Die Frage, was man wirklich verkauft, ist eine zentrale Frage für jeden SHK-Unternehmer. So trivial sich das anhört, so schwierig ist diese Frage (betrachtet durch die eigene Unternehmensbrille auf der Nase) eigentlich zu beantworten. Ist es eine Heizung oder ein warmer Raum oder gar die Unabhängigkeit von Gas als Brennstoff? Während der Bohrmaschinenverkäufer immer davon ausgeht, dass der Kunde eine Bohrmaschine möchte, steht dem Kunden eher der Sinn nach einem Loch. Und wenn es dieses Loch ohne den Elektrobohrer gäbe, er würde gerne auf die Maschine verzichten.
Doch zurück zum SHK-Handwerk: Die Antwort auf die Frage, was der Kunde mit „Bad“ und „Heizung“ wirklich kauft, unterliegt einem ständigen Wandel. Endkunden verlangen im Moment nicht nach Bädern oder Heizungen, sondern nach Unabhängigkeit und Sicherheit. Aber werden Sie als SHK-Unternehmer von den Kunden wahrgenommen als der Betrieb, der das leisten kann? Es lohnt sich, dafür tiefer in die Phasen des Kundenkontakts einzutauchen.
Phase 1: Service und Reparatur
Man sieht sie immer noch: Die bunt beklebten Klempnermobile mit dem tropfenden Wasserhahn oder der lodernden Flamme als Logo. Ganz neben der Spur sind diese Gesellen nicht unterwegs, wenn sie denn tropfende Armaturen abstellen oder Heizungen wieder zum Zünden bringen. Ob man ihnen jedoch eine komplexe Wärmepumpe oder ein Komplettbad abkaufen würde?
Tropfender Hahn und Flammen stehen für Problemlöser auf einer pragmatischen Ebene. In Worten würde das heißen: „Sanitär- und Heizungsservice. Mich kannst du anrufen, wenn‘s tropft oder nicht brennt.“ Machen Sie sich keine Illusionen, wenn Sie mit einem solchen Logo unterwegs sind und ganz etwas anderes verkaufen möchten (Baddesign) – im Unterbewusstsein ordnet Sie Ihr Kunde in die Service- und Reparaturecke ein. Kommunikationsexperten sprechen dann von kognitiver Dissonanz: Kommuniziert wird Reparatur – der Wunsch dafür, als Baddesigner wahrgenommen zu werden, fällt hinten runter. Ihr Kunde reagiert zumindest irritiert. Wahrscheinlicher ist: Er lässt Sie links liegen.
Phase 2: Schöne Bäder, energiesparende Heizungen
Wer in der SHK-Branche mehr drauf hat, als Kaputtes zu reparieren, der hat sich früh auf das Thema Komplettbad oder auf komplexe Heizungsanlagen konzentriert. Das schafft Abstand zum Wettbewerb (auch online) und ist als Komplettlösung ertragreicher, als neue Dichtungen oder eine neue Brennerdüse einzuschrauben.
Vor einigen Jahren rauschten die Verkaufstrainer durch die Branche, wirbelten viel Baustellenstaub auf und machten den Komplettbad- und Heizungsbauspezialisten klar, dass es auch mit „schönen Bädern“ und „energiesparenden Heizungen“ nicht getan sei. Doch was will der Kunde wirklich?
Phase 3: Wohlige Wärme und Wohlfühloasen
Die Kunden wünschen sich Wärme und wenn das auch ohne Heizung und günstig ginge, dann würden sie eben darauf (auf die Heizung) verzichten. Auch hinter „schönen Bädern“ verbirgt sich der Kundenwunsch nach Wellness unter der Dusche und Entspannung in der Wanne. Denn mit Schönheit allein ist niemandem geholfen. Damit brach unabwendbar die Zeit der „Wohlfühloasen“ an, die die Branche oft genug bis heute bewirbt.
Wir alle fühlten uns gut mit diesen Formulierungen, denn um wie viel emotionaler ist es, Wärme zu verkaufen als einen kehlig feuerspeienden Ölbrenner? Und Emotionen verkaufen sich eben besser (das wissen wir von den Verkaufstrainern nur zu gut …). Es war die Zeit der Gefühle, der Naherholungsgebiete in den eigenen vier Wänden, als die Branche ihre Kunden an den holzigen Pellets riechen ließ (und dazu öligen Tankstellengeruch als Kontrast heraufbeschwor), als die Branche sich zum Umweltengel gerierte (und die Luft-Wärmepumpen-Propeller dem Nachbarn auf den Wecker gingen).
Klimawandel, Coronapandemie, Ukrainekrieg, Energiekrise: Atemberaubend schnell ändert sich die Weltlage – und die Sicht des Konsumenten auf unsere Produkte. Was ist es, was der Kunde mit Bad und Heizung heute wirklich kaufen will?
Phase 4: Das letzte Bad, die letzte Heizung
Betrachtet man den typischen Zielkunden der Bäderbauer und Heizungssanierer, also den besser situierten Immobilienbesitzer in der zweiten Lebenshälfte, so ist ein Motiv typisch: Er/sie will es sicher. Wer es in seinen besten Jahren zu Haus und Grund gebracht hat, der will sich das erhalten und den erkämpften Komfort bewahren.
Manche Handwerker bezeichnen ihr Produkt in dieser Lebensphase – nicht ohne ironischen Unterton – als das letzte Bad und die letzte Heizung. Auch das betont einen Aspekt von Sicherheit. Der Kunde kauft bei dieser größeren Investition auch deshalb Qualität, damit er bis zu seinem Lebensende nicht nochmal investieren muss. Was, wenn später das Geld nicht mehr da ist …? Man weiß ja nicht, was kommt – und wie lange man noch kann.
Der Fokus auf die Sicherung des Lebensstandards ist in der derzeitigen weltpolitischen Lage aktueller denn je. Daseinsvorsorge ist ein starkes und super emotionales Leitmotiv, das hier zum Kauf und zur Investition führt, ohne dass dabei jeder Cent umgedreht wird. Wer hier investiert, investiert in sein künftiges Leben, in eine Zukunft, in der man nicht mehr so fit, stark, wehrhaft und unabhängig sein wird. Der Mensch, der sein letztes Bad und/oder seine letzte Heizung kauft, tut es für sich. Er beschützt durch diese Investition eine spätere, schwächere Form von sich selbst. Er gönnt sich noch mal etwas in zwei wichtigen Bereichen der eigenen Immobilie: Bad und Heizung.
Vieles hat sich gewandelt bei Heizung und Bad. Ein Heizungstausch vor 10, 15 Jahren ist nicht mit dem vergleichbar, was Immobilienbesitzer heute investieren müssen. Noch nie war die Heizung so komplex und so teuer, wie es das Bad schon länger ist. Wie aber verkauft man die Sicherheit, die unser Kunde sucht? Was sucht er derzeit wirklich in dieser unsicheren Weltlage?
Die neue Heizung kostet einiges Geld – mit der Anschaffung hat sich der Verbraucher abgefunden. Er nimmt das stattliche staatliche Sponsoring mit – und kämpft damit gegen die steigenden Energiekosten an. Genau die versucht er mit der hohen Investition abzumildern. Nach dem Motto: lieber jetzt zahlen – als später, „wenn ich es nicht mehr habe oder mein Geld nichts mehr wert ist“.
Phase 5: Energie und Bad für ein unabhängiges, sicheres Leben
In unsicheren Weltlagen gibt es immer einen Rückzug ins Private. Das gilt für Volkswirtschaften, die sich abschotten, ebenso wie für den Durchschnittsbürger. Das Schlüsselwort heißt Autarkie – und es bezieht sich beileibe nicht nur auf Energie.
Technisch möglich ist es heute, ein Gebäude so auszurüsten, dass es energieautark funktioniert. Brennstoffzelle, Photovoltaik, Wärmepumpe und diverse Speichermedien vertreiben den Putin. Und auch andere böse Geister wie beispielsweise Bundesregierungen, die auf die Idee kommen könnten, eine schmutzige Energieform zu verbieten. Aber diese Lösungen sind in der Endausbaustufe teuer.
Dem Kunden zeigen, dass man einen Plan hat
Entgegen dem weit verbreiteten Irrtum, dass die Endausbaustufe niemand bezahlen kann, ist sie meist gar nicht nötig. Vermutlich reicht es den weitaus meisten Autarkiekäufern, dass der Energiefachmann aus dem SHK-Betrieb einen Plan hat, der dieses Endziel erreichbar ins Auge fasst. Der Plan ist das Ziel – und genau das, was Kunden anstreben. Sie möchten das Gefühl haben, wenn sie jetzt nochmals 45 000 Euro in die Hand nehmen, brauchen sie keinen Strom mehr zu kaufen und keinen Brennstoff – wenn‘s ganz dicke kommt. Der Plan zur Unabhängigkeit ist bereits die komplette Erzählung der Autarkie auf der Heizungs- und Energieseite.
Und bei den Bädern? Auch dort ist Autarkie ab dem Alter 50+ das stärkste Motiv. Denn ob jemand in seinen eigenen vier Wänden alt werden kann, hängt entscheidend von der Ausstattung des Bades ab. Nicht ins Alters- oder Pflegeheim zu müssen, solange es geht, ist der Wunsch der meisten Menschen. Also wird dort investiert, wo die Leute am liebsten leben möchten: zu Hause. Auch hier ist der Plan das Ziel und das wirkmächtigste Alleinstellungsmerkmal für den Bäderbauer: „Wir planen Ihr neues Bad so, dass unsichtbar an alle Eventualitäten gedacht ist. Mit dem Alter können auf uns alle Einschränkungen zukommen – mit diesem Bad werden wir den allermeisten davon gerecht, damit Sie Ihren Lebensabend genießen können.“
Der Unterschied zum Bad von der Stange mit bodenebener Dusche ist gar nicht so groß: Er besteht darin, dass Sie als Bäderbauer immer noch etwas im Köcher haben: eine Vorbereitung für ein Dusch-WC ebenso wie die unter Putz montierte Platte neben der Toilette, an die bei Bedarf ein Stütz-Klappgriff montiert werden kann.
Für Heizung und Bad gilt: Es ist nicht entscheidend, von vornherein die ganz große Lösung zu verkaufen, die ad hoc Autarkie und Unabhängigkeit sicherstellt. Viel wichtiger als die Realisierung ist die Perspektive, die Sie dem Kunden bieten!
Info
Ausgangspunkt des Artikels ist ein Vortrag von Verbandsleiter Marc Schulte beim „Garant Bad + Haus“ Partnertreffen am 13. Mai in Hamburg. Siehe dazu auch das Interview auf der folgenden Seite.
INTERVIEW
„Berechenbarkeit verkaufen“
SBZ: Sie sagen, dass Handwerk mehr Autarkie verkaufen soll. Ist es das, was die Kunden wollen?
Marc Schulte: In Workshops haben wir uns damit auseinandergesetzt, wie Corona, Inflation und Krieg auf unseren typischen Komplettbad- oder Heizungskunden wirken. Also die 45-plus-Eigenheimkunden. Und die machen sich tatsächlich Gedanken über den Tag hinaus, wenn etwas Geld da ist. Der Trend war schon vorher da, bei der Heizung und auch beim Bad gibt es den Drang nach Unabhängigkeit. Deshalb unter anderem haben wir ein Programm für das pflegegerechte Komfortbad aufgelegt für unsere Mitglieder. Und der Trend verstärkt sich.
SBZ: Ist das nicht sehr abstrakt, Autarkie zu verkaufen?
Schulte: Ganz und gar nicht. Wir sagen ja nicht Autarkie, sondern wir verkaufen dem Kunden einen Plan zur Unabhängigkeit von externer Energie. Auf keinen Fall alles gleich verkaufen, sondern Schritt für Schritt in die Unabhängigkeit. Das Thema Berechenbarkeit und Unabhängigkeit spielt im Moment in vielen Kundenköpfen eine große Rolle. Unabhängigkeit von Gas, Öl – aber auch von Entscheidungen der Politik, wo plötzlich ein Energieträger verboten werden könnte aus Klima- oder Umweltschutzgründen. Unser Kunde will Berechenbarkeit seiner Investitionen. Technisch geht das ja, wir können Perspektiven zur Energieautarkie aufzeigen.
SBZ: Der Gedanke „Was verkaufen wir wirklich?“ führt also zu so einer völligen Umorientierung?
Schulte: Wir merken, dass dieser Gedanke einem ständigen Wandel unterlegen ist. Je näher man an der Emotionalität dran ist, desto besser. Und es ist ein sehr emotionales Thema, unabhängig und planbar leben und alt werden zu können. In den eigenen vier Wänden mit barrierefreiem Bad und einer Einliegerwohnung für eine Pflegekraft zum Beispiel oder mit dem eigenen Strom und der selbst erzeugten Wärme unabhängig von den Energiemärkten.
SBZ: Herr Schulte, vielen Dank!