Was sind Wasserschläge und wie entstehen sie?
Wasserschläge kommen meist nach dem Ausschalten der Pumpe vor, können aber auch durch schnelles Öffnen oder Schließen eines Ventils verursacht werden. Das führt dazu, dass sich Stoßwellen, auch Druckstöße oder Druckschläge genannt, im Rohrleitungssystem hin und her bewegen, und zwar mit der spezifischen Schallgeschwindigkeit der jeweiligen Flüssigkeit. Bei 21°C warmem Wasser beträgt die Geschwindigkeit 1460 m/s. Die Wellen laufen entgegen der ursprünglichen Strömungsrichtung rückwärts, bis sie auf einen festen Widerstand stoßen, wie beispielsweise ein Rückschlagventil. Dort wird der Druckstoß reflektiert. Er läuft hin und her, bis sich die Druckwelle abgebaut hat.
Darüber hinaus kann durch das plötzliche Ein- oder Ausschalten der Pumpe oder das Schließen des Ventils ein Impuls auf das Schließorgan des Ventils entstehen. Denn durch die schnelle Trennung der Wassersäule steigt der Druck auf der Anströmseite des Ventils und der Druck auf der Abströmseite sinkt. Bedingt durch die Massenträgheit versucht die Flüssigkeit, auf der Abströmseite des Ventils weiterzufließen, wodurch ein Vakuum entsteht. Das kann zum Zusammenbruch oder zum Implodieren der Rohrleitung führen. Dieses Problem kann durch abschüssige Rohrleitungen noch verschärft werden.
Die am schwierigsten zu handhabenden und zugleich kostspieligsten Bedingungen für Wasserschläge entstehen durch das abrupte Anhalten von Pumpen. Bei einem Stromausfall beispielsweise werden alle Pumpen innerhalb eines Systems gleichzeitig gestoppt; die gesamte Masse wird schlagartig abgebremst. Werden Pumpen bei voller Drehzahl abgeschaltet, führt das bei jedem Schaltvorgang zu einem Druckstoß. Das schädigt auch die Pumpe selbst. Sie muss häufiger gewartet werden und ihre Lebensdauer sinkt.
Wie kann man die Stärke der Druckstöße berechnen?
Mithilfe der Joukowsky-Gleichung kann die Stärke der Druckstöße relativ präzise berechnet werden. Voraussetzung ist, dass Folgendes bekannt ist:
- die Beschaffenheit
- die Größe der Rohrleitungen
- und das Material der Rohrleitungen
- die Eigenschaften der Flüssigkeit
- die Geschwindigkeit, mit der sie beschleunigt oder abgebremst wird
Beim Abbremsen oder Beschleunigen der Flüssigkeitssäule verwandelt sich die Energie des Systems von Geschwindigkeitsenergie in Druckenergie um. Da das Medium und das Rohrleitungsmaterial geringfügig kompressibel bzw. flexibel sind, können sie einen Bruchteil der Energie absorbieren. Die Zeit, bis der Druckstoß abebbt, hängt also unter anderem von Material und Dicke der Rohre ab.
Was passiert mit dem Material bei plötzlichen Druckstößen?
Gusseisen ist beispielsweise ein eher sprödes Material. Bei plötzlichen Druckstößen, die den normalen Innendruck deutlich übertreffen, ist es besonders störungsanfällig. Andere, stärker dehnbare Werkstoffe absorbieren die Druckstöße, ohne zu zerbrechen, können aber dauerhaft verformt werden. Ventile, Sprinklerköpfe und Rohrverbindungen laufen ebenfalls Gefahr, beschädigt zu werden. Wasserschläge können sich zudem nachteilig auf Rohrhalterungen und Pumpenfundamente auswirken.
Typische Situationen, in denen Druckschläge auftreten
Eine Druckerhöhungsanlage wird nach einem Stromausfall wieder eingeschaltet; ein automatisches Rückschlagventil fällt aus und schließt schnell, wodurch der Flüssigkeitsstrom plötzlich unterbrochen wird; bei Lufteinschlüssen in einer Rohrleitung. Die Luft wirkt wie eine Feder, die an niedrigen Stellen der Rohrleitung komprimiert und an hohen Stellen expandiert wird. Der Druckunterschied kann zu schweren Wasserschlägen führen.
Ein Abriss der Wassersäule kann ebenso zu hohem Wasserschlagdruck führen, wenn sich die getrennten Säulen bei hoher Geschwindigkeit wieder vereinen.
So können Sie Wasserschlägen vorbeugen
Wer Wasserschläge vermeiden will, sollte bei der Planung ansetzen. Neben Grundwissen über die Flüssigkeitseigenschaften ist wichtig, dass der Planer über Know-how bei der Gestaltung von Anlagen im Hinblick auf die Vermeidung von Druckstößen verfügt. Auch Informationen über die Funktionsweise des Rohrleitungssystems, der Ventile, Pumpen und Pumpwerke sind unabdingbar. Um plötzliche Druckveränderungen in der Nähe des Schließorgans des Ventils zu verhindern, werden zum Beispiel Entlüftungsvorrichtungen und Vakuumsicherheitsventile auf der Abströmseite des Ventils installiert, damit Luft in das System eindringen und einem Vakuum vorbeugen kann. Genauso ist das korrekte Öffnen und Schließen von Ventilen für einen sicheren Betrieb des Rohrleitungssystems entscheidend.
Joukowsky-Gleichung: Druck berechnen heißt vorbeugen
Letztlich kann nur der wirksam vor Wasserschlägen schützen, der in der Lage ist, den Druck in einem Rohrleitungssystem zu berechnen und zu analysieren. Die Joukowsky-Gleichung beruht auf den Bewegungsgesetzen von Newton. Sie beschreibt die Druckänderung, die sich aus einem schnellen Geschwindigkeitswechsel ergibt. Diese Gleichung wird am häufigsten zur Berechnung des maximalen theoretischen Druckstoßes (Spitze) verwendet, der durch die unmittelbare Schließung eines Ventils in einer Rohrleitung oder einem Rohrleitungssystem entsteht.
Die Gleichung von Joukowsky lautet:
H = Druckänderung
a = Geschwindigkeit der Druckwelle
Q = Durchflussveränderung
g = Beschleunigung aufgrund der Schwerkraft
A = Durchgangsfläche der Rohrleitung
Demnach fällt die Druckänderung umso höher aus, je höher die Geschwindigkeitsänderung und die Geschwindigkeit der Welle sind.
Darüber hinaus deuten folgende Fakten darauf hin, dass Wasserschläge vorkommen können.
Ausmaß des Unterdrucks in der Rohrleitung hängt vom Rohrleitungsprofil ab
Der Mindestdruck hängt unter anderem von Wellengeschwindigkeit und Trägheitsmoment der Pumpe ab. Deshalb wird die Linie für den Mindestdruck immer gleich aussehen, unabhängig vom Rohrleitungsprofil, solange es zu keiner Verdunstung kommt. Das Ausmaß des Unterdrucks in der Rohrleitung wird deshalb vom Rohrleitungsprofil abhängen. Anders ausgedrückt: von der Entfernung der Mindestdrucklinie vom Rohrleitungsprofil.
So beeinflusst die Rohrleitungslänge Reflexionszeit und Trägheit des Wassers
Die Länge der Rohrleitung beeinflusst die Reflexionszeit und die Trägheit des Wassers im Rohr. Je länger die Rohrleitung, umso länger die Reflexionszeit, d. h. die für die Welle erforderliche Zeit, am Leitungsende anzukommen, umzukehren und wieder zum Ausgangspunkt zurückzukehren. Darüber hinaus gilt: Je länger die Rohrleitung, umso größer die Wassermasse, die sich auf das Trägheitsmoment der Wassersäule auswirkt. Wenn die Rohrleitungslänge 300 m überschreitet, besteht die Gefahr des Unterdrucks. In diesem Fall sollte eine Druckstoßberechnung durchgeführt werden.
Trägheitsmoment spielt entscheidende Rolle beim Entstehen von Wasserschlägen
Das Trägheitsmoment einer Pumpe spielt eine entscheidende Rolle beim Entstehen von Wasserschlägen. Je größer das Trägheitsmoment, desto länger wird die Pumpe nach dem Ausschalten weiterrotieren. Ein großes Trägheitsmoment minimiert Druckabfälle, da es das schlagartige Abstoppen der Wassermasse vermeidet.
So wirken sich Rohrleitungsmaterial und -abmessungen aus
Die Joukowsky-Gleichung besagt, dass das Ausmaß des Wasserschlags in direkt proportionalem Verhältnis zur Wellenfortpflanzungsgeschwindigkeit steht. Die Wellenfortpflanzungsgeschwindigkeit hängt von der Elastizität der Rohrleitungswände und der Komprimierbarkeit der Flüssigkeit im Rohr ab. Die Wellenfortpflanzungsgeschwindigkeit in PVC-Rohren mit Wasser beträgt 300 m/s und in Stahlrohren 1100 m/s. Die Rohrabmessungen wirken sich ebenfalls auf die Geschwindigkeit aus.
So schützen Sie das System vor Druckstößen
Es gibt eine Reihe von Schutzmaßnahmen vor Druckstößen. Unabhängig von der gewählten Methode muss man unbedingt verschiedene Faktoren berücksichtigen: etwa die Zahl der eingesetzten Pumpen, die Bedingungen bei normalen Stopps und bei Stromausfall sowie das Risiko von Verformungen, Materialermüdung und auch Verstopfung. Zur aktiven Schutzausrüstung gehören Frequenzumrichter, Softstarter und langsam schließende Ventile.
Drehzahl der Pumpe ändern mit einem Frequenzumrichter
Ein Frequenzumrichter ist eine elektrische Steuerung, die die Frequenz des Stromes zur Pumpe und somit die Drehzahl ändern kann. Im Allgemeinen wird er verwendet, um Strom zu sparen oder bestimmten Prozessanforderungen zu entsprechen. Doch zusätzlich bieten Frequenzumrichter Schutz vor Wasserschlägen bei Herabfahren der Pumpen.
- Pro: Frequenzumrichter sind leicht zu bedienen und einzustellen, außerdem erfordern sie keine Überwachung.
- Kontra: Bei Stromausfällen funktionieren Frequenzumrichter nicht.
Strom langsam anlaufen lassen mit einem Softstarter
Ein Softstarter wird verwendet, um den Strom beim Starten der Pumpe zu senken. Fortschrittlichere Softstarter können auch zum Herabfahren des Stromes beim Ausschalten der Pumpen verwendet werden. Das weiche Starten und Ausschalten einer drehzahlgeregelten Pumpe verhindert Druckspitzen und beugt Rohrbrüchen vor.
- Pro: Ein Softstarter ist eine wirtschaftliche Alternative zu einem Frequenzumrichter.
- Kontra: Softstarter funktionieren nicht bei Stromausfällen und die Abschaltdauer ist begrenzter als bei einem Frequenzumrichter.
Schrittweise Durchfluss stoppen durch langsam schließende Ventile
Um schlagartige Druckabsenkungen zu vermeiden, senken langsam schließende Ventile den Durchfluss schrittweise, bevor der Strom, der die Pumpe versorgt, abgeschaltet wird. Dieses Verfahren kann viel Zeit in Anspruch nehmen, insbesondere bei langen Rohrleitungssystemen. In solchen Fällen wird die Verwendung von Ventilen mit mehrstufigen Motoren empfohlen, die ermöglichen, dass die ersten 70 bis 80 % der Ventilschließung etwas schneller und erst die letzten 20 bis 30 % der Ventilschließung extrem langsam erfolgen. Ventile mit einem Rad werden im Allgemeinen als langsam schließend angesehen, während Ventile mit Griffen üblicherweise als schnell schließend gelten.
- Pro: Wirtschaftliche Alternative zu anderen Schutzmaßnahmen.
- Kontra: Langsam schließende Ventile sind nicht für den Schutz eines Rohrleitungssystems bei Stromausfall geeignet.
Zusätzliche Maßnahmen
Die folgenden Schritte können zur Minderung oder Eliminierung von Wasserschlägen ergriffen werden:
- Ingenieurskompetenz, angemessene Ausbildung, Erfahrung und Schulung bezüglich des Wasserschlagphänomens werden dem Personal dabei helfen, die passenden Verfahren zum Ein- und Ausschalten der Pumpe zu bestimmen, zu analysieren und Schadensmöglichkeiten einzudämmen.
- Senkung der Geschwindigkeit des Mediums in der Rohrleitung. Um Druckschläge zu minimieren, sollte die Strömungsgeschwindigkeit 1,5 m/s nicht überschreiten.
- Verwenden Sie Rohrleitungen mit höheren Nenndruckstufen.
- Installieren Sie Überdruckventile, um Überdruck in der Rohrleitung vorzubeugen.
- Nutzen Sie Behälter mit Luftkammern oder Expansionsbehälter, die teilweise mit Luft oder Gas gefüllt sind und mögliche Stöße abmildern können.
Beispielrechnung
Wenn die Strömungsgeschwindigkeit in einer Stahlrohrleitung plötzlich aufgrund des Schließens eines Ventils von 3 m/s auf 0 m/s absinkt (Wellengeschwindigkeit von 1100 m/s), ergibt sich ein Druckstoß von 336 mWs.
Dieser Artikel ist eine Überarbeitung des Artikels Wasserschlägen wirksam vorbeugen von Siegbert Scheihing, erschienen in SBZ 23/2017.