Heizen war zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine zeitraubende und schmutzige Angelegenheit. Für Wärme in der Wohnung sorgten in der Regel Einzelöfen und in seltenen Fällen Zentralheizungsanlagen. Beiden gemeinsam war, dass sie mit Koks oder Kohle befeuert wurden. Das bedeutete Kohle- und Ascheschleppen, tiefschwarze Vorratskeller und verrußte Wohnungen – und immer wieder Staub und Dreck. Alternativen dazu gab es kaum, bis Hugo Junkers 1912 seinen ersten Gas-Heizkessel auf den Markt brachte, den er für Privathäuser und Wohnungen entwickelt hatte.
Bereits 1896 hatte Junkers den ersten wandhängenden Gasbadeofen der Welt konstruiert. Ein Jahr später folgte seine erste Heizungsanlage für das neu errichtete Mausoleum der herzoglichen Familie in Dessau. In der Gruftkirche wurde seitdem eine Warmwasser-Luftheizungsanlage mit zwei Junkers Schnell-Wassererhitzern betrieben.
Das 1906 bezogene neue Fabrikgebäude von Junkers & Co. in Dessau verfügte von Anfang an über eine Niederdruckdampfheizung mit Generatorgas. Bei der Erweiterung der Fabrikanlage 1911 wurde ein weiterer Niederdruck-Dampfheizkessel für Generatorgas installiert. Zum Teil war in dem Werk auch eine Warmwasserheizung in Betrieb.
Durch die Erfahrungen mit der Gas-Zentralheizung im eigenen Werk hatte sich Junkers & Co. gegenüber seinen Wettbewerbern einen großen Knowhow-Vorsprung gesichert und man war um 1911 nach eigener Einschätzung in der Lage, eine wie es hieß „unerreicht vollkommene Konstruktion liefern zu können“.
Während die nordamerikanische Heizungsindustrie im ersten Jahrzehnt des letzten Jahrhunderts bezüglich der Gasheizung bereits „beachtenswerte Fortschritte“ erreicht hatte, wie in der Fachzeitschrift Haustechnische Rundschau vom 1. November 1908 erklärt wurde, kamen in Deutschland für kleine Zentralheizungsanlagen erst in den Jahren 1908 und 1910 kombinierte Kohlen- und Gas-Heizkessel für Warmwasser-Zentralheizungsanlagen auf den Markt. Bis dahin standen hierfür in Deutschland ausschließlich Kohlen- beziehungsweise Kokskessel zur Verfügung.
Der Zank um Energiekosten war eine wichtige Motivation
Als führendes deutsches Gasgerätewerk – das auf der Weltausstellung in Brüssel 1910 eine goldene Medaille erhalten hatte – wurde Junkers Ende 1910 aus Brüssel von dem Ingenieur Oskar Ritschel kontaktiert. Ritschel erklärte, dass in der letzten Zeit bei Hausbesitzern zunehmend die Tendenz bestehe, bei Etagenwohnungen den Betrieb der Zentralheizung den Mietern zu übertragen. Ausschlaggebend hierfür sei, dass der Mieter bisher für die gesamte Heizperiode einen Pauschalbetrag zahle und deshalb keinen Sinn für Energieeinsparung habe. Infolgedessen seien überheizte Räume und geöffnete Fenster bei angestellten Radiatoren die Regel. So werde der notwendige Energiebedarf deutlich überschritten, während der Vermieter der per Mietvertrag festgelegten täglichen Heizdauer nachkommen müsse. Die Folge seien unverhältnismäßig hohe Nebenkosten, die auf der einen Seite die Vermietung von Etagenwohnungen erschwerten und auf der anderen Seite zu Streitigkeiten zwischen Vermietern und Mietern führten.
Vor diesem Hintergrund versuchten die Vermieter seit einiger Zeit die Unterhaltung von Zentralheizungen auf die Mieter zu übertragen. Die Etagenheizkessel für Koks oder Anthrazit führten jedoch zu verschiedenen Problemen. So verlange jeder Mieter einen eigenen Kohlenkeller. Der Brennstofftransport vom Keller in die einzelnen Etagen sei mühsam, wobei der Kohle- und Aschestaub in den Treppenhäusern und auf den einzelnen Etagen noch erschwerend hinzukomme. Infolgedessen bestünden in Brüssel Bestrebungen, die Etagen mit kleinen Warmwasserheizkesseln auf Gasbasis zu beheizen. Unter Berücksichtigung des mit der Gasheizung verbundenen gesamten Einsparpotenzials sei davon auszugehen, dass die Betriebskosten für Gas-Etagenwarmwasserheizungen in Privatwohnungen nicht höher lägen als bei einer Etagenwarmwasserheizung mit festen Brennstoffen. Abschließend erfolgte die Anfrage, ob Junkers kleine Gas-Heizkessel liefern könne.
Hohe Effizienz schon bei den ersten Modellen
Im Januar 1911 begann bei Junkers das Entwicklungsprojekt „Gas-Zentralheizung“. Bereits zwei Monate später lagen erste Untersuchungsergebnisse vor. Die Versuche mit dem neuen Gas-Heizkessel hatten ergeben, dass auch bei einer Belastung von lediglich 20 bis 25 % der normalen Leistung der Wirkungsgrad noch 90 % erreichte. Bei den Warmwasser-Heizkesseln war der Temperaturregler so eingestellt, dass eine Temperatur von 80°C nicht überschritten werden konnte. Als Standardgrößen der Warmwasser-Heizkessel von Junkers waren zunächst zwei Kessel mit 12000 und 18000 Wärmeeinheiten (WE) pro Stunde Normalleistung vorgesehen. Für den kleineren Kessel mit 12000 WE ist im Firmenprospekt von 1912 ein Gasverbrauch von 2,8 m3/h angegeben. Das damals gebräuchliche Stadtgas hatte im Mittel einen Heizwert von 5,2 kWh/m3. Der Energieinhalt des Gasstromes lag damit bei 14,45 kW – unter der Voraussetzung, dass bei den Volumenangaben der Normzustand gemeint war. Glauben wir die 90 % Kesselwirkungsgrad, so hatte das Gerät also eine Heizleistung von 13,1 kW, was für eine Stadtwohnung sicher ein sinnvoller Wert ist.
Zu den ebenfalls bereits konzipierten Dampf-Heizkesseln wird erklärt, dass diese konstruktiv den Warmwasser-Heizkesseln entsprächen. Im großen Leistungsbereich werde eine Kaskadenlösung angewandt, mehrere Einzelkessel würden mit einem darüber angeordneten Querkessel verbunden. Für diese Konstruktion sei eine Reguliereinrichtung vorgesehen, die es ermögliche, die Gesamtanlage – je nach Wärmebedarf – durch das automatische An- und Abstellen von Einzelkesseln flexibel zu betreiben.
Kostenvergleiche mit Kohlenkesseln
Eine Anfrage der Stadtwerke Barmen an das Verkaufshaus Otto Junkers in Köln vom März 1911 lässt erkennen, dass zu dieser Zeit einzelne deutsche Stadtwerke künftige Marktchancen für Gaszentralheizung auch im Einfamilienhaus-Bereich erkannten. Die Stadtwerke Barmen wollten insbesondere Villenbesitzer für Warmwasser-Heizkessel mit Gasfeuerung gewinnen und wünschten deshalb Informationen zur Rentabilität solcher Anlagen. Junkers teilte hierzu mit, dass die Anlagekosten bei Warmwasserheizungen mit Koks oder Gas als Brennstoff etwa identisch seien. Die Betriebskosten wurden bei der Koksheizung auf rund 0,5 Pfennig für 1000 Wärmeeinheiten beziffert, während der entsprechende Wert bei Gas mit 1,4 Pfennig angegeben wurde. Allerdings seien bei der Koksheizung die Baukosten für den Brennstoff-Lagerraum zu berücksichtigen. Hinzu komme, dass bei Gasheizungen weder Bedienungskosten noch Kosten für die Brennstoffversorgung und die Rückstandsentsorgung anfielen. Darüber hinaus bringe eine Gasheizung einen erheblichen Gewinn an Wohnkomfort mit sich.
Im dritten Quartal 1912 lieferte Junkers die ersten Gas-Heizkessel für Etagenwohnungen nach Brüssel. Wenig später, am 22. Oktober 1912, erschien die Broschüre „Prof. Junkers – Gas-Zentral-Heizung“. Die Einführung der Zentralheizung, heißt es darin, bedeute „einen erheblichen kulturellen Fortschritt“. Besonders wohltuend werde bei der Zentralheizung der Wegfall der mit Einzelöfen verbundenen Staub- und Schmutzbildung in den Wohnungen empfunden. Doch auch die Platzersparnis und Arbeitsentlastung sowie der insgesamt größere Komfort des gesamten Heizungsbereichs sorge für eine zunehmende Wertschätzung im Hinblick auf die insbesondere in den großen Städten „immer brennender werdende Dienstbotenfrage“: „Die hinsichtlich Hygiene und Bequemlichkeit vollständig befriedigende Ausgestaltung der Zentralheizung ist nur unter Anwendung gasförmiger statt fester Brennstoffe möglich.“ Man könne wohl sagen, „dass die Form der Einzelwohnungs-Zentralheizung endgültig und befriedigend erst durch die Anwendung von Gas-Heizkesseln gelöst werden kann“.
Zum „Nutzeffekt“ der Gas-Warmwasser-Heizkessel von Junkers heißt es, dass dieser „garantiert 90 %“ betrage und damit bedeutend größer als bei Kokskesseln sei, bei denen „durchschnittlich nicht mehr als 50 %“ erreicht würden. Im Gegensatz zum Kokskessel sei der Nutzeffekt weder von der Belastung des Kessels noch von der individuellen Bedienung abhängig.
zur Sache
Brennstoffkosten damals und heute
Die Angabe der Brennstoffkosten für die Koksheizung – 0,5 Pfennig für 1000 Wärmeeinheiten – lässt sich über einen Umweg mit heutigen Brennstoffkosten vergleichen, denn anno 1912 war das Geld noch goldgedeckt. Eine Mark entsprach 0,36 g Feingold. Die Golddeckung war übrigens so ziemlich das erste, was im Zuge des 1. Weltkriegs abgeschafft wurde, damit sich die Staaten hemmungslos verschulden konnten. Sonst wäre der Krieg angesichts der gigantischen Maschinerie wohl nach ein paar Tagen durch Staatsbankrotte sang- und klanglos zu Ende gegangen.
Kommen wir zurück zu den Energiekosten. Mit 0,5 Pfennig Betriebskosten erzeugt der Kokskessel 1000 WE, was gemäß der Angaben im Prospekt von 1913 etwa 1,1 kWh entspricht. Unter Berücksichtigung des Kesselwirkungsgrads von 50 % braucht man dazu 2,2 kWh Heizenergie. Koks hat einen Heizwert von 8kWh/kg, womit dann die 0,5 Pfennig etwa 0,28 kg Koks entsprechen. Eine Tonne kostete also 17,90 Mark, was 0,21 Unzen Feingold entspricht. Für diese Goldmenge sind heute 270 Euro aufzuwenden. Einen aktuellen „Sommerpreis“ für Koks habe ich im Netz mit über 400 Euro gefunden. Die Größenordnungen sind also absolut vergleichbar. Nach der gleichen Rechnung lässt sich auch der Preis des 13-kW-Kessels von 270 Mark auf 4100 Euro umrechnen, was ebenfalls ungefähr heutigen Preisen entspricht.
Lässt sich daraus etwas schließen? Ich denke, ja. Wer recherchiert, wird entdecken, dass Gold die letzten 6000 Jahre – natürlich im Rahmen einer Schwankungsbreite – eine stabile Kaufkraft hatte. Die Energiekostenrechnung ist damit ein Indiz, dass der aktuelle Goldpreis von einer Spekulationsblase noch weit entfernt ist. Uwe Bolz
Autor
Dr. Rainer Haus ist verantwortlich für historische Kommunikation und die Lokalpressearbeit bei Bosch Thermotechnik, 35576 Wetzlar, Telefon (0 64 41) 4 18-0, info.thermotechnik@de.bosch.com, https://www.bosch-thermotechnology.com/corporate/de/startseite.html