Die Diskussionen zur Digitalisierung der Heizungsbranche drehten sich „früher“ um das Smarthouse oder das Smarthome. Das waren gewissermaßen die Anfänge. Auf Knopfdruck gehen zum Beispiel im Gebäude alle Jalousien auf. Oder beim Urlaubsantritt kann man auf Knopfdruck überprüfen, ob alle Fenster geschlossen sind, und die Heizung automatisch in den Absenkmodus setzen. Damit wurde schon einmal ein gewisser Komfort erreicht, der allerdings noch Ausbaupotenzial besitzt.
Bei allen eben beschriebenen Tätigkeiten entstehen Daten. Das sind Daten, die man sinnvollerweise anderweitig nutzen kann. Die Information „Fenster offen“ ist auch für die Alarmanlage interessant. Wenn niemand zu Hause ist und ein Fenster geöffnet wird, ist das möglicherweise ein Einbruch. Damit könnte man zum Beispiel einen Alarm auslösen. Wenn der Bewohner drei Wochen im Urlaub ist, wird man in dieser Zeit den Strom der Photovoltaikanlage hauptsächlich in das Netz einspeisen. Die Wärmepumpe hat in dieser Zeit keine oder weniger Lastspitzen. Beides sind Informationen, die der Netzbetreiber benötigt.
Das kann man in Richtung Smart City auch noch weiter spinnen. Wenn der Nutzer im Urlaub ist, könnte die wöchentliche Abholung der Mülltonne ausgesetzt werden. Das hilft dann bei der Tourenplanung der Müllabfuhr. Die Möglichkeiten sind unendlich. Alle diese Themen werden unter dem Oberbegriff Smart Living zusammengefasst und diese Artikelserie zeigt dem SHK-Unternehmer, wie er seinen Anteil an diesem Markt sichern kann.
Was hat der SHK-Handwerker davon?
Das SHK-Handwerk kann und muss hier mitmachen. Wie wäre es, wenn die Wärmepumpe gezielt den Strom der Photovoltaikanlage nutzt? Wenn man vom Bewohner nach Feierabend nicht den wenig hilfreichen Anruf „Heizung kaputt“ bekommt, sondern die Heizung sich sofort nach Ausfall meldet mit der Angabe des mitzubringenden Ersatzteils? Wer sorgt eigentlich dafür, dass diese Systeme laufen?
Was passiert, wenn wir uns nicht um das Thema kümmern, zeigt die Automobilbranche. Selbst Fahrzeuge im gehobenen Preissegment werben damit, dass sie selbstverständlich mit Google oder Apple funktionieren. Damit wird ein Handy für wenige Hundert Euro zum Bewertungskriterium für ein hochwertiges Investitionsgut wie das Auto.
Diese Aussage richtet sich ausdrücklich nicht gegen diese Assistenten. Sie sind im Markt und werden trotz diverser Datenschutzbedenken von den Nutzern in erheblichem Maße genutzt. Auch wenn der Nutzer dies eventuell gar nicht als Assistenzfunktion wahrnimmt. Jeder Kunde muss die Wahl haben, diese auch einzusetzen. Dies bedeutet aber auch, dass wir als Branche eigenständige Lösungen anbieten müssen, die mit diesen Assistenten zusammenarbeiten. Nur so kann sich das Handwerk die Nutzung des Geschäftsfeldes sichern.
Wo liegen Herausforderungen?
Die entscheidende Herausforderung liegt darin, dass für Smart Living zwei komplett unterschiedliche Welten vereint werden müssen. Auf der einen Seite liegt die Welt der Elektronik. Hier herrschen Produktlebenszyklen von wenigen Jahren oder sogar Monaten vor. Auf der anderen Seite steht das SHK-Handwerk. Aufgrund der hohen Investitionen, die für eine Heizung notwendig sind, sind wir gewohnt, in Jahrzehnten zu denken. Eine Heizung, die nach zehn Jahren ausgetauscht werden muss, ist keine gute Heizung.
Die Elektronikindustrie liefert, wenn man von den professionellen Ausstattern absieht, Lösungen, die sich an Kurzlebigkeit orientieren. Neben der Lebensdauer des Bauteils betrifft das insbesondere proprietäre Lösungen. Da spricht Herstellersystem A nicht oder nur mit einem „Workaround“ mit System B. Bezogen auf unsere Branche bedeutet das, dass der Kunde unter Umständen für den elektronischen Thermostatkopf im Wohnzimmer eine andere App öffnen muss als für den Thermostatkopf im Schlafzimmer.
Um die Raumtemperaturen beider Räume in die Heizungsregelung einfließen zu lassen, ist das natürlich überhaupt kein Problem. Man greift einfach über einen Proxy-Server flugs anhand einer hoffentlich dokumentierten API auf die unterschiedlichen Server der jeweiligen Hersteller zu. Dabei muss selbstverständlich darauf geachtet werden, dass Hersteller A andere Ports geöffnet haben möchte als Hersteller B. Aber das kann man ja ganz unkompliziert bei den Filtern im Router einstellen. War das jetzt UDP oder TCP?
Falls sich jemand fragt, warum die smarten Lösungen noch nicht in Gänze beim Handwerk angekommen sind, sollte er die letzten Sätze noch einmal lesen und sich im Zweifelsfall in die Rolle eines Handwerkers oder Kunden versetzen. Eigentlich wollen es alle nur warm haben.
Wie kann smartes Energiemanagement aussehen?
Wie man eben schon erkennen konnte, bietet Smart Living so viele Möglichkeiten, dass man schnell den Überblick verliert. In dieser Artikelserie beschränken wir uns daher auf den in Bild 3 dargestellten Rahmen, der sich Schritt für Schritt erschließen lässt:
Das ist gewissermaßen die Basis einer smarten Heizung und lässt sich mit wenig Aufwand realisieren. Es handelt sich also um den idealen Start für den Neuanfänger in diesem Geschäft. Mit dieser Art von Lösungen beschäftigt sich der zweite Teil dieser Serie in der SBZ 01-21.
Wie sieht es mit dem Datenschutz aus?
Um die Themen Datenschutz, also das Verhindern der missbräuchlichen Verwendung von Daten, und Datensicherheit, also das Verhindern der Manipulation der Daten durch Dritte, kommt man nicht mehr herum, ganz gleich ob ohne oder mit smarten Techniken. Das fängt eigentlich schon mit der Datenverarbeitung in der Kundendatei an. Die hier besprochenen Systeme haben aber eine hohe Eigensicherheit:
Abhängig von der weiteren Entwicklung wird zukünftig ein Teil der für uns interessanten Daten über das Smart-Meter-Gateway laufen. Damit bleiben die Daten vom Ansatz her erst einmal im Haus (ohne die Assistenzsysteme auszuschließen). Die Daten sind damit relativ sicher und geschützt.
Das bedeutet für den SHK-Handwerker im Wesentlichen, dass er Datenschutz und
-sicherheit nicht jedes Mal neu erfinden muss. Solange er sich im Rahmen der jeweiligen Systemgrenzen bewegt, hat er seine Aufgaben erfüllt und einen ausreichenden Schutz für den Kunden installiert.
Wie umfangreich ist die Weiterbildung?
Der Umfang der eigenen Weiterbildung hängt davon ab, wie weit man sich mit der Thematik befassen möchte. Wenn man die weiter oben dargestellten Schritte als eigenen Stufenplan auffasst, könnte man wie folgt vorgehen:
Dabei sollte man allerdings nicht vergessen, dass für die Datenübermittlung auch eine Infrastruktur benötigt wird. Das verlangt Arbeiten, die je nach Umfang dem Elektrogewerk näher liegen. Dies ist bei den Herstellersystemen noch relativ einfach: Der Kunde muss in diesem Fall dafür sorgen, dass neben der Heizung eine Netzwerkdose installiert ist oder WLAN-Empfang möglich ist.
Je weiter man sich in die Verkabelung wagen möchte, desto größer werden auch die Anforderungen. Während für einfache Tätigkeiten vielleicht die Elektrofachkraft für festgelegte Tätigkeiten noch ausreicht, benötigt man ab einem gewissen Punkt auch die Qualifikation eines Elektrikers. Das kann dann ein kooperierender Partnerbetrieb sein oder der eigene festangestellte Elektromeister.
Wie geht es weiter?
Die folgenden Beiträge dieser Artikelserie geben einen Überblick der Möglichkeiten. Während man sich damit beschäftigt, kann man einfach mal die eigene Kundschaft durchgehen. Was passt für wen? Herstellersysteme kosten je nach Preisgestaltung nichts oder nur wenige Euro extra bei einem zeitlichen Aufwand von vielleicht einer Stunde beim SHK-Handwerker. Dazu ein unabhängig voneinander geäußertes Originalzitat von mehreren Kollegen, die diese Systeme ihren Kunden zusammen mit Brennstoffzellen angeboten haben: „Die verkaufen sich wie geschnitten Brot.“
Beim Energiemanagement mit EEBUS bietet sich die schon beschriebene Verknüpfung von Wärmepumpe und Photovoltaik als Auslöser beim Kunden an. Die Preise liegen hier ähnlich wie bei den Herstellersystemen. Die Kosten bei KNX sind komplex und abhängig von den jeweiligen Anforderungen. Eine brauchbare Grundausstattung dürfte irgendwo bei einem Materialwert von 4000 Euro und einem Zeitaufwand von 10 bis 30 Stunden liegen. Aber auch hier gibt es über Funksysteme die Möglichkeit, preislich zu skalieren bzw. stückweise nachzurüsten. So kann etwa einfach mit Raumthermostaten oder Fensterkontakten angefangen werden.
Je nach Art der Dienstleistung, die man selber erbringen möchte, lassen sich sehr unterschiedliche Kundengruppen ansprechen. Da sind natürlich die Technikaffinen, die dabei sind, sobald irgendwo ein Knopf gedrückt werden kann. Diese Kunden müssen nur wenig überzeugt werden und können danach auch alleine gelassen werden.
Es gibt aber auch Kunden, die wollen es eigentlich nur warm und unkompliziert. Hier hilft dann vielleicht das Energiemanagement als Einstieg. Die Wärmepumpe lässt sich damit günstig mit Strom versorgen und für die Parametrierung sorgt der Fachmann. Anschließend braucht sich der Kunde um nichts mehr zu kümmern.
Fazit
In der smarten Welt liegt auch für das SHK-Handwerk die Zukunft. Wenn man sich mit einem akzeptablen Aufwand regelmäßig damit beschäftigt, kann man schmerzfrei hineinwachsen. Scheut man diesen kleinen Aufwand, wird früher oder später der Kunde die Frage stellen, warum denn die dumme Heizung nicht mit dem smarten Haus spricht. Dadurch den Auftrag zu verlieren ist sicherlich die schlechtere Variante.
Info
Artikelserie: Smart Living im Heizungsmarkt
Diese Artikelserie dient dem SHK-Unternehmer zur Orientierung und führt schrittweise in das Thema Smart Living ein. Angefangen bei der Nutzung einfacher Hersteller-Apps über die Einbindung des Wärmeerzeugers in ein Energiemanagement bis hin zur Erweiterung auf das ganze Gebäude in Richtung des integrierten Gebäudeenergiemanagements werden die aktuellen technischen Möglichkeiten vorgestellt. Die Serie gibt einen Überblick, für welchen Kunden sich welche Technik eignet und welche Schulungsangebote der SHK-Fachhandwerker jeweils nutzen kann.
Info
Was sich der Kunde wünscht
Der Smart-Living-Markt gewinnt gegenwärtig enorm an Bedeutung. Die Digitalisierung von Anwendungen für den privaten Haushalt, z. B. in den Bereichen Komfort und Sicherheit, Energiemanagement, selbstbestimmtes Wohnen im Alter u. a. schreitet rasant voran. Die Erwartungshaltung der Kunden an smarte Systeme zeigt sich sehr gut an zwei Videos der Wirtschaftsinitiative Smart Living: