Oft geht im Zweifelsfall alles sehr schnell, und dann sind sie auch schon beschlossene Sache: Die so genannten „Kommunalen Eingriffe“ in Form von Verbrennungsverboten, Anschluss- und Benutzungszwängen mit weitreichenden Einschränkungen und wirtschaftlichen Negativauswirkungen auf das regionale Bau- und Fachhandwerk sowie die Endverbraucher. Sie entstehen meistens durch kommunalrechtliche Änderungen oder Neuerungen in Bebauungsplänen, Brennstoffverordnungen oder in Kommunalverfassungen, wenn es darin um die Installation von Nah- und Fernwärmenetzen geht. Oft bleiben in solchen Fällen nur wenige Wochen für eine Einflussnahme in den kommunalpolitischen Gremien, bevor dann per Satzungsänderung individuelle Heizungsanlagen wie zum Beispiel hocheffiziente Öl- und Gasheizungen oder Holz- und Pellet-Systeme, Wärmepumpen, KWK-Systeme, Kamin-/Kachelöfen sowie Solarwärmeanlagen nicht mehr erlaubt sind. Das konsequente Eingreifen in diese Prozesse lohnt sich für Fachhandwerker und Bürger, denn Auftragsverluste und sinkende Quoten bei der Heizungsmodernisierung, Wartung und Pflege der Heizungssysteme sind die Folge. Zudem kommen mit der monopolisierten Wärmeerzeugung sehr langfristige Wärmelieferverträge von mehr als 10 bis 15 Jahren auf die Verbraucher zu, denen die daraus entstehenden Konsequenzen oftmals nicht klar sind – angefangen bei intransparenten und steigenden Preisen, der kaum möglichen Vertragskündigung bis hin zur verbotenen Zusatzheizung mit Festbrennstoffen.
Risikofaktor Wirtschaftlichkeit bei zentralen Wärmenetzen
Nah- und Fernwärme befinden sich dennoch auf dem Vormarsch. „Zahlreiche Beispiele aus regionalen Medien, Perspektiv-Gutachten oder die schlichte Google-Suche nach den beiden Wörtern ‚Einladung, Nahwärme’ zeigen, dass Städte und Gemeinden verstärkt auf die kombinierte Strom- und Wärmeerzeugung setzen“, weiß Johannes Kaindlstorfer, Sprecher der Allianz Freie Wärme zu berichten. Auf der Suche nach energetischer Unabhängigkeit, Energieeinsparungen und Geschäftsmodellen zur Schaffung von neuen Einnahmequellen ist allerdings nicht klar, ob es sich dabei immer um die wirtschaftlichste Lösung handelt. So wird zum Beispiel die industrielle Abwärme eines Steinkohle-Großkraftwerkes in Mannheim über 25 km nach Speyer geleitet. Oder es geben immer mehr Stadtwerke öffentlich bekannt, dass der Wärmeverkauf ein zweites, lukratives Standbein ist, wenn zum Beispiel die Stromerzeugung finanzielle Defizite auslöst. Großes Erstaunen erzeugt die Aussage eines Planers in Moosach, der die zeitnahe Umsetzung eines Nahwärmeprojekts empfiehlt und damit im Internet unter merkur-online.de zitiert wird. Seiner Meinung nach sollte das Projekt aus zwei Gründen zeitnah umgesetzt werden: Zum einen gäbe es aktuell „ansprechende Förderungen“ für die doch hohen Investitionskosten, zum anderen sollte die energetische Sanierung der Häuser nicht zu weit fortgeschritten sein. „Nicht selten sind es attraktive Subventionen im hohen fünfstelligen Bereich, die solch fragwürdige Wärmenetze überhaupt erst ermöglichen“, so Kaindlstorfer. Wenn dann der wirtschaftliche Betrieb eines Wärmenetzes nicht nachhaltig sichergestellt ist und wie vergangenes Jahr in Feldberg (Mecklenburg-Vorpommern) geschehen zur Insolvenz führt, kann sich dies schon nach kurzer Zeit zu einer finanziellen Doppelbelastung für die Kommune und Bürger entwickeln.
Fernwärmekunden haben keine Alternative
Die extremen Auswirkungen monopolistisch geprägter und langfristiger Wärmelieferträge werden an einem aktuellen Beispiel in Wolfsanger/Hasenhecke bei Kassel sichtbar. Dort waren in einem Neubaugebiet vor 20 Jahren nahezu 100 Häuslebauer verpflichtet worden, ihre Heizwärme von den Stadtwerken zu beziehen. Seither hat ein Blockheizkraftwerk Strom und Wärme erzeugt. Heizöllagerstätten wurden damals verboten, weil die Häuser in einer Wasserschutzzone stehen. Erdgasanschlüsse gibt es nicht. Nur etwa 40 % der Häuser haben einen Schornstein. Nutzbare Alternativen gibt es somit kaum. Seit einigen Jahren schwelt ein Streit zwischen den Hausbesitzern und den Städtischen Werken, der nun zu eskalieren droht. Wegen vergleichsweise zu hoher Preise für die Fernwärme weigern sich nämlich die Kunden, neue Wärmelieferverträge zu unterschreiben, die von den Verantwortlichen bei den Stadtwerken durchgesetzt werden sollen. Im Gegenzug drohte den Kunden nun die Einstellung der Wärmelieferung. Die Hessisch Niedersächsische Allgemeine (HNA) berichtete Ende des vergangenen Jahres von Wildwestmethoden in Wolfsanger, weil die Bewohner bald im Kalten sitzen könnten.
Nah- und Fernwärme kann sich zur Mogelpackung entwickeln
Es liegt sehr nahe, dass Nah- und Fernwärmekunden oft nicht klar ist, in welch gefährliches Fahrwasser sie sich bei Vertragsunterzeichnung begeben. In den einschlägigen Informations- bzw. Verkaufsveranstaltungen – wenn diese beispielsweise bei neuen Planungen stattfinden – werden Energieeinsparungen, niedrige Wärmepreise, Umweltfreundlichkeit und der Erhalt der Wertschöpfung in der Region gepriesen. Die energieeffiziente, individuelle Heizungslösung wird völlig ausgeblendet. Stattdessen verdienen neben den Netzbetreibern in vielen Fällen nur wenige Projektbeteiligte am Wärmenetz. Der handwerklich geprägte Mittelstand zieht dabei den Kürzeren. Die ökologischen Nachteile durch so genannte Biogasanlagen zeigen sich in der kommunalen Infrastruktur erst dann, wenn sie in Betrieb gegangen sind. Und über die Jahre hinweg gibt es für die Wärmekunden meistens keine echten Alternativen mehr. Mit den langen Laufzeiten geht für die Bürger auch die Flexibilität bei der Wahl der Heiztechnik, des Energieträgers, sowie beim Energiekauf verloren. Zum Erhalt der Wirtschaftlichkeit des Wärmenetzes ist die Zusatzheizung in vielen Fällen nicht oder nur mit Einschränkungen erlaubt. Oder es wird gar kein Schornstein mehr gebaut, um überhaupt eine Alternative zu haben. So kommt es wie kürzlich in Chemnitz (Bild vom 8. Januar 2015) auch immer wieder zu Preisschocks. Dort hatte der Energieversorger Eins Energie für 1400 Haushalte die Fernwärmepreise um 20 % erhöht. Und dies bei sinkenden Preisen für fossile Energien wie Öl, Gas und Kohle. Das Energieunternehmen begründet die Verteuerung mit gestiegenen Preisen für Braunkohle, die Entsorgung von Asche und Gips sowie mit erhöhten Personalkosten.
Sich wehren für das Gemeinwohl lohnt sich
Doch es gibt hin und wieder auch positive Beispiele, zum Beispiel wenn von staatlicher Seite gegen erhöhte Wärmepreise ermittelt wird, die Kommunen wirtschaftliche Lösungen suchen, statt blindlings irgendwelchen Trends zu folgen oder die Bürger selbst die Initiative ergreifen. So mussten nach einer Überprüfung von 45 Thüringer Fernwärmeanbietern im vergangenen Jahr zu Beginn der Heizperiode acht Energieversorger auf Anweisung der Landeskartellbehörde ihre Preise um durchschnittlich 6 % senken. In der Chiemgau-Gemeinde Unterwössen wurde vom Gemeinderat ein geplantes Nahwärmenetz auf Eis gelegt, weil zwei unabhängige Gutachter die Wirtschaftlichkeit nicht bescheinigten. Und als die Stadt Zarrentin (Schaalsee) mit umliegenden Gemeinden eine so genannte Anstalt des öffentlichen Rechts zur Energiegewinnung und zum Energievertrieb gründen wollte, aber es ansonsten zum Projekt keine konkreteren Planungen und Informationen für die Bürger gab, fassten diese sich ein Herz und gründeten die Initiative Zukunft Energie Zarrentin. Kritisch, aber konstruktiv und zum Gemeinwohl der beteiligten Kommunen eröffneten die ehrenamtlich agierenden Bürger den Dialog mit der im Detail zum Teil ahnungslosen Kommunalpolitik. Noch kurz vor der Kommunalwahl im Mai 2014 war die Thematik erst einmal vom Tisch. Von vielen Seiten gab es Lob für die besonnene und beherzte Informationsarbeit der Bürgerinitiative.
Bei Wirtschaftlichkeitsplanungen Fachhandwerk einbeziehen
Es lohnt sich also schon, geplante Nah- und Fernwärmenetze kritisch zu hinterfragen. Beispielsweise ist die Wirtschaftlichkeit von Nah- und Fernwärmenetzen aufgrund bauphysikalischer Gesetze in Neubau- und Sanierungsgebieten zunehmend nicht gegeben. Dies liegt an den Energieverlusten der im Erdboden verlegten Rohrleitungen: Je länger und weiträumiger diese vernetzt sind, desto höher sind die Verluste. Hinzu kommt, dass neue und sanierte Gebäude den gesetzlichen Vorschriften (EnEV) entsprechend, einen geringeren Wärmebedarf haben. Das führt letztlich zu einer geringeren Wärmeabnahme im Netz. Ein dritter Aspekt ist, dass die Wärmeerzeugung sozusagen als Abfallprodukt der Stromerzeugung stattfindet. Und diese Kraftwerke produzieren Strom und Wärme unter Umständen das ganze Jahr – Sommer wie Winter. Egal, ob es dafür Abnehmer gibt. In den Machbarkeitsstudien werden diese Sachverhalte nicht immer richtig und ausreichend beleuchtet. „Städte und Gemeinden handeln nahezu fahrlässig, wenn sie bei der Planung von zentralen Wärmenetzen das ortsansässige Fachhandwerk nicht mit einbeziehen. Die Fachhandwerker kennen sowohl die Bestandsgebäude als auch die gebäudetechnischen und energetischen Zusammenhänge in Neubaugebieten, beispielsweise bei Niedrigenergiehäusern“, sagt Andreas Müller, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes Sanitär Heizung Klima (ZVSHK).
Praktische Service-Tools für die Öffentlichkeitsarbeit
Für die von kommunalen Eingriffen bedrohten Bürger, SHK-Fachhandwerker, Schornsteinfeger, Planer und Architekten hat die Allianz Freie Wärme zwei neue, praxisorientierte Servicetools erarbeitet, mit denen die regionale Öffentlichkeitsarbeit vor Ort unterstützt und vereinfacht werden soll. So liefert die Internetanwendung „Freie Wärme-Radar“ angemeldeten Nutzern kompakt und aktuell nach Postleitzahlen sortierte Neuigkeiten zu Kommunen mit kommunalen Eingriffen. Und zwar im Internetbrowser auf dem PC-Bildschirm, auf Notebooks und allen internetfähigen Endgeräten. Zudem können über die neue Web-App hilfreiche Informationsangebote wie zum Beispiel Berichte des Energiefernsehen, Pressemitteilungen, Newsletter, Broschüren abgerufen und für die eigene Arbeit genutzt werden.
Argumente für Netzwerk, Pressearbeit und Website
Das Freie Wärme-Radar bildet auch die Plattform für das so genannte „Info- und Servicepaket“, das die Allianz Freie Wärme in Kooperation mit dem ZVSHK erstellt hat. In den zunächst acht Modulen befinden sich unter anderem eine Infobroschüre zur Allianz Freie Wärme, ein Basis-Argumentationsleitfaden mit Informationen zu Nah- und Fernwärmenetzen sowie zu modernen individuellen Heizungssystemen. Des Weiteren ein kleines ABC der Pressearbeit und eine Beispiel-Pressemitteilung, die von den Radar-Nutzern kostenfrei heruntergeladen werden können, um ihre Öffentlichkeitsarbeit zu kommunalen Eingriffen möglichst optimal zu gestalten. Wer also vor Ort ein Netzwerk gegen Nah- und Fernwärme und pro individueller Heizungstechnik aufbauen möchte, erhält unter anderem konkrete Tipps zur Teamzusammenstellung, Themengenerierung, Pressearbeit bis hin zur Websiteerstellung. „Wir sind bei der Erstellung des Info- und Servicepakets davon ausgegangen“, so Müller, „dass nicht alle betroffenen Bürger den gleichen Wissensstand bei dieser komplexen Thematik haben. Sowohl der Fachhandwerker als auch der Laie sollen die Module in der Praxis anwenden können“.
Der Zugriff auf die Informationen ist einfach. Wer sich auf http://www.freie-waerme.de unter „Service“ für das Freie Wärme-Radar angemeldet hat, erhält per E-Mail einen Link über den die vorweg genannten Informationen und Module kostenfrei genutzt werden können. Den Link kann man auch in die Lesezeichen des Internetbrowsers oder in die Favoriten seines Endgerätes ziehen. Falls es neue Informationen zu Wärmenetzplanungen oder weitere Infomodule im Servicepaket gibt, wird dies allen Nutzern per E-Mail mitgeteilt. Interessenten, die sich der Allianz Freie Wärme anschließen und die Projekte fördern möchten, können sich unter der Mailadresse info@freie-waerme.de melden und weitere Informationen anfordern.
Info
Über die Allianz Freie Wärme
Die Allianz Freie Wärme ist ein Zusammenschluss von Initiativen, Unternehmen und Verbänden aus den Bereichen Heizen und Wärme. Die Akteure setzen sich für moderne, individuelle Heizsysteme ein und das Recht der Verbraucher, sich unabhängig und frei für das optimale Heizsystem zu entscheiden. Hierzu gehören hocheffiziente Öl- und Gasheizungen ebenso wie Holz- und Pellet-Systeme, Wärmepumpen, KWK-Systeme, Kamine und Solarwärmeanlagen. Denn die Wärme wird je nach Bedarf erzeugt und zwar mit einem hohen Maß an Unabhängigkeit für den Betreiber:
- bei der Wahl der Heizungstechnik nach persönlichen und/oder baulichen Kriterien
- bei der Wahl und beim Einsatz der Energieträger (Öl, Gas, Holz, Strom, Sonne)
- beim Energieeinkauf (Anbieterwechsel, Gemeinschaftseinkauf)
- bei der Bevorratung des Energieträgers.
Für die Allianz Freie Wärme zählen Nah- und Fernwärmenetze ohne Zwangsvorgaben auch zur „Freien Wärme“. Und zwar dann, wenn auch der Kaminofen im Wohnzimmer oder die Solarthermieanlage auf dem Dach erlaubt und nicht verboten sind.
Zur Sache
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Autor
Jürgen Bähr ist Inhaber der Agentur Berrycomm Kommunikationsberatung. Seit September 2013 betreut er die Pressestelle der Allianz Freie Wärme, 53819 Neunkirchen-Seelscheid, Telefon (0 22 47) 9 00 18 11, j.baehr@berrycomm.de, https://www.berrycomm.de/