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2. KSG-Bilanz

2021 sind die Treibhausgasemissionen um 4,5 % gestiegen

Inhalt

Umweltbundesamt

2021 sind die Treibhausgasemissionen in Deutschland wieder gestiegen. Im Gebäudesektor wurden die Ziele des Bundes-Klimaschutzgesetzes erneut verfehlt. Ein vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz angekündigtes Sofortprogramm soll das korrigieren.

Nach einem deutlichen Rückgang im Jahr 2020 sind die Treibhausgasemissionen in Deutschland wieder gestiegen. Nach vorläufigen Daten wurden im Jahr 2021 rund 762 Mio. t CO2-Äquivalent (CO2e) an Treibhausgasen freigesetzt – das sind gut 33 Mio. t CO2e oder 4,5 % mehr als 2020. Das geht aus den aktuellen Berechnungen des Umweltbundesamts (UBA) hervor, die nach den Vorgaben des Bundes-Klimaschutzgesetzes (KSG) und der EU-Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED) vorgelegt wurden.

Der Anstieg im Jahr 2021 ist insbesondere im Energiesektor zu verzeichnen: Dieser weist ein Plus von 27 Mio. t CO2e auf, da wegen gestiegener Stromnachfrage, geringerer Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien und des gestiegenen Gaspreises verstärkt Kohle zur Stromerzeugung genutzt wurde. Die Sektoren Verkehr und Gebäude liegen über den im KSG festgelegten Jahresemissionsmengen.

„Alle Stolpersteine müssen aus dem Weg geräumt werden“

Klima⁠-Staatssekretär Patrick Graichen: „Der Anstieg der Treibhausgasemissionen hat sich leider abgezeichnet. Dem wird die Bundesregierung jetzt mit einem Klimaschutz⁠-Sofortprogramm zügig entgegenwirken. A und O dafür ist ein wesentlich höheres Tempo beim Ausbau der erneuerbaren Energien. Wir müssen es schaffen, dreimal so viele Kapazitäten wie bisher zu installieren, um den Anteil der Erneuerbaren an der Stromerzeugung bis 2030 auf 80 % zu steigern. Eine Hängepartie wie in den letzten Jahren darf es dabei nicht mehr geben.

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat uns zudem auf dramatische Weise deutlich gemacht, wie sehr Sicherheit und Energieversorgung zusammenhängen. Wir können es uns nicht mehr leisten, das zu ignorieren. deshalb gilt es jetzt, jeden Stolperstein auf dem Weg zu mehr Wind- und Sonnenkraft zügig aus dem Weg zu räumen. Die schnellere Abkehr von fossilen Energien muss alle Bereiche umfassen – von der Industrieproduktion über den Gebäudebereich bis hin zur Mobilität und der Landwirtschaft. Entscheidend ist dabei, die soziale Balance zu wahren.“

„Schnell mit Einbau von Öl- und Gas-Heizungen aufhören“

⁠UBA⁠-Präsident Dirk Messner: „Die Reduzierung der Treibhausgasemissionen von 2020 ist fast zur Hälfte schon wieder verloren. Unsere Zahlen zeigen deutlich, dass die Ziele der Bundesregierung schnellstens angegangen werden müssen. Wir müssen schnell mehr Sonnen- und Windenergieanlagen bauen. Unsere Gebäude müssen wir auf Wärmepumpen umstellen und so schnell wie möglich aufhören, Öl- und Gas-Heizungen einzubauen.

Bei unseren Häusern können wir auch mit Energiesparen noch einiges erreichen, vor allem indem wir sie besser energetisch sanieren. Das hilft auch gegen unsere Energieabhängigkeit von Russland. Hier kann jede und jeder einzelne etwas tun, was auch dem Klima hilft: Etwas weniger heizen, das Auto öfter mal stehen lassen oder, wenn es doch notwendig ist, langsamer fahren.“

Aktuelle Emissionsdaten im Einzelnen

2021 lagen die Treibhausgasemissionen in Deutschland 38,7 % unter dem Referenzjahr 1990. Das Klimaziel, bis 2020 eine Minderung um 40 % zu erreichen, ist damit wieder verfehlt worden.

Formal hatte Deutschland im Jahr 2020 sein Klimaschutzziel mit 41,3 % weniger Treibhausgasemissionen gegenüber dem Referenzjahr 1990 erreicht. Die Zielerreichung war jedoch stark von der Covid-19-Pandemie geprägt, unter normalen Bedingungen galt die Zielerreichung als unerreichbar.

Das Ziel für 2030 ist ein Minus von 65 %. Jedoch gab es 2021 Emissionssteigerungen gegenüber dem Vorjahr in nahezu allen Bereichen. Die verfügbaren Daten zeigen, dass seit 2010 vor allem die Energiewende in der Energiewirtschaft zur Reduktion der Emissionen beigetragen hat. Alle anderen bedeutenden Sektoren stagnieren seit 2010 mehr oder weniger.

Gebäudesektor

Im Gebäudebereich kam es 2021 zu einer Emissionsminderung von knapp 4 Mio. t CO2e (− 3,3 %) auf rund 115 Mio. t CO2e. Trotz dieser Emissionsminderung überschreitet der Gebäudesektor, wie bereits im Vorjahr, die erlaubte Jahresemissionsmenge gemäß Bundes-Klimaschutzgesetz, die bei 113 Mio. t CO2e liegt. Die vorgegebene Minderung auf dem Zielpfad beträgt rund 5,1 Mio. t CO2e. Das Ziel für 2022 sind 108 Mio. t CO2e.

Die Emissionsreduzierung ist im Wesentlichen als Sondereffekt auf deutlich verringerte Heizölkäufe zurückzuführen. Die Heizöllager wurden aufgrund der günstigen Preise und in Erwartung des Brennstoffemissionshandelsgesetzes (BEHG) bereits 2019 und 2020 umfangreich aufgestockt. Der Erdgasverbrauch stieg dagegen witterungsbedingt an.

Im Gebäudesektor werden im Rahmen der KSG-Bilanz fast ausschließlich die verbrennungsbezogenen CO2-Emissionen der in Gebäuden (Heizungsanlagen) eingesetzten fossilen Brennstoffe bilanziert (Quellenprinzip). Die Treibhausgasemissionen des im Gebäudesektor verwendeten Stroms wird fast ausschließlich im Sektor Energiewirtschaft bilanziert.

Sektor Energiewirtschaft

Im Sektor Energiewirtschaft ist mit rund 27 Mio. t CO2e die größte Emissionssteigerung in absoluten Zahlen zu verzeichnen – das entspricht 12,4 % mehr als 2020. Mit rund 247 Mio. t CO2e lagen die Emissionen aber noch um gut 11 Mio. t CO2e unter denen des Jahres 2019. Eine Jahresemissionsmenge für 2021 gibt es im Bundes-Klimaschutzgesetz für den Sektor Energiewirtschaft nicht. Für 2022 beträgt er 257 Mio. t CO2e.

Umweltbundesamt

Besonders deutlich stiegen die Emissionen aus der Stein- und Braunkohlenverstromung aufgrund des erhöhten Kohleeinsatzes. Der Einsatz von emissionsärmerem Erdgas nahm dagegen in der zweiten Jahreshälfte 2021 aufgrund der deutlich gestiegenen Gaspreise ab.

Die wesentlichen Gründe für den erhöhten Einsatz fossiler Energieträger zur Stromerzeugung ist die im Vergleich zum Vorjahr um 17,5 TWh deutlich verringerte Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien, insbesondere die geringere Windstromerzeugung, und ein um 13,5 TWh gestiegener ⁠Bruttostromverbrauch⁠.

Verkehrssektor

Im Verkehr wurden im Jahr 2021 rund 148 Mio. t CO2e ausgestoßen. Damit liegen die Treibhausgasemissionen dieses Sektors 1,2 % über dem Wert von 2020 und auch um rund 3 Mio. t CO2e über der im Bundes-Klimaschutzgesetz für 2021 zulässigen Jahresemissionsmenge von 145 Mio. t CO2e.

Ein Grund dafür ist der Straßengüterverkehr, der auf den Autobahnen wieder auf ein Niveau leicht oberhalb des Jahres 2019 angestiegen ist. Der Pkw-Verkehr dagegen ist weiter niedriger als vor der Coronavirus-Pandemie (2019), was in Absatzzahlen für Kraftstoffe und Daten von Zählstellen an Autobahnen und Bundesstraßen deutlich wird.

Sektor Industrie

Im Sektor Industrie stiegen die Emissionen gegenüber dem Vorjahr um gut 9 Mio. t CO2e (+ 5,5 %). Mit rund 181 Mio. t CO2e lagen sie damit wieder fast auf dem Niveau von 2019, aber knapp unter der im Bundes-Klimaschutzgesetz festgeschriebenen Jahresemissionsmenge von 182 Mio. t CO2e.

Hier spielen aufholende Konjunktureffekte in Folge der Coronavirus-Pandemie und ein vermehrter Einsatz fossiler Brennstoffe eine wichtige Rolle. Die deutlichste prozentuale Steigerung gab es in der Stahlindustrie, wo die Rohstahlerzeugung um rund 12 % stieg. Im produzierenden Gewerbe (energiebezogener Anteil) stiegen die Emissionen um rund 7 Mio. t CO2e bzw. um 6,4 %.

Sektor Landwirtschaft

Im Sektor Landwirtschaft gingen die Treibhausgasemissionen um gut 1,2 Mio. t CO2e (− 2,0 %) auf 61 Mio. t CO2e zurück. Der Sektor blieb damit deutlich unter der für 2021 im Bundes-Klimaschutzgesetz festgelegten Jahresemissionsmenge von 68 Mio. t CO2e.

Der Rückgang der Tierzahlen setzt sich fort. Die Rinderzahlen sanken um 2,3 %, die Schweinezahlen um 9,2 %. Dadurch gab es weniger Gülle, die Emissionen sanken ebenfalls (− 4,0  gegenüber 2020). Die deutliche Unterschreitung der festgesetzten Jahresemissionsmenge ist jedoch vor allem durch methodische Verbesserungen in der Berechnung der Emissionen bedingt.

Abfallsektor

Die Emissionen des Abfallsektors sanken gegenüber dem Vorjahr um rund 4,3 % auf gut 8 Mio. t CO2e. Damit bleibt der Abfallsektor erneut unter der im Bundes-Klimaschutzgesetz festgelegten Jahresemissionsmenge von 9 Mio. t CO2e. Der⁠ Trend ⁠wird im Wesentlichen durch die sinkenden Emissionen aus der Abfalldeponierung infolge des Verbots der Deponierung organischer Abfälle bestimmt.

Weiteres Verfahren gemäß Bundes-Klimaschutzgesetz

Die Emissionsdaten des Jahres 2021 werden nun, wie im KSG vorgesehen, vom Expertenrat für Klimafragen geprüft. Der Expertenrat legt innerhalb eines Monats eine Bewertung der Daten vor. Danach haben die jeweils zuständigen Ministerien laut Gesetz drei Monate Zeit, ein Sofortprogramm vorzulegen, das Vorschläge für Maßnahmen enthält, die den Gebäudesektor und Verkehrssektor in den kommenden Jahren auf den vorgesehenen Zielpfad bringen. Die Bundesregierung arbeitet allerdings bereits an einem auf dem Ampel-Koalitionsvertrag basierenden Klimaschutz-Sofortprogramm, das diese Anforderungen so weit wie möglich erfüllen soll.

Siehe auch: Entwurf für EEG-Novelle verbilligt Wärmepumpen-Strom

Messner: „Um die Ziele der Bundesregierung bis 2030 zu erreichen, müssen nun pro Jahr 6 % der Treibhausgasemissionen gemindert werden. Seit 2010 waren es im Schnitt nicht einmal 2 %. Um das zu schaffen, braucht Deutschland jetzt eine gemeinsame Energieanstrengung. Wir müssen zusammen alle Kraft darauf verwenden uns unabhängig zu machen von russischer Energie und um unser Klima zu schützen.“

Aktuelle Daten zu den Erneuerbaren Energien

Bereits im Jahr 2020 wurde das im Rahmen der EU-Erneuerbare-Energien-Richtlinie (Renewable Energy Directive, RED) verbindlich gesteckte deutsche Ziel von 18 % Bruttoendenergieverbrauch ⁠mit 19,3 % übertroffen. 2021 stieg der Bruttoendenergieverbrauch aus erneuerbaren Energien im Strom-, Wärme- und Verkehrssektor nach den Rechenvorgaben der RED weiter leicht auf 483 Mrd. kWh an. Dies entsprach einem Anteil von 19,7 % am gesamten Bruttoendenergieverbrauch.

Maßgeblich war insbesondere, dass aufgrund des kalten Winters mehr erneuerbare Energien für Wärme und Kälte genutzt wurden. Deshalb – und weil zusätzlich der für die Berechnung des Anteils maßgebliche Heizölabsatz infolge hoher Lagerbestände und steigender Ölpreise rückläufig war – erhöhte sich der Anteil erneuerbarer Wärme deutlich von 15,3 auf 16,5 % im Jahr 2021. Der Wärme- und Kältebereich steht für mehr als die Hälfte des gesamten deutschen Bruttoendenergieverbrauchs.

Umweltbundesamt

Die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien ging aufgrund eines vergleichsweise schlechten Windjahres 2021 um 7 % zurück. Zugleich stagnierte der Ausbau von Windkraft-Anlagen an Land in den letzten Jahren. Der erneuerbare Anteil am Bruttostromverbrauch sank entsprechend von 45,2 % im Jahr 2020 auf 41,1 %. Der Stromverbrauch steht für etwa ein Viertel des gesamten deutschen Bruttoendenergieverbrauchs. Für das europäische ⁠ Monitoring⁠ nach RED wird der reale Rückgang der erneuerbaren Stromerzeugung allerdings abgemildert durch eine Normalisierungsregel für den Ausgleich von Witterungseffekten über mehrere Jahre. Bei der KSG-Bilanz gibt es solche Korrekturen nicht.

Im Verkehrssektor sank der Anteil erneuerbarer Energien am gesamten ⁠Endenergieverbrauch⁠ von 7,6 % im Vorjahr auf 6,8 % im Jahr 2021. Dieser Rückgang ist mit besonderen Übertragungsregelungen aus früheren Jahren im Rahmen der Treibhausgasminderungsquote und einer höheren Anrechnung von Upstream-Emissionsminderungen zu erklären. Der Verkehr ist für gut ein Viertel des gesamten Energieverbrauchs verantwortlich.

Die Genauigkeit der Daten

Die vorliegenden Emissionsdaten für das Jahr 2021 stellen die gegenwärtig bestmögliche Berechnung dar. Sie sind insbesondere auf Grund der zu diesem Zeitpunkt nur begrenzt vorliegenden statistischen Berechnungsgrundlagen mit entsprechenden Unsicherheiten verbunden. Die Berechnungen leiten sich aus einem System von Modellrechnungen und Trendfortschreibungen der im Januar 2022 veröffentlichten detaillierten Inventare der Treibhausgasemissionen des Jahres 2020 ab.

Die vollständigen, offiziellen und detaillierten Inventardaten zu den Treibhausgasemissionen in Deutschland für das Jahr 2021 veröffentlicht das UBA im Januar 2023 mit der Übermittlung an die EU-Kommission. ■