Mit dem Erscheinen der DIN 1946-6:2019-12 „Lüftung von Wohnungen – Allgemeine Anforderungen, Anforderungen zur Bemessung, Ausführung und Kennzeichnung, Übergabe/Übernahme (Abnahme) und Instandhaltung“ wurde eine umfassende Überarbeitung der Normung im Bereich Wohnungslüftung eingeleitet, da 2020 neue Fassungen vieler Wohnungslüftungsnormen erscheinen sollen (siehe Infokasten). Die Liste ist lang, sodass der Anwender zunächst erschrecken könnte. Aber die Änderungen sind weniger drastisch, als es auf den ersten Blick erscheint.
DIN 1946-6: An aktuelle Randbedingungen angepasst
Trotz anfänglicher Kritik hat sich die DIN 1946-6 im Markt etabliert. Nach über fünf Jahren war es an der Zeit, sie auf Basis der bisherigen Erfahrungen zu überarbeiten. Ziel war keine grundsätzliche Neugestaltung, sondern die Anpassung der Norm an die aktuellen Randbedingungen. Im Dezember 2017 erschien der Entwurf der überarbeiteten Norm, den die Fachwelt umfangreich kommentierte. Anschließend wurde die DIN 18017-3 inhaltlich an die neuen Randbedingungen angepasst, wobei der eigentliche Kern unverändert blieb.
Bei den Änderungen in den Produktnormen DIN EN 13 142 und 13 141 handelt es sich um notwendige Klarstellungen im Bereich der Prüfung und Deklaration von Wohnungslüftungsgeräten auf Basis der Ecodesign Verordnungen EU 1253/2014 und EU 1254/2014. Inhaltlich sind beide Verordnungen schon seit Januar 2016 verpflichtend.
In den folgenden Abschnitten sind die wichtigsten Änderungen der DIN 1946-6 zusammengefasst.
Neue Struktur der Wohnungslüftungsnorm DIN 1946-6
Damit die Nutzer alle wesentlichen Aspekte für das jeweilige System in einem Abschnitt finden, wurde die DIN 1946-6 neu strukturiert:
● In den Abschnitten 4, 5 und 6 geht es um Lüftungskonzepte. Über diese Abschnitte informiert der zweite Teil der Beitragsreihe.
● Abschnitt 7 widmet sich der freien Lüftung,
● Abschnitt 8 der ventilatorgestützten Lüftung und
● Abschnitt 9 enthält die wichtigsten Aspekte zu kombinierten Lüftungssystemen. Sie stehen im Mittelpunkt des dritten Teils der Reihe.
Wo wird die Norm angewendet?
Die Norm gilt für die freie und ventilatorgestützte Lüftung von Wohnungen und ähnlichen Nutzungseinrichtungen, die überwiegend dem Wohnzweck dienen. Auslegungsgröße ist der Außenluftvolumenstrom, der in Abhängigkeit von der Fläche oder der Raumnutzung bereitgestellt wird und je nach gewähltem Lüftungssystem ganz oder teilweise nutzerunabhängig sichergestellt werden muss (Bild 2).
● Freie Lüftungssysteme müssen je nach Ausführung mindestens die Feuchteschutzlüftung (Querlüftung) oder die reduzierte Lüftung (Schachtlüftung) nutzerunabhängig erbringen.
● Ventilatorgestützte Lüftungssysteme müssen mindestens die Nennlüftung nutzerunabhängig erbringen.
Diese Differenzierung ist gerechtfertigt, da Nutzer ventilatorgestützter Systeme eine Lüftung erwarten, die bei normaler Nutzung zu jeder Zeit eine gute Luftqualität bereitstellt. Auch können nach der Energieeinsparverordnung (EnEV) die energetischen Vorteile einer Lüftungsanlage (Wärmerückgewinnung und Bedarfsregelung) nur dann angerechnet werden, wenn die vollständige Lüftung sichergestellt ist.
Bei freier Lüftung zusätzlich manuell lüften?
Bei der freien Lüftung müssen die Nutzer einen Teil der Lüftung selbst übernehmen. Beispielweise muss bei der Feuchteschutzlüftung über Fensterfalzlüfter den Bewohnern mitgeteilt werden, dass sich eine zufriedenstellende Raumluftqualität nur über zusätzliches manuelles Fensteröffnen erreichen lässt. Gleiches gilt bei höheren Feuchtelasten, wie sie etwa durch Wäschetrocknen im Raum entstehen. Ausdrücklich nicht Gegenstand der Norm ist das Sicherstellen der Lüftung zum Feuchteschutz über manuelles Fensteröffnen.
Die DIN 1946-6 liefert im Teil Lüftungskonzept ein einfaches Hilfsmittel, mit dem der „zum Zwecke der Gesundheit und Beheizung erforderliche Mindestluftwechsel“ (EnEV § 6) im dichten Wohngebäude rechnerisch nachgewiesen werden kann. Kriterium hierbei ist der Mindestluftwechsel für den Feuchteschutz, der nutzerunabhängig erbracht werden muss.
Reichen die Anforderungen zu weit?
Genau an dieser Stelle äußerten einzelne Interessengruppen Kritik, da sie der Meinung sind, dass auch die Lüftung zum Feuchteschutz von den Nutzern selbst sichergestellt werden kann und die in der Norm gestellten Anforderungen zu weit reichen. Hierzu bleibt anzumerken, dass die DIN 1946-6 nicht gesetzlich verbindlich anzuwenden ist. Der planerisch Tätige kann im Rahmen seiner Verantwortung auch andere Verfahren zum Nachweis der Anforderungen von EnEV § 6 wählen.
Es gibt Simulationstools und europäische Normen, mit denen sich ein entsprechender Nachweis erbringen lässt. Sie sind allerdings in der Anwendung komplex. Der Normenausschuss war und ist der Meinung, dass die alleinige Behauptung, der Luftwechsel könne über manuelles Fensteröffnen sichergestellt werden, für den Nachweis einer funktionierenden Wohneinheit nicht ausreicht*. Dies gilt insbesondere in vermieteten Wohnungen, wenn zu befürchten ist, dass die Nutzer weniger verantwortungsvoll mit den Räumen umgehen.
In Abhängigkeit vom Lüftungssystem, das in Folge des Lüftungskonzeptes ausgewählt wurde, muss dann der entsprechende Anteil der Lüftung nutzerunabhängig erbracht werden (Bild 3). Ziel ist immer die Auslegung nach Außenluftvolumenstrom zur Sicherstellung einer ausreichenden bzw. guten Raumluftqualität.
● Die Fensterlüftung nach DIN 1946-6 muss mindestens die Feuchteschutzlüftung nutzerunabhängig erbringen.
● Die Schachtlüftung muss mindestens die reduzierte Lüftung und
● die ventilatorgestützte Lüftung mindestens die Nennlüftung erbringen.
● Bei kombinierten Systemen ergeben sich diese Anteile je nach Kombination.
● Die Intensivlüftung kann dann über manuelles Fensteröffnen oder über die Lüftungsanlage erfolgen.
Eine Auslegung, die ausschließlich manuelles Fensteröffnen vorsieht, ist nicht konform zur DIN 1946-6. Nach dieser Norm muss eine Wohnungslüftung zumindest für den Feuchteschutz ausgelegt werden. Dafür sind auch sehr preisgünstige Lösungen verfügbar, z. B. mit Fensterfalzlüftern, die natürlich nicht jeder individuellen Anforderung gerecht werden können.
Die in der Norm festgelegte Vorgehensweise erlaubt die notwendige Flexibilität für individuelle Lüftungsplanungen und erscheint als guter Kompromiss gegenüber einer zu engen und detaillierten regulatorischen Vorgabe.
Das steht nicht in der Norm DIN 1946-6
Wichtig: Die hier geschilderten Zusammenhänge sind für die Auslegung von Lüftungssystemen relevant. Weder die energetische Bewertung der Systeme noch die energetische Auswirkung ihrer regeltechnischen Eigenschaften sind in der DIN 1946-6 enthalten. Sie wurden in der DIN V 18599 beschrieben.
Nutzer kann Lüftungsstufen selbst einstellen
In der neuen Fassung der DIN 1946-6 ist auch klargestellt, dass natürlich der Auslegungsluftvolumenstrom nicht dauernd gefördert werden muss. Der Nutzer kann alle Lüftungsstufen zwischen Feuchteschutz und Intensivlüftung selbst einstellen (ein entsprechender Schalter muss vorhanden sein), oder er kann sich für ein bedarfsgeregeltes Systems entscheiden, das selbstständig die zulässigen und notwendigen Lüftungsstufen einstellt.
Weitere Aspekte der Auslegungsluftvolumenströme werden im 2. Teil der Beitragsreihe erläutert.
Neuerungen bei ventilatorgestützten Lüftungssystemen
Hygienische Anforderungen
In Zusammenarbeit mit dem VDI wurde nun erstmalig sichergestellt, dass die hygienischen Anforderungen an Wohnungslüftungssysteme widerspruchsfrei zwischen der DIN 1946-6 und der VDI 6022 geregelt sind. Grundsätzlich werden in der DIN 1946-6 die Hygieneanforderungen (H) empfohlen. Damit sind die planerischen, baulichen und betrieblichen Anforderungen gleich bzw. verweist die VDI 6022 auf die DIN 1946-6. Besteht jedoch in Wohnungslüftungsanlagen ein begründeter Verdacht auf mikrobiologische Hygienemängel, dann wird umgekehrt in der DIN 1946-6 auf die Verfahren der VDI 6022 verwiesen.
Filterung und Außenluftqualität
Die Filterung der Außenluft wurde auf das neue Klassifizierungssystem gemäß DIN EN ISO 16890 umgestellt. Diese Verfahrensweise erlaubt eine zielgerichtete Auslegung von Filtern nach der gewünschten Zuluftqualität. Dennoch enthält DIN 1946-6 Vorgaben für die Filterklassen, damit nicht jeder Einzelfall individuell ausgelegt werden muss (Bild 4). Die Hygieneempfehlungen nach
DIN 1946-6 erfüllen die Anforderungen der VDI 6022. Nach der Norm sind aber auch Anlagen erlaubt, die nur die bauaufsichtlichen (hygienischen) Mindestanforderungen an Wohnungslüftungsanlagen erfüllen, z. B. für Systeme mit Grundanforderung „G“ oder wenn eine Filterung nicht praxistauglich umgesetzt werden kann.
Wärmedämmung von Luftleitungen
Die Anforderungen an die Wärmedämmung müssen vielfältigen Randbedingungen Rechnung tragen. Die Verluste sollten minimiert werden, der Platzbedarf ist zu berücksichtigen, insbesondere bei der Sanierung, und das Verfahren sollte in der Umsetzung einfach genug sein. Leider sind diese Anforderungen nicht widerspruchsfrei. Aus diesem Grund stehen drei Optionen zur Wahl (Bild 5). Der Planer oder Installateur wählt eine der drei Kategorien, führt entsprechend aus und liefert gegebenenfalls die notwendigen Nachweise.
Energieverluste werden auch hier nicht bewertet. Je nach Ausführung ist die energetische Bewertung mit den Verfahren nach EnEV oder Gebäudeenergiegesetz (GEG) durchzuführen.
Anordnung der Außen- und Fortluftdurchlässe
Vielfach gab es Diskussionen über bisherige Festlegungen, durch die Kurzschlussströmungen und das Ansaugen von Fremdstoffen vermieden werden sollen. Die Festlegungen erfolgten analog zur schweizerischen Norm.
● Eine Ansaugung direkt über Erdgleiche sowie in engen Gruben und Schächten (z. B. Lichtschächten) ist nicht zulässig, um zu vermeiden, dass Keime, Staub und Schnee angesaugt werden.
● Die Mindesthöhe der Ansaugung über Erdgleiche sollte 0,7 m betragen.
● Fortluft soll vorzugsweise über Dach geführt werden.
● Fortluft an der Fassade ist zulässig,
wenn
• geeignete Kombigitter für den gemeinsamen Außen- und Fortluftbetrieb eingesetzt werden,
• Einzelraumlüftungsgeräte eingesetzt werden, deren Fortluftübertragung nach DIN EN 13141-8 gemessen und dokumentiert wurde, oder
• die Mindestabstände zwischen Außenluftansaugung und Fortluft nach Bild 6 eingehalten werden,
• in individueller Nachweis, der gegenseitige Beeinflussung ausschließt, geführt wird.
Wenn ein individueller Nachweis der gegenseitigen Beeinflussung nicht gegeben werden kann, sind die Abstände nach Bild 6 einzuhalten.
Das ist neu in der DIN 1946-6: Erstellung eines Lüftungskonzepts
Im 2. Teil der Beitragsreihe geht es um das Erstellen eines Lüftungskonzepts nach DIN 1946-6 und um das Überprüfen der Notwendigkeit lüftungstechnischer Maßnahmen. Außerdem wird erläutert, was sich bei der Berechnung der Außenluftvolumenströme und der Auslegung von Lüftungskomponenten ändert.
Das ist neu in der DIN 1946-6: Lüftungssysteme auslegen
Der 3. Teil der Reihe stellt Praxisbeispiele zur Auslegung nach der überarbeiteten DIN 1946-6 und DIN 18017-3 sowie zur Auslegung kombinierter Lüftungssysteme vor.
Info
Aktueller Stand der Normung
Im Jahr 2020 wird die Normung im Bereich Wohnungslüftung umfassend überarbeitet. Hier ein Überblick:
Neue Fassungen von Lüftungsnormen
Erschienen sind bereits
Lüftungsnormen, die zurückgezogen wurden
Dieser Artikel erschien zuerst in der Heftausgabe 01-2020 der SBZ unter dem Titel „Neuer Rahmen für die Lüftung“ von Claus Händel.