Die konsequente und zielorientierte Nutzung erneuerbarer Energien zur Wärmebereitstellung und -erzeugung wird wesentlich von der nachgeschalteten Wärmeübergabe im Raum beeinflusst. Für Solar- und Umweltwärme ist es ein entscheidender Unterschied, ob eine Vorlauftemperatur von 55 °C und mehr benötigt wird oder nur maximal 35 °C, wie beim wassergeführten Niedrigtemperatursystem Flächenheizung/-kühlung. Hiervon profitiert nicht nur die Jahresarbeitszahl (JAZ) einer Wärmepumpe, sondern auch die Deckungsrate einer solarthermischen Heizungsunterstützung nachhaltig.
Hinsichtlich der angestrebten Wärmewende ist insbesondere die Modernisierung von bestehenden Gebäuden von großer Bedeutung. Die daraus resultierenden Aufgabenstellungen und Herausforderungen gehen allerdings weit über die Grenzen des Heizkellers hinaus. Die Wärmewende im Bestand wird sich nicht realisieren lassen, wenn unter der Heizungsmodernisierung weiterhin lediglich ein Austausch des Wärmeerzeugers verstanden wird.
Praxisbeispiel: Erneuerung der Wärmeübergabe
Den Ausgangspunkt für diesen Projektierungsleitfaden bildet ein repräsentatives Einfamilienhaus aus den 1980er-Jahren mit knapp über 200 m² Wohnfläche und typischen Kennwerten der thermischen Hülle (Bild 4). Die Bestandssituation wurde nach den gängigen U-Wert-Katalogen alter Gebäude sowie unter Berücksichtigung regionaler Unterschiede in der Bauausführung ermittelt, um ein realistisches Beispiel zu generieren. In der Praxis sind diese Werte aus der jeweils gegebenen Bestandssituation zu bestimmen (siehe SBZ-Tipp).
Als Modernisierungsziel wurde der Rückbau bestehender Heizkörper und die Erneuerung der Wärmeübergabe festgelegt. Die Hausbesitzer interessieren sich für die Möglichkeiten der Flächenheizung/-kühlung. Allerdings soll der Fußboden in allen Räumen bestehen, d. h. unberührt bleiben. Die daraus resultierende Aufgabenstellung für das SHK-Fachunternehmen lautet: Welche Möglichkeiten bestehen an Wand- und/oder Deckenflächen, um die Heizlast (Ist-Zustand) zu kompensieren? Es ist bei dieser Betrachtung vorerst keine Optimierung des Wärmeschutzes durch bauliche Maßnahmen an der thermischen Hülle vorgesehen.
Grundlagenermittlung: Erstellen von Raumlisten
Die Raumliste ist die Grundlage der Planung und die Basis für die folgenden Schritte des Projektierungsleitfadens zur Entwicklung eines Modernisierungskonzeptes. Ebenso ist die Raumliste für alle angrenzenden Partnergewerke zur Schnittstellenkoordination relevant und, abgestimmt mit der Bauleitung, für jeden am Bauvorhaben Beteiligten verbindlich. Die Raumliste beinhaltet grundlegend:
etwaige Pläne)
EN 12 831)
sowie eine ergänzende Spalte für raumspezifische Bemerkungen.
Schritt 1 – die spezifische Heizlast
Im ersten Schritt wird für jeden Raum des Einfamilienhauses aus der Einzelraum-Heizlast (in W) die spezifische Heizlast (in W/m²) ermittelt und die Ergebnisse werden in der entsprechenden Spalte der Raumliste eingetragen (Bild 5). An dieser Stelle zeigen sich schon die Spitzenwerte, die im Altbau typischerweise mit einer spezifischen Heizlast von mehr als 100 W/m² die Sanitärräume betreffen. Diese werden aufgrund ihrer besonderen Anforderungen zunächst zurückgestellt und erst abschließend nach allen anderen Räumen behandelt.
Nach dieser ersten Orientierung über die spezifische Heizlast erfolgt in jedem Raum eine Prüfung der zur Verfügung stehenden Flächen an Wand und Decke. Dies geschieht in Abstimmung mit den Bewohnern und unter Berücksichtigung der baulichen Voraussetzungen. Neben der lichten Raumhöhe, die bei einer Deckenheizung/-kühlung nach
DIN EN 1264 mindestens 2,6 m betragen soll, sind dabei die folgenden Gegebenheiten besonders zu beachten:
Darüber hinaus führt die Abstimmung mit dem Bauherren/Architekten in der Regel auch in die angrenzenden Gewerke und somit in etwaige weitere Modernisierungsmaßnahmen. Der Abstand der Flächenheizung von Gerätedosen der Elektroinstallation sollte 10 cm betragen, um eine unzulässige Temperaturerhöhung zu vermeiden. Gleiches gilt für Wandauslässe für Beleuchtungskörper, bei denen auch die Befestigung zu berücksichtigen ist.
Schritt 2 – die flächenbezogene Annäherung
Auf Basis der baulichen Situation erfolgt im zweiten Schritt eine weitergehende Betrachtung der konkreten Umsetzungsoptionen an Wand- und/oder Deckenflächen in Abstimmung mit dem Bauherren/Kunden. Bemerkungen oder besondere Festlegungen sind in der Raumliste zu dokumentieren (Bild 6).
Um zu prüfen, ob die zur Verfügung stehenden Flächen absehbar ausreichend sind, können die für die Auslegung relevanten Leistungsbezüge der Basiskennlinie (DIN EN 1264) oder den produktspezifischen Kennlinien der Systemhersteller entnommen werden. Dabei wird der Raum mit der höchsten spezifischen Heizlast als Auslegungsgrundlage qmax festgelegt. Im Beispiel ist das der Raum EG 4 – Wohnen.
Über die Dimensionierung und Rohrteilung erfolgt die Auslegung bis zum Grenzwert der maximalen Oberflächentemperatur von 29 °C an Deckenflächen. Für Wandflächen sind in der DIN EN 1264 keine maximalen Oberflächentemperaturen festgelegt. Aus diesem Grund sind Wandheizungen besonders im Altbau sehr flexibel einsetzbar, da sie mit höheren Temperaturen bis 45 °C betrieben werden können. Die Ergebnisse aus der flächenbezogenen Annäherung und die daraus resultierenden Fragestellungen werden diskutiert und zeigen erste Tendenzen und Wege für die Umsetzung, die entsprechend festgehalten werden sollten.
Schritt 3 – die Flächenfestlegung im Objekt
Im dritten Schritt erfolgt auf Basis der jeweiligen Einzelraum-Heizlast die genaue Ermittlung der benötigten, thermisch aktivierbaren Flächen und deren Zuordnung in Abstimmung mit dem Nutzer (Bild 7). Grundlage dieser Festlegungen ist einerseits die Heizlast des betreffenden Raumes sowie andererseits die spezifische Wärmestromdichte des jeweiligen Systems der Flächenheizung/-kühlung.
Die Überschüsse und Defizite zeigen die unterschiedlichen Leistungsbereiche für Wand- und Deckenflächen, die im Einzelnen zu bewerten sind. Auch wenn im Rahmen der Detailplanung nach den spezifischen Kenndaten der gewählten Systemhersteller eine genaue Dimensionierung erfolgen wird, sind diese Ergebnisse bereits ausschlaggebend, um festzustellen, ob die Heizlast kompensiert werden kann oder nicht.
Im Beispiel ist, abgesehen vom Badezimmer, die Wandheizung in jedem Raum möglich, auch wenn es in der Gästetoilette kritisch ist. Nicht nur aufgrund der sehr temporären Nutzung ist hier ein der Ökodesign-Richtlinie entsprechender elektrischer Heizkörper sicherlich zielführender.
Im Dachgeschoss können die Flächen an Decken- und Dachschrägen sowie an den Giebelwänden genutzt werden, um die Heizlast zu kompensieren. Im Erdgeschoss und Obergeschoss ist dies entsprechend über die Wandflächen möglich.
Umgang mit Sanitärräumen
In Sanitärräumen wird ein besonderer Wärmekomfort angesetzt, der während der Nutzung eine temporäre Raumtemperatur von mindestens 24 °C verlangt. Entsprechend dem spezifischen Nutzungsprofil von Sanitärräumen kann die Wärmeübergabe hier differenziert betrachtet werden. Eine Fußbodenheizung ist in diesen Räumen bei Nutzern sehr beliebt und der Markt bietet eine Vielzahl von Dünnschichtsystemen speziell für die Modernisierung.
Auf diese Weise kann eine Grundlast sehr gut abgedeckt werden, ebenso mit einer Flächenheizung/-kühlung an Wänden und Decken. Insbesondere der Duschbereich bietet in der Regel gute Voraussetzungen für eine Wandheizung. Ebenso beliebt ist in Sanitärräumen der sogenannte Handtuchheizkörper, der als sekundäre Heizquelle den Wärmekomfort temporär bei Bedarf sicherstellen kann.
Fazit
Der Fachbereich Flächenheizung/-kühlung im BDH möchte das Augenmerk auf die Modernisierung der Wärmeübergabe in Bestandsgebäuden lenken. Diese schafft ideale Voraussetzungen für eine effiziente und nachhaltige Erneuerung der Wärmebereitstellung und -erzeugung. Eine systematische Vorgehensweise, wie sie in diesem Projektierungsleitfaden beispielhaft vorgestellt wird, ermöglicht in jedem Bestandsgebäude zielorientierte Lösungsansätze für die Erneuerung der Wärmeübergabe.
Auf diese Weise können die Grundlagen geschaffen werden, um in einem weiteren Schritt die Erneuerung der Wärmeerzeugung/-bereitstellung in Sachen Energieeffizienz und Nachhaltigkeit auf den Punkt zu bringen. Die konsequente Umsetzung eines Niedrigtemperatursystems bietet dabei die Möglichkeit, ein Maximum an erneuerbaren Energien zu integrieren. Darüber hinaus können mit einer Wandflächenheizung auch höhere Vorlauftemperaturen realisiert werden, ohne dabei den Bereich des Niedrigtemperatursystems zu verlassen.
Info
Webinar zum Projektierungsleitfaden
Dieser Beitrag ist die Zusammenfassung eines Webinars des Fachbereichs Flächenheizung/-kühlung im BDH mit unserem Autor Frank Hartmann. Die Aufzeichnung kann auf dem Internetportal haustec.de kostenlos angesehen werden:
SBZ-Tipp
Literatur und Recherche
Für die Ermittlung der typischen Kennwerte der thermischen Hülle in Bestandsgebäuden geben die folgenden Quellen wertvolle Hinweise:
→ www.iwu.de/forschung/gebaeudebestand/tabula/
→ www.masea-ensan.com
→ www.flaechenheizung-
bdh.de
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