der Energieversorger den Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland ergänzen. Denn herkömmliche Grundlastkraftwerke könnten nicht schnell genug an- oder abgeschaltet werden, um die wetterbedingt schwankende Stromeinspeisung aus Wind­rädern oder Photovoltaik auszugleichen. Schwarmstrom könne hingegen binnen einer Minute ins Netz eingespeist werden, so die Vision des Unternehmens. „Wir liefern vor allem dann Schwarmstrom, wenn der Wind nicht weht. So machen wir den Weg frei für den Ausbau der erneuerbaren Energien und die flexible und klimafreundliche Stromerzeugung der Zukunft“, so Friege.

Und an Selbstbewusstsein hinsichtlich des Markterfolgs mangelt es nicht: „Lichtblick schlägt mit dem Vertrieb der ZuhauseKraftwerke und der dezentralen, flexiblen Stromerzeugung ein neues Kapitel der intelligenten Energieversorgung auf. Als größter unabhängiger Energieanbieter in Deutschland wissen wir, wie die Strom- und Gasmärkte funktionieren und wie man einen erfolgreichen Vertrieb organisiert“, so Dr. Christian Friege.

Das Blockheizkraftwerk wird von Volkswagen hergestellt

Mit Volkswagen wurde am 9.9.2009 in Salzgitter eine weltweit exklusive Energie-Partnerschaft unterzeichnet. Die Aufgabe des Automobilherstellers ist es, die Blockheizkraftwerke „EcoBlue“ zu produzieren, die von Gasmotoren aus eigener Fertigung angetrieben werden. Die Besonderheit dieser Maschinen ist, im Vergleich zu den branchenüblichen Mini-BHKWs und Mini-KWKs, die große elektrische Leistung mit 20 kW, der eine thermische Leistung von ca. 34 kW gegenübersteht. Der Wirkungsgrad wird mit 92 % angegeben. Hinzu kommt, dass „EcoBlue“ nicht für eine möglichst lange Laufzeit optimiert ist, sondern für eine durchschnittliche Betriebsstundenzahl von 1200 bis 1500 h (max. 3000 h) pro Jahr. Das BHKW ist modular aufgebaut und verfügt über eine integrierte Heizkreishydraulik (B/T/H = 1040/ 710/1681 mm; Gewicht: ca. 980 kg). Die Produktkosten sollen bei 2000 Euro liegen.

Kombiniert wird das BHKW mit entsprechenden Wärmespeichern. Auf SBZ-Anfrage teilt Lichtblick mit, dass eine Standard-Konfiguration des „ZuhauseKraftwerks“ bei einem Wärmebedarf von 40000 bis 65000 kWh zum Einsatz kommt, die aus einem Modul und zwei Wärmespeichern mit je 800 oder 1000 l Inhalt besteht. Interessant: Eine Notkühleinrichtung gibt es nicht. Und auch eine Zusatzheizung ist nicht vorgesehen.

Eine von Lichtblick entwickelte Kommunikationseinheit am „ZuhauseKraftwerk“ ermöglicht es, die Anlage per Mobilfunk oder über einen DSL-Anschluss „intelligent wärmegeführt“ zu betreiben.

Zu welchen Konditionen bekommen die Kunden das BHKW?

Volkswagen wird in 2010 zunächst einige Hundert BHKWs bauen, bevor es dann Ende 2010 in Serie geht. Laut Nachrichtenmagazin Spiegel könnten dann jährlich mind. 10000 Einheiten vom Band laufen.

Lichtblick startet den Vertrieb zunächst am Heimatsitz in Hamburg, bevor er ab 2010 Schritt für Schritt auf das ganze Bundesgebiet ausgeweitet wird. Übrigens sollen 100 „ZuhauseKraftwerke“ in 2009 in öffentlichen Einrichtungen von Hamburg installiert werden. Zudem will man dort den Einbau der Produkte ab sofort mit rund 2 Millionen aus dem Konjunkturprogramm II des Bundes fördern.

Lichtblick unterscheidet Angebote für zwei Kundengruppen:

– Privatkunden mit einem Gasverbrauch ab 45000 kWh im Jahr

– Großkunden (Wohnungsbaugesellschaf­ten, kleine und mittlere Unternehmen, öffentliche Einrichtungen etc.) mit einem Gasverbrauch von mind. 72000 kWh/a.

Unter „Privatkunden“ hat Lichtblick im Internet schon einige beispielhafte Auszüge seines Preismodells veröffentlicht (Stand 18.9.09):

  • Das „ZuhauseKraftwerk“ bleibt in Besitz von Lichtblick. Der Kunde zahlt für die komplette Standardinstallation einen Zuschuss von 5000 Euro (inkl. Demontage des bestehenden Gasheizkessels).
  • Der monatliche Grundpreis liegt bei 20 Euro, inkl. Servicepaket (Wartung, Reparaturen, Versicherung etc.).
  • Der Kunde bekommt eine Monatsmiete von fünf Euro für die Aufstellung des „ZuhauseKraftwerks“ im Heizraum.
  • Der Kunde zahlt für die Wärme einen verbrauchsabhängigen Betrag von 5,79 Cent pro kWh (inklusive 19 Prozent Umsatzsteuer). Lichtblick will den Wärmepreis-Tarif an den Gasmarktindex des Statistischen Bundesamtes koppeln.
  • Strombonus von 0,5 Cent pro ins Netz eingespeister kWh Strom.
  • Der Kunde schließt mit Lichtblick einen Wärmeliefervertrag über zehn Jahre mit einer Mindestlaufzeit von zwei Jahren ab.

Bei einer Störung wird die Lichtblick-Leitstelle in Hamburg per Mobilfunk oder DSL informiert. Lässt sich die Störung von dort aus nicht beheben, schwärmt der jeweilige Servicepartner vor Ort aus.

SBZ-Fragen an Lichtblick zur Montage und zur Vergütung

Und wie sieht es mit der praktischen Umsetzung aus? Interessierte Kunden aus dem ganzen Bundesgebiet können sich schon jetzt melden. Sobald das Produkt in deren Region verfügbar ist, vereinbart ein Lichtblick-„Energieberater“ einen Termin vor Ort, um die Einbaubedingungen zu klären, den persönlichen ­Wärmepreis zu ermitteln, eine persönliche Vergleichsrechnung zu anderen Heizungs­anlagen zu erstellen usw.

Kommt es zu ei­nem Vertragsabschluss, soll laut Kundeninformation die Montage innerhalb von zwei Tagen erfolgen. Es gibt aber auch interne Aussagen von Lichtblick, die von einem Tag sprechen. Der Energieversorger will dazu mit regionalen Partnern zusammenarbeiten, die für diese Aufgaben speziell qualifiziert werden. Die SBZ-Redaktion wollte von Lichtblick dazu Details haben und hat danach gefragt, wie viele Montagetrupps bundesweit gebraucht würden, wie die Arbeiten vergütet werden, wer die Abnahme und die Wartung der Anlage übernimmt usw. Die Antwort des Unternehmens fiel leider etwas knapp und dürftig aus: „Können wir derzeit noch nicht sagen...“

Sollte der Energieversorger hier tatsächlich noch kein Konzept haben, dann könnte es mit der Umsetzung des ambitionierten Projekts kritisch werden. Denn geeignete Fachbetriebe in Deutschland wachsen nicht auf den Bäumen. Und hinsichtlich der Arbeiten an Gasleitungen führt kein Weg an konzessionierten Betrieben vorbei.

Fraglich ist zudem, ob die Montagearbeiten tatsächlich so schnell über die Bühne gehen. Die erste Hürde im Modernisierungsbereich ist die Frage: Passen Modul und Speicher mit ihren Abmessungen auch durch die Treppenhäuser und Türen? Gibt es im Aufstellraum genügend Platz und Höhe? Und wenn die Teile im Heizraum sind, kann es beim Verbinden mit einer bestehenden Anlage noch ungeahnte Hindernisse geben. Eine größere Unwägbarkeit ist hier der (vorhandene) Schornstein, der hinsichtlich Durchmesser, Überdruck und Temperatur zum BHKW passen oder eben saniert werden muss.

Und auch nach dem Abschluss der Arbeiten dürfte bei Objekten im Bestand ein hydraulischer Abgleich durchzuführen sein, der gerade im Mehrfamilienhausbereich seine Zeit braucht.

Potenzial von 3 bis 4 Millionen Objekten in Deutschland

Lichtblick geht von einem Markt mit drei bis vier Millionen Objekten aus, die man mit dem „ZuhauseKraftwerk“ erreichen könne. Dieses Potenzial sowie rund 10000 Interessenten, die sich beim Energieversorger bislang gemeldet haben, sind für das Unternehmen zunächst sicher beruhigende Zahlen. Doch es bleibt abzuwarten, ob daraus auch wirklich Aufträge werden. Gerade bei den Privatkunden ist sicherlich noch Überzeugungsarbeit zu leisten, auch mit Blick auf die individuelle Wirtschaftlichkeitsfrage: Lohnt sich das Angebot überhaupt? Welche Vorteile hat es?

Hinzu kommt, dass sich nicht jeder an den Gedanken gewöhnen wird, dass er nicht der Eigentümer des Heizgerätes in seinem Keller ist. Viele Großkunden, wie Wohnbaugesellschaften oder öffentliche Einrichtungen, werden froh über das Miet-Angebot sein, da sie bei einem vielleicht ohnehin anstehenden Heizungstausch von den Investitionskosten entlastet werden.

Fazit: Die Heizungs-Welt ist nicht mehr so, wie sie vorher war

1. Die bisherige Definition der „stromerzeugenden Heizung“ wurde auf den Kopf gestellt: Beim „Zuhausekraftwerk“ geht es in erster Linie darum, Strom zu erzeugen und nebenbei den Wärmespeicher aufzuladen. Und dies nicht, wie bei vielen Mikro-KWKs üblich, mit ein bis fünf kWel und ca. 12 kWth, sondern „brachial“ mit 20 kWel und 34 kWth.

Die Idee dahinter ist, Strom genau zu der Zeit zu produzieren, wenn die Elektrizitätsnachfrage im Netz am höchsten ist und die erneuerbaren Energien diese nicht auffangen können. Dieser Strom hat natürlich dann auch einen höheren Preis.

Dieses interessante Prinzip muss sich aber erst in der breiten Praxis bewähren. Denn wenn der Wärmespeicher voll oder leer ist, muss das BHKW pausieren oder laufen – auch in „ungünstigen Stromphasen“.

2. Wenn die Wirtschaftlichkeit des Contracting-Modells stimmt, ist es aufgrund der niedrigen Investitionskosten sehr attraktiv für bestimmte Zielgruppen wie Wohnbaugesellschaften, Unternehmen, öffentliche Einrichtungen etc. Ob sich jedoch sehr viele Privathaushalte dafür eignen und ob die Eigentümer dann auch den „Miet“-Vertrag für das BHKW in ihrem Heizungskeller unterschreiben, ist äußerst fraglich.

Übrigens: Vor allem um die Privatkunden ist der Wettbewerb schon entbrannt. So hat die Gasag bereits den bundesweiten Vertrieb vom Mikro-BHKW „Wispergen“ angekündigt – als Kauf- und Contracting-Modell (siehe Kasten). Weitere Energieversorger sowie unsere Heizungsbranche werden garantiert auch noch reagieren.

3. Offen bleiben die Fragen: Gelingt die rasche und rationelle Montageabwicklung vor Ort? Gibt es genügend qualifiziertes Personal für Montage und Wartung? Werden SHK- und Elektro-Installateure eingesetzt oder sogar weitergebildetete Kfz-Mechaniker der VW-Vertragswerkstätten?

4. Der PR-Coup von Lichtblick war exzellent platziert, gerade im Hinblick auf die Bundestagswahl mit der Atomkraftausstiegsdiskussion. Vor allem das Thema BHKW aber auch die Heizung waren in allen wichtigen Medien präsent. „Es ist wieder Schwung in die Diskussion um die KWK-Technologie gekommen“, kommentierte optimistisch Mini-BHKW-Pionier Senertec, der jährlich ca. 3000 „Dachs“ verkauft.

Wird sich nur der BHKW-Markt oder der gesamte Heiztechnikmarkt verändern? Wir halten Sie über die Entwicklungen bei der (kleinen oder großen?) Revolution im Heizungskeller auf dem Laufenden, liebe SBZ-Leser.

Info

Ergänzende Informationen zu dem in diesem Artikel vorgestellten „ZuhauseKraftwerk“ von Lichtblick finden Sie im Internet. Dort gibt es u. a. auch eine Animation zum Thema „Schwarmstrom-Konzept“.

http://www.zuhausekraftwerk.de

Info

Mikro-BHKW „Wispergen“ bald bundesweit zu kaufen

Ein Energieversorger hat auf das „ZuhauseKraftwerk“ von Lichtblick schon ­reagiert: Die Gasag, Berliner Gaswerke Aktiengesellschaft, möchte deutschlandweit das serienmäßig produzierte Mikro-Blockheizkraftwerk „Whispergen“ für Ein- und Zweifamilienhäuser über ihre Ver­triebstochter DSE (Direkt-Service ­Energie GmbH) anbieten. Ab Januar 2010 ­sollen Endkunden, nach Vertragsabschluss mit der DSE, die ­Whispergen“-Anlagen (1 kWel, max. 12 kWth) als Komplettpaket ­inklusive Dienstleistungspaket und ­Installation kaufen können.

Die Kosten für das Komplettpaket werden mit zunächst ca. 17000 Euro angegeben. Laut Gasag würde sich diese Investition lohnen, „da sich die Mehrkosten für die Stromerzeugung im Vergleich zur herkömmlichen Brennwerttechnik bereits nach weniger als zehn Jahren amortisieren“.

Für das nächste Jahr seien weitere Angebote, z.B. eine Contracting-Lösung, geplant. Auch das zertifizierte Handwerk, Stadtwerke und weitere gewerbliche Marktpartner könnten diese stromerzeugende Heizung von der Gasag beziehen. Die Gasag rechnet mit einem Absatz von 500 Stück im ersten Jahr (2010) und sieht dann ein Wachstum innerhalb der nächsten fünf Jahre auf bis zu 8000 Geräte pro Jahr.

http://www.energie-neu-entdecken.de

Info

Nur wenige 100 „Zuhause-kraftwerke“ pro Jahr?

„Die Lichtblick-BHKW eignen sich aufgrund ihrer großen Dimensionierung sicherlich für Mehrfamilienhäuser oder Schwimmhallen, aber keineswegs für Ein- oder Zweifamilienhäuser. Daher sind diese BHKW für Spezialanwendungen in einem sehr kleinen Markt“, äußerte sich BDH-Hauptgeschäftsführer Andreas Lücke. In einer Presseinfo des Heizungsindustrie-Verbandes vom 22.9. heißt es weiter, „dass der Markt für das groß dimensionierte Lichtblick-Angebot aufgrund des eingeschränkten Einsatzgebietes nur wenige 100 Stück im Jahr ausmachen dürfte“. Zudem werfe auch die wirtschaftliche Seite des Angebots viele Fragen auf.

https://www.bdh-industrie.de/

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