Die neue VOB/A soll vereinfachen, straffen und mehr Transparenz in die öffentlichen Ausschreibungen und die Vergabeprozesse bringen. Hierzu wurden die Paragrafen von 32 auf 22 reduziert, ohne jedoch die Grundsätze und Inhalte wesentlich zu verändern. Einige Paragrafen wurden – zum besseren Verständnis – zusammengefasst und anders geordnet. Die Festlegungen zu den Grundsätzen sind nun nicht mehr für das Vergabeverfahren und die Aufstellung der Ausschreibung getrennt, sondern ganz vorn, unter § 2, zu finden. Eingefügt wurde der Grundsatz eines transparenten Vergabeverfahrens (§ 2 Abs. 1 Nr. 1) womit EU-Forderungen für nationale Ausschreibungen Rechnung getragen werden soll.
Änderungen in der VOB/A
Präzisierungen in der Begrifflichkeit haben stattgefunden. Gesprochen wird nun nicht mehr vom Unternehmer, sondern von Unternehmen oder nicht mehr von Verdingungsunterlagen, sondern Vertragsunterlagen. Freihändige Vergaben können neuerdings bis zu einer Wertgrenze von 10000 Euro (netto) gewählt werden (§ 3 Abs. 5, letzter Satz). Das Gebot, losweise auszuschreiben, hat eine Verschärfung erfahren. Bauleistungen sind in der Menge aufgeteilt (Teillose) und getrennt nach Art oder Fachgebiet (Fachlose) zu vergeben, heißt es in der neuen VOB/A im § 5, Abs. 2). Zwar kann aus Gründen der Wirtschaftlichkeit oder wegen technischer Anforderungen auf Teillose verzichtet werden, allerdings bedarf es hierzu einer einschlägigen und nachvollziehbaren Begründung. Bei beschränkten Ausschreibungen ist vorgegeben, dass mindestens drei Bewerber aufgefordert werden. Früher war diese Regelung offen und Einfalltor für bestimmte Bevorzugungen von Bewerbern.
Neu ist ferner, dass die Prüfung der Eignung, Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit nun obligatorisch für die ausschreibende Stelle geworden ist (§ 6, Abs. 3, Nr. 1). Unternehmen, die präqualifiziert sind, haben hier Vorteile, weil sie auf die ihnen vorliegende entsprechenden Unterlagen zurückgreifen können. Aber auch Einzelnachweise von Firmen, die nicht präqualifiziert sind, sind hier zulässig. Beliebte Unsitte war die Ausschreibung von Bedarfspositionen. Mit der Neuregelung wird fixiert, dass Bedarfspositionen praktisch in der Zukunft eigentlich entfallen müssten, weil nur noch in begründeten Ausnahmefällen von ihnen Gebrauch gemacht werden darf. „Bedarfspositionen sind grundsätzlich nicht in die Leistungsbeschreibungen aufzunehmen“, legt der § 7 Abs. 1, Nr. 4 der neuen VOB/A fest.
Auch in der Frage, wie auszuschreiben ist, enthält die Neuregelung Verschärfungen. Die Leistung ist durch eine Baubeschreibung und mit einem in Teilleistungen untergliederten Leistungsverzeichnis zu beschreiben. Der ausschreibende Auftraggeber ist nun gehalten, von Anfang an verbindlich zu erklären, wenn er Nebenangebote nicht zulassen will bzw. ob er Nebenangebote ausnahmsweise nur in Verbindung mit dem Hauptangebot zulassen möchte (§ 8, Abs. 2, Nr. 3.). Neu ist weiterhin der verbindliche Entschädigungsanspruch der Bieter, wenn der Auftraggeber verlangt, dass die Bewerber Entwürfe, Pläne, Zeichnungen, statische Berechnungen, Mengenberechnungen oder andere Unterlagen ausarbeiten, um z.B. dem Auftraggeber eine Entscheidung zu der funktionsgerechtesten Lösung zu ermöglichen.
Auf Sicherheitsleistungen für die Vertragserfüllung hat der Auftraggeber bei einem Auftragswert von unter 250000 Euro zu verzichten. Hinsichtlich der Gewährleistungssicherheiten soll bei Aufträgen unter 250000 Euro verzichtet werden, mit anderen Worten: in der Regel werden bei Auftragswerten in vorgenannter Höhe keine Mängelanspruchssicherheitsleistungen mehr verlangt. Preisangaben in Angeboten werden ein „Muss“, ebenso der Zwang, die geforderten Erklärungen und Nachweise mit dem Angebot abzugeben. Anderenfalls liegen verbindliche Ausschlussgründe für Bewerbungen vor (§ 13, Abs. 1, Nr. 3 und Nr. 4). Zwingende Ausschlussgründe bestehen bei:
- verspäteter Angebotsabgabe (es sei denn, die Vergabestelle hat die Verspätung zu vertreten)
- fehlender Unterschrift
- fehlender Datenintegrität
- Änderungen der Vertragsunterlagen, Änderungen der Bieter
- wettbewerbswidrigen Bieterabsprachen
- nicht zugelassenen Nebenangeboten hinsichtlich der Nebenangebote
- Formfehlern bei Nebenangeboten
- unzutreffenden Erklärungen zur Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit
- fehlenden Preisangaben (Ausnahme: solche Angebote, bei denen lediglich in einer einzelnen unwesentlichen Position die Angabe des Preises fehlt und durch die Außerachtlassung dieser Position der Wettbewerb und die Wertungsreihenfolge nicht beeinträchtigt werden).
Weitere Ausschlussgründe können sich ergeben, wenn die Eignungskriterien nicht erfüllt sind oder dem Bewerber Delikte oder Verstöße vorgeworfen werden können.
Ablauf des Vergabeverfahrens
Die Gestaltung eines Vergabeverfahrens nach VOB/A soll so ablaufen, dass ausschließlich fachkundige, leistungsfähige und zuverlässige Unternehmer zu angemessenen Preisen berücksichtigt werden. Als fachkundig werden Firmen angesehen, wenn sie über die für die Vorbereitung und Ausführung der ausgeschriebenen Leistungen erforderlichen Kenntnisse verfügen. Es geht darum, ob die Ausstattung und die Kapazitäten eines Bewerbers so vorgehalten werden, dass der konkret zu vergebende Auftrag fachlich einwandfrei und fristgerecht abgewickelt werden kann.
Als zuverlässig ist eine Firma anzusehen, wenn sie Gewähr für eine ordnungsgemäße Vertragserfüllung und Betriebsführung bietet. Mangelnde Sorgfalt bei der Ausführung früherer Arbeiten, die zu Nachforderungen des Auftraggebers oder in der Ausführung begründeten Gewährleistungsansprüchen geführt haben oder schwere Verfehlungen (Bestechungen), Urkunden oder Vermögensdelikte, Schwarzarbeit, Steuerdelikte oder die Verletzung von Unfallverhütungsvorschriften sind inzwischen auch gerichtlich festgestellte Negativkriterien für eine Zuverlässigkeitsbewertung und damit Ausschlusskriterien in öffentlichen Vergabeverfahren. Eine öffentliche Ausschreibung soll so ablaufen, dass Wettbewerbsbeschränkungen oder eine Diskriminierung von Bietern ausgeschlossen werden. Die VOB/A kennt im Wesentlichen drei verschiedene Arten von Vergabeverfahren, nämlich die öffentliche Ausschreibung, die beschränkte Ausschreibung sowie die freihändige Vergabe.
Der Ablauf eines Vergabeverfahrens ist folgendermaßen gestaltet: zunächst erfolgt die Aufstellung der Leistungsbeschreibung sowie der sonstigen Unterlagen. Danach wird die öffentliche Ausschreibung in der Presse bekannt gemacht. Daraufhin fordern Bewerber die Ausschreibungsunterlagen ab. Bewerber erhalten dann die Vergabeunterlagen, aus denen sich die Inhalte der Leistungen und die Angebotsfrist ergeben. Die Fristen sind aufmerksam zu berücksichtigen, weil nur innerhalb der Fristen die Angebote bei den Vergabestellen einzureichen sind. Hiernach findet ein Eröffnungstermin statt, der den Beginn der Zuschlags- und Bindefrist markiert. Im Rahmen dieses Termins werden dann die Angebote auf Richtigkeit und Vollständigkeit geprüft und schließlich gewertet. Es folgt dann eine Entscheidung zur Vergabe. Die Bieter erhalten eine Vorabinformation. Schließlich erfolgt die Zuschlagserteilung.
Vorgehen bei falschen Ausschreibungen
Eine Ausschreibung ist immer hinsichtlich ihres Inhalts auszulegen. Es spielt also eine entscheidende Rolle, wie der Empfängerkreis den Inhalt der Ausschreibung versteht. Die ausschreibenden Stellen setzen voraus, dass die Bieter über die entsprechenden Fachkenntnisse und das Spezialwissen verfügen, um ggf. auch Fehler in Ausschreibungsunterlagen zu erkennen. Damit ist nicht gemeint, dass vom Bewerber eine komplexe Überprüfung oder Nachrechnung der Unterlagen erwartet wird. Die Erkennbarkeit von Fehlern wird an dem allgemeinen Fachwissen des Bieters festzumachen sein und immer auch eine gewisse Offensichtlichkeit beinhalten müssen.
Erkennbar falsche Ausschreibungen müssen immer sofort moniert werden. Anderenfalls verliert der Bieter das Recht, Ansprüche wegen dieser Fehler durchzusetzen. Dieser Grundsatz liegt auch dem § 4, Nr. 3 VOB/B zugrunde, wonach Plan- oder andere Unterlagen vom Bieter als Fachmann zu prüfen sind und zwar dahingehend, ob die Planung zur Verwirklichung des Leistungserfolges geeignet ist (BGH, Urteil vom 11.10.1990, VII ZR 2289/89). Anderenfalls ist der Bieter gehalten, schriftlich seine Bedenken anzumelden.
Widersprechen sich Pläne und Leistungsverzeichnis, entsteht die Frage nach dem Vorrang. Die Reihenfolge der Geltung unterschiedlicher Vertragsunterlagen ergibt sich aus § 1 Nr. 2 VOB/B oder aus den konkreten Vereinbarungen im Vertrag. Ansonsten hat sich in der Rechtsprechung der Grundsatz entwickelt, dass dem Konkreteren der Vorrang einzuräumen ist (BGH, Urteil vom 05.12.2002, VII ZR 342/01). Das Oberlandesgericht in Karlsruhe hat entschieden: Eine unklare Leistungsbeschreibung ist immer nach dem objektiven Empfängerhorizont der angesprochenen Fachkreise auszulegen. Ein Schadenersatz eines Auftragnehmers ist nur dann gegeben, wenn der Auftragnehmer tatsächlich bei sorgfältiger Erstellung der Kalkulation durch die unrichtigen oder unvollständigen Angaben in der Leistungsbeschreibung zu seinem Angebot veranlasst wurde.
Das wird der Bieter aber gerade nicht, wenn er mit der gebotenen Aufmerksamkeit und Fachkunde einen Ausschreibungsfehler erkennen kann, dies aber (vielleicht sogar mit dem Hintergedanken, aus dem Fehler Vorteile zu ziehen) nicht anzeigt, sondern zu den falsch angegebenen Konditionen bietet. Der Grundsatz lautet also: Wird auf eine falsche Ausschreibung falsch angeboten, ist der Bieter an sein falsches Angebot gebunden. Nach diesem Grundsatz hat auch der BGH entschieden. Ist dem Bieter bekannt, dass die Leistungsbeschreibung fehlerhaft ist und gibt er gleichwohl ein Angebot ab, steht ihm wegen dieses Fehlers der Ausschreibung kein Schadenersatzanspruch zu. Dennoch ist die Auftraggeberseite in regelmäßigen Abständen auch an ihre Pflichten im Zusammenhang mit Ausführungsunterlagen zu erinnern. Die nötigen Unterlagen sind unentgeltlich und rechtzeitig zur Verfügung zu stellen. Was bei den Ausführungsunterlagen im Streitfall als „nötig“ angesehen wird, ist in Rechtsprechung und Kommentierung breit erörtert. Nötig werden alle diejenigen Unterlagen sein, die der Auftragnehmer braucht, um seine Leistung vertragsgemäß und mangelfrei zu erbringen, bzw. ohne die er eine Bauleistung gar nicht erbringen darf. Die Vorlage der Unterlagen hat zeitig so zu erfolgen, dass eine ausreichende Vorbereitungszeit zur Ausführung verfügbar ist.
Problem: Form- und Verbindungsstücke
Was nun tun mit den seit langem anhaltenden Verstößen zu verbindlichen Ausschreibungsvorgaben? Nehmen wir die ATV VOB/C DIN 18380, wonach in der Haustechnik Form- und Verbindungsstücke einzeln auszuschreiben sind. Diese Regelung wurde eingeführt, damit Bieter die Beschreibung der Leistung eindeutig und erschöpfend vornehmen und alle Bewerber die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen und ihre Preise sicher und ohne umfangreiche Vorarbeiten berechnen können. Damit ist der Kern des eingangs zitierten § 7 VOB/A angesprochen, wonach die Bauleistung in den Leistungsbeschreibungen des Auftraggebers vollständig, eindeutig, technisch richtig und objektindividuell auszuschreiben ist.
Die Praxis sieht deutlich anders aus. Der Unternehmer befindet sich im Umgang mit derartigen Ausschreibungen allerdings in einer Zwickmühle. Moniert er im Ausschreibungsverfahren, also vor der Vergabe, erreicht er ggf. die Aufhebung und Neuausschreibung, womit er sich bei den ausschreibenden Stellen und schon gar nicht bei den ausschreibenden Planern und Architekten Freunde macht. Verhält er sich zu dem erkannten Ausschreibungsmangel ruhig, kann er sich später nicht auf den Fehler berufen. Empfehlenswert ist die Information der Verbandsorganisation über Ausschreibungsverstöße, weil hier die Möglichkeit besteht anonymisiert die auftragvergebenden Stellen bzw. auch deren Aufsichtseinrichtungen hinsichtlich der Fehler anzusprechen.
Die Auftraggeberseite ist – was Ausschreibungsfehler angeht – grundsätzlich „fein raus“. Negative (finanzielle) Auswirkungen aus Schadenersatzforderungen wegen der Beteiligung von Bietern an der fehlerhaften Ausschreibung bleiben in Grenzen und werden zudem regelmäßig an die Architekten- und Planungsbüros durchgereicht, die den Fehler „verzapft“ haben. Zudem wirkt sich die falsche Ausschreibungspraxis in der Regel auch noch günstig für die öffentlichen Kassen aus. Von daher existiert ein derzeit nicht auflösbarer Widerspruch zwischen rechtspolitischem Anspruch aus der VOB/A und den wirtschaftlichen Realitäten der Öffentlichen Hand.
Wie die Gerichte das sehen
Zudem hat der Bundesgerichtshof (BGH) per Urteil signalisiert, dass er diese Soll-Vorschrift der Auftraggeberseite nur in Ausnahmefällen zum Verhängnis werden lässt. Die Kritiker dieser Auffassung des Bundesgerichtshofes treibt vorwiegend die Überlegung, der öffentliche Auftraggeber könne nicht die VOB/A seiner Ausschreibung zugrundelegen und bei Verstößen gegen die Vorgaben der VOB/A „ungeschoren“ davon kommen. Vielmehr müsse die Verletzung der Verpflichtung, die VOB/A anzuwenden und die Leistung eindeutig und erschöpfend zu beschreiben, dazu führen, dass er Ansprüchen auf zusätzliche Vergütung und/oder Schadensersatz ausgesetzt sei. Zudem ist es nicht zu rechtfertigen, dass der öffentliche Auftraggeber von den Auftragnehmern die Einhaltung von Prüfpflichten verlangt, dies aber bezogen auf seine eigenen Ausschreibungen für sich nicht sieht. Hier bleibt für die Fachverbände und die SHK-Organisation insgesamt Handlungsbedarf.
Bei Unklarheiten im Vertragswerk oder Widersprüchen zwischen Leistungsbeschreibungen und Vertrag wenden Gerichte Auslegungsregeln an. Da die ATV den Rechtscharakter von AGB (Allgemeinen Geschäftsbedingungen) haben, wenden Gerichte hier die für AGB in der Rechtsprechung entwickelten Auslegungsregeln an. Als Teil des Vertrages ist eine Leistungsbeschreibung gemäß der §§ 133, 157 BGB im Zweifelsfall so auszulegen, wie Treu und Glauben es mit Rücksicht auf die Verkehrssitte erfordern (BGH BauR 93, 595, 596; BGH BauR 94, 625, 626).
Eine Ausschreibung ist immer hinsichtlich ihres Inhalts auszulegen und zwar so, wie ihn der Empfängerkreis verstehen müsste. Bei Sachverhalten zur ATV 18380 gehören zu den beteiligten Verkehrskreisen die Fachbetriebe des SHK-Handwerks mit all ihrem Fachwissen und ihren Spezialkenntnissen. Keinesfalls darf ein Bieter bestehende Zweifel hinsichtlich der technischen Schwierigkeit oder des qualitativen Anspruchs im Sinne der für ihn wirtschaftlichsten Lösung interpretieren und dabei seine Fachkenntnis und Einschätzungsfähigkeit außer Acht lassen.
Der Bundesgerichtshof stellt darauf ab, dass nach Abschluss des Vertrages der § 9 VOB/A nur dann zu berücksichtigen sei, wenn der Auftragnehmer auf die Einhaltung der VOB/A habe vertrauen dürfen, d.h. wenn er nicht habe erkennen können, dass der Auftraggeber die Leistung gerade nicht vollständig, eindeutig, technisch richtig und objektindividuell ausgeschrieben hat. So muss der Bieter z.B. grundsätzlich nicht mit Asbestkontaminationen rechnen, wenn in der Leistungsbeschreibung die Demontage von Abflussrohren verschiedener Stärken und Materialien gefordert wird. Vielmehr darf der Bieter bei fehlendem Hinweis davon ausgehen, dass kein Asbest vorhanden ist.
Ausnahmen jederzeit möglich
Hinsichtlich der Form- und Verbindungsstücke ist es meist so, dass sich der Auftraggeber in der Weise äußert, dass diese Teile in die Leistungsposition einzuschließen seien. Wenn auch unkorrekt ausgeschrieben, so hat der Bieter hier doch den klaren Hinweis auf die Notwendigkeit der Form- und Verbindungsstücke. Damit ist die ausgeschriebene Position ohne Auslegungsmöglichkeit zunächst klar und verständlich. Der Bieter hatte die Möglichkeit der Kalkulation und hat die Formstücke in der Regel auch kalkuliert. Der BGH argumentiert, dass es aufgrund einer Ausschreibung zwischen dem öffentlichen Auftraggeber und den Bietern zu einem Vertrauensverhältnis kommt.
Die Verletzung dieses vorvertraglichen Rechtsverhältnisses kann zwar zu Schadenersatzansprüchen führen, aber eben nur dann, wenn der Bieter aus der Leistungsbeschreibung nicht erkennen konnte, worin der tatsächliche Leistungsgegenstand bestehen sollte. Der Rechtsgrund für einen etwaigen Schadenersatzanspruch wegen Verschulden bei Vertragsschluss (culpa in contrahendo), ist enttäuschtes Vertrauen (BGH, Urteil v. 06.02.2002 – Az. X ZR 185/99). Ein Schadenersatzanspruch des Auftragnehmers ist deshalb nur dann gegeben, wenn der Auftragnehmer tatsächlich bei sorgfältiger Erstellung der Kalkulation durch die unrichtigen oder unvollständigen Angaben in der Leistungsbeschreibung zu seinem Angebot veranlasst wurde. Dies ist nicht der Fall, wenn der Auftragnehmer das Risiko aus einer unvollständigen oder unpräzisen Leistungsbeschreibung übernommen hat (BGH NJW-RR 92, 1046). Dasselbe gilt, wenn der Auftragnehmer „ins Blaue“, oder sogar spekulativ kalkuliert.
Für die Frage, was Inhalt des Vertrages geworden ist, kommt es dann darauf an, wie ein objektiver Beobachter in der Position als Bieter den in den Ordnungsnummern aufgeführten Leistungsumfang verstehen würde. Von einem fachkundigen Bieter wird die positive Kenntnis davon verlangt, dass mit einem ausgeschriebenen Rohrleitungssystem, welches grundsätzlich als Kalkulationsgrundlage dienen kann, auch Zusatzmaterialien und Verbinder geschuldet sind, selbst wenn diese nicht VOB/A-gerecht separat ausgeschrieben wurden. Nach Auffassung der meisten Gerichte kann es einem fachkundigen Betrieb gar nicht in den Sinn kommen, ein Abflussrohr komplett zu liefern und zu montieren, ohne die entsprechenden für die Verlegung notwendigen Verbindungsstücke zu berücksichtigen. Ein Auftragnehmer ist gehalten, die Leistungsbeschreibung sorgfältig zu prüfen und bei Zweifeln oder Beanstandungen vom öffentlichen Auftraggeber Aufklärung zu verlangen. Versäumt der Bieter dies, hat er keine Ansprüche gegenüber dem öffentlichen Auftraggeber aus der fehlerhaften Leistungsbeschreibung. Das Pauschalpreisrisiko bei einer unvollständigen Leistungsbeschreibung für eine Heizungsanlage hat der BGH dem Auftragnehmer zugeordnet (BGH BauR 81, 388). Wenn also wieder einmal die Unsitte Platz greift und Form- und Verbindungsstücke nicht separat ausgeschrieben sind, muss dies zu einer Rüge im Vergabeverfahren führen, damit hier im Rahmen des Vergabeverfahrens eine Klärung herbeigeführt werden kann. Nach Zuschlagserteilung bzw. Vertragsschluss werden Ansprüche auf Zusatzvergütung oder Schadensersatz nur selten durchsetzbar sein.
Von der grundsätzlichen Beurteilung der Problematik sind jedoch Ausnahmen möglich. So sind durchaus Fälle denkbar, in welchen die Ausschreibungsunterlagen oder einzelne Positionen irreführend sind und dadurch dem jeweiligen Bieter der Fehler nicht gleich ins Auge springen muss. Hier können sich auf der Grundlage der § 2 Nr. 5 oder Nr. 6 VOB/B Ansprüche auf eine zusätzliche Vergütung bzw. Vereinbarung eines neuen Preises ergeben. Der Bieter muss sich auf die Ausführbarkeit gemäß dem Leistungsverzeichnis verlassen können und hat nicht aufgrund jedes einzelnen Textbausteins das Für und Wider der Herangehensweise des Auftraggebers beim Aufstellen des Leistungsverzeichnisses nachzuvollziehen.
Werden dem Bieter beispielsweise erst nach Zuschlagserteilung die Ausführungsunterlagen zur Verfügung gestellt und wird er erst hierdurch in die Lage versetzt, das Leistungsverzeichnis und die Ausführungsunterlagen auf Konformität zu prüfen, ist er auch erst zu diesem Zeitpunkt zur Prüfung verpflichtet. Ergeben sich nunmehr Differenzen zwischen dem Leistungsverzeichnis und einer später übergebenen Ausführungsplanung, dürfte unter Beachtung der DIN 18380 VOB/C i.V.m. § 3 Nr. 3 und § 4 Nr. 3 VOB/B das Vorbringen eines Nachtragsangebotes als grundsätzlich berechtigt sein. Die Differenzen zwischen dem Vertrags-(Leistungsverzeichnis-)Soll und dem vor Ort festzustellenden Bau-Ist, sind dann als Änderung des Bauentwurfs bzw. als Forderung zusätzlicher Leistungen einzustufen, woraus dem Auftragnehmer ein zusätzlicher Vergütungsanspruch gem. § 2 Nr. 5 und Nr. 6 bzw. Nr. 8 VOB/B erwächst. Nur aus erkennbaren Ungereimtheiten der fehlerhaften Ausschreibung ergeben sich für den Bieter Hinweis- und Aufklärungspflichten.
Insoweit ist die Frage, ob eine zusätzliche Vergütung durchgesetzt werden kann, immer zunächst in Auslegung dessen zu ermitteln, was nach Zuschlagserteilung Vertragsinhalt geworden ist.
Fazit
Der Inhalt von Verträgen, die infolge fehlerhafter Ausschreibungen zustande kommen, wird im Zweifelsfall durch Auslegung ermittelt. Unklarheiten, die erst durch eine nach Zuschlagserteilung übergebene Ausführungsplanung deutlich werden, können zu Mehrvergütungs- oder Schadensersatzansprüchen führen, denen sich der Auftraggeber gegenüber sieht. Werden zusätzliche Leistungen angeordnet, welche sich nicht aus dem Vertragsinhalt ergeben, besteht ein Anspruch auf zusätzliche Vergütung, soweit dieser Vergütungsanspruch vor Ausführung angekündigt wird.
Eine mit §7 VOB/A unvereinbare Ausschreibungstechnik führt nicht dazu, dass anstelle der ausgeschriebenen Leistung eine mit § 7 VOB/A übereinstimmende Ausschreibungsvariante Vertragsinhalt wird. Eine fehlerhafte Ausschreibung ist im Rahmen des Vergabeverfahrens mit der Rüge oder mit dem Vergabenachprüfungsverfahren vor der zuständigen Vergabekammer anzugreifen. Die einzige Möglichkeit den öffentlichen Auftraggeber zu einer DIN-konformen Ausschreibungspraxis anzuhalten, ist eine hohe Bereitschaft der Bieter gegen das Vergabeverfahren rechtliche Schritte einzuleiten, um dessen Aufhebung zu erreichen. Unwirksame Vergabeklauseln in Leistungsverzeichnissen entfalten keine Rechtsbindungswirkungen. Die Verwendung von unwirksamen Klauseln kann zu Unterlassungsklagen führen oder Schadenersatzansprüche rechtfertigen. Aber auch im Umgang mit der Gleichwertigkeit in Ausschreibungen, auf die wir in der nächsten SBZ-Ausgabe näher zu sprechen kommen, sind für den SHK-Unternehmer Fallen aufgestellt.
Checkliste
Für den Umgang mit fehlerhaften Ausschreibungen
Gibt es in den Unterlagen Widersprüche bei der Behandlung von Nebenleistungen und besonderen Leistungen?
Ist eine ordnungsgemäße Kalkulation auf der Basis konkret ausgeschriebener Fakten, Daten und Aufgaben möglich?
Von welcher Bedeutung sind die etwaigen Unklarheiten in den Ausschreibungsunterlagen für das Angebot?
An welcher Stelle liegt das eigene Angebot?
In welchem Stadium befindet sich das Ausschreibungsverfahren?
Können Fehler in den Unterlagen noch vor Zuschlag bei der Auftrag vergebenden Stelle gerügt werden?
Sind die Beanstandungen schriftlich formuliert worden?
Ist die Reaktion der Auftrag vergebenden Stelle auf die Monierung dokumentiert?
Ist die Verschiebung des Submissionstermins beantragt worden, wenn eine Klärung längere Zeit in Anspruch nimmt?
Ratgeber Recht
Noch Fragen?
Das Autorenteam dieser ständigen SBZ-Kolumne Dr. jur. Hans-Michael Dimanski, Falk Kalkbrenner und Veit Schermaul (v. l.) sind Rechtsanwälte der in Magdeburg ansässigen Anwaltskanzlei Dr. Dimanski & Partner. Der Kanzleischwerpunkt liegt in der Betreuung von SHK-Firmen.
Dr. Dimanski & Partner, Rechtsanwälte, 39104 Magdeburg, Telefon (03 91) 53 55 96-16, Fax (03 91) 53 55 96-13 E-Mail: recht@sbz-online.de
Extras
Folgende Musterschreiben zu dieser Problematik gibt es auf der SBZ-Homepage zum Download
Bei der Verletzung der Pflicht zur stückweisen Ausschreibung von Form- und Verbindungsstücken (für Innungen und Verbände)
Bei Reklamationen fehlerhafter Ausführungsunterlagen
Weitere Musterschreiben finden Sie auch auf den Seiten Ihrer Berufsorganisation