Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch
Kermi TGA-Kongress 2007

Behaglich und ­energetisch effizient

Inhalt

Prof. Wolfgang Richter, TU Dresden, zeigte sich davon überzeugt, dass – neben Funktionalität, Investitionskosten und Energiebedarf – die thermische Behaglichkeit künftig ein wichtiges Entscheidungskriterium zur Anlagenauswahl bildet. Richter nannte als Gründe dafür das grundsätzlich höhere Komfortbedürfnis des Menschen, die Vorreiterrolle von Auto und Flugzeug sowie den zunehmenden Kühlbedarf auch im Wohnungsbau (Stichwort „Klimawechsel“).

Gegenläufige Vorgaben

Als typische Fragestellungen zur thermischen Behaglichkeit zählte er folgende Punkte auf:

  • Einfluss großer Glasflächen
  • Einfluss Wärmeschutzniveau
  • Bewertung integrierter und freier Heizflächen (Konvektion, Strahlung)
  • Einfluss von lüftungstechnischen Maßnahmen
  • Anordnung von Heizkörpern im Raum
  • Einfluss Raumtemperaturniveau
  • Möglichkeiten und Grenzen der Raumkühlung mittels integrierter und freier Heizflächen

Analysiert man alle Vorgaben zur planerischen Auslegung von Heizflächen, existieren in den Regelwerken gegenläufige Vorgaben und Lücken. Beispielsweise soll eine Heizfläche neben der Heizlast auch den „Strahlungsentzug“ kalter Oberflächen (i.d.R. Fenster) kompensieren; andererseits soll sie mit zunehmendem Dämmstandard eine immer größere Aufheizreserve zur Verfügung stellen. Anforderungen die eigentlich nicht zusammenpassen. Soll der Heizkörper in Kombination mit einer Abluftanlage gleichzeitig die thermischen Lasten nachströmender Außenluft kompensieren, sucht man in Normen und Richtlinien Auslegungsregeln vergebens. „Für den Heizungsplaner eine missliche Situation“, meinte Prof. Wolfgang Richter. „Behaglich und dennoch energetisch effizient“. Denn seit einigen Jahren existieren in diversen planungs- und vertragsrelevanten Regelwerken Hinweise und Vorgaben zur thermischen Behaglichkeit. Komprimiert bedeuten sie: Planer und Anlagenbauer müssen mit ihren Auftraggebern bzw. Bauherren ein bestimmtes Maß an thermischer Behaglichkeit vereinbaren und dann anlagentechnisch umsetzen.

Fehlende Gesamtbetrachtung

Daraus ergeben sich bis heute (fast) ungelöste Probleme, weil die Regelwerke bisher keine ausreichende Integration anderer „Vorkommnisse“ im Raum haben. Insbesondere ist hier die fehlende Gesamtbetrachtung von Heizung und Lüftung zu nennen, denn beide sind an der thermischen Behaglichkeit beteiligt. „Die thermische Behaglichkeit wird als ‚anstrengungslose, nicht spürbare Wärmeabgabe’ definiert. Planern und Ausführenden hilft das allerdings so nicht weiter“, sagte Richter.

Bisher hat man sich häufig mit dem Näherungsverfahren „operative Temperatur“ begnügt – berechnet aus der gewichteten Lufttemperatur und den Oberflächentemperaturen der Raumumschließungsflächen. Sie berücksichtigt aber die Raumluftströmung nur unzureichend. Um dies zu kompensieren, wurde in der aktualisierten DIN EN 7730 „Ergonomie der thermischen Umgebung“ eine maximale mittlere Luftgeschwindigkeit ergänzt (siehe Tabelle). Richter: „Man wird Sie mit dieser Tabelle konfrontieren. Sicher nicht morgen, aber vielleicht schon übermorgen.“ Während die Tabelle hauptsächlich den bisher vorhandenen Interpretationsspielraum der Gerichte einschränkt, hilft sie dem Planenden im Konkreten aber nicht weiter. Denn er kann ja nicht erst nach der Ausführung messen und ggf. optimieren, sondern muss bereits vor dem Bau eine (abgesicherte) Entscheidung treffen. Das ist zwar mit einer Simulation möglich, mit einer dafür erforderlichen integrierten Strömungsberechnung ist sie aber noch Luxus.

VDI 6018 sollte Lücke schließen

Um diese Lücke zu schließen, war vor einigen Jahren die VDI-Richtlinie 6018 mit dem Arbeitstitel „Thermische und lufthygienische Anforderungen an Räume“ initiiert worden, an der Richter mit seinem Institut maßgeblich beteiligt war. Vorgesehen war, per Simulation Schaubilder für typische Standardfälle zu liefern. Mit diesen hätten Planer und Ausführende für Kombinationen aus Raumheizung und -lüftung erkennen können, welche Behaglichkeitskategorie eine vorgesehene Lösung erfüllen kann. Allerdings hat der VDI-Beirat zwischenzeitlich beschlossen, die Arbeiten an der Richtlinie einzustellen. Sodass bis heute nur eine Broschüre mit den zusammengefassten Erkenntnissen veröffentlicht wurde (siehe Kasten „Tipps zur Planung von Heizflächen“). Ein wesentliches Merkmal der Schaubilder ist, dass die unzureichenden Einzelaussagen von DIN EN 7730 zu einer summativen thermischen Behaglichkeit zusammengefasst wurden. Geleitet von einer konservativen Annahme bestimmt dabei jeweils der ungünstigste Wert die erreichte Gesamtkategorie. So lassen sich Reklamationen bereits im Vorfeld vermeiden, aber auch der Ener­gieverbrauch positiv beeinflussen. Richter: „Fühlt sich ein Nutzer thermisch nicht behaglich, reagiert er: Im einfachsten Fall dreht er den Raumthermostaten höher. Bei Zugluft gibt es aber auch genügend dokumentierte Fälle, bei denen Lüftungsanlagen ausgeschaltet oder Luftdurchlässe zugeklebt worden sind. Das gefährdet dann die Gesundheit und auch die Bausubstanz. Thermische Behaglichkeit ist also nicht nur eine geschuldete ­Eigenschaft, sondern eine Grundvoraussetzung, um Gebäude energieeffizient betreiben zu können.“ Richter machte zudem deutlich, dass der Eingriff des Nutzers eine wichtige Größe zur Energieeinsparung und Komfortsicherung bei der Anlagenregelung bildet.

Kühlen mit dem Heizkörper

Thermische Behaglichkeit ist allerdings kein Bedürfnis, das sich auf die Heizperiode beschränkt. Mit der Definition der „anstrengungslosen, nicht spürbaren Wärmeabgabe“ ist der Sommerfall sogar noch viel stärker zu beachten. Richter: „Dazu kommt, dass die Komfortbedürfnisse steigen. Deswegen wird auch im Wohnungsbau das Thema Kühlung zwangsweise kommen, da sollte sich niemand etwas vormachen.“ Um thermische Behaglichkeit gemäß der oben erwähnten Tabelle zu realisieren, ist der Spielraum allerdings viel geringer.

Der Kühlfall ist in der Planung, Dimensionierung und der Regelung noch viel kritischer, als der Heizfall. Richter verdeutlichte dies an einem üblichen Büroraum mit Strahlungskühldecke mit 100% Deckenbelegung, ­Außen­jalousie, mittelschwerer Bauweise und 30% Fensterflächenanteil. Betrachtet man hier den Einfluss der Raumsolltemperatur, wird bei einer operativen Temperatur im Referenzpunkt (600 mm über dem Schnittpunkt der Diagonalen der Raumfläche) von 24,5°C (siehe Tabelle) die summative thermische Behaglichkeit der Kategorie A erreicht. Wird der Sollwert auf 26°C erhöht, erreichen bereits weite Teile der Aufenthaltszone nur noch der Kategorie C. Bei 27°C (vgl. Kategorie C in Tabelle) wird die Kategorie C in der Aufenthaltszone nicht mehr erreicht. Hätte man bei der Dimensionierung oder dem Regelregime das vermeintliche Tole­ranzband aus der Tabelle berücksichtigt, wäre trotz Kühlung keine thermische Behaglichkeit herzustellen.

Besondere Aufmerksamkeit erregte Richter mit der Kühlung über normale Heizkörper. Stellt sich beispielsweise in einem Büroraum mit typischen thermischen Lasten, fester Außenverschattung, mittelschwerer Bauweise und 30% Fensterflächenanteil eine Lufttemperatur von knapp 35°C in 1,5 m Höhe ein, lässt sie sich bei einer Oberflächentemperatur am Heizkörper von 18°C auf unter 29°C bringen, bei 20°C Oberflächentemperatur immerhin noch auf unter 30°C. Angesichts der zurzeit laufenden Neubewertung der Raumlufttemperatur bezüglich der Leistungsfähigkeit könnte bei gleichzeitiger Minimierung der Kühllast also ein Heizkörper künftig durchaus eine interessante Option zur Erhöhung der thermischen Behaglichkeit im Sommerfall sein. Allerdings müssen dafür noch die Heizkörperhydraulik und die Heizkörperregelung entwickelt werden: Das normale Heizkörperventil würde im Kühlfall schließen und beim Kühlwassereintritt von oben würde sich ohne Modifizierungen über wenige der Strömungskanäle ein Kurzschluss zum Rücklauf ausbilden. JW/JV

Quelle: Prof. Richter

Altbau (ohne Luftwechsel):

Heizkörper- Alte HK durch schnell regelnde, neue HK ersetzen.- Position des HK unterm Fenster beibehalten- HK-Länge sollte mind. so breit sein wie das FensterFußbodenheizung:- Durch Sanierung im Altbau Wärmeschutz und Dichtheit verbessern.- Randzonen ausbilden, um bedingte Verbesserungen der thermischen Behaglichkeit zu erreichen

Niedrigenergiehaus (ohne Luftwechsel):

Heizkörper:- HK unterm Fenster positionieren, ­um Zugluftrisiko auch im NEH zu ­vermeiden- HK-Länge sollte mind. so breit sein wie das Fenster- Energie- und Kostenersparnis: Möglichkeiten zur Absenkung der Systemtemperatur prüfenFußbodenheizung:- Randzone aus Sicht der thermischen Behaglichkeit nicht erforderlich- Energie- und Kostenersparnis: Möglichkeiten zur Absenkung der Systemtemperatur prüfen

Heizkörper an Außenwand (Luftwechsel•= 0,25 h–1):

- Um Zugluftrisiko auch im NE-Haus zu vermeiden, HK unterm Fenster positionieren und mind. in Fensterbreite ausführen.- Optimierten Außenwand-Luftdurchlass (ALD) unterm Fenster, idealerweise hinterm HK positionieren.- Energie- und Kostenersparnis: Möglichkeiten zur Absenkung der Systemtemperatur prüfen

Fußbodenheizung (Luftwechsel•= 0,25 h–1):

- Optimierten ALD zur Sicherung des Mindestluftwechsels einsetzen (Vermeidung von Schimmelpilz)- Optimierten ALD, der für eine gute Durchmischung der Raumluft sorgt, unterm Fenster positionieren.- Randzone ausbilden, um bedingte Verbesserung der thermischen Behaglichkeit zu erreichen.

Quelle: Planungsleitfaden „Thermische Behaglichkeit im Niedrigenergiehaus”, Teil 1: Winterliche Verhältnisse; Bestellungen: http://www.zukunft-haus.info (Rubrik „Publikationen”) oder pdf-Download unter https://www.flaechenheizung.de/ (Rubrik „Info Planer”)

Tipps zur Planung von Heizflächen

Weitere Informationen

Der oben angesprochene Vortrag von Prof. Richter sowie die Vorträge der weiteren Referenten (Prof. Hirschberg und Dr. Eisenmann) vom Kermi TGA-Kongress 2007 stehen im Internet unter https://www.kermi.com/de/de/raumklima/ (Rubrik „Veranstaltungen/TGA Kongress”) zum Download.