Der Artikel kompakt zusammengefasst
Wer dieser Tage in die Ausstellungen des Großhandels schaut, der muss sich vorkommen wie in einem schlechten Film. Die Atmosphäre gleicht einer Geisterstadt aus einem Western, keine Menschen, verlassene Wege und Kojen. Fehlt bloß noch der obligatorische Wind, der vertrocknete Pflanzenbüschel staubaufwirbelnd durch die Gänge rollt. Zu viel Drama in den ersten Sätzen? Gut möglich. Aber dieser Textbeginn fällt gezielt so übertrieben pathetisch aus. Er soll illustrieren: Das Jahr 2023 ist eine Herausforderung für Badplaner und -installateure.
Es hatte sich schon Ende 2022 abgezeichnet, dass die Nachfrage nach neuen Bädern abnimmt. Die Besucherfrequenz in den Ausstellungen ging zurück, SHK-Handwerksbetriebe verzeichneten weniger Kundenanfragen, Aufträge wurden im Umfang reduziert oder gleich ganz storniert, mehr Heizungen eingefordert. Schwierig ist, den Rückgang exakt zu beziffern. Einer, der es dennoch probiert, ist Hans-Arno Kloep. Er kommt auf rund 10.000 Bäder, die im vergangenen Jahr nicht (mehr) realisiert wurden. Die Einschätzung basiert auf einer Branchenerhebung, die er mit seiner SHK-Marktforschungs- und Beratungsagentur „Querschiesser“ angestellt hat. Die Ursache? „Sanitäraufträge wurden für das Heizungsgeschäft geopfert“, sagt Kloep. 2023 dürfte die Umverteilung noch gravierender ausfallen.
Sanitäraufträge werden für das Heizungsgeschäft geopfert.
Bild: Querschiesser
Viel Geld fürs Bad gibt’s aktuell nicht
Die Auslöser dieser Entwicklung sind schnell erfasst. Der Ukraineüberfall zeigt auf schmerzhafte Weise die Abhängigkeit von Erdgaslieferungen, plötzlich waren alternative Heizungstypen gefragt, sogar Öl verzeichnete einen Aufschwung – wenn auch auf niedrigem Niveau. Außerdem treibt die Große Koalition die Wärmewende generell voran, Deutschland soll effizienter beheizt werden, mit der Wärmepumpe als neuer Leittechnik. Dazu stellen sich aktuell erste Vorzieheffekte ein: Wer kann, tauscht lieber noch in diesem Jahr seine alte Heizungsanlage gegen eine moderne, bevor zum Januar 2024 die sogenannte 65-%-Regel greift. Ab dann sollen alle neu installierten Heizungen mit mindestens 65 % Energie aus erneuerbaren Quellen betrieben werden. Das führt zwangsläufig zu höheren Investitionen, die so mancher lieber vermeidet und einfach dieses Jahr noch aktiv wird.
Zum Hype um Wärmepumpen und andere erneuerbare Energien gesellt sich aufseiten der Verbraucher das Bedürfnis, Investitionen generell zurückzuhalten. Inflation und die Unberechenbarkeit einer weiteren Eskalation des Krieges führen dazu, dass der Sparstrumpf anschwillt, um für ungeplante, größere Ausgaben gerüstet zu sein. Ein neues Badezimmer findet sich auf der Prioritätenliste nicht mehr ganz oben.
Laut einer Schätzung müssen 10 Mio. private Bäder komplett oder teilsaniert werden, um sie auf den aktuellen Stand der Technik zu bringen.
Bild: VDS
Die Gefahr: Badkompetenz geht flöten
Wer es sich einfach machen möchte, der könnte jetzt nüchtern feststellen: Das Handwerk verschiebt seine Kapazitäten, Heizung geht einfach vor Bad. Das zieht aber einen Rattenschwanz an möglicherweise negativen Entwicklungen nach sich, die wie mit Bumerangeffekt erst verspätet sichtbar werden.
Denn wie reagieren zum Beispiel die Anbieter bzw. Hersteller von Keramik, Sanitärarmaturen, Badmöbeln und Co.? Die Geschäftsleute in den Führungsetagen sind kaum gewillt, rückläufige Umsätze zu akzeptieren. Die neue Lage wird sie eher in die Situation bringen, sich neben dem Vertrieb über das Fachhandwerk intensiver um alternative Verkaufswege zu bemühen. Die Versuche sind nicht neu, Endkunden direkt anzusprechen und als Marke zu begeistern – Baumärkte und Onlinehändler lassen grüßen. Aber sie gewinnen gerade enorm an Bedeutung, um Umsatzeinbußen auszugleichen. Haben sich diese „neuen“ alten Wege erst mal verfestigt, könnten Verbraucher – wenn sie wieder mehr Muße haben, Bäder zu modernisieren – ohne Umweg noch stärker in den Fokus der Industrie rücken und gebunden werden.
Das allein ist schon Anlass genug, genauer hinzuschauen. Aber kritisch zu sehen ist auch der Sanierungsstau, der sich im Bad aufbaut. Mehr energieeffiziente Heizungen bedeutet zwangsläufig: weniger moderne Bäder. Das läuft dem Wunsch entgegen, Voraussetzungen zu schaffen, dass mehr Menschen (alleine oder mit Unterstützung) selbstbestimmt bis ins hohe Alter in den eigenen vier (Bad-)Wänden leben können. Unter dem Gesichtspunkt der überlasteten Pflegeeinrichtungen ist das schon schwierig. Für die SHK-Branche ärgerlich wird es, wenn vermeintliche „Barrierefrei-Experten“ in diese Lücke stoßen, durchs Land ziehen und einen fachlich katastrophalen Badumbau für ganz kleines Geld anbieten. Ernsthaft kann das niemand wollen.
Wir haben eine alternde Gesellschaft mit massiv zunehmendem Bedarf an barrierefreien, pflegegerechten häuslichen Bädern.
Bild: ZVSHK
Pflegebad und Barrierefreiheit: Wo sind die Experten?
Dabei stehen SHK-Betriebe aktuell doch bestens da! Sie sind im Ansehen der Verbraucher enorm gestiegen, das immerhin hat der ganze Trubel um Wärmepumpe und Co. auch bewirkt. Badprofis können diesen positiven Schwung einfach nutzen, um sich als Experten rund um die Themen Barrierefreiheit und Pflegebad ins Gespräch zu bringen. Schon allein der demografische Wandel in der Bevölkerung verspricht: Das wird ein gutes Geschäft. Handwerksbetriebe können bei dieser Entwicklung auf die Unterstützung des Zentralverbands SHK bauen (des obersten Dachverbands des SHK-Handwerks). „Die Zunahme pflegebedürftiger Menschen und die gesellschaftspolitisch angestrebte ambulante Versorgung in der eigenen Häuslichkeit rücken die Wohnung und insbesondere das Badezimmer und dessen Umgestaltung in einen modernen Gesundheitsstandort immer mehr in den Fokus“, sagt Michael Hilpert, Handwerksunternehmer und Präsident des ZVSHK.
Der Verband hat gemeinsam mit Partnern eine vom Spitzenverband der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen geförderte Studie durchgeführt: „Optimierung der Ausführung und Finanzierung von pflegegerechten Bädern im Rahmen der Wohnungsanpassung (Pflegebad)”. Es wurden neben Handwerksunternehmern auch Pflegekräfte und Betroffene einbezogen. Daraus sind pflegegerechte Badkonzepte entstanden, die nun nach und nach als Kojen in den Ausstellungen diverser Großhandelshäuser errichtet werden. Bei Richter + Frenzel ist zum Beispiel die erste Koje dieser Art in der Badausstellung in Nürnberg zu besichtigen. Michael Hilpert bringt das Engagement rund um die Herausforderung auf den Punkt: „Wir haben eine alternde Gesellschaft mit massiv zunehmendem Bedarf an barrierefreien, pflegegerechten häuslichen Bädern, um dort ambulante Pflege zu ermöglichen. Das führt bei der Bestandsmodernisierung im Gebäudebereich zu hoch komplexen Anspruchssituationen und einem enormen Beratungsbedarf.“
Ausstellungskonzepte müssen jüngere Generationen ansprechen
Gut ins Bild passt es da, dass ein anderer Großhändler, die Reisser-Gruppe, jüngst eine Badausstellung eröffnet hat, die einen ganz anderen Ansatz verfolgt. Mit einem Pilotprojekt in Frankfurt am Main will das Unternehmen ein hybrides Konzept etablieren, das mehrere Kundengenerationen gleichzeitig ansprechen und abholen soll – nämlich sowohl analog als auch digital. In digitalen Welten wird dem Kunden nun gezeigt, wie ein Bad nach der Auswahl von Produkten bei ihm zu Hause aussehen wird. An verschiedenen Touchpoints und mithilfe diverser digitaler Tools kann man sich anschauen was passiert, wenn der Fliesenspiegel wechselt, man eine andere Oberfläche wählt, das Material oder Design tauscht. Die Besucher können sich selbstständig durch die 800 m² große Ausstellung bewegen, sich über Erklärvideos informieren und anhand von Beispielen inspirieren lassen.
Die Bäder sind doch nicht weg, sie müssen nur anders betrachtet werden.
Bild: SBZ / Jäger
Mutiger bei der Präsentation von Trends sein. Und schauen, welchen Anklang das bei den Kunden findet. Darum geht es in der neuen Frankfurter Ausstellung. „Die Jüngeren suchen auf Pinterest und Instagram, holen sich Impulse im Internet für das eigene Bad. Diese Zielgruppe erreichen wir nicht allein mit einem herkömmlichen Rundgang“, sagt Vorstandsmitglied Patricia Montalti. Am Betonwaschtisch zum Beispiel startet auch ein Video: Der Besucher erfährt darin, dass die Kiesel vom Bodensee stammen, wie das Material konkret verarbeitet wird, welche Geschichte sich hinter dem Produkt verbirgt. „So etwas wird den Menschen immer wichtiger, viele haben längst ein neues Bewusstsein und wünschen sich mehr Erläuterungen und Hintergründe“, erklärt Julia Frühwald, Vertriebsmanagerin und Koordinatorin Ausstellungskonzeption.
Teilmodernisierung am besten mit Bad-Fahrplan
Wenn die eingetrübte Investitionsfreude schon keine Komplettbadprojekte mehr begünstigt, bietet sich im Bestand immer noch die Teilmodernisierung an. Neudeutsch: „Pimp dein Bad“, wie es Tanja Maier-Römlein formuliert. Zur gleichnamigen Veranstaltung im Januar kamen mehr als 50 Badprofis nach Ulm. Die Baddesign-Expertin hatte gemeinsam mit dem Verband Interdomus Haustechnik eine Veranstaltung auf die Beine gestellt, die eben genau ein Thema hatte: Teilmodernisierung im Bad. Im ersten Schritt gelte es, Vorurteile abzubauen, betonte sie: „Neben dem Kostenfaktor schrecken die Verbraucher vor allem der Zeitaufwand sowie Lärm und Schmutz ab, den ein Badumbau mit sich bringt.“ Denn das gelingt mittlerweile mit deutlich weniger Lärm und Schmutz. Aber rechnet sich das auch? Entscheidend, so Tanja Maier-Römlein, sei natürlich der wirtschaftliche und nachhaltige Mehrwert, den eine Teilmodernisierung für Endkunden und Handwerksbetriebe gleichermaßen mit sich bringe. Sie empfiehlt, mit den Kunden gemeinsam einen Modernisierungsfahrplan fürs Bad zu entwickeln, stufenweise gestreckt auf mehrere Jahre. Das bindet beide Parteien aneinander, der Fachbetrieb hält den Kunden, der Kunde hat zumindest die Chance, eine Vorstellung zu entwickeln, wie sein Bad mal aussehen könnte. Auch wenn das Geld für die umfassende Erneuerung aktuell nicht zur Verfügung steht.
Zum vollständigen Blick auf die Situation im Bad fehlt noch die Bestandsaufnahme von höchster Stelle, von Jens J. Wischmann – seines Zeichens Geschäftsführer der VDS, das ist der Dachverband der deutschen Sanitärwirtschaft. „Wir sehen eine Schieflage bei den Segmenten der SHK-Branche. Gerade scheint das Badezimmer in der zweiten Reihe zu stehen, sowohl bei den Investitionen der Bauleute als auch bei der Bearbeitung des Marktes durch das Handwerk“, sagt er. Im Gespräch wird dennoch schnell deutlich, es geht ihm vor allem um die Potenziale, die die Aktivitäten rund um Bad/Sanitär dem SHK-Handwerk auch jenseits der Heizung im Jahr 2023 Perspektiven eröffnen. „Alle Marktpartner arbeiten daran, das Badezimmer im Jahr 2023 verstärkt wieder in den Fokus zu bringen. Die Themen und Geschichten sind da, und wir werden diese Geschichten erzählen.“
Wird die ISH 2023 zum Bad-Booster?
Und der beste Ort, das nach außen zu tragen? Die ISH 2023 in Frankfurt (13. bis 17. März)! „Die ISH 2023 ist nicht nur auf Produktebene, sondern auch auf Kommunikationsebene der perfekte Anlass. Wir sehen die Messe als Booster fürs Badezimmer“, verspricht Wischmann. So sieht die VDS eine wachsende Nachfrage nach wassersparenden Produkten. Hier lässt sich zwar schon durch den simplen Austausch einer Handbrause ein erster, schneller Spareffekt erzielen – wo aber Installationsleistungen notwendig werden und nachhaltige Lösungen erzielt werden sollen, sind kompetente Beratung und fachgerechte Handwerksleistungen gefragt.
Und Teilsanierungen? Auch hier ein klares Statement: „Die werden ein immer wichtigerer Markt für Installateure“, sagt der VDS-Geschäftsführer. Denn wenn bei Bädern etwa aus den 90er-Jahren auch nicht gleich eine komplette Kernsanierung notwendig ist, so verspreche ein Update doch eine signifikante Verbesserung von Ausstattung und Wohlfühlfaktor. Schließlich wurde gerade in den letzten 10, 15 Jahren das Badezimmer durch die Weiterentwicklung vieler Produkte auf ein neues Level gehoben: Innovationen im Bereich WC-Produkte (etwa das spülrandlose WC oder das Dusch-WC), ein Stauraum- und Designplus durch wohnliche Badmöbel, funktionale Spiegelschränke mit Emotionalität steigernden und Energie sparenden Beleuchtungssystemen oder der zunehmende Lifestyle-Charakter einer bodenebenen Dusche – in Sachen Komfort, Ästhetik und Technik hat sich so viel getan, dass sich ein Update des Badezimmers für viele Bäder lohnt. Wischmann schätzt, dass allein in Deutschland über 10 Mio. private Bäder komplett oder teilsaniert werden müssen, um diese auf den aktuellen Stand der Technik zu bringen.
Nach Wischmanns Wunschvorstellungen nimmt im Laufe des Jahres die Nachfrage nach Badprojekten wieder zu. Nur, die Herangehensweise an das ein oder andere Projekt dürfte den aktuellen Vorzeichen folgend anders ausfallen. Oder, um es mit Tanja Maier-Römleins Worten auszudrücken: „Die Bäder sind doch nicht weg, sie müssen nur anders betrachtet werden“.
Sanitär und Bad auf der ISH 2023
Die Vereinigung Deutsche Sanitärwirtschaft (VDS) blickt optimistisch auf die im März anstehende ISH 2023 (13. bis 17. März) und erhofft sich von der Weltleitmesse für Wasser, Wärme, Luft einen Kickstart für die Bedienung von Wachstumsmärkten im Bereich Water. Die VDS ist auf der Messe mit Aktionen wie Pop up my Bathroom Trendausstellung und Vortragsforum, Aktion Barrierfreies Bad und Waterlounge stark vertreten.
Die VDS installiert zusammen mit der Messe Frankfurt wieder die beliebte Trendausstellung Pop up my Bathroom mit vielen wichtigen Produktneuheiten für das lifestyleorientierte Badezimmer – diesmal mitten in der Halle 3.1 (Stand: 3.1 D71). Dabei werden vier Trends aufgegriffen, die über die nächsten Jahre von entscheidender Bedeutung für die ganzheitliche Badplanung sind: So werden interessante Trendentwicklungen für das kleine Badezimmer vorgestellt, die Optionen für ein nachhaltiges Badezimmerdesign sondiert, ein begehbares Wellbeing-Studio aufgebaut und die emotionale Seite der Badgestaltung herausgearbeitet. „Auf 750 Quadratmetern werden die Besucher und Besucherinnen der ISH 2023 die neuesten Designentwicklungen und viel Inspiration für die eigene Arbeit entdecken können“, ist sich VDS-Geschäftsführer Jens J. Wischmann sicher.