Der Stuttgarter Vorort Botnang bekommt eine neue Mitte. So klassisch, wie der Entwurf des Architekten für den Neubau die Stilelemente der Blockrandbebauung mit individuell gestalteten Höfen und Plätzen im Umfeld verknüpft, so komplex stellt sich die technische Umsetzung des in zwei Bauabschnitten errichteten Quartiers dar. Denn insbesondere die Technische Gebäudeausrüstung mit den Installationen für Sanitär und Heizung sowie für umfangreiche Brandschutzeinrichtungen wurde aufgrund der stark durchmischten Nutzung des vielgliedrigen Baukörpers extrem gefordert. Dementsprechend galt es für SHK-Fachplaner und -Handwerker eine große Anzahl an Richtlinien einzuhalten. So spielten beispielsweise die speziellen Feuerschutzvorschriften für Tiefgaragen sowie das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) mit dem Zwang zum Einsatz regenerativer Energien und der Stuttgarter Energieerlass „30 % besser als EnEV“ eine entscheidende Rolle, aber auch die Trinkwasserverordnung (TrinkwV). Denn von der Heizzentrale aus (mit Wärmeerzeugung über Pellets und Gas-Brennwert) wird der gesamte Komplex zentral mit Trinkwarmwasser versorgt.
Alles andere als konventionell
„Mit konventioneller Auslegung und herkömmlichen Systemen wäre das unter trinkwasserhygienischen und Komfort-Gesichtspunkten kaum zu bewältigen gewesen“, sagt Michael Jokesch vom ausführenden SHK-Fachunternehmen Jokesch-Miller in Esslingen: „Insgesamt mussten allein im ersten Bauabschnitt schon 4000 m Edelstahlrohr und etwa 7000 m Kunststoffrohr installiert werden, um die vielen Hundert Verbraucher und Zapfstellen in den einzelnen Gebäudeteilen anzubinden. Speziell bei konventionellen Kunststoffrohrsystemen bauen sich da schnell Druckwiderstände auf, die nur durch eine gewisse Überdimensionierung abgefangen werden können. Mit dem durchflussoptimierten System Raxofix von Viega konnten wir aber insgesamt deutlich schlanker dimensionieren, ohne dass es zu Komforteinbußen in der Versorgung kommt.“ Womit zugleich der Wirtschaftlichkeit und indirekt auch der Trinkwasserhygiene Genüge getan wurde. Denn je geringer das Rohrvolumen in solch einer weit verzweigten Installation, umso häufiger findet bekanntlich der regelmäßige Wasseraustausch statt – „und das ist eine grundlegende Voraussetzung, um Verkeimung durch Stagnation zu verhindern“, unterstreicht Michael Jokesch. „Hinzu kommt dann ebenso obligatorisch beim Kalt- wie beim Warmwasser die abgesicherte Temperaturhaltung sowohl in den Schächten für die Steigestränge als auch in den Etagenverteilungen, um Keimen erst gar keine Wachstumsbedingungen zu bieten.“
Vernetzt planen angesagt
Dass diese installationsseitigen Maßnahmen zum Erhalt der Trinkwassergüte so durchgängig umgesetzt werden konnten, ist der engen Abstimmung zwischen TGA-Fachplaner und ausführendem Unternehmen zu verdanken: „Die unterschiedlichen Nutzungseinheiten und die verwinkelte Bauweise mit teilweise meterlangen Verzügen erschwerten die Auslegung der Trinkwasserinstallationen an sich schon. Darüber hinaus musste im Sinne des Bauherrn aber auch die Wirtschaftlichkeit beim Bau und im späteren Betrieb beachtet werden. Deswegen wurden beispielsweise in der Kindertagesstätte komprimierte Nutzungseinheiten geschaffen. So ist von diesen Stellen ausgehend jeden Tag ein hinreichender Wasserdurchsatz für das gesamte Rohrleitungsnetz in der Kita sowie die vorgelagerten Strangabschnitte gewährleistet,“ so Jokesch.
Durchgängige Dokumentation
Generell gilt für alle öffentlichen Einrichtungen in dem Gebäudekomplex bzw. für die entsprechenden Trinkwasserinstallationen: Nach Fertigstellung gibt es für den Bauherren und die Betreiber zum einen die kompletten Revisionsunterlagen, zu denen auch die Protokolle der strangweisen Dichtheitsprüfung mit Druckluft oder die Wartungsunterlagen für bestimmte trinkwasserführende Installationskomponenten wie Filter etc. gehören. Zum anderen werden die künftigen Nutzer in den bestimmungsgemäßen Betrieb der Trinkwasserinstallation eingewiesen, und zwar inklusive schriftlich festgelegter Hinweise, was bei Nutzungsunterbrechungen zu tun ist.
Michael Jokesch, der mit seinem Unternehmen bereits zahlreiche Objekte vergleichbarer Größenordnung realisiert hat, spricht da aus Erfahrung: „Das Thema Erhalt der Trinkwasserhygiene ist im Neubau wie im Bestand mittlerweile bei den Bauherrn und Betreibern genauso präsent wie bei uns; vor allem, wenn es um Legionellen geht. Deswegen haben wir von der engen Abstimmung schon in der Planungsphase bis zur Inbetriebnahme bzw. Übergabe an den Betreiber eine lückenlose Qualitätssicherungskette aufgebaut, zu der die beschriebenen Maßnahmen einfach fest dazu gehören. Über die lückenlose Dokumentation sind wir und unsere Kunden dann gleichermaßen auf der sicheren Seite, dass die Trinkwasserinstallation in einem einwandfreien Zustand ist und auch so bleibt, wenn sie bestimmungsgemäß betrieben wird.“
Brandschutz abgenommen
Das Gleiche gilt sinngemäß für die brandschutztechnischen Installationen in dem Gebäudekomplex, die auf Basis eines Brandschutzgutachtens vom SHK-Unternehmen Jokesch-Miller ausgeführt wurden: durch unterschiedlichste, teilweise direkt nebeneinander liegende Nutzung genauso komplex, durch die verwinkelte Bauweise genauso „verzogen“, und durch die typischen Widrigkeiten einer Großbaustelle genauso herausfordernd in der praktischen Umsetzung wie die Trinkwasserinstallationen. Einige Beispiele aus dem Kapitel „Herausforderungen Brandschutz“: Gemischt belegte Schächte und Deckendurchführungen, die unter Platznot leiden. Rohrleitungen, die durch die noch nicht final fertig gestellten Trockenbauwände eines Brandschutzabschnittes geführt werden müssen. Michael Jokesch: „Im normalen Betrieb eines Fachhandwerksunternehmens ist das fachlich nicht mehr komplett selber zu leisten. Deswegen ziehen wir hier nach Fertigstellung unserer Arbeiten immer rechtzeitig einen Brandschutzexperten hinzu, der für uns die Arbeiten abnimmt und dokumentiert, bevor speziell die Decken oder Schächte geschlossen werden.“
Aufwand lohnt sich
Das mag auf den ersten Blick nach Mehraufwand aussehen, der sich später – weil nicht im Leistungsverzeichnis – auch auf keiner Rechnung wiederfindet. Auf lange Sicht aber lohne sich ein solcher Qualitätsnachweis immer, sagt Michael Jokesch: „Bauherren und Betreiber sind mittlerweile bei Fragen des Brandschutzes und der Trinkwasserhygiene gleichermaßen sensibilisiert. Spätestens bei der Abnahme wird daher sehr genau hingeschaut und, unabhängig von der ursprünglichen Ausschreibung, zu Recht die Einhaltung aktueller technischer Standards erwartet. Mit einer durchgängigen Dokumentation zu diesen beiden wichtigen Bereichen runden wir also gewissermaßen nur die qualitativ genauso hochwertige Ausführung unserer Arbeiten ab – im Sinne des Bauherrn und nicht zuletzt der Nutzer, die in den kommenden Jahren hier in der „neuen Mitte Botnangs“ leben und arbeiten.“
Info
Die neue Mitte von Botnang
Knapp 24 Millionen Euro werden in Botnang investiert, um das Zentrum des Ortes zeitgemäß zu revitalisieren: Auf knapp 5100 m² Fläche entsteht ein viergeschossiger Komplex plus Satteldachgeschoss mit Ladenlokalen, einem großen Supermarkt, einer Musikschule, einer Begegnungsstätte, einer Kindertagesstätte mit 1200 m² Spielfläche im atrium-artigen Innenhof und insgesamt 50 Mietwohnungen. Komplettiert wird die gesamte Maßnahme durch eine Tiefgarage mit über 100 Stellplätzen. Über ein Jahr lang waren allein schon die Abrissbagger im Herzen Botnangs beschäftigt, um für dieses Großprojekt den alten Baubestand abzuräumen – und heute erinnert nur noch die Lagebeschreibung („ehemaliges Hotel Hirschen“) an das zwar traditionsreiche, aber städtebaulich wie technisch nicht mehr zeitgemäße Quartier in der Mitte Botnangs.