SBZ: Frau Dunker, Vaillant hat sein neues Projekt HeizungOnline vorgestellt. Könnten Sie zu Beginn kurz erläutern, worum es sich handelt?
Nicole Dunker: HeizungOnline ist ein neuer Service von Vaillant für den online-affinen Endkunden, der gemeinsam mit unseren Fachhandwerkspartnern entwickelt worden ist. Nach der Eingabe weniger Informationen erhält der Endkunde eine Systemempfehlung inklusive Preisindikation für die Modernisierung seiner Wärmeerzeugung.
SBZ: Gibt es denn tatsächlich Endkunden, die ihre Heizung per Internet bestellen oder handelt es sich hier nur um einen Hype, angeschoben von wenigen Marktteilnehmern?
Dunker: Wir haben genauso wie andere Hersteller und neutrale Institute hierzu Marktforschungen durchgeführt. Das Ergebnis – nicht nur in unseren Untersuchungen – lautet klar: Es gibt einen deutlichen und nachhaltigen Zuwachs online recherchierender und kaufender Endkunden. In dieser Zielgruppe wird eine extrem schnelle Reaktion erwartet – auf ihre Anfrage und ihre Wünsche. Gerade auch die Bereitschaft, handwerkliche Dienstleistungen online zu beziehen, ist signifikant gestiegen. Wer diesen wachsenden Markt bedienen möchte, muss auch online präsent sein und entsprechende Lösungen bieten. Um unseren Vaillant-Fachhandwerkspartnern, die an diesem Markt partizipieren möchten, eine durchdachte Plattform zu bieten, die sich in jeder Hinsicht an seinen Kompetenzen und Prozessen orientiert, haben wir HeizungOnline entwickelt.
SBZ: Wie stellt sich der Ablauf von HeizungOnline im Normalfall dar?
Dunker: Nachdem der interessierte Endkunde seine Daten eingegeben hat, erhält er wie beschrieben eine Systemempfehlung und eine Preisindikation. Dieser Preis enthält sowohl den Geräte- als auch Zubehör- und Installationspreis. Abschließend werden Fachhandwerker aus seiner Umgebung aufgeführt, die diese Arbeiten umsetzen könnten. Der Endkunde wählt einen dieser Fachhandwerker und gleichzeitig seinen Wunschtermin für eine Beratung in seinem Haus mit einem Mausklick aus. Anschließend führen wir eine kurzfristige Terminkoordination mit dem Endkunden und dem gewählten Fachhandwerkspartner durch. Der Fachhandwerker besucht den Endkunden vor Ort und setzt dabei eine App ein, in der alle Daten eingetragen werden, die der Endkunde nicht berücksichtigen kann, z. B. auch der Abgasweg oder besondere Installations-Situationen. Am Ende der Beratung erhält der Endkunde dann ein konkretes Angebot. Nach wenigen Tagen fassen wir beim Endkunden nach und informieren nach Vertragsschluss den Fachhandwerker zwecks Vereinbarung des Installationstermins.
SBZ: Das wirft natürlich viele Fragen auf, Frau Dunker. Wie ist es möglich, dass Sie dem Endkunden so früh bereits einen Systempreis inklusive Installation nennen? Läuft das nicht der wichtigen Beratungsfunktion durch das Fachhandwerk entgegen?
Dunker: Das wäre in der Tat so. Deswegen handelt es sich lediglich um eine allgemeine Preisindikation, aber kein konkretes Angebot. Das kann nur der Fachhandwerker nach einem Beratungstermin vor Ort erstellen. Er behält so die alleinige Beratungskompetenz. Die vor Ort-Kontakte und die Möglichkeit zum Servicegeschäft bleiben in jedem Fall beim Fachhandwerker, der seinen Kundenstamm so um neue, sonst nicht erreichbare Kunden erweitern kann. Wir holen den anonymen Internetkunden zurück in die regionale Struktur des Fachhandwerks. Darüber hinaus haben uns unsere Handwerkspartner in der gemeinsamen Erarbeitung von HeizungOnline die Geschäftsprozesse aufgeführt, die am zeitintensivsten sind: Das Abarbeiten von Kundenanfragen, das Nachfassen, die Erstellung von Angeboten und letztendlich leider oft auch das Zahlungsmanagement. Gemeinsam haben wir nach Wegen gesucht, genau diese Tätigkeiten für unsere Partner zu übernehmen, um ihm mehr Zeit für seine Kernkompetenz geben zu können.
SBZ: Das heißt ja, dass Vaillant sowohl das Angebot ausführt, als auch die Rechnung an den Endkunden stellt? Wird der Fachhandwerker dann nicht zum reinen Ausführer abgestuft?
Dunker: In der gemeinsamen Erarbeitung des Konzeptes mit unseren Partnern waren diese Geschäftsprozesse durch besonderen Mehraufwand charakterisiert worden. Daraus ist entstanden, dass HeizungOnline das komplette Zahlungsmanagement übernimmt – und damit nebenbei auch das vollständige Inkassorisiko. Der Handwerker hat die Wahl, ob er diesen Service nutzen möchte. Von uns wird der Fachhandwerker direkt nach der Inbetriebnahme vergütet. Sicherer kann man sein Geld kaum verdienen. Darüber hinaus wird HeizungOnline kaum den vollständigen Auftragsbestand eines Fachhandwerks-Unternehmens abdecken. Vielmehr dreht es sich um Kunden, die über konventionelle Vertriebswege nicht erreicht worden wären. HeizungOnline ist insofern ein Zusatz- und nicht das Basisgeschäft. Zum Vergleich: Derzeit werden nur 3 % des Gesamtumsatzes in der Branche über das Online-Geschäft abgedeckt.
SBZ: Aber erhöht die direkte Verfügbarkeit und Vergleichbarkeit von Preisen online nicht den Preisdruck auf das Handwerk insgesamt?
Dunker: Die Zielgruppe, die durch HeizungOnline angesprochen wird, ist nicht primär preisorientiert. Hier – wie überall im Internethandel – zählen Schnelligkeit und Einfachheit in der Regel mehr als ein geringer Preis. HeizungOnline ist deswegen kein Discount-, sondern ein Premium-Angebot. Wir werden nicht in einen Preiskampf einsteigen, weil ausschließlich über den Preis zu konkurrieren nicht zielführend sein kann. Wir wollen den neuen Vertriebsweg gemeinsam mit unseren Fachhandwerkspartnern aufbauen. Deswegen haben wir unsere Partner von Beginn an einbezogen und kommunizieren auch jetzt, in der Testphase des Angebotes, offen über unsere Erfahrungen, statt erst in einigen Monaten.
SBZ: Inwiefern werden denn die Erfahrungen aus dem Alltagsgeschäft in HeizungOnline einfließen?
Dunker: Wir haben HeizungOnline Anfang April für eine Testphase mit vier Fachhandwerkspartnern zusammen gestartet. In dieser Anfangsphase werden wir bis Ende des Jahres Erfahrungen sammeln, die dann Stück für Stück eingespeist werden. Dadurch wird HeizungOnline im Laufe der Zeit immer besser auf die Bedürfnisse des Fachhandwerks, aber auch der Endkunden abgestimmt. Hierbei werden wir jede sachliche Kritik und alle Verbesserungsvorschläge gemeinsam mit allen Beteiligten sorgfältig prüfen.
SBZ: Herr Claassen, wann hatten Sie zum ersten Mal Berührung zu HeizungOnline?
Edgar Claassen: Das war vor ca. eineinhalb Jahren – hier wurde die Idee zu einer Online-Vermarktung im Vaillant-Innovationskreis geboren und anschließend auf der Jahresversammlung der Vaillant-Kompetenzpartner diskutiert. Der Innovationskreis besteht aus Fachhandwerkern und Vaillant-Mitarbeitern. Hier werden Zukunftskonzepte diskutiert und erarbeitet.
SBZ: Heißt das, dass Sie von Anfang an in den Entstehungsprozess involviert waren?
Claassen: Das würde ich sogar noch etwas deutlicher formulieren: Zusammen mit meinen Fachhandwerks-Kollegen aus dem Innovationskreis haben wir den klaren Wunsch an Vaillant herangetragen, dass ein Portal zur Online-Vermarktung entsteht. Bei der anschließenden Kompetenzpartnertagung wurde das dann einhellig befürwortet und der Auftrag an Vaillant gegeben. Anschließend haben vier Fachhandwerks-Unternehmen zusammen mit Vaillant das Konzept zu HeizungOnline ausgearbeitet. Jeder Kollege hatte dabei Ideen und Bedürfnisse, die diskutiert wurden und dann eingeflossen sind.
SBZ: Sind die derzeit öffentlich besonders kritisch hinterfragten Aspekte wie die Angebotserstellung und die optionale Rechnungslegung durch Vaillant auch von Ihnen und Ihren Kollegen aus dem Fachhandwerk vorgeschlagen worden?
Claassen: Ja – und das gehört nachvollziehbar zu den Punkten, die wir besonders intensiv diskutiert haben. Unser Ziel war es von Anfang an, dass wir das Geschäft mit dem Endkunden machen und nicht Vaillant. Unsere Leistung, unser Logo sollte klar im Vordergrund stehen – nicht Vaillant als Hersteller. Letztendlich haben dann aber die Problematik des Forderungsausfalls beim an sich anonymen Internetkunden und insbesondere auch rechtliche Gründe den Ausschlag dafür gegeben, dass Vaillant Angebot und Rechnung erstellen sollte – wir als Fachhandwerker aber jederzeit auch optisch mit unserem Logo und Kontaktdaten auf den Dokumenten klar im Vordergrund stehen. Wir als Fachhandwerker sind vor Ort, beraten den Endkunden, nehmen die benötigten Teile auf, HeizungOnline erstellt automatisch das Angebot und anschließend kaufen wir selber beim Großhandel das Material. Auch die Wartungen etc. werden durch uns durchgeführt. Worüber wir prinzipiell nie diskutiert haben, waren die Preise. Denn wir waren uns alle einig, dass HeizungOnline kein preisgetriebenes Portal sein sollte. Deswegen arbeiten wir bei der Angebotsaufnahme vor Ort auch viel mit Pauschalen. Es geht uns nicht darum, statt 2 m Rohr 2,50 m zu berechnen, sondern dem Endkunden soll schnell und sicher ein vernünftiger Preis genannt werden.
SBZ: Aber in der Beratung des Endkunden vor Ort sind Sie doch eingeschränkt auf das Spektrum an Produkten und Lösungen, das Ihnen über HeizungOnline zur Verfügung gestellt wird. Ist das dann noch eine echte Beratung?
Claassen: Natürlich – wir sind hier in unserer Beratungsfunktion als Fachhandwerker in keiner Weise eingeschränkt. Denn wenn wir vor Ort sehen, dass die erste Systemindikation durch HeizungOnline nicht die bestmögliche Lösung darstellt, können wir jederzeit aus der gesamten Prozesskette aussteigen und die gesamte weitere Umsetzung selbst übernehmen. Beispielsweise wenn eine Wärmepumpe oder ein BHKW besser geeignet wäre als ein Gas-Brennwertgerät.
SBZ: Aber wieso hat Vaillant lediglich vier Fachhandwerker in die Pilotphase aufgenommen? Hätte hier eine größere Anzahl an Testpartnern nicht ein eindeutigeres Ergebnis gezeigt?
Nicole Dunker: Letztendlich bedeutet die Teilnahme an HeizungOnline vor allem erst einmal, viel Zeit für Schulungen und Diskussionen einzusetzen. Darüber hinaus wollen wir auch sehr schnell Erfahrungen sammeln, die wir mit allen anderen Fachhandwerkspartnern teilen. Und Testphase bedeutet ja auch, dass die Prozesse noch nicht definitiv fixiert sind und vieles geprüft sowie bewertet werden muss. In einem kontrollierten Umfeld mit nur vier Partnern ist das deutlich einfacher zu handhaben und umzusetzen als mit 100 Teilnehmern.
SBZ: Könnte Vaillant mit HeizungOnline nicht auch in den einstufigen Vertrieb einsteigen?
Edgar Claassen: Die Möglichkeit dazu war doch theoretisch schon immer vorhanden. Vaillant hat ja durch seinen großen Werkskundendienst schon seit langem Endkundenkontakt. Dazu bräuchte man ein Konstrukt wie HeizungOnline nicht. Das wäre doch viel zu kompliziert. Um komplett einstufig zu arbeiten, fehlt Vaillant dann auch schlichtweg die Organisation und die Manpower. Ich sehe es so, dass Vaillant gemeinsam mit seinen Partnern versucht auf Augenhöhe ein Konzept zu finden, dass einen derzeit noch kleinen, aber stark wachsenden Markt erschließen kann.
SBZ: Würden Sie Ihren Kollegen im Fachhandwerk denn empfehlen, sich an so einem Konzept zu beteiligen?
Claassen: Jeder Fachhandwerker muss für sich selber prüfen, ob er künftig am Onlinegeschäft teilnehmen möchte oder nicht. Erst dann kann man überlegen, ob man sich an HeizungOnline oder einem anderen Online-Vertriebskanal beteiligt. Der Markt wächst stark. Es wird noch lange den Kunden geben, der zum Telefon greift und nach einer neuen Heizung fragt. Die nachwachsenden Generationen sind aber mit dem Online-Shopping groß geworden – in allen Bereichen. Letztendlich besteht die Gefahr, dass dann bundesweit agierende Betriebe über Onlineportale in der eigenen Region beim eigenen lokalen Kundenstamm wildern werden. Hier können dann in der Tat „Schrauber“ ohne vorherige Beratung und fachlichen Hintergrund Heizungen installieren. HeizungOnline ist von und mit Fachhandwerkern und für ihre Bedürfnisse entwickelt worden – mit der Unterstützung einer großen Marke in der Branche, ohne die sich so eine Investition nicht stemmen lassen würde. Das sind Argumente, die man stets hinterfragen sollte, bevor man sich für einen Online-Vertriebskanal entscheidet.
SBZ: Frau Dunker, Herr Claassen, vielen Dank für das Gespräch.
Zur Sache
Viel Kritik, wenig Zuspruch
Das Konzept HeizungOnline von Vaillant fährt viel Kritik ein, wenig Zuspruch. Mit großer Mehrheit steht das Handwerk dem Internetmodell ablehnend gegenüber, wie Umfragen der SHK-Fachverbände landauf-landab zeigen. Ausdrücklich sei allerdings gesagt: Die Kritik richtet sich nicht gegen Vaillant, sie zielt auf das Konzept an sich ab. Zu große Fragezeichen stehen zum Beispiel hinter Details wie der Rechnungsstellung oder der für jeden Interessenten online erhältlichen Preisangabe. Zweifelsfrei klar ist, das Onlinesegment als Vermarktungsschiene fristet bei vielen Fachhandwerksbetrieben bisher ein Nischendasein. Aber statt untätig zuzuschauen, wie branchenfremde Akteure mittels neuer Internetangebote den Markt für das schnelle Onlinegeschäft besetzen, hat Vaillant ein Gegenmodell entworfen. Das ist gut gemeint. In der aktuellen Version jedoch birgt HeizungOnline Verbessungspotenzial. Aber es heißt ja ausdrücklich, das Konzept befinde sich in einer Testphase. Korrekturen sind jederzeit möglich.
Perspektivisch lauert hinter dem Pilotprojekt allerdings eine weitaus größere Gefahr. Faktisch ist das Konzept nur wenige Schritte entfernt von einem neuen, einstufigen Geschäftsmodell – der Verkauf könnte direkt an Endkunden erfolgen, die Aufträge werden bloß noch an willige Handwerker vergeben, den Preis bestimmt der Anbieter. Trotz aller Beteuerungen von Vaillant, dies auf keinen Fall zu beabsichtigen, bleibt ein Rest Misstrauen. Eine weitere Überlegung ist zudem: Was passiert eigentlich, wenn andere Unternehmen der Heizungsindustrie dem Beispiel folgen? Dann bleibt dem SHK-Handwerk irgendwann nur noch der Markt für die komplizierteren Anlagen, wenn einfache Aufträge wie der bloße Gerätetausch übers Internet eingeholt und vergeben werden, womöglich zum Fixpreis.
Es gibt kaum einen Markt, in dem das Internet eingefahrene Gewohnheiten nicht bereits gravierend umgeworfen hat. Für den Einzelnen alleine ist es schwer möglich, eine Antwort auf die Frage zu finden, wie die SHK-Branche den Wandel gewinnbringend nutzt. Es sollte aber Ziel aller Marktpartner sein, gemeinsam nach Lösungen zu suchen, die jeder gleichberechtigt mitgestaltet und mitträgt.
Dennis Jäger | SBZ-Chefredakteur | jaeger@sbz-online.de