SBZ: Herr Wagnitz, die allgemein anerkannten Regeln der Technik für die Planung von Heizungsanlagen zu beschreiben ist sicher keine leichte Aufgabe. Wie sind Sie dazu gekommen, sich dem zu stellen?
Matthias Wagnitz: Ich komme ursprünglich aus einem Handwerksbetrieb und kenne daher die Probleme, die sich zwischen gut gemeinter Planung auf der einen Seite und Realisierbarkeit auf der anderen Seite ergeben. In den verschiedenen Normen- und Richtlinienausschüssen, in denen ich das Handwerk vertreten darf, merkt man dann, dass zumindest ein Teil der Probleme durch die Normung selbst entstehen.
Es fehlt ein übergreifender Ansatz, der hier für Ordnung sorgt. Die Standards müssen besser untereinander und mit der Praxis abgestimmt werden. Das Regelwerk Heizung Band 1: Planung ist hier unser Beitrag.
SBZ: Wie umfangreich ist der gesamte Prozess angesichts der Vielzahl an Standards und Beteiligten letztendlich geworden?
Wagnitz: Die Erstellung zog sich über einige Jahre hin und sie ist auch noch nicht beendet. Wir schreiben aktuell an Band 2: Ausführung und planen einen dritten Band zum Thema Wartung. Nur wenn wir es schaffen, die drei Bereiche Planung, Ausführung und Wartung praxisgerecht aufeinander abzustimmen, haben wir eine Chance auf Anerkennung in der Praxis.
Die Standardisierung ist absolut notwendig für ein sinnvolles Miteinander aller am Bau Beteiligten. Davon abgesehen sollen das lebende Regelwerke sein. Wir müssen auf jeden Fall regelmäßig überarbeitete Standards einpflegen. Außerdem werden wir mit der Anwendung im Feld immer wieder Punkte finden, wo wir Anpassungen vornehmen müssen und werden.
SBZ: Die Abwägung, ob ein Standard aufgenommen wird, war sicher nicht immer einfach. Nach welchen Kriterien haben Sie hier entschieden?
Wagnitz: Nur die bloße Existenz eines Standards heißt ja nicht, dass ihn auch die Mehrzahl der Handwerker oder Planer kennt. Das ist aber eine Voraussetzung, um anerkannte Regel der Technik zu sein. Manche Standards sind sinnvoll, passen aber nicht zum Einsatz des Regelwerks (Wohnungsbau unterhalb Hochhausgrenze). Manche Standards überschneiden sich auch. Hier ging es um Bekanntheit. Ein Auswahlkriterium ist auch die Zuständigkeit. Wenn eine Norm eine Aussage trifft, die eigentlich in anderen Standards geregelt wird, verliert im Zweifelsfall der Exot.
SBZ: Wer wurde alles bei der Auswahl und Abwägung einbezogen?
Wagnitz: Das Regelwerk wurde in einem Arbeitskreis der Bundesfachgruppe SHK und der Bundesfachgruppe selbst erstellt und abgestimmt. Diese Beschränkung war notwendig, um überhaupt erst einmal in einem vernünftigen Zeitrahmen einen diskussionsfähigen Entwurf zu erarbeiten. In einem nächsten Schritt haben wir ein öffentliches Einspruchsverfahren gewählt, um die Fachöffentlichkeit zur Diskussion aufzufordern.
SBZ: Sie haben für das Regelwerk extra eine Einspruchsphase angesetzt. Welche Art von Rückmeldungen haben Sie bekommen und was wurde noch geändert?
Wagnitz: Die Anzahl der Rückmeldungen war für die erste Ausgabe erstaunlich groß und vielfältig. Eine grundsätzliche Ablehnung gab es in keinem Fall. Im Gegenteil: Die Einsprüche waren durch die Bank sachlich und zweckdienlich. Es ging im Wesentlichen um Details, die wir angepasst haben.
Als Schwerpunkt waren die Einsprüche zur VDI 2035 auffällig. Nach der problematischen Stellung der „alten“ VDI 2035 haben wir uns sehr positiv zum aktuellen Entwurf geäußert. Dass wir den Entwurf in das Regelwerk haben einfließen lassen, zeigt die zentrale Position, die diese Richtlinie nach unserer Meinung einnimmt. Im Normalfall würde man sich nicht auf einen Entwurf beziehen. Die Einsprüche zu diesem Punkt zeigten aber auch, dass die Diskussion um einen Standard frühestens mit dem Ende der Einspruchsfrist endet.
SBZ: Das Regelwerk wurde zur ISH veröffentlicht und ist damit praktisch brandneu. Können Sie schon etwas zur Resonanz bei den Fachhandwerkern sagen?
Wagnitz: Ich habe eben die ersten Quartalszahlen für den Verkauf des Regelwerks erhalten. Wir bewegen uns inzwischen in einer Dimension, die manche Standards erst im Laufe ihres ganzen Lebens erreichen. Die Fachhandwerker nehmen das Regelwerk an.
Zudem gibt es inzwischen eine Kooperation mit dem Bundesverband der Energieberater GIH. Verschiedene Universitäten und Fachhochschulen haben Exemplare für die Lehre abgefragt und erhalten. Das Regelwerk füllt hier wie erwartet eine Lücke.
SBZ: Herr Wagnitz, vielen Dank für die interessanten Erläuterungen zum Hintergrund des Regelwerks.