Entgegen einer unter juristischen Laien verbreiteten Auffassung handelt es sich bei der VOB/B nicht um ein Gesetz. Rechtlich beinhaltet sie nichts anderes als Allgemeine Geschäftsbedingungen. Es war daher schon immer naheliegend, die VOB/B anhand der Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs zur Gestaltung rechtsgeschäftlicher Schuldverhältnisse durch Allgemeine Geschäftsbedingungen und damit auch einer Inhaltskontrolle gemäß § 307 ff. BGB zu unterwerfen.
Weil die VOB/B jedoch in der Baupraxis als angemessen und ausgewogen galt, genoss sie nach der bisherigen Rechtsprechung eine Privilegierung: Denn wurde sie „als Ganzes“ und unverändert vereinbart, also mit Ausnahme vereinbarungsoffener Bestandteile, waren die einzelnen Bestimmungen des Klauselwerks einer Inhaltskontrolle entzogen.
Mehr Rechtsunsicherheit bei privaten Bauverträgen
Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 24. Juli 2008 – Az.: VII ZR 55/07 – seine bisherige Rechtsprechung geändert. Ab sofort unterliegen die einzelnen Klauseln der VOB/B bei einer Verwendung gegenüber Verbrauchern einer Inhaltskontrolle nach § 307 ff. BGB. Mit dieser Entscheidung hat der BGH eine im Rahmen des am 1. Januar 2009 in Kraft tretenden Forderungssicherungsgesetzes vorgesehene gesetzliche Regelung vorweggenommen. Denn auch durch diese Gesetzesnovelle wird die Privilegierung der VOB/B gegenüber sonstigen Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Verbraucherverträge aufgehoben.
Das Urteil bringt für die baurechtliche Praxis erhebliche Auswirkungen mit sich. Für alle mit Verbrauchern abgeschlossenen Bauverträge, denen die VOB/B zugrunde liegt, herrscht daher Rechtsunsicherheit. Denn der BGH hat sich in seiner Entscheidung nicht darauf festgelegt, welche der von den Verbraucherverbänden angegriffenen 24 Bestimmungen im Einzelnen einer Inhaltskontrolle nicht standhalten und damit gemäß § 307 ff BGB unwirksam sind. Zur Klärung dieser Fragen hat der BGH das Verfahren an das Kammergericht Berlin zurückverwiesen. Dem Gericht obliegt es nun in den nächsten Monaten zu klären, welche Bestimmungen der VOB/B anhand der gesetzlichen Wertungen des BGB wirksam oder unwirksam sind.
Folgen für die Verjährung und Abnahme
Der Wegfall der Privilegierung der VOB/B und die hieraus ableitbare gesetzliche Inhaltskontrolle wird sich vor allem bei der Frage der Wirksamkeit von Verjährungsverkürzungen nach § 13 Ziffer 4 VOB/B auswirken. Hierbei beträgt bei Neubau und Grundsanierung die Verjährung für Bauwerke bisher nach VOB/B nur vier Jahre anstatt fünf Jahre nach BGB. Auch für Verschleißteile „ohne“ Wartungsvertrag oder bei „feuerberührten“ Teilen beträgt die Verjährungsfrist bisher nur zwei Jahre nach VOB/B anstatt wie beim BGB die Zeitdauer der jeweils produktüblichen Lebensdauer.
Aber auch die in der VOB/B enthaltenen „handwerkerfreundlichen“ Abnahmefiktionen nach § 12 Ziffer 5 Abs. 1 VOB/B (zwölf Werktage nach Zugang einer Fertigstellungsmitteilung beim Kunden) sowie des § 12 Ziffer 5 Absatz 2 VOB/B (sechs Werktage nach Inbetriebnahme der Anlage durch den Kunden) werden in Frage gestellt. Die Meinungen in der Rechtsliteratur zu beiden Einzelfragen, also Verjährung und Abnahme, sind aber weiterhin geteilt. Insoweit muss der weitere Verlauf der rechtlichen Diskussion bzw. der konkrete Inhalt der Entscheidung des Kammergerichtes Berlin abgewartet werden.
VOB/B bei Verbrauchern nicht mehr vereinbaren
Nachdem Musterprozesse zur Verwendung angeblich verbraucherschädlicher Klauseln der VOB/B oder auch Abmahnungen von Verbraucherschutzverbänden nicht mehr ausgeschlossen werden können, sollte mit sofortiger Wirkung auf die Verwendung der VOB/B gegenüber Verbrauchern verzichtet werden. Sofern die Geltung der VOB/B jedoch einseitig vom Bauherrn in Verbrauchereigenschaft – oft bei Einschaltung eines Fachingenieurs oder Architekten – im Rahmen eines einseitig vom bzw. für den Bauherrn vorformulierten Bauvertrages gegenüber dem Handwerker verlangt wird, verzichtet der Bauherr als Verbraucher freiwillig auf seinen Verbraucherschutz und die VOB/B kann weiterhin wirksam vereinbart werden. Auch bei Bauverträgen ausschließlich unter Unternehmern und mit der Öffentlichen Hand, bei denen der Inhalt der VOB/B als Ganzes vereinbart wird, kann die VOB/B weiterhin wirksam vereinbart werden.
Beim BGB-Vertrag mit Verbrauchern beachten
In einem „privaten“ Bauvertrag nach den Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuches gelten andere Spielregeln als nach dem Inhalt der VOB/B. Auf diese geänderte Situation sollte sich der Handwerker beim Neuabschluss von Bauverträgen einstellen, um Nachteile zu vermeiden. Dies gilt insbesondere für den Erhalt von Teil- bzw. Abschlagszahlungen, die Durchsetzbarkeit von Nachtragsforderungen und die Voraussetzungen der Abnahme.
Bei Abschluss eines BGB-Bauvertrages gegenüber Verbrauchern sollte in Zukunft besonderes Augenmerk auf Vereinbarung etwaiger Teilzahlungen (zum Beispiel nach Rohinstallation und Fertiginstallation) in bauvertraglichen Zahlungsplänen gelegt werden. Dies deshalb, weil der gesetzliche Anspruch nach § 632a BGB zur Zeit für Handwerker nur schwer durchsetzbar ist. Hierzu wird auch das Forderungssicherungsgesetz nur teilweise Verbesserungen für den Handwerker bringen.
Nachträge sichern
Auch die konkrete Vereinbarung von Nachträgen vor deren Ausführung ist im BGB-Bauvertrag gegenüber Verbrauchern dringend zu empfehlen. Dies geschieht durch Anzeige des Nachtrags beim Kunden und die Bekanntgabe der voraussichtlichen Nachtragshöhe. Im BGB-Bauvertragsrecht existieren nämlich keine „automatischen“ Anpassungsansprüche nach vorgegebenen Abrechnungskriterien bei Mehr- oder Mindermengen bzw. bei Auftragserweiterungen. Dies war nur in den Regelungen der § 2 Ziffer 3, Ziffer 5 und Ziffer 6 VOB/B der Fall.
Abnahme durchführen
Zudem ist beim BGB-Bauvertrag mit Verbrauchern die regelmäßige Durchführung einer formellen Abnahme dringend empfehlenswert. Dies geschieht am Besten durch Verwendung eines auszufüllenden und beidseitig zu unterzeichnenden Abnahmeprotokolls, das als Niederschrift während des Abnahmetermins angefertigt wird. Denn die stillschweigende Abnahme im BGB-Bauvertragsrecht – wird anders als in der VOB/B – teilweise von der Rechtsprechung nur bei bestimmungsgemäßem Gebrauch in Kombination mit vollständiger Zahlung und kompletter Leistungserbringung anerkannt.
Kostenlose Mustervorlagen und -verträge
Die Muster zur Vereinbarung von Nachträgen und zur Vornahme einer formellen Abnahme sind für Innungsmitglieder über die SHK-Landesverbände kostenfrei erhältlich. Ein komplett überarbeitetes Bauvertragsmuster, das sich eigens zur Verwendung gegenüber Verbrauchern eignet, wird von der SHK-Berufsorganisation erarbeitet und allen Innungsmitgliedern kostenfrei zur Verfügung gestellt, sobald sich die weitere Rechtsentwicklung gegenüber Verbrauchern sicherer und besser einschätzen lässt.
Durch die neue BGH-Entscheidung findet künftig bei Verbraucherbauverträgen eine uneingeschränkte Inhaltskontrolle der VOB/B statt. Unternehmer werden sich im Verhältnis zu Verbrauchern auf diverse Regelungen in der VOB/B nicht mehr berufen können. Selbst dann nicht, wenn sie „als Ganzes“ vereinbart worden ist. Dies gilt allerdings nicht, wenn die VOB/B ausdrücklich auf Veranlassung und Wunsch des Verbrauchers in den Vertrag einbezogen worden ist.
Weitere Informationen
Unser Autor Assessor Matthias Bergmann ist Referent des Fachverbandes Sanitär Heizung und Klima Baden-Württemberg in Stuttgart; Telefon (07 11) 48 30 91, Telefax (07 11) 46 10 60 60, http://www.fvshkbw.de