Kleine und mittlere SHK-Handwerksunternehmen neigen dazu, das Internet mit seinen unzähligen Angeboten als den Totengräber ihrer Existenz zu betrachten. Sie glauben, dass sie keine Chancen im Preis- und Dienstleistungswettbewerb gegen die großen Allesanbieter oder die Spezialisten haben. Diese Einstellung ist falsch, denn jeder Handwerks- bzw. Handelsbetrieb verfügt immer über mehrere Vorteile, die nur er seinen regionalen Kunden bieten kann.
Lähmend hinzu kommt der Glaube, dass der Preis das entscheidende Argument sei. Beeinflusst durch die Aktivitäten der überregionalen Anbieter, die in ihrer Werbung immer wieder den Preis als Hauptargument hervorheben, glauben viele Unternehmer, dass dies für die Kunden das entscheidende Argument sei. Das ist jedoch falsch. Natürlich ist der Preis wichtig und für einige Käufer auch entscheidend, aber wenn die anderen Umfeld-Leistungen nicht stimmen, suchen die Kunden nach Lösungen, die ihre Wunschvorstellungen besser erfüllen.
Egal, ob ein standardisiertes oder ein individuelles Produkt gekauft werden soll, der regionale Betrieb – gleich welcher Branche und wie groß – kann den Kunden in seinem Einzugsbereich verschiedene Vorteile bieten, vor denen jeder Online-Anbieter kapitulieren muss.
Was Kunden wollen
Diese Feststellung findet ihre Bestätigung in der repräsentativen Marktuntersuchung „Europa Konsumbarometer 2014“. Zusammengefasst lauten die Ergebnisse:
- Off- und Online gehören aus Verbrauchersicht zusammen
- Europäer wünschen direktes Erleben und Verkaufsberatung
- 37 Prozent der Konsumenten möchten vermehrt online kaufen
- Smartphones dienen als Kompass für den Kunden und als Zahlstation im Geschäft.
Der stationäre Handel ist bei den Europäern weiterhin beliebt. 11 Prozent der Verbraucher wollen häufiger und 43 Prozent sogar überwiegend oder ausschließlich vor Ort einkaufen. Andererseits planen 37 Prozent, vermehrt Produkte im Internet zu erwerben. Die repräsentative Verbraucherbefragung schreibt dazu: „Die Konsumenten schätzen die Standortvorteile der stationären Anbieter. Dazu zählen in erster Linie die Beratung und Inspiration durch den Verkäufer und die authentische Produkterfahrung, die das Internet nicht bieten kann.“
Aus diesen Erkenntnissen lassen sich neun Vorteile ableiten, die nur Betriebe bieten können, die vor Ort in der Region verankert sind.
1. Vorteil: Die Nähe zum Kunden
Kunden, die im Einzugsbereich eines Unternehmens ansässig sind, das seine Produkte sowohl direkt als auch über Internet anbietet, können die Vorteile eines Einkaufs oder einer Bestellung mit denen eines direkten Besuches verbinden. Diese Nähe zum Kunden ermöglicht es jedem regionalen Betrieb (Zusatz-) Leistungen anzubieten, die die klassischen Online-Händler aufgrund ihrer Entfernung nicht erbringen können.
2. Vorteil: Der reale Ansprechpartner
Im Gegensatz zum reinen Online-Handel kann der regionale Betrieb seinen Kundenkontakt personalisieren. Bereits auf der Startseite kann der Mitarbeiter vorgestellt werden, der für die Abwicklung des Auftrages zuständig ist. Dieser Mitarbeiter ist im Bedarfsfall jederzeit per Internet, per Telefon oder direkt im Betrieb erreichbar und kann so zu allen Fragen Auskunft geben.
3. Vorteil: Die individuelle Beratung
Die Standarderklärung des Produktes und der Leistung erfolgt entsprechend den technischen Bedingungen des Internets in bildlicher und schriftlicher Form. Das empfinden jedoch viele Käufer als unzureichend. Der regionale Anbieter kann zusätzlich weiterführende oder vergleichende Beratungsleistungen in seinem Betrieb anbieten – oft sogar direkt am Produkt. Er kann sein Know-how für die Entscheidungsfindung einbringen.
4. Vorteil: Die Schnelligkeit
Die überregionalen Anbieter müssen immer einen Lieferdienst, der oft zusätzliche Kosten verursacht, mit der Auslieferung beauftragen. Der Regionalbieter kann je nach Situation die direkte Bearbeitung am gleichen Tag anbieten – etwa bei Notfällen. Hier muss der überregionale Online-Handel passen.
5. Vorteil: Der Service
In vielen Fällen ist nicht der Preis, sondern der Service das entscheidende Verkaufsargument. Jeder kennt die (unendlichen) Probleme, die bei vielen Anbietern entstehen, die weit weg sind.
Wenn ein Produkt reklamiert werden muss, hängt der Reklamierende in Warteschleifen, wird von einem Mitarbeiter zum anderen verwiesen, weil keiner zuständig ist. Und wenn dann endlich alles geregelt ist, muss er im Normalfall wochenlang warten, bis er ein neues oder das reparierte Produkt wieder nutzen kann. Die Liste der Ärgernisse ist lang. Dabei sind der Ärger, die verschwendete Zeit und die zusätzlichen Kosten noch gar nicht erwähnt.
Ganz anders bei dem regionalen Anbieter. Da ist der Ansprechpartner bekannt, die Reparatur kann oft durch den Betrieb erfolgen und der Service-Mitarbeiter ist kurzfristig vor Ort zur Stelle. Bei besonders dringlichen Fällen kann manchmal sogar mit einem Ersatzgerät ausgeholfen werden. Auch hier muss der überregionale Online-Handel passen.
6. Vorteil: Die Montage und Einweisung
Bei größeren Produkten oder Geräten ist oft eine fachkundige Montage notwendig, um es nutzen zu können. Große Online-Anbieter arbeiten oft mit Subunternehmen zusammen, die möglichst schnell mit ihrer Arbeit fertig werden wollen. Da bleibt dann zum Beispiel die Einweisung oder die abschließende Reinigung nach der Montage oft „auf der Strecke“, denn sie müssen im Normalfall nicht wieder kommen, wenn ein Reklamationsfall eintritt. Deshalb wird oft nach dem Motto „Aus den Augen, aus dem Sinn“ gearbeitet. Das alles kann ein regionaler Anbieter spielend leisten.
7. Vorteil: Die Terminflexibilität
Es kommt immer wieder vor, dass bestellte Waren zu einem bestimmten Zeitpunkt angeliefert werden müssen. Nationale Zustelldienste können darauf oft keine Rücksicht nehmen, weil sie für Extra-Leistungen nicht bezahlt werden. Ganz anders der Partner vor Ort, er kann derartige Wünsche seiner Kunden im Regelfall berücksichtigen.
8. Vorteil: Die Sicherheit
Es gibt eine große Zahl von Internet-Nutzern, die ihre Bank- oder Kartendaten nicht in das Netz eingeben wollen. Auch die sind zu gewinnen, weil sie vor Ort bar, mit Kreditkarte oder per Scheck bezahlen können.
9. Vorteil: Das Preisgespräch
Im Gegensatz zu den Online-Anbietern können Sie mit den Interessenten in konkrete Preisverhandlungen treten. Wenn Sie das Gefühl haben, dass Sie einen Beratungsklauer vor sich haben, können Sie direkt fragen, welche Preisvorstellungen er auf Grund seiner Internetrecherche hat und welche Leistungen der bevorzugte Anbieter offeriert. Je nach Auskunft können Sie dann das Gespräch höflich beenden oder in konkrete Leistungs- und Preisverhandlungen eintreten. Denken Sie dabei daran, dass Sie einen zusätzlichen Verhandlungsspielraum benötigen, wenn Sie Ihre Leistungen anpassen oder reduzieren.
Vorteile vermarkten
PR-Leute sagen: Tue Gutes und rede darüber! Für SHK-Handwerksbetriebe heißt das, dass Sie die Vorteile, die Sie bieten, auch offensiv in Ihren werblichen Aktivitäten darstellen müssen. Wenn Sie die vorhandenen Kundenvorteile nicht publizieren, können Ihre potenziellen Kunden auch nicht wissen, dass Sie die bessere Lösung bieten. Nutzen Sie dabei vor allem das Internet, damit Sie in diesem Medium präsent sind.
Wenn Sie die Möglichkeiten, die das Internet bietet, nicht ausreichend kennen, sollten Sie mit einem Profi zusammen arbeiten, damit Sie keine Fehler machen. Kennen Sie sich jedoch mit diesem Medium und Social-Media aus, sollten Sie die Möglichkeiten nutzen, die Twitter, Facebook und Co. bieten. Eine weitere Erkenntnis aus der Marktuntersuchung „Europa Konsumbarometer 2014“ ist, dass Social-Media die Entscheidungsfindung zunehmend beeinflusst. Käufer informieren sich immer häufiger in den sozialen Netzwerken über Produkte, Leistungen und Bewertungen.
Preis darf kein Argument sein
Noch etwas: werfen Sie Ihre Ansicht, dass der Preis das entscheidende Argument ist, über Bord. Denken Sie immer wieder an die vielen Untersuchungen und Vergleiche, die in den Medien vorgestellt wurden und werden, dass Internetanbieter eher mit wenigen Standardartikeln preiswert sind, aber dass das Preisniveau des Gesamtsortiments oft über dem der regionalen Anbieter liegt.
Stellen Sie die Vorteile, die (nur) Sie zu bieten haben, deutlich heraus, damit den Kunden bewusst wird, auf was sie alles verzichten, wenn sie nicht bei Ihnen kaufen. Das bedeutet, dass Sie sich von Zeit zu Zeit als Interessent das Angebot Ihrer wichtigsten Online-Wettbewerber ansehen, und dabei Fragen nach dem Service, nach den Materialien, nach den (Material-)Eigenschaften und den Leistungen stellen sollten. Sie werden überrascht sein, wie oft Sie bei einem Call-Center landen und wie viele Fragen unbeantwortet bleiben. Das sind Fundgruben für Ihre Argumentation.
Online aktiv sein
Unstrittig ist, dass die Einkäufe per Internet noch zunehmen werden. Die Prognosen der neuesten Untersuchungen sagen aus, dass sich langfristig das Verhältnis Online zu stationärem Handel etwa bei 1 : 1 einpendeln wird. Damit entsteht für jeden klassischen Handwerksbetrieb die Frage, ob er auf diese Kunden verzichten will, oder ob er die vorhandenen Möglichkeiten aktiv für sich nutzen will. Dabei ist es nicht entscheidend, ob Sie sämtliche Vorteils-Leistungen anbieten. Wichtig ist, dass Sie Ihren Kunden aufzeigen, in welchen Leistungsfeldern Sie besser sind als die großen Online-Konkurrenten.
Entscheidend ist darüber hinaus, dass Sie eigene Online-Aktivitäten als gleichberechtigten Teil Ihrer Verkaufsaktivitäten sehen und nicht als zusätzliche Arbeitsbelastung. Die Möglichkeiten, sich als bessere Alternative gegenüber den überregionalen Online-Anbietern darzustellen, sind vielfältig. Nutzen Sie Ihre Chancen, bevor es die anderen tun.
Info
Fachwissen wird geschätzt
Jedem vierten Käufer ist die Lieferzeit beim Online-Einkauf zu lang. Weitere Vorteile, die die Verbraucher beim realen Einkauf schätzen sind:
- das Fachwissen der Verkäufer (66 Prozent)
- die Beratungsqualität (62 Prozent)
- das Treffen einer Vorauswahl (41 Prozent)
- Objektivität und Sachlichkeit (37 Prozent).
Darüber hinaus werden weitere Eigenschaften beim Händler vor Ort als wichtig angesehen:
- die sofortige Hilfestellung
- die persönliche Begleitung durch den Verkäufer
- das haptische Erlebnis mit dem Produkt und
- die direkte Lieferung.
Die Ergebnisse sind der Marktuntersuchung „Europa Konsumbarometer 2014“ entnommen. Es handelt sich um eine Verbraucherbefragung der Commerz Finanz GmbH.
Autor
Hans-Jürgen Borchardt ist Werbekaufmann und seit mehr als 20 Jahren Autor von Fachbeiträgen zum Thema Marketing. Er ist Verfechter eines vereinfachten Marketings für Handwerksbetriebe.hans-juergenborchardt@gmx.de