Die Hersteller von kältetechnischen Anlagen und Geräten sowie Anlagenbauer, Wartungs- und Serviceunternehmen müssen künftig Engpässe bei der Versorgung mit Kältemitteln der Gruppe teilfluorierte Kohlenwasserstoffe (HFKW) einkalkulieren. Trotz verschiedener Brandbriefe aus der KK-Branche sowie einem Verbände-Positionspapier sieht sich das UBA außerstande, den Ausstieg aus den sogenannten F-Gasen zeitlich und mengenmäßig zu beeinflussen. Einig waren sich die Vertreter des UBA und die etwa 100 Tagungsteilnehmer darin, dass eine konzertierte europäische Kampagne nötig ist, damit der Rückzug aus den F-Gasen in geordneten Bahnen verläuft. Gleichzeitig gilt es, eine umwelt- und klimafreundliche Kälte- und Klimatisierungstechnik am Markt zu etablieren.
Kälteindustrie muss selbst den richtigen Weg finden
Die Brandbriefe aus den Reihen der Kälteindustrie und großer Anwender kommen für Dr. Christian Meineke, Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB), nicht überraschend. Es handele sich beim F-Gase-Phase-down um eine langfristig geplante Verknappung, die mit den betroffenen Kreisen allerdings so abgesprochen sei. „Die Industrie muss jetzt selbst den richtigen Weg finden, um den Verbrauch der F-Gase zu senken“, betont Meineke. Der Kuchen sei für alle Marktteilnehmer gleich groß, doch manche konsumieren einfach zu viel, kritisiert Meineke. Gemeint ist der ungebrochen hohe Bedarf an Kältemitteln mit hohem Treibhauspotenzial (Global Warming Potential, GWP) für Neuanlagen und Service.
Wichtig für die betroffenen Branchen sei eine größere Markttransparenz bei den Kältemitteln, aufgeschlüsselt nach ihrem GWP-Wert. Meineke räumt ein, dass die jetzige zweite Minderungsstufe auch eine Technologieumstellung notwendig mache. Alternativen seien verfügbar; diese müssten jetzt auf ihre Tauglichkeit für die jeweilige Anwendung überprüft werden.
Zur Erinnerung: Die heute in der Kältetechnik üblichen teilhalogenierten Kohlenwasserstoffe wurden 2016 in Kigali/Ruanda als neueste Stoffgruppe in das Montrealer Protokoll aufgenommen mit dem Ziel, die Emissionen dieser HFKW bis zum Jahr 2036 um 85 Prozent (Menge kalkuliert in Tonnen CO2-Äquivalent) zu verringern.
Importeure müssten über genügend Kältemittel verfügen
Auch Arno Kaschl, European Commission, Brüssel, betonte, dass der Mechanismus des Phase-downs auf der Basis des GWP-Quotensystems von der Industrie so gewünscht ist, da es mehr Flexibilität biete als ein stufenweises Verbot von Kältemitteln. Dabei konkurrieren innerhalb der Europäischen Union alle noch zugelassenen HFKW-Kältemittel um die definierte Gesamtmenge in Tonnen CO2-Äquivalent. Konkret bedeute das, dass die einzelnen EU-Mitgliedsstaaten oder einzelne Anwender über kein eigenes Mengenkontingent verfügen. Stattdessen werde registrierten Importeuren bzw. Produzenten von HFKW eine jährliche Quote zugeteilt, die nicht überschritten werden darf. Aktuell seien im EU-Quotensystem 1103 Firmen registriert. Unter das Quotensystem fallen nicht nur Bulk-Ware, sondern seit 1. Januar 2017 auch vorbefüllte RAC-Geräte (RAC, Refrigeration & Air Conditioning).
Wie es zur aktuellen Verknappung von HFKW-Kältemitteln kommen konnte, ist für Kaschl nicht nachvollziehbar, da nach seiner Beobachtung am deutschen Markt aufgrund nicht genutzter Quoten noch ein Puffer existieren müsste. Auch andere EU-Länder hätten ihre Quoten noch nicht ausgeschöpft. Kaschl betont, dass ihn die kurzfristig stark gestiegenen Preise, beispielsweise für das Kältemittel R134a, deshalb überraschen. Sie seien jedoch im erwarteten Rahmen der Marktteilnehmer und noch zumutbar. Hohe Preise für HFKW-Kältemittel hätten jedoch auch einen positiven Effekt auf die Einführung klimafreundlicher Technologien bzw. auf die neuen umweltfreundlicheren Blends. Nicht von der Hand zu weisen seien Hamsterkäufe, da es am Markt kaum noch Flaschen-Leergut gebe.
Als Maßnahme gegen den offensichtlich hausgemachten Kältemittelmangel in Deutschland empfiehlt Kaschl, sich im europäischen Ausland nach zusätzlichen Lieferanten umzuschauen. Ob es auch zu Preisabsprachen der Anbieter komme, müsse noch untersucht werden.
Die hohen Kosten für „frisches“ Kältemittel sollten als Signal verstanden werden, auch Kältemittel aus stillgelegten Altanlagen zu verwenden bzw. Altkältemittel professionell zu recyceln. Als wichtigste Maßnahme empfiehlt Kaschl allerdings, bestehende Kälteanlagen regelmäßig auf ihre Dichtheit zu prüfen.
Sicherheitsbedenken als Argument gegen einen Umstieg
Kaum ein Verband der TGA-Branche engagiert sich derart stark für einen geordneten Wechsel von Hoch-GWP-Kältemitteln zu Nieder-GWP-Kältemitteln und zu halogenfreien Kältemitteln wie der Verband „The European Partnership for Energy and the Environment“ (EPEE). Wichtigstes Werkzeug des von der europäischen Kälte-, Klima und Wärmepumpen-Industrie initiierten Verbands ist das sogenannte Gapometer, das die Kältemittellücke in der Maßeinheit Global Warming Potential (GWP) zwischen den Phase-down-Vorgaben und der Realität am Markt auf der Basis einer Datensimulation aufzeigt. Grundlage dazu sind offizielle Datenbanken der EU, Erfahrungswerte sowie Gespräche mit Industrie und Handel. EPEE-Direktorin Andrea Voigt monierte in Dessau die Trägheit, mit der die Kälte-Klima-Branche auf den Phase-down reagiert. „Man kann nur den Kopf schütteln, dass heute noch neue Kälteanlagen mit den Kältemitteln R404A bzw. R507A installiert werden.“ Diese überwiegend in der Gewerbekälte eingesetzten Kältemittel mit einem GWP von 3922 gelten als einer der Hauptverursacher von Treibhausgasemissionen, auch wegen der vergleichsweise hohen Leckage-Raten dieses Typs von Anlagen. Das Problem sei, dass die Kältemittel-Alternativen zu R404A meist brennbar sind und deshalb oft Sicherheitsbedenken als Argument gegen einen Umstieg auf halogenfreie Kältemittel ins Feld geführt werde. Andrea Voigt räumt ein, dass solche Bedenken aufgrund landesspezifischer Bauvorschriften tatsächlich existieren, das Hauptproblem aber die fehlenden sicherheitstechnischen Kenntnisse der ausführenden Unternehmen seien.
Planer sind Schwachstelle beim F-Gase-Phase-down
Ein wichtiger Beitrag zur Entlastung des HFKW-Marktes sei die Wiederverwendung von Kältemitteln aus Altanlagen bzw. deren professionelle Wiederaufarbeitung. Da diese Altkältemittel nicht unter die Quotenregelung fallen, könnte ein verstärktes Kältemittelrecycling momentane Engpässe abmildern. Wichtig sei, dass sich die Planer von kältetechnischen Anlagen intensiver mit dem Phase-down und den Kältemittel-Alternativen auseinandersetzen, denn da gebe es noch erhebliche Wissenslücken. Andrea Voigt: „Leider fehlt es vielen Planern an der notwendigen Einsicht, Kältemittel mit niedrigem GWP vorzuschreiben.“ Entscheidend sei, dass bei der Planung einer kältetechnischen Anlage die Rolle des GWP-Wertes über den gesamten Lebenszyklus der Anlage betrachtet wird. „Ja, die Planer sind die Schwachstelle im F-Gase- Phase-down“, kritisiert Voigt. Es sei notwendig, dass sich Planer und Anlagenbauer mit den Eigenschaften und Anwendungsmöglichkeiten halogenfreier Kältemittel intensiver auseinandersetzen, denn es gibt genügend davon, sie werden nur nicht umfassend eingesetzt, so Voigt, und weiter: „Der Phase-down ist kein Spaziergang für die Kälte-Klima-Branche, hier ist eine schnelle Reaktion notwendig.“ Wichtig für einen geordneten Ausstieg sei, bestehende, gut funktionierende und dichte Kälteanlagen mit HFKW-Kältemitteln so lange wie möglich zu betreiben.
Aus dem Plenum kam dazu die Empfehlung, schrittweise mit der Erneuerung des Anlagenbestands vorzugehen, beispielsweise von R404A-Anlagen, und das frei werdende Alt-Kältemittel für Servicezwecke des Restbestands zu nutzen. Eine besondere Herausforderung sind die VRF-Anlagen mit ihren großen, im ganzen Gebäude zirkulierenden Kältemittelmengen sowie den vielen Ver- bindungsstücken. Wolfgang Plehn, Moderator der UBA-Veranstaltung, empfiehlt, den künftigen Einsatz von VRF-Anlagen generell zu überdenken und stattdessen Wasser als Wärme-/Kälteträger einzusetzen. Für solche „Wasser-Anlagen“ mit niedrigem GWP gebe es auch staatliche Förderprogramme.
Recyclingquote von HFKW-Kältemitteln erhöhen
Wie wichtig ein geordneter Phase-down für das Erreichen der Klimaziele ist, verdeutlichte der Vortrag von Kerstin Martens vom UBA. Noch 2009 wurden rund 38 Prozent aller stationären Kälteanlagen mit Kältemitteln mit einem GWP-Wert von über 2500 betrieben, 2015 waren es noch 19 Prozent. Allerdings hätten im gleichen Zeitraum die Nachfüllmengen bei stationären Anlagen mit HFKW-Kältemitteln (GWP >2500) um 22 Prozent zugenommen.
Martens machte deutlich, dass die Verfügbarkeit von HFKW-Kältemitteln deutlich abnehmen werde. Konkret reduzierte sich die Menge von 2016 auf 2018 von 16,4 Mio. t CO2eq auf 11,1 Mio t CO2eq. Umso wichtiger sei es, HFKW-Kältemittel aus stillgelegten bzw. rückgebauten Anlagen vollständig und sortenrein zurückzugewinnen bzw. zu recyceln. Wo immer möglich und sinnvoll sollten Kälteanlagen auf Kältemittel mit niedrigerem GWP umgerüstet oder – wo wirtschaftlich sinnvoll – durch Anlagen mit natürlichen Kältemitteln ersetzt werden.
Betreiber wissen nichts über den F-Gase-Phase-down
Für viele Betreiber von kältetechnischen Anlagen scheint kein Anlass zu bestehen, sich um die Kältemittelfrage zu kümmern. „Die Betreiber, ausgenommen der Lebensmitteleinzelhandel, wissen nichts vom Phase-down“, betont Frank Heuberger vom Bundesinnungsverband des Deutschen Kälteanlagenbauerhandwerks (BIV) während der Podiumsdiskussion. Und weiter: „Der Fachplaner entscheidet das Energiekonzept und für diesen gilt immer noch das Kältemittel R404A als Stand der Technik.“ Mit ein Grund dafür sei, dass Anlagen mit Niedrig-GWP-Kältemitteln teurer sind und deshalb selbst bei öffentlichen Aufträgen immer noch die preisgünstigere Lösung, sprich Anlagen mit Hoch-GWP-Kältemitteln, den Zuschlag erhalten. Wichtig sei deshalb, neben der Information der Planer auch Bauherren und Architekten in eine Informationskampagne einzubeziehen. Aber die Probleme liegen laut Heuberger noch tiefer: Selbst den Mitarbeitern des TÜV als Abnahme-Institution fehle es oft an der notwendigen Erfahrung mit den meist brennbaren halogenfreien Kältemitteln. „Die arbeiten dann mit Gürtel und Hosenträger, da sich die baurechtlichen Vorgaben häufig widersprechen.“ Dies führe zu sehr kostspieligen Sicherheitslösungen. Hinzu kommen der Fachkräftemangel und die notwendige Qualifikation für den Umgang mit brennbaren und toxischen Kältemitteln. „Ohne Unterstützung durch die Politik ist der F-Gase-Phase-down vom Kälteanlagenbauerhandwerk kaum zu bewerkstelligen“, resümiert Heuberger.
Fazit
Die Ziele der F-Gase-Verordnung sind nur schwer zu erreichen. Um genügend Kältemittel für Servicezwecke von bestehenden „Hoch-GWP“-Kälteanlagen bereitstellen zu können, ist es wichtig, bei Neuanlagen möglichst nur noch halogenfreie Kältemittel oder solche mit extrem niedrigem GWP einzusetzen und die Wiederverwendung von Alt-Kältemitteln zu professionalisieren. Dem Planer als Berater des Bauherrn und des Architekten kommt dabei eine besondere Rolle zu, denn er entscheidet mit, wie groß sich die Lücke (Gap) zwischen dem Phase-down und der Realität entwickelt. Tenor der Tagung: Wer jetzt noch Hoch-GWP-Kältemittel wie R404A, R507A (GWP 3922) in Neuanlagen einsetzt, handelt grob fahrlässig. Spätere Regressansprüche des Bauherrn sind dann nicht ausgeschlossen.
Info
Kältemittel: Vom Ozonkiller zum Treibhausgas
Warum ein F-Gase-Phase-down? Warum dieser Aufwand um die klimarelevanten HFKW-Kältemittel, wo es Dutzende andere Treibhaus-Emittenten gibt? Die Geschichte beginnt mit dem 1987 international vereinbarten Montrealer Protokoll, das alle 197 Mitgliedsländer der Vereinten Nationen ratifiziert und sich damit verpflichtet haben, chlor- und bromhaltige Chemikalien zu reduzieren bzw. weitgehend abzuschaffen. Damals ging es ausschließlich um den Bann ozonabbauender Stoffe vom Typs Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) und bromhaltige Substanzen. In einem Beitrag von Thomas Peter, Professor für Atmosphärische Chemie, und Johannes Stähelin, Professor für Ozonchemie, beide ETH Zürich, würdigten die Autoren den länderübergreifenden wissenschaftlichen und politischen Erfolg dieses völkerrechtlich verbindlichen Vertrags des Umweltrechts. Durch den weltweiten Konsens konnten so geschätzte drei Millionen Hautkrebserkrankungen vermieden werden. Paradoxerweise begünstigte das Protokoll die Produktion von FCKW-Ersatzstoffen, bekannt unter dem Sammelbegriff FKW (Fluorkohlenwasserstoffe) bzw. HFKW (teilfluorierte Kohlenwasserstoffe). Diese weisen zwar kein Ozonzerstörungspotenzial mehr auf, tragen aber aufgrund ihrer hohen GWP-Werte (Global Warming Potential, GWP) sehr stark zum Treibhauseffekt und damit zum Anstieg der Globaltemperatur bei.
Obwohl durch das Montrealer Protokoll und den damit einhergehenden FCKW-Bann zwischen 1987 und 2017 Treibhausgasemissionen in Höhe von etwa 200 Mio. Tonnen an CO2-Äquivalent vermieden werden konnten, sei die Gefahr noch nicht gebannt, so die beiden Autoren der ETH. Die Ozon-Regeneration brauche Zeit. Erst um das Jahr 2050 werde das „Ozonloch“ wieder die Ozonmenge aufweisen wie in den 1980er-Jahren. „Sonnencreme wird uns weiter ein wichtiger Begleiter sein“, resümieren die Autoren.
Quelle: www.ethz.ch/medien; bearbeitet: Wolfgang Schmid, München
Info
Resümee der UBA-Veranstaltung
- Der Phase-down ist anspruchsvoll und komplex, aber er ist zu schaffen. Staatliche Unterstützung ist jedoch notwendig.
- Die Branche muss schnell reagieren und den Einsatz von Kältemitteln mit hohem GWP vermeiden.
- Aktuelle baurechtliche Verordnungen und Sicherheitsvorschriften müssen dringend für den Einsatz brennbarer Kältemittel angepasst werden.
- Alle an der Entscheidung, Planung und Realisierung beteiligten Personen müssen kurzfristig entsprechende Kompetenz für den Umgang mit brennbaren Kältemitteln aufbauen.
- Die sortenreine Rückgewinnung bzw. das Recycling von HFKW-Kältemitteln muss Teil der Ausschreibung bzw. der Auftragsvergabe werden. Dabei sollten auch die Eigentumsverhältnisse der Alt-Kältemittel geklärt werden.
- Bei Bestandsanlagen ist mehr Augenmerk auf eine hohe Anlagendichtheit zu legen.
- Gut funktionierende HFKW-Anlagen so lange wie möglich weiterbetreiben.
- Wo immer möglich und wirtschaftlich sollten die Bestandsanlagen auf Kältemittel mit geringerem GWP umgerüstet werden.
- Prüfen ob es wirtschaftlicher ist, veraltete Kälteanlagen mit Hoch-GWP-Kältemitteln durch effiziente Neuanlagen mit natürlichen Kältemitteln zu ersetzen.
- Alternativen zu den stark beworbenen VRF-Anlagen sollten geprüft werden, beispielsweise Wasser führende Systeme.
- Für Servicezwecke notwendiges Hoch-GWP-Kältemittel kann (noch) auf dem europäischen Markt beschafft werden, da viele EU-Länder noch über freie Quoten verfügen.
Weitere Infos: www.umweltbundesamt.de/themen/wirtschaft-konsum/produkte/fluorierte-treibhausgase-fckw
Autor
Wolfgang Schmid ist freier Fachjournalist für Technische Gebäudeausrüstung, München, wsm@tele2.de