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Verzicht auf förmliche Abnahme und Gewährleistungsbürgschaft

Sachverhalt

Probleme mit der Umsetzung von Abnahmevereinbarungen aus Verträgen sind nichts Neues. Obgleich die Abnahme der Kulminationspunkt im Baugeschehen ist, widmen die Vertragsparteien – aus unterschiedlicher Motivation – diesem Thema häufig zu wenig Aufmerksamkeit. Dabei kann Fehlverhalten an dieser Stelle zu gravierenden Folgen führen. Die Frage im zu entscheidenden Sachverhalt war nämlich, welche Auswirkungen eine nicht vertragskonform vorgenommene Abnahme auf das nachgeordnete Bürgschaftsverhältnis haben würde. In einem Bauvertrag hatten die Vertragsparteien eine förmliche Abnahme vereinbart. Nur hatte sich zum entsprechenden Zeitpunkt weder der Auftraggeber noch der Auftragnehmer auf die vertragliche Absprache besonnen. Der Vertrag enthielt ferner die Regelung, dass die Formen der fiktiven bzw. konkludenten Abnahme abbedungen werden sollten und ein Sachverständiger das Endabnahmeprotokoll fertigen solle. Da dies alles nicht geschehen war, werteten die Richter dies als deutliche Abweichung vom ursprünglichen Vertragskonzept, welches wiederum Grundlage für die nachfolgende Bürgschaftsregelung war. Der Bürge wurde also mit einer wesentlichen Abweichung konfrontiert, die sein Risiko erweitern würde. Das wollte er nicht hinnehmen.

Urteil

1. Verlassen die Bauvertragsparteien nach Übergabe einer Gewährleistungsbürgschaft ein bauvertragliches Konzept zur Abnahme/Gewährleistung, so kann darin eine wesentliche Erweiterung des Bürgschaftsrisikos mit der Folge liegen, dass der Gewährleistungsbürge nicht haftet.

2. Das ist jedenfalls der Fall, wenn im Bauvertrag folgende Regelungen als Voraussetzung des Gewährleistungsbeginns vorgesehen waren:

  • Ausschluss der stillschweigenden Abnahme,
  • Erstellung eines Endabnahmeprotokolls durch einen Sachverständigen,
  • Endabnahmebegehung sowie schriftliche Bestätigung über die Beseitigung der Mängel.

Führen die Parteien ein derart vereinbartes Abnahmeverfahren nicht durch, scheidet eine Haftung des Gewährleistungsbürgen aus (OLG München, Beschluss vom 24.01.2011 – 13U970/10).

Praxistipp

Grundsätzlich gilt: Wo Abnahme drin steht, muss auch Abnahme drin sein. Ein Blick in den Vertrag zum Zeitpunkt der Fertigstellung der Leistung ist ratsam und zwar für beide Parteien. Der Auftraggeber hat das Nachsehen, wenn er – in dem vermeintlichen Glauben an Vorteile aus fehlender oder verzögerter Abnahme – Vertragsklauseln, die sich ja immer an beide Partner richten, missachtet. Im vorliegenden Fall verliert er einen Garanten für etwaige Gewährleistungsansprüche. Das ist besonders dann unangenehm, wenn der Auftragnehmer berechtigte Gewährleistungsansprüche zu erfüllen hätte, sich aber inzwischen in die Insolvenz verabschiedet hat. Der Auftragnehmer lebt mit einer Abweichung vom vertraglich fixierten Abnahmereglement allerdings auch nicht risikofrei. Denn: Habe ich keinen Abnahmetermin, weiß ich nicht, wann die Gewährleistungsfrist zu laufen beginnt. Und was noch schlimmer ist: Ich weiß nicht wann sie endet.