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Ein Jahr AGG in der Personalpraxis und nun?

Diskriminierung kann teuer werden

Die gute Nachricht zuerst: Eine organisatorische Überbeanspruchung der Arbeitsgerichte, die auf Massenklagen infolge der Anwendbarkeit des AGG zurückzuführen wäre, kann bisher noch nicht festgestellt werden. Nach Angaben der vom Bund eingerichteten Anti-Diskriminierungsstelle, deren Aufgabe die allgemeine Information über den Gesetzesinhalt ist, wurden bis Anfang Juli 2007 nur circa 2.000 Anfragen festgestellt. Auch hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg in einer Pressemitteilung vom 27.6.2007 dargelegt, dass im Zeitraum von acht Monaten in Baden-Württemberg nur 109 Verfahren bei den Arbeitsgerichten eingingen (dies entspricht nur 0,3% aller erstinstanzlichen Prozesse), bei denen Regelungen des AGG zur Anwendung kamen.

Ausgangspunkt ist Wortlaut und Inhalt des AGG

Das AGG sanktioniert die unmittelbare und mittelbare Benachteiligung und Anweisung zur Benachteiligung wegen folgender acht Benachteiligungsmerkmale:

– Geschlecht (Mann und Frau)

– Sexuelle Identität (Homosexuelle, Lesben, Bisexuelle, Transsexuelle usw.)

– Behinderung (jeder erhebliche dauerhafte regelwidrige körperliche Zustand, durch den die Teilnahme am Berufsleben wahrscheinlich über einen längeren Zeitraum eingeschränkt ist, also deutlich mehr als eine therapiefähige Erkrankung, aber nicht nur körperliche Be­einträchtigungen, die die Stufe der Schwer­behinderung oder der Gleichstellung nach SGBIX. erreichen)

– Alter (jedes Lebensalter, egal ob alt oder jung oder mittleres Alter)

– Rasse und ethnische Herkunft (Zugehörigkeit zu einer Rasse, Hautfarbe, Abstammung, Nationalität, einem Volksstamm oder sonstigen Ethnie)

– Religion und Weltanschauung (die anerkannten Weltreligionen mit Ausnahme von Sekten mit kommerziellem Hintergrund. Wichtig ist, dass politische Grundüberzeugungen, auch sofern sie ein zusammenhängendes Weltbild ergeben sollten, nicht unter den Begriff der Weltanschauung fallen.)

Zusätzlich sind Belästigungen und sexuelle Belästigungen verboten. Hierbei sind Belästigungen unerwünschte Verhaltensweisen betreffend eines oder mehrerer der acht Benachteiligungsmerkmale, die bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird und hierbei ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird (feindliches Arbeitsumfeld). Sexuelle Belästigungen sind unerwünschte sexuell bestimmte Verhaltensweisen, die bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn dies in einem feindlichen Arbeitsumfeld geschieht.

Behinderung darf keinen Nachteil zur Folge haben

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in seinem Urteil vom 11.7.2006 (C-13/05 Sonia Chacon Navas ./. Eurest Colectividades SA) entschieden, dass einseitige Personalmaßnahmen des Arbeitgebers (Tätigkeitsänderung durch Direktionsrecht / Änderungskündigung, Entgeltreduzierung durch Änderungskündigung, Beendigungskündigung), die allein wegen einer von einer Behinderung unterscheidbaren Krankheit vorgenommen werden, gerade nicht unter die EU-Richtlinie zum Schutz behinderter Menschen (2000/ 78/EG) fallen.

Dementsprechend hat auch das Bundesarbeitsgericht (BAG) in seinen Entscheidungen vom 18.1.2007 und 19.4.2007 (2 AZR 239/06), der jeweils krankheitsbedingte Kündigungen wegen Erwerbsunfähigkeit bzw. langandauernder Erkrankung zugrunde lagen, die EU-Richtlinie nicht angewandt und auf eine Vorlage an den EuGH verzichtet.

Allerdings ist die Unterscheidung zwischen Behinderung und Krankheit nicht immer eindeutig, weil nicht nur die Schwerbehinderung (mindestens 50%-Grad der Behinderung (GdB) oder mehr bei den körperlichen Beeinträchtigungen), sondern auch eine Behinderung unter 50% (zum Beispiel Gleichstellung nach SGB IX beginnend bereits ab 30% bis weniger als 50% GdB) von der EU-Richtlinie und somit auch vom AGG geschützt wird.

Wie schwierig hierbei im Einzelfall die Abgrenzung ist, zeigt die BAG-Entscheidung vom 3.4.2007 (9 AZR 823/06). Hierbei hatte sich eine an Neurodermitis erkrankte und daher mit einem Behinderungsgrad von 40 % GdB versehene Arbeitnehmerin erfolglos auf eine Stelle in der Parkraumbewirtschaftung beworben. Nachdem sie sich ausschließlich wegen ihrer Behinderung bei der Personalauswahlentscheidung benachteiligt sah, rief sie die Arbeitsgerichte an. In Anwendung des Europarechts verpflichtete das BAG insoweit den Arbeitgeber, darzulegen und nachzuweisen, dass entweder allein und objektiv benachteilungsfreie Auswahlkriterien entscheidend waren oder dass der Bewerberin aufgrund ihrer Behinderung und Erkrankung eine bestimmte körperliche Funktion fehlte, die wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung für die vorgesehen Tätigkeit (hier: Parkraumbewirtschaftung) war.

Demgegenüber hat das LAG Baden-Württemberg (18.6.2007; 4 Sa 14/07) bei einer Arbeitgeberkündigung wegen häufiger Kurzzeiterkrankungen den Aspekt einer zum ­Behinderungsgrad verdichteten Erkrankung nicht berücksichtigt und insoweit indirekt die Anwendung der EU-Richtlinie oder des AGG abgelehnt. Zusätzlich hat es eine Altersdiskriminierung ausdrücklich verneint.

Benachteiligung wegen des Geschlechts darf nicht sein

Nach dem EuGH-Urteil vom 3.10.2006 (C 17/05 Cadmann ./. Health & Safety Executive) ist eine Differenzierung nach der Betriebszugehörigkeit – sofern sie in sich diskriminierungsfrei ausgestaltet ist – in der Regel gerechtfertigt, weil sie geeignet ist, die erworbene Berufserfahrung zu honorieren, die den Arbeitnehmer befähigt, seine Arbeit besser und schneller zu verrichten. Eine etwaige Geschlechterdiskriminierung wird hierbei im Hinblick auf die durchschnittlich geringeren Betriebszugehörigkeitszeiten von Frauen, bei denen in der Regel die Hauptlast von Kindererziehung und Haushaltsführung liegt, dis­kutiert.

In diesem Zusammenhang hat das ArbG Heilbronn am 3.4.2007 (5 Ca 12/07) klargestellt, dass keine mittelbare oder unmittelbare Diskriminierung von Frauen vorliege, wenn eine tarifvertragliche Regelung ausnahmsweise vorsehe, dass Zeiträume der vom Arbeitgeber gewährten Elternzeit (früher Erziehungsurlaub) bei der Berechnung von Betriebszugehörigkeitszeiten zur Entgeltfestsetzung nicht berücksichtigt werden. Die insoweit beschriebenen Nachteile betreffe beide Geschlechter gleichermaßen, da beide Elternteile (Mann oder Frau) Elternzeit beanspruchen könnten und diesbezüglich die Wahlfreiheit beider Elternteile bestehe.

Einen einprägsamen Fall zur Geschlechterdiskriminierung hatte auch das ArbG Stuttgart (26.4.2007, Az. 15 Ca 11133/06) zu entscheiden. Der Kläger bewarb sich erfolglos als Betreuungskraft und an seiner Stelle wurde eine Frau eingestellt. Nachdem der Arbeitgeber für das Gericht keine nachvollziehbaren Angaben zu strikt diskriminierungsfreien Ausschreibungs- und Auswahlkriterien machen bzw. hierzu Unterlagen vorlegen konnte, verlor er nur deshalb den Prozess.

Kritisch zu sehen an diesem Urteil und daher abzulehnen ist aber der Ansatz, dem Arbeitgeber allein aus dem Umstand, dass in der bisherigen Belegschaft allein oder überwiegend Repräsentanten des anderen Geschlechts beschäftigt werden und auch bei der Neueinstellung wieder nur das andere Geschlecht ausgewählt wurde, ohne sonstige Auffälligkeiten und Hinweise im Bewerbungs- oder Auswahlverfahren, eine zusätzliche Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers abzuleiten.

Benachteiligung bei der Altersversorgung nicht zulässig

Nach der BAG-Entscheidung vom 11.12.2007 (3 AZR 249/06) gilt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz auch in der betrieblichen Altersversorgung. Hiernach enthalte die Vorschrift des § 2 Absatz 2 Satz 2 AGG („Für die betriebliche Altersvorsorge gilt das Betriebsrentengesetz“) lediglich eine Kollisionsregel: Soweit sich aus den Bestimmungen des Betriebsrentengesetzes Anknüpfungen an die vom Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz erfassten Merkmale – wie zum Beispiel Lebensalter – ergeben, soll es hierbei verbleiben. Insoweit ist also das Betriebsrentengesetz mit seinen Vorschriften zur Unverfallbarkeit der Betriebsrente und bei Vorgabe bestimmter Altersgrenzen vorrangig.

Soweit aber sonstige Benachteiligungsmerkmale des AGG betroffen sind – wie beispielsweise Geschlecht – ist dessen eigener Anwendungsbereich eröffnet. In dem entschiedenen Fall ging es um eine Versorgungsordnung, bei der ein männlicher Arbeitnehmer eine an keine weiteren Voraussetzungen geknüpfte Hinterbliebenenversorgung zugesagt bekam, wohingegen für Arbeitnehmerinnen immer die Witwenversorgung davon abhängig gemacht wurde, dass die ehemaligen Mitarbeiterinnen den Unterhalt ihrer Familie überwiegend bestritten haben. Genau dies bewertete das BAG als unzulässige Geschlechterdiskriminierung und billigte auch Frauen den uneingeschränkten Hinterbliebenversorgungsanspruch zu.

Auch das Lebensalter sorgt für Zündstoff

Nach § 622 Absatz 2 BGB werden bei der Berechnung von Kündigungsfristen einer Arbeitgeberkündigung nur diejenigen Betriebszugehörigkeitszeiten des Arbeitnehmers berücksichtigt, die vor Vollendung des 25. Lebensjahr liegen.

Konkret wirkt sich dies dahingehend aus, dass beispielsweise ein Arbeitnehmer, der seine Ausbildung im gleichen Betrieb absolviert hat und danach in „jungen“ Jahren unmit­telbar in ein Arbeitsverhältnis übernommen worden ist, bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres schlechter gestellt ist, als derjenige Arbeitnehmer, der erst nach Vollendung des 25. Lebensjahres in dem Betrieb eingetreten ist, obwohl in beiden Fällen nach Jahren möglicherweise genau die gleiche Zeit im Betrieb verbracht wurde.

Nachdem sich diese unterschiedlichen Auswirkungen nur aufgrund der „starren“ Lebensaltergrenze von 25 Jahren bei der Berücksichtigung von Zeiten der Betriebszugehörigkeit ergeben, sind Diskussionen darüber entstanden, ob die gesetzliche Vorschrift des § 622 Abs. 2 BGB insofern mit den europäischen Richtlinien, die in Deutschland neben dem AGG anwendbar bleiben, vereinbar sind.

In einer rechtskräftigen Entscheidung vom 23.1.2007 (AZ 1 Ca 426/06) war das ArbG Lörrach der Auffassung, dass unter den Wortlaut von § 2 Absatz 4 AGG, wonach für ­Kündigungen ausschließlich die Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz gelten, nicht nur die Vorschriften des gesamten Kündigungsschutzgesetzes, sondern auch § 622 Absatz 2 BGB für die Kündigungsfrist falle und daher beides anhand des AGG nicht überprüft werden könne. Es könnten daher weiterhin nur alle Betriebszugehörigkeitsjahre, die jeweils nur nach Vollendung des 25. Lebensjahres liegen, angerechnet werden.

Das LAG Berlin-Brandenburg hat am 24.7. 2007 (7 Sa 561/07) demgegenüber geurteilt, dass die Berechnung von Kündigungsfristen – unter Nichtberücksichtigung aller Betriebszugehörigzeiten, die vor Vollendung des 25. Lebensjahres liegen – gegen höherrangiges Europarecht verstoße. Als Reaktion hierauf hat sich das LAG Düsseldorf am 21.11.2007 (12 Sa 1311/07) entschlossen, die Vereinbarkeit des §622 Absatz 2 BGB mit Europäischem Recht unter dem Gesichtspunkt einer etwaigen Altersdiskriminierung junger Menschen dem EuGH zur Entscheidung vorzulegen.

Der EuGH wird also die Möglichkeit bekommen, sich hierzu abschließend und umfassend selbst zu äußern. Hierbei wird insbesondere auch zu klären sein, ob bezüglich des Kriteriums Lebensalter als anerkanntem ungeschriebenen Grundsatz des Europäischen Verfassungsrechts seit Erlass der Mangold-Entscheidung des EuGH vom 22.11.2005 (C-144/04) schon eine hinreichend konkretisierte EuGH-Rechtsprechung besteht, die die von einem nationalen Fachgericht vorgenommene Verwerfung eines formellen Bundesgesetzes, das seit Jahrzehnten in Deutschland gleichförmig vollzogen wird, überhaupt ermöglicht.

Angesichts der insoweit gespaltenen Rechtsprechung der Arbeitsgerichte sollten bis zur endgültigen EuGH-Entscheidung auch in Zukunft daher die Kündigungsfristen bei Arbeitgeberkündigungen – wie ausdrücklich im Wortlaut des § 622 Absatz 2 BGB vorgesehen – weiterhin nur nach der Betriebszugehörigkeit der Arbeitnehmer, die jeweils nach der Vollendung des 25. Lebensjahres liegt, berechnet werden.

Meinungsstreit der Gerichte zu Lebenspartnerschaften

Bereits unmittelbar nach Inkrafttreten des AGG im August 2006 wurde die Frage diskutiert, ob arbeitsrechtliche Ansprüche, die direkt oder indirekt an das Bestehen oder die Begründung einer Ehe zwischen heterosexuellen Partnern anknüpfen, eine nicht gerechtfertigte Benachteiligung von Personen einer eingetragenen gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz darstellen könne.

Außerhalb des Arbeitsrechtes sah der BGH am 14.2.2007 (IV ZR 267/04) die Einschränkung einer Hinterbliebenenrente auf Ehepart­ner und damit den Ausschluss der Personen einer eingetragenen Lebenspartnerschaft als mit den EU-Richtlinien vereinbar an. Ähnlich hatten dies auch bereits einheitlich zuvor das BVerwG am 26.1.2006 (2C 43/04) zum beam­tenrechtlichen Familienzuschlag und der BayVGH am 29.7.2005 (9 ZB 05.737) zur Hinterbliebenenrente aus der Versorgungsanstalt deutscher Bühnen beurteilt.

Ausgangspunkt der Diskussion im Bereich des Arbeitsrechtes muss auch der Inhalt des Lebenspartnerschaftsgesetzes sein. Hiernach sind die eingetragenen Personen sich jeweils gegenseitig nicht nur zur Unterhaltsleistung, sondern auch zur Fürsorge und Unterstützung sowie zur gemeinsamen Lebensgestaltung verpflichtet. Die steuerliche Privilegierung („Ehegattensplitting“) fehlt jedoch ausdrücklich. Zwischen eingetragenen Lebenspartnern und Ehegatten bestehen daher nur vergleichbare finanzielle und soziale Bindungen, da die steuerliche Privilegierung gerade nur den Ehegatten vorbehalten ist.

Neben dem entscheidenden Unterschied in der fehlenden steuerlichen Privilegierung kann für den Ausschluss von eingetragenen Lebenspartnerschaften angeführt werden, dass hierbei nicht an die sexuelle Ausrichtung einer Person, sondern an dessen Familienstand angeknüpft werde. Dies wirkt sich mit dieser Anknüpfung gerade immer auch für heterosexuelle Personen gleichermaßen aus, die gewollt oder ungewollt zeitweise oder dauerhaft unverheiratet sind. Ergänzend kann hierzu auf Erwägungsgrund 22 der RL 2000/78/EG Bezug genommen werden, in dem es heißt, dass die Richtlinie einzelstaatliche nationale Rechtsvorschriften über den Familienstand und davon abhängige Leistungen unberührt lassen wolle.

Unabhängig davon kann möglicherweise die Ehe im Hinblick auf Fortpflanzung und Kindererziehung (reproduktionsfähige Lebensgemeinschaft bzw. Keimzelle der Familie), dem für die weitere demographische Entwicklung in Zukunft ganz wesentlichen ­Anliegen, in zulässiger Weise bevorzugt ­werden.

Das VG München hat durch Gerichtsbeschluss vom 1.6.2006 (M 4 K 5.1595) dem EuGH (C-267/06) die Frage zur Vorabendscheidung vorgelegt, ob die Nichtgewährung einer „Witwenrente“ für Hinterbliebene einer eingetragenen Lebenspartnerschaft wegen Benachteiligung bezüglich der sexuellen Orientierung unzulässig sei. In seinem Schlussantrag vom 26.9.2007 hat der Generalanwalt – laut Presseberichten – aber dahingehend tendiert, dies zu bejahen. Der Europäische Gerichtshof hat hierzu in seiner Entscheidung vom 1.4.2008 unter Aktenzeichen C-267-06 für eine Regelung der betrieblichen Altersversorgung entschieden, dass eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts dann gegeben ist, wenn sich überlebende Ehegatten und überlebende Lebenspartner in Bezug auf die Altersversorgung in einer vergleichbaren Lage befinden. Konkret hat der EuGH in dieser Rechtssache den Einzelfall zur endgültigen Entscheidung an das VG München zurückverwiesen.

Sind Altersgrenzen zur Berufsausübung unwirksam?

Der EuGH hat in seinem Urteil vom 16.10.2007 (C-411/05 Palacios de la Villa ./. Cortefiel Servicios SA) tarifvertragliche Altersgrenzen, die für die Arbeitnehmer den Eintritt in den Ruhestand mit einem Regelrentenbezug vorsehen, mit dem Europäischen Recht für vereinbar erklärt, sofern diese Maßnahme, wenn sie auf das Alter abstellt, objektiv und angemessen ist und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel (Beschäftigungspolitik und Arbeitsmarkt) gerechtfertigt ist und die Mittel, die zur Erreichung dieses im Allgemeininteresse liegenden Zwecks liegen, nicht als dafür unangemessen bzw. nicht erforderlich erscheinen.

Zuvor hatten bereits sowohl das ArbG Frankfurt vom 14.3.2007 (6 Ca 7405/06) als auch in der Berufung das LAG Frankfurt am Main am 15.10.2007 (17 Sa 809/07) die tarifvertraglich vorgesehene Altersgrenze für Lufthansapiloten (60. Lebensjahr) mit dem AGG und dem EU-Recht vereinbar angesehen, weil sie trotz starrem Altersbezug jedenfalls zum Schutz von Leib und Leben der Besatzung, der Passagiere und der Allgemeinheit in den überflogenen Gebieten gerechtfertigt sei.

Mit jeweils ähnlicher Begründung haben auch das BVerfG am 26.1.2007 (2 BvR 2408/06) zur Einschränkung der Verkehrspilotenlizenz auf das 65. Lebensjahr und auch das OLG Lüneburg am 13.9.2006 (12 ME 275/06) für die Zeitbegrenzung auf 68 Jahre für flugmedizinische Sachverständigentätigkeiten entschieden. Auch hat das LSG Baden-Württemberg (23.10.2006; L 5 KA 4343/06) die auf höchstens das 68. Lebensjahr eingeschränkte Ausübung einer Kassenarztzulassung sowie das OLG Frankfurt vom 28.11.2006 (2 Not 13/06) die Altersbegrenzung von 70 Jahren für die Ausübung der Notartätigkeit jeweils für zulässig erklärt.

Arbeitnehmer hat Beweislast für Schadensersatzsansprüche

Als Folge von nicht gerechtfertigten und hinreichend nachweisbaren Benachteiligungen kommen Ansprüche auf Schadensersatz bzw. Entschädigung (§ 15 AGG) in Betracht. Allerdings muss der Arbeitnehmer seinen Anspruch, innerhalb einer Frist von zwei Monaten ab Kenntnis über das Vorliegen einer Benachteiligung, beim Arbeitgeber schriftlich geltend machen (§ 15 Abs. 4 AGG) und spätestens binnen weiterer drei Monate nach der schriftlichen Geltendmachung Klage erheben (§ 61 ArbGG).

Außerdem muss der Arbeitnehmer Indizien beweisen, die eine Benachteiligung vermuten lassen (zum Beispiel keine geschlechtsneutrale Stellenausschreibung oder andere Auffälligkeiten im Bewerbungsverfahren). Dem Arbeitgeber obliegt erst dann die Beweisführung, dass eine Benachteiligung nicht stattgefunden hat oder gerechtfertigt war. Auch besteht die Möglichkeit, das Vorliegen der Indizien zu bestreiten. Hierbei kann vom Arbeitgeber argumentiert werden – was das Ziel jedes Bewerbungsverfahrens sein dürfte – dass der objektiv bestqualifizierte Bewerber ausgewählt und eingestellt worden sei (Beispiel: Geselle mit dem besten Abschlussnoten aller Bewerber oder mit der besten Fachqualifikation für die konkret vorgesehene Tätigkeit).

Einen ersten Fall zur Beweislastverteilung einer angeblichen Geschlechterdiskriminierung – allerdings noch vor Inkrafttreten des AGG und damit noch zur Vorgängervorschrift des § 611a BGB – hatte das LAG Berlin am 19.10.2006 (2 Sa 1776/06) entschieden. Hiernach reicht das Vorliegen einer Schwangerschaft als Indiztatsache für eine Diskriminierung allein nicht aus. In der Beweisaufnahme hatte sich hierzu ergeben, dass die vom Vorgesetzten verwandte Formulierung „familiäre Situation“ sich als sprachliche Ungeschicklichkeit herausstellte und die Entscheidung zur Nichtbeförderung tatsächlich bereits vorher ohne Berücksichtigung der Schwangerschaft benachteiligungsfrei getroffen wurde.

Rechte der Arbeitgeber bei Bewerbungenmissbrauch

Unabhängig von der Einhaltung der vorgenannten Form- und Fristvorschriften nach AGG und ArbGG kann die Geltendmachung von Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüche bei erfolgloser Bewerbung durch Arbeitnehmer auch rechtsmissbräuchlich und daher nicht durchsetzbar sein, wenn die betreffende Bewerbung des Stellenbewerbers angesichts der äußeren Umstände als nicht ernsthaft anzusehen ist (Bewerber „objektiv geeignet“ und Bewerbung „subjektiv ernsthaft“). Hierzu einige Beispiele aus der neuen und alten Rechtsprechung, die auf das AGG übertragbar ist:

So war das LAG Baden-Württemberg am 13.8.2007 (3 Ta 119/07) mit einem sehr auffälligen Sachverhalt befasst. Hierbei kam der Kläger als Volljurist mit zwei juristischen Staatsexamina zwar objektiv für eine ausgeschriebene Juristentätigkeit in der ARGEALGII in Betracht. Allerdings hatte der Kläger nur allgemeine Kenntnisse aus dem Unterhaltsrecht aufzuweisen und erlangte seine Zusatzkenntnisse im Sozialrecht nur durch die eigene Beantragung auf Leistungsgewährung nach SGB II. Vor diesem Hintergrund wurde die Annahme einer ernsthaften Bewerbung verneint.

Das ArbG Potsdam hat in seinem Urteil vom 13.7.2005 (5 Ca 1150/05) entschieden, dass die Vermutung einer Benachteiligung wegen des Geschlechts entkräftet werden könne, wenn dargelegt wird, dass die Bewerbung subjektiv nicht ernsthaft war und von vornherein auf Zahlung einer Entschädigung ausgelegt war. Hierbei hatte ein Bewerber vorher ein monatliches Gehalt in Höhe von 6.400 Euro und wollte zukünftig nur mit 2.500 Euro bezahlt werden.

Auch das LAG Berlin-Brandenburg bejahte in seinem Urteil vom 14.7.2004 (15 Sa 417/04) Zweifel an einer ernsthaften Bewerbung, weil die Klägerin als Volljuristin mit umfassender Weiterbildung sich auf eine Stellung als Sekretärin beworben hat. Ausschlaggebend für Schadenersatzansprüche war aber zusätzlich und maßgeblich die Vielzahl von Bewerbungen gerade dieser Klägerin bei weiteren Stellenangeboten vieler anderer Arbeitgeber.In einer weiteren Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg am 30.3.2006 (10 Sa 2395/05) wurde ausgeführt, dass eine subjektiv ernsthafte Bewerbung in Frage gestellt sei, wenn ein Bewerber zu einer als wesentlich erkennbaren Einstellungsvoraussetzung keine Angaben mache oder weit überzogene Gehaltsvorstellung äußere.

Entschädigungshöhe bis zu drei Monatsvergütungen

Auch in diesem Punkt sind die bisher ergangenen Gerichtsentscheidungen sehr moderat geblieben. Sehr früh geäußerte Bedenken über extrem hohe Schadensersatzansprüche, die an das angelsächsische oder amerikanische Rechtssystem angelehnt sein können, haben sich also nicht bestätigt.

Eine Flugbegleiterin, die erfolgreich eine Geschlechterdiskriminierung darlegen und beweisen konnte, bekam eine Entschädigung in Höhe von drei Monatsvergütungen zu jeweils 1350 Euro brutto (ArbG Frankfurt a. M., Urteil vom 29.05.2007, 11 Ca 8952/06) zugesprochen. Das ArbG Stuttgart erkannte in seinem Urteil vom 26.04.2007 (15 Ca 11133/ 06) ebenfalls bei einer Geschlechterdiskriminierung auf eine Entschädigung in Höhe von 1.500 Euro.

Soweit einige Gerichtsentscheidungen, die die Grundzüge und den Grundgedanken der Gesetzgeber und der bisherigen richterlichen Entscheidungen näher bringen. Diese prägnanten Beispiele kommen zwar nicht aus der SHK-Branche, zeigen aber sehr wohl auf, dass auch in den Handwerksbetrieben nicht gegen das AGG verstoßen werden darf. Sonst drohen Arbeitsgerichtsverfahren und empfindliche Sanktionen. Deshalb sollte beim Verhalten im Betrieb und beim Abfassen von Briefen und Dokumenten stets auf nicht angreifbare Formulierungen geachtet werden. Und wer es ganz genau wissen will: Den Wortlaut des Gesetzestextes finden SBZ-Leser unter http://www.gesetze-im-internet.de/agg/.

Weitere Informationen

Unser Autor Assessor Matthias Bergmann ist Referent des Fachverbandes Sanitär Heizung Klima Baden-Württemberg in Stuttgart; Telefon (07 11) 48 30 91, Internet: http://www.fvshkbw.de

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