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Der Brennstoff der Zukunft?

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Das Heizen und Kühlen von Gebäuden verursacht in Europa rund 36 % der CO2-Emissionen. An dieser Stelle wird deutlich, welches Reduzierungspotenzial in diesem Bereich liegt. Besonders Haushalte und kleinere Unternehmen werden zukünftig eine große Rolle spielen, wenn es um die Dekarbonisierung geht. Der Brennstoff Wasserstoff setzt genau an dieser Stelle an und lässt sich gut als Alternative zu Öl und Gas verwenden. Allerdings setzt das eine Infrastruktur voraus, die aktuell noch im Entstehen ist. Feldtests beweisen jedoch, dass viele heutige Gas-Brennwertkessel bereits mit einem Gasmix aus 80 % Erdgas und 20 % Wasserstoff betrieben werden könnten und damit ein großer Beitrag zum Klimaschutz möglich wäre.

Brennstoffzellen als neue Alternative

Über zwei Jahrzehnte investierte die herstellende Industrie bereits in die Erforschung und Produktion von Brennstoffzellenheizgeräten. Auf europäischer Ebene werden die Bemühungen zur Unterstützung hinsichtlich der Marktreife von derartig zukunftsfähigen Wärme- bzw. Energieerzeugern durch das PACE-Projekt gefördert, das mit immerhin 90 Millionen Euro ausgestattet wurde (siehe Infokasten nächste Seite).

In den letzten zwei Jahren fanden so immer mehr dieser Wärme- und Stromerzeuger den Weg in den Markt. Der Vorteil gegenüber einem BHKW liegt in der direkten Energieumwandlung. Während das BHKW einen Motor für die Produktion verwendet, nutzt die Brennstoffzelle einen rein elektro-chemischen Prozess für die Bereitstellung von Wärme und Strom. Dadurch laufen die Geräte auf Erdgasbasis absolut geräuschlos und mit einem sehr geringen Kohlendioxid­ausstoß – bis zu 50 % weniger als bei herkömmlichen Brennwertkesseln. Damit gilt die Technologie aktuell als leiseste und effizienteste Form, um aus Erdgas Strom und Wärme zu er­zeugen.

Brennstoffzellenheizgeräte wandeln mithilfe eines Reformers Erdgas, welches eine wasserstoffreiche Verbindung ist, in reinen Wasserstoff und CO2 um. Das geschieht mithilfe eines Reformers. Der gewonnene Wasserstoff reagiert dann mit zugeführtem Sauerstoff aus der Luft in einer umgekehrten Elektrolyse zu Wasser. Bei diesem Prozess entstehen Wärme und Strom.

Der Vorgang wird auch als „kalte Verbrennung“ bezeichnet. Man unterscheidet zwei Varianten: die Festoxid-Brennstoffzelle (SOFC) mit Keramik-Membran für den Hochtemperaturbereich von 650 bis 1000 °C
und die Polymerelektrolyt-Brennstoffzelle (PEM) mit einer Membran aus Kunststoff für den Niedrigtemperaturbereich von 70 bis 90 °C.

Erste Schritte sind getan

Die Brennstoffzelle eignet sich mit ihren Eigenschaften in Neu- und Altbauten als Alternative zu rein gasbetriebenen Geräten, denn die Anlagen können ohne Probleme in das bestehende Gasnetz eingebunden werden. In der Regel werden sie als Grundlastmodul verwendet und mit einem Gas-Brennwertgerät für die Spitzenlasten kombiniert. In Deutschland befinden sich schon etliche solcher Anlagen im Betrieb, Tendenz aktuell steigend.

Wenn es um die Nutzung von Wasserstoff als Brennstoff geht, ist der Einsatz von Brennstoffzellen mit Reformer der erste Schritt. Weitere werden folgen, beispielsweise die Beimischung von Wasserstoff in das Gasnetz. Geplant sind hier zunächst bis zu 20 %. Somit kann zum einen die Effizienz der Geräte angehoben werden, zum anderen kann nicht genutzte Energie aus erneuerbaren Quellen in Form von Wasserstoff gespeichert werden.

Allerdings ist die Einbringung des Mediums in das reguläre Gasnetz nicht ohne Weiteres umsetzbar. Erdgasautos können zum Beispiel mit einem solchen Erdgas-Wasserstoff-Mix nicht betankt werden. Hier sind Anpassungen nötig. Auch die bereits installierten Gas-Brennwertgeräte müssen auf die neue Situation abgestimmt werden.

Die Handlungsbereitschaft einzelner Wärmeerzeugerhersteller ist bereits erkennbar. So hat die BDR Thermea Group, zu der auch Remeha gehört, jüngst bestimmte Geräteserien für eine Beimischung von bis zu 20 % Wasserstoff zertifizieren lassen.

Funktionsschema eines Brennstoffzellenheizgeräts mit Reformer.

Bild: Remeha

Funktionsschema eines Brennstoffzellenheizgeräts mit Reformer.

100 % Wasserstoff als ­Energielieferant

Als erklärtes Ziel gilt es, reinen Wasserstoff als Energieträger zu nutzen. Doch das wird bis zum umfangreichen Einsatz noch einige Zeit dauern. Dafür muss vorrangig eine Infrastruktur geschaffen werden. Möglich wäre das in Form von Quartierslösungen. Hier würden z. B. 50 bis 100 Häuser an eine dezentrale Wasserstoffversorgung angeschlossen, die dann mit Brennstoffzellen- oder auch Wasserstoffheizgeräten beheizt würden. Aktuell sind solche Systemgrößen jedoch noch nicht verfügbar. An dieser Stelle muss die Entwicklung weiter vorangetrieben werden.

Ob sich der Einsatz von reinem Wasserstoff generell umsetzen lässt und welche Anpassungen noch vorgenommen werden müssen, wird aktuell in einem Feldtest in den Niederlanden untersucht. Seit Mitte 2019 testet die BDR Thermea Group im niederländischen Rozenburg nahe Rotterdam die weltweit ersten wasserstoffbetriebenen Haushaltskessel unter realen Bedingungen. Der Wärmeerzeuger wurde im konzerneigenen Kompetenzzentrum für Forschung und Entwicklung in Italien entwickelt.

Das Projekt in den Niederlanden ist auch für den deutschen Anbieter Remeha als Mitglied der Gruppe von hoher Bedeutung. Ziel des Projektes ist es, eine breite Basis für Heizungs- und Warmwasserlösungen zu finden, die ohne Kohlendioxidemissionen auskommt. Das Funktionsprinzip bleibt das gleiche wie bei einem mit Erdgas betriebenen Heizkessel. Den Wasserstoff liefert in diesem Fall ein Netzbetreiber über eine ehemalige Erdgasleitung.

Das zeigt auch, dass sich ein vorhandenes Gasnetz technisch zum Transport von Wasserstoff eignet. Die Installation des Wasserstoffkessels erfolgte im Heizraum neben einem konventionellen Erdgaskessel, um die Versorgung jederzeit sicherstellen zu können.

Nach dem ersten Pilotversuch in den Niederlanden steht in Großbritannien ein weiterer Feldversuch an. In den nächsten zwei Jahren sollen dort über 400 Wasserstoffkessel installiert werden. In diesem Zusammenhang sind auch andere Netzbetreiber und Gebäudeeigentümer in Europa eingeladen, sich an möglichen weiteren Feldversuchen zu beteiligen, um die Entwicklung der CO2-freien Heizung voranzutreiben.

Weitere Schritte sind nötig

Neben der Infrastruktur sind noch weitere Hürden zu meistern. Beispielsweise ist die Massenherstellung von Wasserstoff nicht unter allen Umständen förderlich. In der Regel wird der Wasserstoff mittels Dampfreformierung produziert. Als Rohstoff dient Erdgas. Das Verfahren ist zwar kostengünstig, erzeugt allerdings auch Kohlenmonoxid und Kohlendioxid. Die Gewinnung von Wasserstoff durch Elektrolyse ist dagegen umweltfreundlich, aber auch erheblich teurer. Bei dem Vorgang wird Wasser mittels Strom in Sauerstoff und Wasserstoff gespalten. Es bietet sich daher an, für diesen Prozess lediglich überschüssigen Strom aus regenerativen Quellen zu nutzen.

Da es sich um eine sehr junge Technologie handelt, fehlen überdies Normen und Regelwerke fast gänzlich. Diese müssen erst erarbeitet werden. Die Geräte an sich gelten als bedenkenlos einsetzbar, genau wie Wasserstoff selbst. Unbegründet sind die Ängste vor Explosionen oder Brand. Das Risiko ähnelt dem von Erdgas. In den Testanlagen werden zusätzliche Sensoren eingesetzt, um höchstmögliche Sicherheit zu gewährleisten.

Fazit

Wie bei jeder neuen Technologie müssen gewisse Bedingungen noch geschaffen werden. Allerdings ist sich der Markt einig: Wasserstoff bietet eine umweltfreundliche Alternative zu fossilen Energieträgern. Mithilfe der Brennstoffzelle gelingt nach und nach eine Einführung. Zudem ist Wasserstoff im Gassystem hilfreich, um regenerativ erzeugte Energie über einen längeren Zeitraum zu speichern, da in Zeiten mit größerem Bedarf nicht immer sofort genug Wind- und Sonnenenergie zur Verfügung steht.

Betrachtet man die Eigenschaften und den großen Nutzen des Brennstoffs und der Technologie, wird sich in den nächsten zwei Jahren noch viel tun. Die BDR Thermea Gruppe wird mit ihren Marken Brötje, Remeha und Senertec einen ersten Feldversuch mit einem großen Energieversorger im Bestand in NRW im Jahr 2020 durchführen. Somit werden die ersten Weichen zum Heizen mit Wasserstoff in Deutschland gestellt.

CO2-neutraler Wasserstoff soll zunehmend in das Gasnetz eingespeist werden. Damit reduzieren sich die Emissionen aller angeschlossenen Heizgeräte.

Bild: Remeha

CO2-neutraler Wasserstoff soll zunehmend in das Gasnetz eingespeist werden. Damit reduzieren sich die Emissionen aller angeschlossenen Heizgeräte.

Info

Europäisches Projekt für die Brennstoffzelle

Bild: Remeha

PACE ist ein öffentlich-privates EU-Projekt mit einem Volumen von über 90 Millionen Euro. Die Abkürzung steht für „Pathway to a Competitive European Fuel Cell micro-CHP Market“. Das Projekt soll sicherstellen, dass sich zukünftig Brennstoffzellen-Mikro-KWK-Anlagen als Energiesysteme auf dem europäischen Wohnungsmarkt etablieren.

PACE wird von der öffentlich-privaten Partnerschaft Fuel Cells and Hydrogen 2 Joint Undertaking (FCH JU) kofinanziert und bringt europäische Hersteller, Forschungsinstitute sowie andere wichtige Akteure der Energiebranche zusammen. Die Initiative soll es den Herstellern ermöglichen, auf eine Industrialisierung der Produkte hinzuarbeiten und die Marktentwicklung auf nationaler Ebene zu fördern, indem sie mit Fachleuten aus dem Baugewerbe sowie der gesamten Energiewirtschaft zusammenarbeiten. Vertreten sind mit der BDR Thermea Gruppe, Bosch Thermotechnik, Solidpower, Sunfire und Viessmann alle namhaften Hersteller von Brennstoffzellenheizgeräten.

Alle Unterzeichner erkennen an, dass Haushalte und kleine Unternehmen eine wichtige Rolle bei der Energiewende spielen werden. Für das Heizen und Kühlen in Gebäuden, die für 36 % der Kohlendioxidemissionen in Europa verantwortlich sind, werden Maßnahmen zur Reduzierung des CO2-Fußabdrucks im Gebäudesektor mit effizienten, erneuerbaren und dezentralen Energielösungen gefordert.

Stationäre Brennstoffzellen befinden sich derzeit in einem kritischen Stadium der Marktakzeptanz, obwohl sie die Klima- und Energieziele der EU positiv mitgestalten können. Sie reduzieren den Energieverbrauch, die Kohlenstoffemissionen und die lokale Luftverschmutzung erheblich. Produktion und Markteinführung sollen mit dem PACE-Projekt gesteigert und das Bewusstsein der Verbraucher sowie die Lieferkette verbessert werden.

www.pace-energy.eu.

Autor

Dipl.-Ing. Jürgen Jahn 
ist Leiter Produktmanage­ment bei der ­Remeha ­GmbH, 48282 Emsdetten,

Bild: Remeha