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Systemvergleich

Keine Alternative zur kontrollierten Lüftung

Als Ersatz oder Alternative für Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung werden Fenster mit integrierten Lüftungslösungen angeboten. Im Wesentlichen gibt es drei Arten dieser Fensterlüftungen: Zunächst ist der Lösungsansatz mit Fensterfalzlüftern zu nennen. Er arbeitet über Klappen und Öffnungen, die sowohl in den Flügel als auch den Rahmen des Fensters integriert werden. Somit wird in geschlossenem Zustand der Fenster eine Lüftung sichergestellt. Das dichte Fenster wird also bewusst undicht gemacht. Eine Erfassung der Raumluftqualität gibt es zudem nicht.

Bei der automatischen Spaltlüftung werden die Fenster mechanisch auf Kippstellung gebracht. Sensoren erfassen Feuchte, Temperatur und Schadstoffkonzentration im Raum; über entsprechende Regelgrößen werden die Fenster geöffnet bzw. geschlossen. Notwendig sind zusätzliche Regensensoren, die dann aber bei entsprechender Witterung mit Sicherheit für eine unzureichende Öffnungsdauer sorgen.

Der dritte Lösungsansatz ist schließlich der Klimagriff, der über eine in den Fenstergriff integrierte Messampel dem Nutzer das Signal zum Öffnen oder Schließen gibt. Hierbei werden ebenfalls über eine Messelektronik die Kenndaten der Innenraumluft erfasst. Allerdings: Der Nutzer muss immer selbst aktiv werden und das Fenster öffnen.

EnEV und DIN 1946-6 regeln Dichtheit und Luftwechsel

Die allgemeine Lüftungsthematik fußt auf drei wesentlichen Säulen: der guten Raumluftqualität, dem sicheren Feuchteabtransport und der hohen Energieeffizienz. Ein Hintergrund dieser Ansätze ist die Sicherstellung des geforderten Mindestluftwechsels in Gebäuden. Wie hoch dieser Luftwechsel ausfallen muss und mit welchen lüftungstechnischen Maßnahmen diese Anforderungen umgesetzt werden können, regelt die DIN 1946-6. Hier gilt es zuerst, die für eine Wohnung oder ein Einfamilienhaus notwendigen Luftmengen planerisch zu ermitteln und nachzuweisen. Ein Fenster selbst ist allerdings keine lüftungstechnische Maßnahme im Sinne der Norm, da die Luftmengen für den Feuchteschutz und die reduzierte Lüftung in jedem Fall nutzerunabhängig erreicht werden müssen.

Hierzu ein Zahlenbeispiel: Bei einer 70 m2 großen Wohnung müssen normgemäß (siehe Tabelle zu den Lüftungsanforderungen nach DIN 1946-6) rund 65m³ Luft bei der reduzierten Lüftung je Stunde ausgetauscht werden. Allerdings kann von diesem Wert der Infiltrationsluftwechsel über die restlichen Leckagen am Gebäude mit etwa 10m³/h abgezogen werden. Die übrigen 55m³/h Luftaustausch müssten beim Verzicht auf eine ventilatorgestützte Lüftung mindestens über ein System der freien Lüftung als Querlüftung erreicht werden, wobei alle Räume einer Wohnung mit Außenluftdurchlässen (ALD) zu versehen sind. Diese ALD müssen verschließbar sein, die Anforderungen an den Schallschutz erfüllen, sich unterschiedlichen Windverhältnissen anpassen können und mindestens eine Insektenschutzvorrichtung haben.

Das physikalische Wirkprinzip ist bei Fens-terlösungen und sonstigen Lüftungsansätzen ohne Ventilator gleich: Es basiert auf dem entstehenden Druckunterschied, der über die Windlasten auf Luv- und Lee-Seiten sowie die Temperaturdifferenzen innerhalb und außerhalb des Gebäudes gerade im Winter entsteht. Luv ist dabei die dem Wind zugekehrte Seite und Lee die dem Wind abgekehrte Seite. Diese Druckdifferenz sorgt für den Luftaustausch. Daraus leitet sich aber auch zwangsläufig ab, dass die Wohnungen immer über zwei gegenüberliegende Fassadenseiten verfügen müssen – sonst geht ohne Ventilator nichts. In Ermangelung normenkonformer Außenluftdurchlässe können sowohl die automatische Spaltlüftung als auch der Klimagriff die hier gestellten Anforderungen nicht abdecken und bergen planerisch schwer zu kalkulierende Risiken in sich. Nur der Fensterfalzlüfter kann noch im weitesten Sinne als ALD definiert werden. Er erfüllt aber zumindest die Anforderung an den Insektenschutz nicht. Bei seiner Auslegung stoßen Planer schnell an die Leistungsgrenzen des Systems, da ein Fensterfalzlüfter als paarweise Anordnung nur etwa 4 bis 5m³/h Luftaustausch abdecken kann. Ein Vergleich zwischen Fensterlösungen und kontrollierten Wohnraumlüftungen mit Wärmerückgewinnung fällt damit eindeutig zugunsten der Wohnraumlüftung aus.

Messung der Luftqualität für die Regelung

Als einfache Methode zur Bemessung der Luftqualität in Innenräumen hat sich die Analyse der CO2-Konzentration bewährt, wobei sich neben dem ausgestoßenen Kohlendioxid als Stoffwechselprodukt unseres Körpers auch Ausdünstungen aus Möbeln, Baustoffen und Bodenbelägen in der Raumluft anreichern. Hier soll laut einer Empfehlung des Bundesumweltamts ein Grenzwert von 1000 ppm (Parts per Million) nicht überschritten werden. Gemeint sind mit der Konzentra­tionsangabe pauschal alle Fremdmoleküle, egal ob CO2 oder vielleicht Formaldehyd. Zur Umsetzung dieser Forderung wird mit 20 bis 30m³/h Luftaustausch je Person geplant. Beim typischen 4-Personen-Haushalt sollte daher eine Austauschmenge zwischen 80 und 120m³/h Luft sichergestellt werden.

Die Messung der CO2-Konzentration als Führungsgröße für die Regelung können Klimagriff und automatische Spaltlüftung zwar leisten, aber sie stellen nicht die ausreichende Luftwechselrate sicher – entweder durch die Abhängigkeit vom Wetter oder durch die (mangelnde) Motivation des Nutzers, auf das Signal zur Fensteröffnung zu reagieren.

Wärmerückgewinnung gibt es nur bei Ventilatorlüftungen

Das Ziel der EnEV ist Energieeffizienz. Daraus resultiert eine dichte Bauweise, sodass Wärme größtenteils nur noch über die Lüftung verloren geht. Angesichts der steigenden Energiepreise und ökologischen Zielsetzungen kann es nicht gewollt sein, diese Wärme über die Fenster ungenutzt entweichen zu lassen. Nur das Funktionsprinzip der Wärmerückgewinnung bei kontrollierten Wohnraumlüftungen ermöglicht eine Einflussnahme, welche die Lüftungsverluste zu einem großen Teil auffängt. Laut einer Studie der Deutschen Energie-Agentur (Dena) lassen sich bei einer kontrollierten Wohnraumlüftung mit Wärmerückgewinnung Einsparungen von mehr als 60 % über die Reduzierung der Lüftungsverluste realisieren. Die bei den Fensterlösungen genannten Einsparpotenziale – je nach Anbieter werden zwischen 5 und 15 % genannt – können nicht ansatzweise die Effizienzwerte von Wärmerückgewinnungsanlagen erreichen.

Luftverschmutzung, Schall- und Einbruchschutz

Generell ist bei der Installation eines Wohnraumlüftungssystems darauf zu achten, dass die Zulufträume, wie Wohn-, Schlaf- oder Kinderzimmer, mit frischer Luft versorgt werden; wohingegen die Entsorgung der verbrauchten Luft über Ablufträume, wie Bad, WC oder Küche, erfolgt. Diese Unterteilung ist bei Fensterlösungen und allen anderen Lüftungsansätzen ohne Ventilatorunterstützung nur bei passender Windrichtung und ausreichender Windstärke sichergestellt.

Weiterhin sollten insbesondere Allergiker von Fensterlösungen Abstand nehmen. Denn die Luft gelangt ungefiltert in den Wohnraum. Bei einer kontrollierten Wohnraumlüftung mit Wärmerückgewinnung sind Filter Standard. Sie verbessern die Luftqualität und halten Pollen sowie sonstige Allergene und Feinstaubpartikel draußen.

Richtig kritisch wird es, wenn man die Parameter Schall- und Einbruchschutz hinzuzieht. Denn durch gekippte Fensterflügel, sei es auch nur über einen definierten Zeitraum, wird die Idee des Schallschutzfensters ad absurdum geführt. Und aus Sicht der Versicherer birgt ein offenes Fenster beim Einbruchschutz schwer kalkulierbare Risiken.

Nur eine Wohnraumlüftung mit Wärmerückgewinnung kann den heute gestellten Anforderungen an lüftungstechnische Maßnahmen entsprechen. Die auf den ersten Blick höheren Kosten lassen sich durch die ausgezeichnete Energieeffizienz dieser Systeme wieder einspielen. Der Einsatz von Luftqualitätssensoren für Kohlendioxid oder flüchtige organische Verbindungen (VOC = volatile organic compounds) aus Möbeln oder Teppichen bzw. für die Erfassung der ­relativen Luftfeuchte ermöglicht es zudem, die Luftmenge noch zusätzlich an die jeweilige Nutzungssituation anzupassen und die Effizienz somit deutlich zu steigern.

Schließlich lässt sich der Einbau einer Wohnraumlüftung mit Wärmerückgewinnung auch als Ersatzmaßnahme auf die Anforderungen des Erneuerbare-Energien-Wärmegesetzes (EEWärmeG) anrechnen. Hierbei kann zum Beispiel die Solaranlage für die Warmwasserbereitung durch die Wohnraumlüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung ersetzt werden. Seit 1. Januar 2012 muss der Bauherr einen Nachweis über die Einhaltung des EEWärmeG 2011 sicherstellen.

Autor

Uwe Schumann ist Leiter der Pluggit Academy, 81829 München, Telefon (0 89) 41 11 25-0, uwe.schumann@pluggit.com, https://www.pluggit.com/