Der dreistufige Vertriebsweg steht sehr stark unter Druck. Die Marktforscher von Bauinfo-Consult haben bei einer Befragung unter SHK-Installateuren herausgefunden, dass bereits von 2011 bis 2013 ein signifikanter Rückgang des Anteils der Materialbeschaffung des Fachhandwerks über den dreistufigen Vertriebsweg festzustellen ist. Nämlich von 95 auf nur noch 69 %. Parallel dazu ist die Beschaffung aus anderen Quellen gestiegen. Im Direktvertrieb über den Hersteller zum Beispiel von 1 auf 14 %. Online-Shops und andere Direktvertriebs-Unternehmen, die ein stationäres Vertriebsnetz aufbauen oder unterhalten, verzeichnen ebenso steigenden Zuspruch wie Baumärkte (von 3 % auf 17 %).
Differenzierung über Handelsmarken
Der Großhandel differenziert sich über eigene Handelsmarken, welche exklusiv beim jeweiligen Großhändler zu beziehen sind, zu recht günstigen Preisen. Damit versuchen sie, die Vergleichbarkeit zu umgehen und die eigene Marge zu schützen bzw. zu verbessern. Für Handwerker bedeutet dies aber auch, dass die Vergleichbarkeit der Produkte durch den Verbraucher nicht mehr durchgängig gegeben ist, insbesondere auch nicht zu Internet-Preisen. Weil dort die Großhandels-Eigenmarken meist nicht präsent sind. Dies ist für das Fachhandwerk ein Pluspunkt, weil eben diese Vergleichbarkeit mit Online-Plattformen doch sehr starken Preisdruck ausübt.
Großhandel spricht Endkunden direkt an
Der Großhandel hatte in der Vergangenheit bisher bewusst kein Marketing vorgenommen, das auf Endkunden ausgerichtet war. Das war im Sinne des dreistufigen Vertriebsmodells, bei dem das Handwerk die Hoheit über die Schnittstelle zum Verbraucher besitzt. Der Großhandel hat aber erkannt, dass derjenige, der den führenden Kontakt besitzt und darüber das Geschäft gestaltet, die Dominanz in der Wertschöpfungskette erhält. Von daher versucht er immer stärker, bei Endkunden wahrgenommen zu werden und sich auf diese auszurichten. Ziel ist, sie in die eigenen Ausstellungen zu bekommen, um dort die gesamte Planung, den Verkaufsprozess und möglichst auch den Vertragsabschluss direkt vorzunehmen.
Die GC-Gruppe (Cordes und Gräfe mit Stammsitz in Bremen) hat ihre Ausstellungen umbenannt in „Elements“ und spricht damit gezielt den Endkunden an, sogar mit Fernsehwerbung. Man versucht, den Kunden in der Ausstellung zu beraten und möglichst gleich vor Ort zu einem Vertragsabschluss zu kommen. Formal wird das Geschäft weiterhin über den Handwerker abgewickelt, aber sollte das Vertriebsmodell Erfolge zeigen, kann man sich auch schnell eine Umwandlung vorstellen, indem dann der Abschluss direkt mit dem Großhandel stattfindet. Damit entsteht eine klare Gefahr für das selbstständige, eigenverantwortliche Auftreten des Handwerkers am Markt. Es kann dazu kommen, dass man nur noch ausführender Sub-Unternehmer des Großhandels wird.
Chancen für das Handwerk
Das Handwerk muss versuchen, soweit wie möglich weiter als selbstständiges Unternehmen am Markt aufzutreten. Das heißt, ein ganzheitliches Angebot für den Endkunden anbieten, mit Vertrieb, Planung, Ausführung und Service.
Chance 1: Konzentration auf profitable Nischen mit eigenem Know-how
Wichtig erscheint es, sich als kleiner bzw. mittelständischer Handwerker ausreichend zu spezialisieren und darüber die eigene Effizienz zu optimieren. Dies beginnt mit einer klaren marktorientierten, sichtbaren Ausrichtung. Auf zum Beispiel den Neubau oder die Renovierung, auf die Bereiche Heizung, Bad oder Klima- und Lüftungstechnik. Es sollte zudem eine Ausrichtung auf wenige Produkte erfolgen, damit man genau dort die nötige Erfahrung und Fachkenntnis hat, um Fehler zu vermeiden.
Chance 2: Konzentration auf Hersteller, von deren Markenimage man profitiert
Der Bereich Heizung dient als Vorbild bei der Konzentration. Dort gibt es seit Jahren große namhafte Hersteller wie Buderus und Viessmann, die ein umfassendes Angebot aufgebaut haben. Über den Direktvertrieb setzen sie auf eine optimale Integration zum Handwerk hin und unterstützen es mit ihrer Marke. Das Handwerk erhält ein durchgängiges Sortiment von seinem Hersteller, die komplette Vertriebsunterstützung und über den Markennamen ein glaubwürdiges Auftreten gegenüber Verbrauchern. SHK-Unternehmer bleiben Herr des Vertriebs und der Installation im Sinne der Problemlösung beim Kunden.
Die großen Hersteller im Sanitärbereich befinden sich weiter im Wachstum und zielen strategisch auf die Schaffung einer ähnlichen Situation: auf den Aufbau eines umfassenden Produktangebotes, damit ein komplettes Bad und die zugehörige Installation „aus einer Hand“ bezogen werden können. Hier nur drei Beispiele: Grohe als Teil der Lixil-Gruppe wird weiter sein Produktspektrum in Richtung Keramik und Acryl ausbauen; Geberit, bisher stärker hinter der Wand vertreten, hat mit der Sanitec-Gruppe unter anderem Keramag übernommen und sich damit den Bereich vor der Wand erschlossen; die Franke-Gruppe beteiligt sich an Duravit, wodurch sich ein Produktportfolio von Keramik und Armaturen aus einem Verbund entwickeln kann.
Damit würde für die großen Sanitärhersteller die Chance entstehen, sinnvoll einen Direktvertrieb mit einer sehr hohen Integration zu den Handwerkern zu etablieren. Die Vorstufe, der Aufbau einer intensiven Markenbindung bei den Handwerkern, wird bereits konsequent von allen Herstellern verfolgt. Das öffnet für Handwerker mit einer deutlichen Positionierung und Fokussierung klare Chancen: Das Auftreten als Spezialist wird vom Kunden honoriert.
Chance 3: Der Handwerker integriert sich in Kooperationen und differenziert sich über deren Markenaufbau
Zum Teil findet bereits eine klare Differenzierung statt. Es gibt gerade im Badbereich auf das Hochpreissegment zielende Handwerker, die an einem positiven Markenaufbau teilhaben, den große Handwerkerkooperationen anbieten. An vorderster Stelle ist da die SHK AG zu nennen, aber auch Garant Bad+Haus und EC Nord schaffen Angebote in dieser Richtung. Bei der SHK AG beispielsweise gibt es die Marketing-Konzepte „Badgestalter“ und „Meister der Elemente“, wodurch Handwerksunternehmen von einem bundesweiten Marktauftritt profitieren. Durch ein bewährtes Marketingkonzept und ein professionelles Auftreten sollen zahlungskräftige Kunden überzeugt werden, es können akzeptable Preise erzielt werden.
Chance 4: EDV-Einsatz schafft Transparenz und führt zur Prozessverbesserung
Bereits seit einiger Zeit übt Preistransparenz im Internet durch Online-Shops wie Reuter-Bad und Megabad Druck auf das Fachhandwerk aus, aber auch auf den Großhandel. Die Einzel-Preise beim Material und insbesondere bei teuren Objekten wurden für den Verbraucher sichtbar und sehr einfach vergleichbar. Ein sehr hoher Materialgemeinkostenzuschlag wird häufiger nicht mehr akzeptiert.
Inzwischen kommt hinzu, dass neue Wettbewerber entstehen, etwa in Form von Thermondo, die auf eine durchgängige EDV-Kette mit optimierten Abläufen setzen und damit deutlich reduzierte Kosten im Vertriebs- und Arbeitsvorbereitungsprozesses erzielen. Durch systematisches Abfragen, Fotos und das Ausmessen vor Ort durch die Kunden selber wird eine effiziente Angebotsausarbeitung online ermöglicht. Deutliche Kosteneinsparungen für die Kunden ergeben sich durch eine automatisierte Arbeitsplanung sowie das entsprechende Materialmanagement. Das schlägt den Auftritt des klassisch traditionellen Handwerkers, der Endkunde erhält ein gutes Gefühl bei einem bisweilen geringeren Preis.
Die Optimierung der Abwicklungskette im Fachhandwerk muss deswegen für eine hohe Effizienz sorgen, um wettbewerbsfähige Preise bieten zu können. Hier gilt es insbesondere, durch eine durchgängige EDV eine gute Materialwirtschaft und auf der Baustelle Verzögerungen und nicht bezahlte Zeiten zu vermeiden. Heute bietet sich die Möglichkeit einer Online-Zubuchung von Teilen zu einem Auftrag an, damit nichts bei der Rechnung vergessen wird, gekoppelt mit einer Online-Nachbestellung von Verbrauchsteilen direkt von vor Ort beim Kunden an, sodass Fehlteile wirkungsvoll vermieden werden.
Für die Zukunft: Klare Positionierung und effiziente EDV-gestützte Abwicklungskette für Handwerk, Großhandel, Hersteller
Derzeit stellt jede Stufe, Hersteller – Großhandel – Handwerk, Forderungen im Hinblick auf eine faire kooperative Zusammenarbeit, ein gemeinsames Kämpfen für die Marke, eine frühzeitigere Bestellung, eine schnellere Abwicklung und bessere Preise. Aber man arbeitet nur begrenzt miteinander. Gerade der Großhandel geht gegenüber den großen Markenherstellern mit seinen Eigenmarken auf Konfrontationskurs, wogegen sich die Industrie nur über eine Wachstumsstrategie und die direkte Ansprache der Endverbraucher und Fachhandwerker wehrt, mit der Option der Zweistufigkeit. Handwerker wiederum spielen mitunter Großhändler gegeneinander aus und nutzen inzwischen immer stärker andere Bezugsquellen, etwa den Direktbezug vom Hersteller, Internet-Shops und Baumärkten. Letztendlich aber gilt es, eine effiziente EDV-gestützte Abwicklungskette aufzubauen, um die Abläufe zu vereinfachen und den immer stärkeren Zusatzaufwand der Organisation klein zu halten, um damit eine möglichst hohe Wertschöpfung zu erzielen.
Das SHK-Fachhandwerk benötigt in Zukunft eine integrierte EDV, um Kunden im Internet bei ihrer Online-Recherche zu begeistern und abzuholen. Um Verbrauchern die Möglichkeit zu geben, ihre Bedürfnisse zu berücksichtigen und selbst zu planen, als Basis für die darauf aufbauende, persönliche Beratungsdienstleistung durch das Handwerk, beim Kunden zu Hause oder in der Ausstellung des Handwerks oder des Großhandels. Die Kundenplanung auf dem EDV-Werkzeug ist Basis für eine sehr schnelle und effiziente Angebotserstellung sowie für eine effiziente Arbeitsplanung und das Materialmanagement. Durch die durchgängige Kette werden Kosten eingespart und Aufträge für das Handwerk und den Großhandel gesichert, die nicht im Do-it-yourself-Bereich enden. Damit kann das klassische Handwerk neuen Wettbewerbern wie www.selfio.de den Wind aus den Segeln nehmen und deren Expansion erfolgreich verhindern. Die Software kann bei der Dreistufigkeit vom Großhandel kommen, bei einer zweistufigen Orientierung vom Hersteller.
Zusammenfassung
Alle Seiten des Vertriebs wünschen sich Erfolg durch gemeinsame Anstrengungen. Jedoch sieht es in der Realität so aus, dass der Lieferant sich häufig mehr anstrengt und dafür nicht immer von der Kundenseite partnerschaftlich behandelt wird. Der Handel setzt trotz der von der Industrie geforderten exklusiven Ausrichtung auf den dreistufigen Vertriebsweg immer stärker auf Eigenmarken und bevorzugt diese konsequent. Dieser Umstand wiederum verärgert die Industrie, welche an Gegenoptionen arbeitet und dabei versucht, immer stärker direkt Einfluss auf Endverbraucher und Handwerk zu nehmen, was bei der Konsolidierungstendenz immer besser gelingen wird (etwa Vaillant mit www.heizungonline.de).
Das Handwerk wiederum fordert eine faire Zusammenarbeit mit dem Handel, setzt aber wiederum selbst auf Flexibilität bezüglich seiner Beschaffungswege und will sich hier nicht immer binden. Zudem fordert es eine hohe Verfügbarkeit, eine schnelle Lieferung und kostenfreie Rücknahmen, was sich aber preistreibend bei Handel und Industrie auswirkt. Die wesentliche Stärke des Großhandels ist seine einmalige Logistik- und Finanzierungsleistung, die für viele Handwerker lebensnotwendig ist.
Der dreistufige Vertriebsweg wird sich aber wandeln und muss sich wandeln, um langfristig attraktiv zu bleiben. Eine wesentliche Voraussetzung dafür ist eine durchgängige EDV-gestützte Projektabwicklung. Hier ist es die Chance des Großhandels und der Hersteller, kleinen und mittleren Handwerkern eine durchgängige EDV-Lösung kostenfrei zu bieten und diese im Gegenzug an sich zu binden und damit zu einer Wertschöpfungspartnerschaft zu gelangen. Ohne effiziente EDV-Unterstützung ist der moderne Handwerker auf Dauer nicht überlebensfähig. Nur die größeren Handwerksbetriebe können auf eigene Lösungen setzen.
Das Handwerk wird sich wandeln. Es hat durch die Knappheit von Fachkräften eine Chance, sich weiter positiv zu positionieren, indem es die neuen Herausforderungen angeht und sich effizient organisiert.
INFO
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Im Studienjahr 2015/2016 hat der Studiengang BWL (Branchenhandel Bau, Haustechnik, Elektro) der Dualen Hochschule Baden-Württemberg Mosbach (DHBW) eine Befragung zum Thema Zusammenarbeit in der Wertschöpfungskette Bau und Haustechnik durchgeführt. Mit dem Ziel, den aktuellen Status zu erfassen und mögliche Verbesserungspotenziale zu erkennen. Der vorliegende Beitrag fasst die Ergebnisse zusammen. An der Befragung wirkten mit: 14 Mitarbeiter von Industrieherstellern, 21 verantwortliche Mitarbeiter von Großhändlern, sowie 12 Mitarbeiter von Handwerksunternehmen.
Tipp
Branche im Dialog
Die wesentlichen Entwicklungen in der Wertschöpfungskette und die Ergebnisse der Befragung sowie die Schlussfolgerungen daraus werden ein zentrales Thema der Veranstaltung „Branche meets Hochschule“ am Donnerstag, 8. September 2016, sein. Sie wird unterstützt durch Geberit, die kostenfreie Anmeldung erfolgt über die Homepage des Studiengangs (Rubrik Veranstaltungen). Die Veranstaltung beginnt um 9 Uhr, das Ende ist gegen 16 Uhr geplant. Themen werden u. a. sein „Wie kommen die Kunden in Zukunft zum Bad – Kontaktpunkte zum Endkunden“ (Referent Tobias Pfoh, Mosbachabsolvent und Badnet-Partner) und „Megatrends – gesellschaftliche Veränderungen, Standardisierung und Digitalisierung und deren Auswirkungen auf die Branche“ (Jens Wischmann, Vereinigung der deutschen Sanitärwirtschaft und Prof. Dr. Alexander Neumann, DHBW Mosbach).
Autor
Prof. Dr. Alexander Neumann ist Leiter des Studienganges BWL (Branchenhandel Bau, Haustechnik, Elektro) an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Mosbach. Tel.: (0 62 61) 93 91 13, E-Mail: alexander.neumann@mosbach.dhbw.dewww.dhbw-mosbach.de/bhe