Die Vorgabe bestimmter Produkte soll in Ausschreibungen grundsätzlich vermieden werden. Deshalb haben Ausschreibungsunterlagen bei Produktbeschreibungen den Zusatz zu enthalten „oder gleichwertig“. Die Beurteilung der Gleichwertigkeit haustechnischer Produkte in Ausschreibungen stößt in der Praxis immer wieder auf objektive Schwierigkeiten, denn absolut gesehen kann es keine zwei „gleichen“ Produkte unterschiedlicher Herkunft geben. Was soll also das Bewertungskriterium sein?
Problem: Gleichwertigkeit haustechnischer Produkte
Der Auftraggeber entscheidet, was er mit seiner Ausschreibung am Markt beschaffen will und wie er die Verträge gestalten möchte. Dem folgend, enthalten die Leistungsverzeichnisse dann die Beschreibungen der Anforderungen an die Bauleistung und ggf. die Benennung von so genannten Leitprodukten. Leistungsbeschreibungen müssen immer so gefasst sein, dass sie vollständig, eindeutig, technisch richtig und objektspezifisch ausgestaltet sind. Die Bewerber sollen die Preise sicher und ohne umfangreiche Vorarbeiten berechnen können. Es darf für die Bieter kein ungewöhnliches Wagnis entstehen.
Die Nennung bestimmter Erzeugnisse oder Verfahren bzw. Ursprungsarten und Bezugsquellen von Produkten soll grundsätzlich vermieden werden. Nur ausnahmsweise kann davon abgesehen werden und zwar dann, wenn die geforderte Leistung dies rechtfertigt. Eine Rechtfertigung liegt dann vor, wenn die maßgebenden technischen und gestalterischen Anforderungen eine derartige Beschreibung notwendig machen. Aus den Ausschreibungsunterlagen muss sich ermitteln lassen, welche Kriterien bzw. Eigenschaften des genannten Produkts von besonderer Bedeutung sind. Das dient als Entscheidungsgrundlage bei der Beurteilung der „Gleichwertigkeit“. Die Ausschreibungsverstöße sind in dieser Frage aber vielfältig. Ab und zu wird versucht, durch die Textwahl in Ausschreibungen ein bestimmtes Produkt, ohne dass es ausdrücklich genannt wird, zu präferieren. Aber Vorsicht: Eine unzulässige Einschränkung des Wettbewerbs unter den Bietern kann aber auch dann gegeben sein, wenn zwar kein Produkt ausdrücklich benannt wird, aber die Leistungsbeschreibung ersichtlich auf ein Produkt zugeschnitten ist, was besonders deutlich wird, wenn die Texte des Leistungsverzeichnisses produktspezifischen Beschreibungen des Herstellers entnommen sind.
Wenn Kriterien oder Eigenschaften nicht genannt werden, wird die Wertung der Angebote in der Regel nur am Preis festgemacht. Es genügt nicht in der Ausschreibung auf die allgemeinen Wertungskriterien nach § 16, Abs. 6, Nr. 3 VOB/A (einwandfreie Ausführung, annehmbarstes Angebot, etc.) zu verweisen, wenn andere Kriterien als der niedrigste Preis herangezogen werden sollen. Wenn Kriterien oder Eigenschaften eines Produkts in der Ausschreibung benannt sind und an der Gleichwertigkeit angebotener Produkte Zweifel bestehen, liegt die Beweislast für die „Gleichwertigkeit“ beim Bieter. Markennamen dürfen nur dann verwendet werden, wenn die Beschreibung durch hinreichende, genaue, allgemein verständliche Bezeichnungen nicht möglich ist. In diesem Fall ist immer der Zusatz „oder gleichwertiger Art“ hinzuzufügen. Die Vergabekammer des Landes Berlin hat dazu vor einiger Zeit entschieden:
Ein Ausschreibungsverfahren ist wegen eines schweren Vergabeverstoßes aufzuheben, wenn in der öffentlichen Ausschreibung ein bestimmtes Markenprodukt verlangt wurde, ohne den Zusatz „oder gleichwertig“ zu verwenden. Die Gerichte stellen an die Gleichwertigkeit hohe Ansprüche. Vor einigen Jahren hat das Oberlandesgericht München entschieden: Allein durch die Schadenwahrscheinlichkeit wegen Abweichung vom Leistungsverzeichnis um nur 1 %, ist eine Gleichwertigkeit nicht mehr gegeben. Die Folge dieser Entscheidung war, dass der Einsatz dieser geringfügig abweichenden Produkte als Mangelhaftigkeit der Werkleistung beurteilt wurde.
Ärgernis: Unwirksame Klauseln in Ausschreibungstexten
Die Abwälzung von Planungs- und Ausschreibungsrisiken auf die Bieterseite ist vielgeübte, allerdings im Ergebnis untaugliche Praxis. Klauseln, die der Auftraggeber immer wieder gern in seine Ausschreibungstexte einbaut, um sein Vertragsrisiko zu minimieren bzw. auszuschließen, berühren das Problem des Verbots des ungewöhnlichen Wagnisses für den Bieter nach § 7 Abs. 1, Nr. 3 VOB/A. Dem Auftragnehmer darf kein ungewöhnliches Wagnis aufgebürdet werden für Umstände und Ereignisse, auf die er keinen Einfluss hat und deren Einwirkung auf die Preise und Fristen er nicht im Voraus bestimmen kann. Diese Regel der VOB/A bietet – nebenbei erwähnt – übrigens auch die Grundlage, wenn mit dem öffentlichen Auftraggeber z.B. über Materialpreiserhöhungen infolge von exorbitanten Preisentwicklungen für Rohstoffe gesprochen werden muss, die bei Angebotsabgabe nicht voraussehbar waren.
Das Landgericht München I. (LG München I. 8 O 1980/95) hat eine Klausel für unwirksam erklärt, wonach sich der Anbieter schon vor Angebotsabgabe durch „Einsicht in die vorhandenen Pläne, Besichtigung des Baugeländes oder des Bauwerkes selbst oder durch andere geeignete Maßnahmen über die Art des beabsichtigten Bauwerks, dessen besondere Verhältnisse... zu unterrichten“ hat. „Nach Abschluss des Bauvertrages kann der Auftragnehmer nicht mehr geltend machen, dass er die Verhältnisse nicht oder nicht genügend gekannt hätte.“ Das Landgericht München I. beurteilte diese Klauseln auf der Grundlage des § 307 BGB und stellte fest, dass diese Klauseln unwirksam seien, weil sie dem Auftragnehmer entgegen der gesetzlichen Risikoverteilung einen Teil des Risikos aus dem Pflichtenkreis des Auftraggebers auferlegt hatte. Des Weiteren befand das Landgericht, dass sich der Auftraggeber von der Haftung für vorsätzliche oder grob fahrlässige Planungsfehler nicht über Klauseln freistellen könne. Mit einer ähnlichen Begründung bewertetet das gleiche Gericht auch die Klausel: „Der Auftragnehmer übernimmt die volle Verantwortung für die richtige Gründung und Standfestigkeit der Bauwerke und Leitungen“ (Landgericht München I. 7 O 1322/94).
Interessant ist, wie Gerichte die Wagnisse aus der technischen Ausführung beurteilen. Hier ist zunächst zu unterscheiden, ob es sich um den Planungs- oder den Ausführungsbereich handelt. Die folgende Klausel könnte hinsichtlich ihrer Wirksamkeit zu unterschiedlichen Ergebnissen führen:
- „Der Auftragnehmer ist verpflichtet, alle für seine Leistungen erforderlichen und nicht von dem Auftraggeber zur Verfügung gestellten Ausführungsunterlagen rechtzeitig in eigener Verantwortung unentgeltlich beizubringen und dies einschließlich des von dem Auftragnehmer eventuell gefertigten Subunternehmer-Leistungsverzeichnisses dem Auftraggeber vor Beginn der Ausführung zur Freigabe vorzulegen.
- „... mit der Abgabe des Angebotes übernimmt der Bieter die Gewähr dafür, dass das Angebot alles enthält, was zur Erstellung des Werkes gehört.“
Wenn sich diese Klauseln auf ein Bauwerk beziehen, welches ordnungsgemäß nur mit einer von einem Fachplaner bzw. Architekten anzufertigenden Planung errichtet werden kann, würden sie unwirksam sein. Der Planungsbereich, der grundsätzlich in den Pflichtenkreis des Auftraggebers gehört (OLG Frankfurt NJW 74, 62) kann hier hinsichtlich seines Risikos nicht ohne weiteres auf den Auftragnehmer übertragen werden. Handelt es sich allerdings um Bauleistungen einfacher Art könnten die vorgenannten Klauseln für wirksam angesehen werden, da es bei einfachen Bauleistungen nicht unangemessen und nicht unüblich ist, das Planungsrisiko auf den Handwerker zu übertragen, der als Fachmann auch Planungskenntnisse hat.
Der § 7 der VOB/A beinhaltet auch, dass dem Auftragnehmer ein nicht überschaubares und von ihm nicht beeinflussbares Preisrisiko nicht aufgebürdet werden kann. Das Bauherrenrisiko, welches sich aus einer unvollständigen oder fehlerhaften Planung ergeben kann, ist nicht auf den Auftragnehmer abwälzbar. Insofern sind folgende Klauseln von Gerichten für unwirksam erklärt worden:
- „Die vereinbarten Festpreise schließen Nachforderungen jeglicher Art aus“ (BGH BauR 1997, 1036).
- „Der Anbieter ist verpflichtet, die Unterlagen der Vergabeberechtigten in eigener Verantwortung auf Vollständigkeit, Richtigkeit/Übereinstimmung untereinander und Übertragbarkeit auf die tatsächlichen örtlichen Verhältnisse zu überprüfen und daraus seine Kalkulation und Preise zu entwickeln. Der Auftraggeber erklärt, dass von ihm und von den Vergabeberechtigten eine solche Prüfung nicht vorgenommen wurde.“
- „Mit den vereinbarten Preisen sind in jedem Fall sämtliche Teilleistungen abgegolten, die zur Erbringung der vom Auftragnehmer übertragenen vollständigen und gebrauchsfähigen Leistung erforderlich sind, unabhängig davon, ob und in wieweit diese erforderliche Teilleistung in den Ausschreibungen- und Vertragsunterlagen ausdrücklich erwähnt sind.“
Vorgenannte Klauseln widersprechen dem in §§ 241 und 321 ff. BGB verankerten Prinzip, dass Leistungen und Gegenleistungen berechenbar sein müssen. Ebenso sind Klauseln, die den Umfang der Leistungspflicht des Auftragnehmers nicht hinreichend bestimmen und demzufolge nicht mehr kalkulierbar sind, unwirksam:
- „In der Leistung inbegriffen sind außerdem: Das Anlegen sämtlicher erforderlicher Aussparungen, Schlitze, Durchbrüche und das Verschließen derselben, auch wenn sie von anderen Handwerkern herrühren.“
- „Auch zusätzliche, planlich nicht festgelegte Aussparungen und Schlitze sind bei Bedarf auf Anweisung der Bauleitung zu erstellen. Hierfür erfolgt keine Vergütung, wenn diese rechtzeitig angegeben wurden.“
- „Der Auftragnehmer ist verpflichtet, vor Auftragsannahme die Massen des Leistungsverzeichnisses zu prüfen. Mit Auftragsannahme erkennt er sie als verbindlich an. Rechenfehler oder sonstige Irrtümer in der Preisermittlung bedingen keinerlei Änderungen des Pauschalbetrages.“
- „Der Handwerker erkennt an, dass in dem Vertrag auch alle die Arbeiten enthalten sind, die nicht ausdrücklich in der Leistungsbeschreibung benannt sind, jedoch dem Richtmaß der Baukunst entsprechen und sich während der Bauzeit als notwendig erweisen, damit das Werk des Handwerkers vollständig nach den anerkannten Regeln der Baukunst fertig gestellt werden kann.“
Häufig beachten Auftraggeber nicht, dass eine besondere Leistung, die in den Vorbemerkungen eines Leistungsverzeichnisses „versteckt“ wird, auch den grundlegenden Anforderungen an die Leistungsbeschreibung nach § 7 VOB/A entsprechen muss. Beliebt – allerdings unwirksam – ist die Klausel:
- „Das Auf- und Abbauen sowie das Vorhalten der Gerüste, deren Arbeitsbühnen höher als 2 m über dem Fußboden liegen, sind in die Leistungen einzurechnen und werden nicht gesondert vergütet.“
Findet sich ein solcher Satz in den Vorbemerkungen, ist zu fragen, ob damit die Leistung eindeutig und erschöpfend beschrieben ist. Das ist nicht der Fall, wenn sich an anderer Stelle der Leistungsbeschreibung nicht die definitive Höhe der Gerüste ergibt. Fehlt diese Angabe, kann der Bieter nicht erkennen, mit welcher Bauhöhe er zu rechnen hat. Eine ordnungsgemäße Kalkulation ist unmöglich.
Auch wenn es im Interesse des Auftragnehmers liegt, sich jeweils über die Baustelle zu informieren und insofern einen Überblick über die Vollständigkeit der Vertragsunterlagen zu erlangen, besteht für ihn allerdings keine Rechtspflicht zu einer solchen Information. Vor diesem Rechtshintergrund haben Gerichte auch folgende Klauseln für unwirksam erklärt:
- „Der Bieter erkennt mit Abgabe des Angebotes an, dass er sich auf der Baustelle über alle die Preisermittlungen beeinflussenden Umstände informiert hat.“
- „Vor Abgabe des Angebotes hat sich der Bieter mit den örtlichen Gegebenheiten vertraut zu machen. Nachforderungen aufgrund vorhersehbarer Schwierigkeiten werden nicht anerkannt.“
- „Der Unternehmer hat sich vor Angebotsabgabe überzeugt, dass alle Leistungen und alle Nebenleistungen erfasst und technisch sowie baurechtlich durchführbar sind. Nachträgliche Einwände können nicht geltend gemacht werden.
Aus diesen Klauseln wird deutlich, dass das Planungsrisiko sowie das Risiko einer unvollständigen oder fehlerhaften Ausschreibung und sonstige unrichtige Unterlagen ohne Rücksicht auf ein Verschulden der dafür verantwortlichen Fachleute und deren Erfüllungsgehilfen auf den Handwerker abgewälzt werden soll. Zum anderen soll der Handwerker schließlich auch Kosten tragen, die gegebenenfalls durch Nacharbeiten entstehen, weil Zeichnungsmaße beispielweise nicht eingehalten werden. Dieses Ansinnen hält einer rechtlichen Überprüfung – wie die Rechtsprechung belegt – nicht stand. Der Handwerker muss sich darauf verlassen können, dass der Auftraggeber und dessen Fachleute ordnungsgemäß planen und Ausschreibungsunterlagen vollständig, fachlich und rechnerisch richtig fertigen.
Alle vorgenannten Klauseln verstoßen gegen das AGB-Recht, weil sie entweder unangemessen bzw. dem Prinzip der Berechenbarkeit von Leistung und Gegenleistung widersprechen. Auch das Risiko der Vollständigkeit der Vertragsunterlagen kann nicht auf den Auftragnehmer übertragen werden. Die vorgenannten unwirksamen Ausschreibungsklauseln sind nur ein Bruchteil dessen, was durch angerufene Gerichte inzwischen für unwirksam erklärt worden ist. Allein der Umfang der Gerichtsentscheidungen auf diesem Gebiet lässt den Schluss zu, dass Ausschreibungsunterlagen sehr häufig Bedingungen enthalten, die den Auftragnehmer unangemessen benachteiligen.
Fazit
Ausschreibungsfehler treten ebenso häufig auf, wie Angebotsfehler. Oft sind aber Ausschreibungsfehler die Basis für fehlerhafte Angebote. Das ist in jedem Fall mit Zeit-, Kosten- und „Nervenfolgen“ verbunden. Deshalb sollte die Beanstandung fehlerhafter Ausschreibungen kein Tabu-Thema sein. Es ist klar, dass viele Betriebe vor dem Hintergrund des „Liebesentzugs“ seitens der öffentlichen Hand und der Planer, diese Schritte fürchten. Hier kann aber die Einschaltung der Verbandsorganisationen – sicher nicht in jedem Einzelfall – wohl aber bei tendenziellen und wiederkehrenden Verstößen – Nutzen bringen. Ausschreibungsfehler sollten frühzeitig, noch im Rahmen des Vergabeverfahrens gerügt werden. Vor einem Angriff innerhalb eines Vergabenachprüfungsverfahrens sollte Rechtsrat eingeholt werden, nicht zuletzt, weil sich hier z. T. erhebliche Kostenfolgen ergeben können.
Ratgeber Recht
Noch Fragen?
Das Autorenteam dieser ständigen SBZ-Kolumne Dr. jur. Hans-Michael Dimanski, Falk Kalkbrenner und Veit Schermaul (v. l.) sind Rechtsanwälte der in Magdeburg ansässigen Anwaltskanzlei Dr. Dimanski & Partner. Der Kanzleischwerpunkt liegt in der Betreuung von SHK-Firmen.
Dr. Dimanski & Partner, Rechtsanwälte, 39104 Magdeburg, Telefon (03 91) 53 55 96-16, Fax: (03 91) 53 55 96-13; E-Mail: recht@sbz-online.de
Extras
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Bei der Verletzung der Pflicht zur stückweisen Ausschreibung von Form- und Verbindungsstücken (für Innungen und Verbände)
Bei Reklamationen fehlerhafter Ausführungsunterlagen
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