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Versorgungssicherheit

Gaskrise: Habeck legt zwei Energieeinsparverordnungen vor

Dmitry Naumov – stock.adobe.com

Deutschlands Erdgasverbrauch muss um 20 % sinken. Dazu hat Robert Habeck zwei Energieeinsparverordnungen vorgelegt. Kurzfristig sollen dabei u. a. geringere Raumtemperaturen helfen, mittelfristig die Heizungsoptimierung und der Hydraulische Abgleich.

Deutschland und andere EU-Staaten befinden sich infolge des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine in einer angespannten Gasversorgungslage. Angesichts der von Russland künstlich verursachten Gasknappheit haben sich die EU-Staaten verpflichtet, ihren Gasverbrauch ab August 2022 um mindestens 15 % im Vergleich zum Durchschnittsverbrauch der letzten fünf Jahre zu verringern (EU-Notfallplan Gas). Dies wird als notwendig angesehen, um eine allgemeine Gasmangellage abzuwenden.

Für Deutschland, das über die letzten Jahre besonders abhängig von russischem Gas war, ist es angesichts der Gasknappheit notwendig, darüber hinauszugehen. Nach dem derzeitigen Stand muss Deutschland etwa 20 % Gaseinsparung erreichen, um eine Gasmangellage abzuwenden. Um dieses Ziel zu erreichen, schlägt das Bundeswirtschafts- und Klimaschutzministerium (BMWK) weitere Energieeinsparmaßnahmen auf Grundlage des Energiesicherungsgesetzes (EnSiG) vor, um insbesondere die Wärmeversorgung in der kommenden und der darauffolgenden Heizperiode sicherzustellen.

Zu den Maßnahmen zählt unter anderem das Absenken der Mindesttemperatur in Arbeitsräumen auf 19 °C – sowohl in der öffentlichen Verwaltung als auch in Unternehmen. Außerdem müssen Gasversorger und Vermieter ihre Kunden und Mieterrinnen und Mieter ab Herbst 2022, vorab über ihren voraussichtlichen Gasverbrauch und die damit verbundenen Kosten und möglichen Einsparpotentiale informieren.

„Wir brauchen eine nationale Kraftanstrengung“

Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck: „Die Bundesregierung verfolgt konsequent ihre Politik, um von russischen Energielieferungen unabhängig zu werden. Wir treiben den Bau von Flüssiggas-Terminals voran, sichern die Befüllung der Gasspeicher mit Milliardenhilfen ab und beteiligen uns als Staat an einem der größten Gasimporteure in Deutschland [Anmerkung: gemeint ist Uniper].

All dies trägt maßgeblich dazu bei, die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Es kommt aber auch ganz wesentlich darauf an, deutlich mehr Erdgas einzusparen: in der öffentlichen Verwaltung, in Unternehmen, in möglichst vielen Privathaushalten.

Wir stehen vor einer nationalen Kraftanstrengung, und es braucht ein starkes Zusammenspiel von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft, von Bund, Ländern, Kommunen, Sozialpartnern, Gewerkschaften, Handwerk und Verbänden sowie der Zivilgesellschaft. Jeder Beitrag zählt.“

Gas und auch Strom sollen eingespart werden

Anknüpfend an das von Habeck am 21. Juli 2022 vorgestellte Energiesicherungspaket hat das BMWK zwei Energieeinsparverordnungen erarbeitet, die nun innerhalb der Bundesregierung abgestimmt werden. Sie basieren auf dem novellierten Energiesicherungsgesetz (§ 30 EnSiG). Sie enthalten Maßnahmen zur Energieeinsparung für die kommende und die übernächste Heizperiode und adressieren vor allem die öffentlichen Körperschaften sowie Unternehmen und private Haushalte. Neben der Einsparung von Gas sind auch Maßnahmen vorgesehen, die den Stromverbrauch senken sollen, da dies dazu beitrage, die Stromerzeugung mit Gas zu verringern.

Durch die Umsetzung der Energieeinsparverordnungen [Anmerkung: bis zum Inkrafttreten des Gebäudeenergiegesetzes war der Begriff Energieeinsparverordnung (EnEV) die Kurzform für die „Verordnung über energiesparenden Wärmeschutz und energiesparende Anlagentechnik bei Gebäuden“] lässt sich jedoch nur ein kleiner Teil der erforderlichen Einsparungen erreichen. Laut BMWK ist unstrittig, dass Haushalte und soziale Einrichtungen im Falle einer Gasmangellage geschützte Verbraucher sind. Gleichwohl die klar, dass wirklich alle einen Beitrag zum Sparen leisten müssen, die dies auch können. Neben den staatlichen Vorgaben kommt es darauf an, dass jede und jeder freiwillig Gas einspart.

Verordnungen zur Sicherung der Energieversorgung

Für die Verordnungen zur Sicherung der Energieversorgung nach § 30 Energiesicherungsgesetz (EnSiG) stimmt die Bundesregierung zurzeit nachstehende Maßnahmen – kurzfristig wirksam sowie mittelfristig wirksam – ab.

A) Kurzfristig wirksame Maßnahmen

Die Verordnung zur Sicherung der Energieversorgung über kurzfristig wirksame Maßnahmen
(Kurzfristenergiesicherungsverordnung – EnSikuV)
umfasst Maßnahmen, die sehr kurzfristig umgesetzt werden können. Sie zielen auf Einsparungen ab, die bereits in dieser Heizsaison zur Verringerung des Energiebedarfs beitragen können. Einen besonderen Schwerpunkt bilden Maßnahmen für die öffentliche Hand, die damit ihrer Vorbildfunktion nachkommt und so anderen Bereichen Orientierung hinsichtlich machbarer, praktikabler Einsparmaßnahmen geben kann. Die Verordnung hat eine Gültigkeit von sechs Monaten. Sie wird direkt vom Bundeskabinett ohne Beteiligung des Bundestags oder Bundesrats beschlossen und soll zum 1. September 2022 in Kraft treten:

Maßnahmen zur Energieeinsparung in Privathaushalten

Mieter bekommen mehr Spielraum, um Energie einzusparen: Derzeit gibt es in einigen Mietverträgen Klauseln, die eine Mindesttemperatur in gemieteten Räumen vorsehen. Das heißt, wenn diese Mieter weniger heizen wollen, verstoßen sie gegen ihre Mietverträge. Deshalb sollen diese vertraglichen Verpflichtungen vorübergehend ausgesetzt werden, sodass Mieter, die Energie einsparen und die Heizung herunterdrehen wollen, dies auch tun dürfen. Eine Schädigung von Gebäuden soll durch entsprechendes Lüftungsverhalten verhindert werden.

Beheizungsverbot von nicht gewerblichen privaten Pools: Die Beheizung von gas- und strombeheizten Pools im Innen- und Außenbereich wird untersagt. Dies bezieht sich nur auf private Pools, die nicht gewerblich genutzt werden und sich in Privatgärten oder Wohngebäuden befinden.

Maßnahmen zur Energieeinsparung in öffentlichen Gebäuden

Gemeinschaftsflächen in öffentlichen Gebäuden nicht mehr heizen: Damit der Energieverbrauch sinkt, ist es sinnvoll, Räume, in denen man sich nicht regelmäßig aufhält, etwa Flure oder große Hallen, Foyers oder Technikräume, nicht mehr zu heizen, außer, es gibt dafür sicherheitstechnische Anforderungen. Für Nichtwohngebäude der öffentlichen Hand wird dies nun in der Verordnung verbindlich geregelt.

19 °C an Arbeitsstätten in öffentlichen Liegenschaften: Um der Vorbildfunktion der öffentlichen Hand beim Gassparen Rechnung zu tragen, soll in öffentlichen Liegenschaften eine Temperaturhöchstgrenze von vorübergehend 19 °C festgelegt werden. Die bisher empfohlene Mindesttemperatur liegt für Büros bei 20 °C. Kliniken und Pflegeeinrichtungen und andere soziale Einrichtungen werden davon ausgenommen.

Verbot von Durchlauferhitzern für Waschbecken in öffentlichen Liegenschaften: In öffentlichen Liegenschaften sollen Boiler und Durchlauferhitzer für die Trinkwassererwärmung an Waschbecken nicht mehr genutzt werden, sofern Hygienevorschriften dem nicht entgegenstehen.

Beleuchtung von Gebäuden oder Denkmälern: Die Beleuchtung von Gebäuden oder Denkmälern, die eine rein repräsentative bzw. ästhetische Funktion haben, sollen ausgeschaltet werden.

Maßnahmen für Unternehmen

Mehr und detailliertere Information für private Energiesparmaßnahmen: Um Privathaushalten eine klare Entscheidungsgrundlage für ihren Beitrag zum Energiesparen zu ermöglichen, müssen sie über ihren aktuellen Verbrauch und die damit verbundenen voraussichtlichen Kosten ausreichend informiert sein. Sie müssen auch darüber informiert sein, welche konkreten Möglichkeiten bei ihnen bestehen, Gas einzusparen bzw. weniger oder effektiver zu heizen. Deshalb werden die Gasversorger sowie Eigentümer von größeren Wohngebäuden verpflichtet, ihre Kunden bzw. die Mieter über den voraussichtlichen Energieverbrauch, die damit verbundenen Kosten und über mögliche Einsparpotenziale frühzeitig, mindestens aber zu Beginn der Heizsaison zu informieren. Anmerkung: Gesetzliche Bestimmungen, wann eine Heizung heizen muss, gibt es in Deutschland nicht. Der Beginn der Heizperiode kann regional unterschiedlich und auch durch Klauseln im Mietvertrag festgelegt sein. In der Regel wird die Zeit zwischen dem 01. Oktober und dem 30. April als Heizperiode definiert.]

Beleuchtung von Werbeanlagen (Außenwerbung): Beleuchtete Werbeanlagen sollen in der Zeit von 22:00 bis 06:00 Uhr ausgeschaltet werden.

Absenkung von Mindesttemperaturen für Arbeitsstätten: Für die Arbeitsräume privater Arbeitgeber wird die derzeit geltende Mindesttemperatur um 1 °C auf 19 °C abgesenkt. Damit soll ein Spielraum für Arbeitgeber eröffnet werden, dem Beispiel der öffentlichen Hand zu folgen und eine Temperaturabsenkung nach eigener Einschätzung im eigenen Betrieb rechtssicher zu ermöglichen.

B) Mittelfristig wirksame Maßnahmen

Die Verordnung zur Sicherung der Energieversorgung über mittelfristig wirksame Maßnahmen
(Mittelfristenergiesicherungsverordnung – EnSimiV)
umfasst Maßnahmen, die einen höheren, mittelfristigen Zeitbedarf für die Umsetzung erfordern. Die Maßnahmen zielen auf Einsparungen in der kommenden und der folgenden Heizperiode ab. Diese Verordnung soll eine Gültigkeit von zwei Jahren haben. Sie bedarf der Zustimmung des Bundesrats und soll am 1. Oktober 2022 in Kraft treten.

Steigerung der Energieeffizienz in öffentlichen, privaten und Firmengebäuden

Pflicht zu jährlichen Heizungsprüfung: Viele Heizungen verbrauchen unnötig viel Energie, weil sie z. B. noch in der Werkseinstellung oder ohne Nachtabsenkung laufen. Wird eine Heizung bei einem regelmäßigen Check optimiert, kann sie Energie sparen. Dazu gehört zum Beispiel, die bedarfsgerechte Regelung und Steuerung der Vorlauftemperatur. Diesen Heizungscheck sollen nun alle Eigentümer von Gebäuden mit Gas-Heizung(en) durchführen. Dafür soll der Heizungscheck mit einer Frist bis zum Ablauf der übernächsten Heizperiode (2023/24) gesetzlich vorgegeben werden. Die Durchführung bedarf einer engen Abstimmung der Gebäudeeigentümer, des Handwerks und der Schornsteinfeger.

Pflicht zum Hydraulischen Abgleich: Die Maßnahme ist gut bekannt und wird seit Jahrzehnten gepredigt – mit einem Hydraulischen Abgleich arbeiten Heizungsanlagen im Normalfall effizienter. Darum sollen den Hydraulischen Abgleich künftig alle Eigentümer von großen Gebäuden mit zentraler Wärmeversorgung auf Erdgasbasis vornehmen, wenn er bisher nicht durchgeführt wurde. Die Abstimmung sieht dies für Firmen und öffentliche Gebäude (ab 1000 m2) sowie für große Wohngebäude ab sechs Wohneinheiten vor. Bei Wohngebäuden ab 10 Wohneinheiten muss dies bis September 2023 erfolgen, ab sechs Wohneinheiten bis September 2024. Da es sich hierbei um eine Instandhaltungsmaßnahme handelt, muss der Eigentümer bzw. der Vermieter die Kosten für die Durchführung des Hydraulischen Abgleichs tragen.

Pflicht zum Austausch ineffizienter Heizungspumpen: Der Austausch ineffizienter, ungeregelter Heizungsumwälzpumpen in Gebäuden, mit Erdgas-Heizungen soll verbindlich werden. Der Austausch solcher Pumpen refinanziert sich innerhalb der Nutzungsdauer, teilweise mehrfach.

Einsparungen in Unternehmen

Verpflichtung zu wirtschaftlichen Effizienzmaßnahmen: Unternehmen mit einem Energieverbrauch ab 10 GWh/a sollen ab dem 1. Oktober 2022 verpflichtet werden, wirtschaftliche Energieeffizienzmaßnahmen durchzuführen. Diese Verpflichtung gilt für Unternehmen, die bereits ein Energieaudit – also eine Analyse ihrer Verbräuche und ihrer Einsparpotenziale – nach den Vorgaben des Energiedienstleistungsgesetzes durchgeführt haben. Kurzfristige Maßnahmen, die hier infrage kommen: Austausch von Beleuchtungen mit LED, Optimierungen von Arbeitsabläufen und technischer Systeme, z.B. Druckluftsystemen. Auch Unternehmen sind dazu verpflichtet, den Hydraulischen Abgleich vorzunehmen sowie ineffiziente Heizungsumwälzpumpen auszutauschen.

Die beiden Verordnungen sind Teil eines Maßnahmenbündels. Neben den unmittelbaren Einspareffekten sollen die Maßnahmen auch eine Signal- und Vorbildwirkungen haben. Sie zielen somit auch darauf ab, freiwillige Energiesparmaßnahmen anzustoßen. ■

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