Deutschland soll laut aktuellem Klimaschutzgesetz bis 2045 klimaneutral werden. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen in sechs Sektoren die Treibhausgasemissionen jährlich um einen bestimmten Prozentsatz sinken. Deshalb wurde bereits im Koalitionsvertrag der Ampelregierung im Herbst 2021 vereinbart, „dass zum 1. Januar 2025 jede neu eingebaute Heizung auf der Basis von 65 % erneuerbaren Energien betrieben werden soll“. Doch wegen der aktuellen Erdgaskrise und zu hoher Treibhausgasemissionen im Gebäudesektor wird diese Pflicht bereits zum 1. Januar 2024 eingeführt.
Obwohl sich die Politik generell technologieoffen zeigt, macht Bundwirtschaftsminister Robert Habeck kein Hehl daraus, dass die Elektro-Wärmepumpe zur Gebäudebeheizung klar präferiert wird. Hintergrund ist zum einen, dass der zum Betrieb notwendige Netzstrom in den nächsten Jahren immer grüner werden soll. Zum anderen wird der aktuelle Treibhausgasanteil, der von fossilen Kraftwerken verursacht wird, nicht der Wärmepumpe und damit dem Gebäudesektor zugerechnet, sondern beim Stromsektor mitbilanziert. Somit reduziert sich der CO2-Ausstoss des Gebäudesektors mit jeder installierten Wärmepumpe und ermöglicht es so, die jährlichen Reduktionsziele besser zu erreichen. Übrigens: Wie energieeffizient die Wärmepumpe arbeitet, spielt aufgrund dieser Art der Bilanzierung keine Rolle. Aus diesem Grund werden auch Stromdirektheizungen wieder interessant(er).
Sehr schnell viel mehr Wärmepumpen
Ziel der Bundesregierung sind 6 Millionen installierte Wärmepumpen im Jahr 2030; zurzeit sind es rund 1,1 Millionen. Aus heutiger Sicht ist klar, dass für den notwendigen Zubau das bisherige Installationsvolumen, 2021 wurden 154 000 Heizungswärmepumpen abgesetzt, bei Weitem nicht ausreicht. Doch wie lassen sich die Installationszahlen drastisch erhöhen und welche Rahmenbedingungen und Maßnahmen sind dafür nötig? Diese und weitere Fragen zu wurden am 29. Juni 2022 bei einem virtuellen Wärmepumpengipfel diskutiert, zu dem Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und Bundesbauministerin Klara Geywitz eingeladen hatten. Auf dem Treffen nahmen insgesamt 26 Vertreter von Unternehmen und Verbänden der Wärmewirtschaft, des Handwerks, der Gewerkschaften und Verbraucherschutzverbände teil.
Alle Beteiligten waren sich einig, dass mehr Tempo bei der Transformation der Wärmeversorgung notwendig ist und es daher gemeinsamer Anstrengungen bedarf, um die Wärmepumpenproduktion und -installation sowie deren Netzanbindung voranzubringen. Am Schluss wurde eine gemeinsame Absichtserklärung vereinbart, um zusammen mit der Bundesregierung die Voraussetzungen für den Wärmepumpen-Turbo zu schaffen. Die wichtigsten Punkte:
Ab dem 1. Januar 2024 soll möglichst jede neu eingebaute Heizung zu 65 % mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Wärmepumpen spielen hierfür eine zentrale Rolle. Wenn diese netzdienlich betrieben werden, überlasten sie auch die Stromnetze nicht.
Darüber hinaus will das BMWK Anreize setzen, damit Wärmepumpenproduktion und -installation beschleunigt und Markthemmnisse in der Technologie, Förderung und Regulatorik abgebaut werden. Dazu gehören in einem ersten Schritt die Erarbeitung eines „Aufbauprogramms Wärmepumpe“ sowie weitere Maßnahmen im Bereich Weiterbildung zu Planung und Einbau von Wärmepumpen.
Und wie soll es weitergehen? Geplant ist, dass sich die Akteure in einem halbjährlichen Turnus treffen wollen, um ihre jeweiligen Aktivitäten vorzustellen. Hemmnisse sollen kontinuierlich diskutiert und Lösungswege vereinbart werden. Laut Robert Habeck will man im frühen Herbst 2022 wieder zusammenkommen.
Ist die Wasserstoffheizung (k)eine Option?
Bei der Presseveranstaltung nach dem Wärmepumpengipfel wurde die Frage nach dem Einsatz von Wasserstoff zum Heizen gestellt. Robert Habeck meinte dazu, dass Wasserstoff als Gasersatz langfristig viel zu teuer sei und die Aufrechterhaltung der Infrastruktur dafür nicht überall möglich sein werde. „Sicherlich wird man differenziert vorgehen müssen: Es wird Regionen, Stadtteile, Einzellagen etc. geben, wo man besondere Rücksicht nehmen muss“, meinte Habeck. Die Zukunft werde über direkte erneuerbare Wärme bzw. Wärmepumpen gestaltet.
Anmerkung: Die mögliche künftige Rolle des Wasserstoffs im Wärmemarkt untersucht derzeit eine Studie, die der Nationale Wasserstoffrat initiiert hat. Die Veröffentlichung der kompletten Ergebnisse ist aufgrund der Datenkomplexität von Frühjahr auf Herbst 2022 verschoben worden.
Wird die Wärmepumpe das E-Auto im Heizungsbereich? Bundesbauministerin Klara Geywitz antwortete auf diese Journalistenfrage, dass die Situation in Gebäuden wesentlich komplexer sei als beim Auto, weil es dort sehr viele unterschiedliche Bedürfnisse und Randbedingungen gebe. „Die Wärmepumpe stellt eine gute Möglichkeit für die Wärmewende dar. Wir gehen grundsätzlich von einer Technologieoffenheit aus“, sagte Geywitz. „Wir gehen nicht davon aus, dass es eine technische Lösung gibt, die für alle Wohngebäude/Nichtwohngebäude sinnvoll nutzbar ist.“
Die Bauministerin sprach sich zudem für eine soziale Wärmewende mit einem ausgewogenen Instrumentenmix aus: „Die Wärmewende muss bezahlbar und sie muss planbar sein. Wärmepumpen müssen sich auch jene leisten können, die mit schmalem Geldbeutel haushalten müssen. Über zwei KfW-Förderprogramme entwickeln wir energetische Stadtsanierung und gebäudeübergreifende Quartierssanierung mit.“
„Durch eine gezielte Weiterbildungsoffensive sollen die Fachkenntnisse in die Breite gebracht werden.“
Beim Thema weitergehende Subventionen trat Geywitz auf die Bremse. Man müsse mit Steuermitteln (künftig) sehr vorsichtig umgehen. Zudem sei der Einsatz von Subventionen in einem sehr gut ausgelasteten Markt mit hoher Nachfrage fraglich. Zudem wies sie darauf hin, dass die industrielle Massenproduktion von Wärmepumpen, die bevorzugt in Deutschland stattfinden soll, technologisch günstige Entwicklungseffekte und in Folge auch Preissenkungen erzielen kann – insbesondere mit Blick auf den besseren und erleichterten Einsatz im Altbaubereich, z. B. durch Vorfertigung und Modularisierung.
Fehlende Kapazitäten bei Material und Fachkräften
„Der Wärmegipfel hat gezeigt, dass nur gemeinsam unternommene Anstrengungen von Politik, Herstellern und Handwerk zum Erfolg führen können. Insofern setzt der Gipfel ein sehr positives Signal für das Gelingen der Energiewende im Wärmemarkt“, sagte ZVSHK-Hauptgeschäftsführer Helmut Bramann.
Für das Heizungsbauerhandwerk hat der ZVSHK eine klare Unterstützung des von der Bundesregierung angestrebten Wärmepumpenhochlaufs im Markt signalisiert. Dies erfolge in enger Abstimmung mit der Heizungsindustrie (BDH). Bramann verwies dabei auf die Kapazitätsfrage bei der Wärmepumpeninstallation. „Zurzeit hakt es eher an der Materialverfügbarkeit als am vorhandenen Personal.“ Aber es sei unstrittig, dass die von der Politik immer weiter verkürzten Fristen für den Markthochlauf der Wärmepumpen den Fachkräftebedarf deutlich steigern. „Wir müssen es gemeinsam schaffen, den zusätzlichen Kapazitätsbedarf im Fachkräftebereich zu decken, aber auch Montageprozesse zu optimieren.“
Der ZVSHK betrachtet als primäres Ziel die Einrichtung eines nationalen Kompetenzzentrums zur Fachkräftestärkung klimaschutzrelevanter Handwerke, das Maßnahmen rund um die Nachwuchs-, Fachkräfterekrutierung und -qualifizierung unterstützt.
Die Wärmepumpentechnologie spiele eine entscheidende Rolle dabei, die Wärmeversorgung im Gebäudebereich klimaneutral auszurichten, meinte der ZVSHK-Hauptgeschäftsführer. Man setze aber darauf, Kunden auch künftig aus einem breiteren Spektrum technische Lösungen anbieten zu können, z. B. auf Basis von Biomasse und anderen regenerativ erzeugten Energieträgern. Nicht in jedem Bestandsgebäude könne aufgrund der baulichen und örtlichen Gegebenheiten überhaupt eine Wärmepumpe installiert werden.
Aufbauprogramm/Qualifikationsoffensive Wärmepumpe
Ein Sofortprogramm für den Gebäudesektor haben BMWSB und BMWK am 13. Juli 2022 vorgelegt, um ihn klimapolitisch auf Kurs zu bringen. Dieser Schritt war notwendig geworden, weil die Emissionen des Gebäudesektors im Jahr 2021 die zulässige CO2-Jahresemissionsmenge um 2 Millionen Tonnen überschritten hatten.
Eine der darin genannten Maßnahmen heißt „Aufbauprogramm und Qualifikationsoffensive Wärmepumpe“. Ziel ist es, Anreize z. B. für Handwerksbetriebe und Planungsbüros zu schaffen, die an Weiterbildungen zu Planung und Einbau von Wärmepumpen teilnehmen. Darüber hinaus werde gemeinsam mit den Sozialpartnern geprüft, ob Qualifikationen im Ausbildungsbereich fehlen, die sich dann mit Aus- und Fortbildungen vermitteln lassen.
Durch eine gezielte Weiterbildungsoffensive sollen die Fachkenntnisse in die Breite gebracht werden. Das Aufbauprogramm, das sich vor allem an Planer und Fachhandwerker richtet, soll zunächst drei Komponenten umfassen:
Es ist geplant, eine weitere Komponente zur Thematik der Einhaltung von Lärmgrenzwerten von Luft-Wärmepumpen zu integrieren.
Als weitere, zentrale Maßnahme nennt das Sofortprogramm die Novellierung des Gebäudeenergiegesetzes und dass dort gesetzlich festgeschrieben wird, dass ab 1. Januar 2024 möglichst jede neu eingebaute Heizung zu 65 % mit erneuerbaren Energien betrieben werden soll.
In welchen Fällen gilt die Wärme-Pflicht?
Die Frage, wie wärmepumpenfixiert bzw. technologieoffen die Bundesregierung ist, zeigte sich im 13-seitigen Konsultationspapier zur Umsetzung der 65 %-Erneuerbare-Wärme-Regel. Es wurde am 18. Juli 2022 gemeinsam vom Wirtschafts- und Bauministerium veröffentlicht. Es enthält nicht nur die von BMWK und BMWSB geplanten Umsetzungsmaßnahmen, sondern auch offene Fragen, die mit den betroffenen Akteuren diskutiert wurden. Auf Basis der Ergebnisse wollen die beiden Ministerien einen Gesetzentwurf zur Umsetzung der neuen Vorgaben erstellen.
In welchen Fällen soll die 65 %-EE-Nutzungspflicht ab 2024 gelten? Als Anwendungsbereiche werden im Konzeptpapier definiert:
Anmerkung: Das Konzeptpapier erläutert leider nicht, weshalb der 65 %-EE-Anteil für neue Heizungen festgelegt wurde und man nicht z. B. 50, 60 oder 70 % gewählt hat. Es hat den Anschein, dass die 65 % eine Kompromisslösung bei den Koalitionsverhandlungen waren. Und nun schreiben die Ministerien unreflektiert den 65 %-Wert aus dem Koalitionsvertrag weiter, ohne eine nachvollziehbare Studien-/Berechnungsbasis für die Sinnhaftigkeit zu veröffentlichen.
„Bis spätestens 2045 müssen alle heizungstechnischen
Anlagen vollständig auf erneuerbare Energien umgestellt werden.“
Mögliche Erfüllungsoptionen der 65 %-EE-Pflicht
Zur praktischen Umsetzung schlägt das Konzeptpapier zwei Wege vor: Der 1. Weg ist unbürokratisch, unkompliziert und technologieoffen, zumindest auf den ersten Blick. Der 2. Weg ist aufwendiger und schränkt die freie Technologiewahl ein. Übrigens: Den Vollzug soll der bevollmächtigte Schornsteinfeger im Rahmen der Feuerstättenschau kontrollieren.
Weg 1: Pflichterfüllungsoptionen ohne Nachweis
Um die Umsetzung der 65 %-EE-Vorgabe in der Praxis zu erleichtern, wird eine Pflichterfüllung in folgenden Fällen als gegeben angenommen. Dies sind:
Sonderfall dezentrale Warmwasserbereitung: Erfolgt die Warmwasserbereitung dezentral (unabhängig vom Heizsystem) über Gas oder Strom, gibt es beim Geräteaustausch zwei Erfüllungsoptionen:
Weg 2: Erfüllungsoptionen mit Stufen- verhältnis
Die Vorlage der Ministerien enthält noch eine alternative, zweistufige Vorgehensweise zur Erfüllung der 65 %-EE-Vorgabe. Die vorrangigen Erfüllungsoptionen der Stufe 1 entsprechen prinzipiell denen der oben genannten „Erfüllungsoptionen ohne Nachweis“. Allerdings ohne die Gasheizung auf Basis erneuerbarer Energieträger und ohne die Biomasseheizung. Die dürfen erst in Stufe 2 und nur dann installiert werden, falls die anderen Maßnahmen zu teuer bzw. unwirtschaftlich sind oder diese sich aus technischen oder rechtlichen Gründen nicht umsetzen lassen. Dies müsste jedoch ein Sachkundiger bestätigen und dazu Heizung und Gebäude begutachten und ein Beratungsgespräch mit dem Gebäudeeigentümer führen.
„In den kommenden Wochen und Monaten wird es sich zeigen, in welchem Umfang die geplanten 500 000 Heizwärmepumpen
tatsächlich verfügbar sind.“
Härte-/Sonderfallregelungen
Bis spätestens 2045 müssen alle heizungstechnischen Anlagen vollständig auf erneuerbare Energien umgestellt werden. Mit Blick auf technische, rechtliche und wirtschaftliche Gründe kann dies in einzelnen Fällen eine besondere Herausforderung oder Härte darstellen. BMWK und BMWSB planen deshalb befristete Sonderregelungen mit mehrjährigen Übergangsregelungen bei einem plötzlichen Heizungskomplettausfall, für den Austausch von Gasetagenheizungen und Einzelöfen sowie für einen geplanten Wärmenetzanschluss.
Fazit: Grüne Welle für die Wärmepumpe
Die Ergebnisse des „Wärmepumpengipfels“ sowie die Vorschläge zur Umsetzung der 65 %-Erneuerbare-Wärmepflicht und die weiteren geplanten Änderungen im Gebäudeenergiegesetz (GEG) verdeutlichen einmal mehr: Die Elektro-Wärmepumpe ist aus Sicht der Bundesregierung der technologische Schlüssel zu einer erfolgreichen erneuerbaren Wärmewende. Deshalb stehen hier alle Ampeln auf „Grün“: mit Blick auf die Reduzierung von Markthemmnissen, auf das neue GEG und bei der Förderung. Bei den bislang vorgesehenen alternativen technischen Erfüllungsoptionen wurden die Ampeln auf „Gelb“ oder sogar „Rot“ gestellt:
In den kommenden Wochen und Monaten wird es sich zeigen, in welchem Umfang die geplanten 500 000 Heizwärmepumpen tatsächlich verfügbar sind und dann auch installiert werden. Letzteres hängt maßgeblich von den verfügbaren Kapazitäten im Fachhandwerk, der Akzeptanz bei den Endkunden, den gesetzlichen Rahmenbedingungen sowie von der Entwicklung der Energiepreise ab.