Bevor ein intelligentes Nahwärmenetz realisiert werden kann, gilt es erst einmal zu klären, ob die Rahmenbedingungen für eine möglichst effiziente Nutzung der regenerativen Energieressourcen gegeben sind. Im Idealfall wird bei der Planung eines Neubaugebietes (moderne Gebäude mit geringen Heizlasten) die komplette Infrastruktur (Leitungen, Straßen etc.) bereits von Anfang an mitberücksichtigt.
Dabei sollte sich die Umsetzung vorrangig auf ländliche Gebiete konzentrieren. Dort gibt es tendenziell keine zu hohe Belegungsdichte des Netzes, da die Versorgung der Anschlussteilnehmer sonst nicht sichergestellt werden kann. Die Innenstadt von München etwa könnte nicht mit kalter Nahwärme versorgt werden, da die Leitungsquerschnitte sehr groß sein müssten, um die erforderlichen Wärmemengen zu transportieren.
Auf dem Land sollte man, wenn möglich, auch die lokal verfügbare Bioenergie mit einbinden, z. B. Biogas oder Biomasse. Diese fördern die Akzeptanz und sind CO2-neutral. Solare Erträge lassen sich im kalten Nahwärmenetz am besten durch die Kombination von Photovoltaik (PV) für den Wärmepumpenstrom und Solarthermie zur Anhebung der Netztemperatur ausschöpfen.
Die richtige Netzdimension
Bei der Anzahl der Anschlussteilnehmer an ein kaltes Nahwärmenetz ist darauf zu achten, dass die Leitungsquerschnitte nicht zu groß werden dürfen. Weiterhin sind gegebenenfalls mehrere Wärmequellen zu erschließen, damit die Regeneration der Kollektorfläche im Fall von Sonden oder Erdregistern zu jeder Zeit gegeben ist. In ein solches Netz kann auch an mehreren Stellen eingespeist werden. Bei gleitenden und Kalt-Warm-Netzen sind die Wärmeerzeuger in der Heizzentrale an die Abnahme anzupassen.
Im Bestandsbau ist ein rein kaltes Netz angesichts der üblichen Vorlauftemperatur von 10 °C nicht leistungsfähig genug, da die Gebäude statt 40 bis zu 200 kWh/m2a an Energie benötigen. Hier bieten sich die anderen Netzformen wie das bereits erwähnte Kalt-Warm-Netz oder das gleitende Netz an.
Grundsätzlich sollte man sich bei der Reduzierung des Energieaufwands und der damit verbundenen CO2-Einsparung realistische Ziele setzen. Eine seriöse Größenordnung für viele Betreiber ist ein Einspareffekt von 50 % beim Energieaufwand. Dabei ist zu beachten, dass der Hilfsenergieaufwand für kalte Netze oft höher ist, da Leitungen und Pumpengruppen größer zu dimensionieren und die Volumenströme höher sind. Dafür fallen die Strahlungsverluste in kalten Netzen deutlich geringer aus.
Anlagentechnische Ausstattung
Beim kalten Nahwärmenetz ist keine Heiz- bzw. Energiezentrale vorhanden. Die Energieernte erfolgt über ein Sondenfeld oder mehrere Grundwasserbrunnen. Alternativ können auch Gewässer, Abwasserkanäle oder alte Grubenschächte der Bergbauindustrie, die von selbst voll Wasser laufen, die Funktion einer Energiezentrale übernehmen. Benötigt wird in der Regel nur ein kleines Gebäude in Garagengröße für die Pumpengruppen und die Netz-Überwachungstechnik via Software und PC. Von dort wird die Wärmeenergie über ungedämmte Leitungen in die Gebäude verteilt, wo die Wärmepumpen sitzen.
Beim kalt-warmen und beim gleitenden Nahwärmenetz gibt es eine hydraulisch günstig gelegene Heizzentrale mit einer Kombination von verschiedenen Wärmeerzeugern. Diese werden zumeist um eine Solarthermieanlage (evtl. in Kombination mit einer PV-Anlage) auf dem Dach ergänzt. Ebenfalls dazu gehört ein Blockheizkraftwerk (BHKW), das neben Wärme auch Strom produziert. Zudem wird ein meist mit Öl oder Gas betriebener Spitzenlastkessel benötigt, der im Notfall die komplette Netzlast abdecken kann. Abhängig von den Gegebenheiten vor Ort kann hierfür auch ein Biomassekessel eingesetzt werden.
Übergabestationen im Gebäude
Beim Anschlussteilnehmer wird eine kleine Wärmepumpeneinheit installiert, welche die Warmwassererzeugung und – abhängig von der Netzstrategie – die Heizlasten ganz oder teilweise abdeckt. Es gibt Varianten, bei denen ein Fernwärmeübertrager in die Wärmepumpen integriert ist, um im Nahwärmenetz die Direktübertragung auf das Heizsystem zu übernehmen. Es gibt aber auch Wärmepumpentypen, die diesen Vorgang in zwei Komponenten trennen. Häufig werden diese Übergabestationen mit einem Pufferspeicher ausgestattet, um eine Lastverschiebung zu ermöglichen.
Im rein kalten Netz kommen häufig herkömmliche Wasser/Wasser- bzw. Sole/Wasser-Wärmepumpen zum Einsatz. Deren Einsatzgrenzen liegen bei etwa 25 °C Quellnetztemperatur. Spezielle Wärmepumpentypen können allerdings auch höhere Quellnetztemperaturen bis 55 °C nutzen, was die Effizienz deutlich erhöht.
Bedarfsgerechte Steuerung
Ein wichtiger Erfolgsfaktor für die Effizienz eines kalten Nahwärmenetzes ist die intelligente, bedarfsgerechte Steuerung der Wärmeversorgung. Der Einsatz einer entsprechend angepassten Software kann dabei die folgenden Optimierungen erzielen:
Vorteile für Anschlussteilnehmer
Aus Sicht des Anschlussteilnehmers – unabhängig, ob Privathaushalt oder gewerblicher Kleinbetrieb – spricht eine Reihe von Argumenten für die Einbindung in ein intelligentes Nahwärmenetz. So muss man sich beispielsweise nicht mehr um die Wärmeversorgung kümmern, da ein Nahwärmenetz immer den gesamten Wärmebedarf einer Immobilie abdeckt.
Zudem lässt der geringe Primärenergiefaktor eines Nahwärmenetzes nicht nur eine hohe Förderung zu, sondern sorgt zugleich auch für geringe CO2-Emissionen. Dies beruhigt nicht nur das Gewissen, sondern minimiert auch die Auswirkungen der ab 2021 geltenden CO2-Bepreisung.
Ein weiterer Pluspunkt sind geringe bis keine Wartungskosten für die Anlagentechnik (je nach Betreibermodell), da Wärmepumpen in der Regel im Prinzip wartungsfrei sind. Auch sind die Kosten für die Wärmeversorgung klar im Vorfeld definiert und damit planbar, weil die Wärmepreise immer für eine längere Periode abgeschlossen werden. Damit ist der Kunde/Verbraucher auch unabhängig von den Preisschwankungen bei fossilen Brennstoffen. Ebenfalls wichtig ist der geringe Platzverbrauch im Objekt, da kein Heizraum vorgesehen werden muss.
Vorteile für Netzbetreiber
Intelligente Nahwärmenetze sind bei den Investitions- und Fixkosten grundsätzlich vergleichbar mit dem Aufwand bei herkömmlichen Nahwärmenetzen. Kalte Netze sind durch die einfache Leitungsverlegung von günstigen, ungedämmten Rohren im ersten Schritt günstiger, dafür muss aber ein Sondenfeld erstellt werden. Auch benötigen die Wärmepumpen mehr Strom, was die Betriebskosten dieses Netztyps deutlich steigert. Dies liegt darin begründet, dass der Wirkungsgrad einer Wärmepumpe im rein kalten Netz deutlich schlechter ist als in Netzen, die gleitend oder durch solarthermische Unterstützung auf einem höheren Temperaturniveau laufen.
Alle anderen intelligenten Netzvarianten, die auf höheren Temperaturniveaus betrieben werden, verwenden gedämmte – und damit teurere – Rohre und müssen in eine Heizzentrale investieren. Allerdings sind aus heutiger Sicht höhere Fixkosten deutlich planbarer als die volatilen Betriebskosten der dezentralen Wärmepumpen.
Auf den Wärmepreis hat das insgesamt kaum Auswirkungen, da er in allen Netzvarianten – auch im klassischen Nahwärmenetz – auf einem ähnlichen Niveau liegt. Abschließend sollte noch erwähnt werden, dass durch die abgesenkte Netztemperatur die Strahlungsverluste im Netz deutlich geringer werden. Daraus resultiert letztendlich auch der wirtschaftliche Mehrgewinn aus alternativer Nahwärme.
Moderne Netz- und Kommunikationstechnik ermöglicht zudem die bedarfsgerechte Erzeugung von Energie. Dies geschieht immer häufiger auch durch Einbeziehung von künstlicher Intelligenz zur Verbrauchsanalyse, Vorhersage des Wetters sowie Vorausberechnung des Verbrauchs. Derartige Systeme können an die jeweiligen bestehenden Softwaresysteme des Contractors angebunden werden. Auch machen weitere Möglichkeiten der Überwachung (Fernwartung und vorausschauende Planung von Wartungen) den Betrieb eines solchen Netzes kalkulierbarer, kostengünstiger und damit überschaubarer.
Fazit
Die Zukunftschancen für intelligente Nahwärmenetze sind grundsätzlich positiv zu bewerten. Die Sektorkopplung wird hier eins zu eins und umfassend umgesetzt. Dabei ist es möglich, sich zu 100 % von fossilen Energieträgern zu lösen und gleichzeitig einen hohen solaren Deckungsbeitrag zu erzielen.
Dennoch ist noch viel – auch politische – Aufklärungsarbeit zu leisten, damit derartige Projekte leichter umsetzbar werden. Zurzeit gelten kalte Nahwärmenetze in Deutschland immer noch eher als Nischentechnologie. Gerade einmal 15 % der Heizwärme in deutschen Haushalten stammt aus Nah- und Fernwärmenetzen. Dabei liegt die Versorgung aus kalten Netzen sicherlich deutlich unter einem Prozent.
Durch Fördermechanismen seitens des Bundes nimmt das Thema zwar jetzt deutlich an Fahrt auf, trotzdem zögern noch viele Gemeinden und Contractingunternehmen, in diese Technik zu investieren. Dies liegt auch daran, dass gerade der rechtliche Rahmen schwierig ist, sobald es um ein Arealnetz (Strom und Wärme in Kombination) geht.
Auch muss eine solche Energieversorgung sehr früh in die Planung aufgenommen werden. Dadurch entstehen lange Vorlaufzeiten sowie oft lange Entscheidungswege. Hier müssten in Zukunft frühzeitige positive Impulse seitens der Stadtplaner und der verantwortlichen Kommunalpolitik kommen. Dann hätten wir gute Chancen, dass sich kalte Nahwärmenetze von einer Pioniertechnologie zu einem etablierten Trend der ressourcenschonenden Wärmeversorgung in Deutschland entwickeln.