Am 15. Februar ist der Referenten-Entwurf für ein Gebäudeenergiegesetz (GEG) auf der Tagesordnung der Bundeskabinettssitzung gestanden. Doch einige Wirtschafts- und Energiepolitiker der CDU/CSU-Fraktion haben sich gegen den Entwurf gestellt. In der Hauptsache kritisierten sie den KfW-Effizienzhausstandard 55 als Festlegung für den Niedrigstenergiegebäudestandard ( „nearly-zero-energy-building“ – nzeb-Standard). Diesen schreibt die Gebäuderichtlinie EPBD der EU im Neubausektor vor und die Mitgliedsstaaten müssen diesen definieren. Für öffentliche Gebäude muss er ab 2019 gelten und für jedes Wohngebäude ab 2021. Die nationalen gesetzlichen Vorgaben müssen mindestens zwei Jahre früher fertig sein, damit Investoren und Bauherren sicher planen können. Deutschland wird den nzeb-Standard im GEG definieren.
Warum sperrten sich nun die Politiker? Sie befürchten eine „Vorbildfunktion“ der öffentlichen Gebäude für private Häuser schon jetzt. Zwar sieht der GEG-Entwurf ausdrücklich vor, dass die KfW55-Festlegung zunächst nur für neue Nichtwohngebäude gelten soll und dass der Standard für den privaten Neubau „in einer zweiten Stufe rechtzeitig vor 2021 festzulegen“ sei. Doch das scheint den Kritikern aus den Reihen der Politik als Aussage nicht zu genügen.
Es geht dabei um die Frage, ob sich KfW55 damit informell auch zum Standard für neue Wohngebäude einschleichen könnte und es dem Ziel bezahlbaren Wohnens und Bauens widerspräche. Das GEG geriet in ein Patt, dessen Ausgang offen ist.
Denn das SPD-geführte Bundeswirtschaftsministerium (BMWi), das beim GEG federführend ist, sagte Anfang März auf Anfrage, dass am Entwurf keine substanziellen Veränderungen vorgenommen wurden. Damit wäre der Stolperstein der Parlamentarier nicht aus dem Weg geräumt. Durch die anhaltende Verzögerung wird aber die Zeit knapp, denn der Gesetzentwurf muss bis Ende März im Kabinett beschlossen sein, damit er nach den Beratungen in Bundestag und Bundesrat noch in dieser Legislaturperiode als Gesetz verabschiedet werden kann. Das Kabinett trifft sich jede Woche am Mittwoch. Mitte März standen also formal noch zwei Chancen bereit.
Auf den letzten Drücker
Wie so oft könnte es auf den letzten Drücker noch ganz schnell gehen. So hieß es aus Regierungskreisen, dass im Hintergrund weiter verhandelt werde. Zwei kürzlich an der Spitze erfolgte Personalien könnten außerdem Bewegung bringen: Brigitte Zypries ist seit Anfang Februar Bundeswirtschaftsministerin und Martin Schulz wurde auf dem außerordentlichen Bundesparteitag der SPD am 19. März zum neuen Parteivorsitzenden gewählt.
Wie ein Kompromiss aussehen könnte, damit das GEG noch aus dem Patt kommt, darüber lässt sich nur spekulieren. Denkbar sind Zusätze, die zum Beispiel in die Richtung der Position der Verbände für Technische Gebäudeausrüstung gehen könnten.
Diese plädieren in ihrer gemeinsamen Stellungnahme zum Referentenentwurf dafür, dass der nzeb-Standard für private Gebäude so festgelegt werden solle, dass auch zukünftig die KfW-Effizienzhäuser 40 und 55 im Rahmen des KfW-Programms „Energieeffizient Bauen“ förderfähig bleiben, sofern sich die wirtschaftlichen Randbedingungen (Bauteil- und Anlagenkosten, Preise der Energieträger etc.) nicht grundsätzlich änderten. Das Wirtschaftlichkeitsgebot müsse auch ohne Fördermittel gewährleistet sein, argumentieren die Verbände für Technische Gebäudeausrüstung (BTGA), Gebäude-Klima (FGK) und Raumlufttechnische Geräte (RTL-Herstellerverband). Aber: schon aus heutiger Sicht wäre der KfW55-Standard nicht wirtschaftlich zu erreichen.
Blick lohnt sich schon jetzt
Wie auch das Ergebnis sein wird: Die Wirtschaftlichkeit wird als Messlatte für Energie- und Effizienzmaßnahmen im Gebäudesektor auf jeden Fall stärker gewichtet – das lässt sich schon jetzt im Entwurf ablesen und der wird sich vollziehen, gleich mit welchem Standard im Paket. Und zweitens soll das Gesetz ja außerdem etwas anderes Gewichtiges tun – es soll das Energieeinsparungsgesetz (EnEG), die Energieeinsparverordnung (EnEV) und das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) zusammenzuführen. Dies verspricht Vereinfachungen und Entschlackung, aber auch die Möglichkeit von Änderungen bzw. Anpassungen und nicht zuletzt, wie die Energiewende im Wärmesektor weiter gestaltet werden soll. Feinschliff dürfte künftigen Novellen überlassen sein.
Der Referenten-Entwurf bewegt sich im Grunde genommen politisch folgerichtig im Kielwasser des Klimaschutzplans 2050 der Bundesregierung. Die Bundesregierung betont im Klimaschutzplan immer wieder die Bedeutung bezahlbaren Wohnraums und wirtschaftlicher Zumutbarkeit. Im Referenten-Entwurf beschreibt § 5, was das GEG unter Wirtschaftlichkeit versteht: „Anforderungen und Pflichten gelten als wirtschaftlich vertretbar, wenn generell die erforderlichen Aufwendungen innerhalb der üblichen Nutzungsdauer durch die eintretenden Einsparungen erwirtschaftet werden können.“
Wie sich zeigt, sind dann auch die Möglichkeiten und Alternativen zur Pflichterfüllung möglichst offen zu halten – oder anders gesagt: das technisch Mögliche möglichst wenig durch Ge- oder Verbote einzuschränken. Denn was in der einen Situation eine wirtschaftliche gebäudetechnische Lösung ist, kann in einer anderen bereits keine sein. Folglich betont der Entwurf für ein GEG bei der Pflichterfüllung die Technologieoffenheit.
GEG geht ganz nach Plan
Das GEG geht da ganz nach Plan: Das Leitbild des Klimaschutzplans 2050 für den Gebäudesektor ist die Nahezu-Klimaneutralität im Jahr 2050. Die erste Zielsäule ist die Dekarbonisierung, also die schrittweise Abkehr vom Verbrennen fossiler Brennstoffe zur Wärme- und Kältebereitstellung durch Ersatz mit erneuerbaren Energien, die zweite Zielsäule die Energieeffizienz. Ordnungspolitische Maßnahmen zur Art der Wärmeversorgung – das wäre zum Beispiel ein Pflichtanteil erneuerbarer Energien auch im Gebäudebestand – werden zwar als zu prüfende Möglichkeit genannt, aber nicht weiter konkretisiert.
So sieht der Entwurf des GEG wie das abzulösende EEWärmeG beispielsweise keinen Pflichtanteil erneuerbarer Energien in der Wärme- und Kälteversorgung bei Wohngebäuden im Bestand vor, wenn diese saniert werden (§§ 47 – 52 im Referentenentwurf, Anforderungen an bestehende Gebäude). Im Gebäudebestand soll es weiterhin keine bundesgesetzliche Verpflichtung zur Nutzung erneuerbarer Energien geben. Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) spricht in seiner Bewertung des Entwurfs für ein GEG von einer vertanen Chance: Der Gesetzentwurf leiste in seiner jetzigen Form keinen wesentlichen Beitrag zur Erreichung eines nahezu klimaneutralen Gebäudebestands bis 2050. Was unter den gegebenen Vorzeichen so aber nicht stimmt.
Wärmewende technologieoffen
Denn im beschlossenen Klimaschutzplan ist die Dekarbonisierung eindeutig technologieoffen angelegt. Im Tenor sagt hier der Plan, dass weniger Kohlendioxid auch über effizientere Heizgeräte erreicht werden kann. Das ist der Grund, weshalb es durch den Klimaschutzplan nicht zum Kahlschlag unter den fossilen Heizsystemen in den nächsten Jahren kommen wird. So war Folgendes festzustellen: Entgegen ersten Entwürfen aus dem Hause Hendricks (Bundesumweltministerium, BMUB) findet sich ein Verbot der Neuinstallation fossiler Feuerungen spätestens ab dem Jahr 2030 im beschlossenen Klimaschutzplan nicht wieder. Im Entwurf war noch diese Aussage platziert: „Spätestens mit dem Jahr 2030 muss auf die Neuinstallation von Heizsystemen, die auf der Verbrennung fossiler Brennstoffe beruhen, verzichtet werden.“
Was ist davon geblieben? Für den Wärmebereich im Gebäudesektor schreibt der Klimaplan nun das Auslaufen der Austauschförderung für fossile Heiztechniken zum Jahr 2020 vor. Bei genauerem Hinsehen ist dabei ein Wort bedeutsam: Auslaufen der Austauschförderung für „ausschließlich“ auf fossilen Energieträgern basierende Heiztechniken. Nicht gesagt wird damit, was passiert, wenn fossile Heiztechniken mit erneuerbaren Energien zu sogenannten Hybridsystemen kombiniert werden. Das gilt auch für Neubauten, auf die der Begriff „Austauschförderung“ ja nicht bezogen werden kann.
Vielmehr räumt der Plan „hocheffizienten Brennwertkesseln“, selbst wenn sie ausschließlich fossile Energien nutzen, in einer nicht näher definierten Übergangsphase einen wichtigen Platz ein, um Effizienzen zu steigern. Gleichzeitig solle zwar die Förderung für erneuerbare Wärmetechnologien verbessert werden mit dem Ziel, dass erneuerbare Heizsysteme „deutlich attraktiver als fossile sind“. Das alles aber unter der Prämisse, dass die Wärmewende Gebäudebesitzer finanziell nicht überfordert.
Rolle rückwärts?
Diese politische Grundposition der Technologieoffenheit inklusive der Weiternutzung fossiler Heizsysteme spiegelt auch der Entwurf zum GEG wider. Der Bundesverband Bioenergie (BBE) kritisiert in seiner Stellungnahme zum Referentenentwurf beispielsweise, dass der Primärenergiefaktor einer Wärmeversorgung mit Biomethan-KWK mit 0,6 nur um 0,1 niedriger sei als der Primärenergiefaktor von fossiler KWK (0,7). Ersetze die fossile KWK-Anlage einen bestehenden fossil befeuerten Kessel, liege ihr Primärenergiefaktor sogar auf der gleichen Höhe wie der Faktor einer Biomethan-KWK-Anlage (0,6). Der BBE schreibt weiter: „Folgt man dem GEG-Entwurf, spart der Einsatz von Biomethan in einem Brennwertkessel gegenüber einem mit Erdgas befeuerten Kessel keinerlei fossile Primärenergie ein, da beiden der gleiche Primärenergiefaktor zugeschrieben wird (1,1).“
Der Entwurf des GEG geht in seiner Technologieoffenheit sogar soweit, Dämmmaßnahmen als Alternativerfüllung zur Nutzungspflicht von erneuerbaren Energien zu stärken. Gegenüber den bisherigen Regelungen soll nur noch eine Unterschreitung des Wärmedurchgangskoeffizienten der wärmeübertragenden Umfassungsfläche um 10 statt 15 % notwendig sein (§ 46). Allerdings weisen die Verbände für Technische Gebäudeausrüstung (BTGA), Gebäude-Klima (FGK) und Raumlufttechnische Geräte (RTL-Herstellerverband) in ihrer gemeinsamen Stellungnahme zum Referentenentwurf darauf hin, dass laut Begründung zu § 46 eine um 10 % verbesserte Dämmung nur dann als Ersatzmaßnahme genutzt werden könne, wenn andere Maßnahmen ausscheiden. Doch sie monieren, dass diese Interpretation dem Gesetzestext selbst nicht zu entnehmen sei.
Wer das Rennen macht
Nach derzeitigem Stand würden die Buchhalter vermutlich nicht auf Sieg für die Solarthermie setzen. Seit ein paar Jahren sehen viele bereits die Photovoltaik als Nachfolgerin von Solarthermie in der Wärmeversorgung auf dem Dach (Power to Heat).
Das Steckenpferd der Politik in der Energiewende ist Strom, das wird auch im Klimaschutzplan deutlich. Elektrische Energie wird im Wärmemarkt eine wachsende Rolle spielen. Die Aussagen des GEG können auch in diese Richtung als eine Konkretisierung des Klimaschutzplans gedeutet werden. So fördert § 25 („Anrechnung von Strom aus erneuerbaren Energien“) die Eigenstromerzeugung und -verwertung, in dem ein Teil davon vom ermittelten Jahres-Primärenergiebedarf abgezogen werden kann (ausgeschlossen sind nur Stromdirektheizungen). Der Anteil liegt höher, wenn parallel zum Generator ein Stromspeicher mitinstalliert wird. Die verbesserte Anrechenbarkeit von Strom wird übrigens auch als Mitbegründung angeführt, warum die Anforderungen für die Ersatzmaßnahme „Übererfüllung des Dämmstandards“ gesenkt werden sollen.
Uninteressant und langweilig
Der Hype um Solarstrom im Allgemeinen – und im Speziellen nun auch als gehandelte mögliche Zukunftsquelle zur Wärmeversorgung eines Hauses macht die Solarthermie plötzlich uninteressant und langweilig. Denn dort bleibt alles wie gehabt. Die Anforderungen bei Solarthermie werden auch weiterhin bereits dann erfüllt, wenn eine bestimmte Mindestfläche installiert wird. Selbst der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) kritisiert das am GEG in seiner Positionierung: Für die gesetzlichen Mindestanforderungen solle künftig der Ertrag eines Solarkollektors entscheidend sein, nicht mehr allein dessen Fläche. Begründung: Wenn die Investitionsentscheidung beim Einbau einer Solarwärmeanlage maßgeblich von der Kollektorleistung abhinge, würde der Qualitätswettbewerb in Industrie und Handwerk schlagartig zunehmen. Bei der Solarthermie werden auch weiter 15 % als ausreichend gelten, den Pflichtanteil erneuerbarer Energien bei der Wärme- und Kälteversorgung eines Neubaus zu erfüllen.
Und die Bioenergie
Im Klimaschutzplan ist nur Unspezifisches zu lesen: Der Energieträger Holz solle eine wichtige Rolle bei der Dekarbonisierung von älteren, schwer zu modernisierenden Gebäuden spielen. Die Bundesregierung erweckt damit den Eindruck, als wäre ihr die Bioenergie nach dem Strommarkt (Biogas) und dem Verkehrssektor (Bio-Reinkraftstoffe) nun auch langsam im Wärmemarkt unliebsam geworden, und als würde sie diese am liebsten auch hier aufs Abstellgleis schieben. Was sagt der Referentenentwurf GEG? Zwar wird bei der Bioenergie die Holzenergie weiter wie bisher durch einen sehr kleinen Primärenergiefaktor attraktiv für Bauherren sein. Zugleich wird sie aber auch im GEG-Entwurf weiter diskriminiert: Der Pflichtanteil erneuerbarer Energien bei der Wärme- und Kälteversorgung eines Neubaus gilt beim Einsatz fester Bioenergie erst dann als erfüllt, wenn der Deckungsanteil mindestens 50 % beträgt. Man müsste sich also für eine Holzheizung entscheiden. Das passt aber nur, wenn es nicht, wie in so vielen Neubaugebieten, Gasanschlusszwänge gäbe.
Was resultiert daraus?
Bereits in einer Zeit der Unklarheit, in der das GEG Stand Ende März weiter im Ungewissen ist. Sollte das GEG erst in der nächsten Legislaturperiode kommen und dann wie auch immer justiert werden, dann lässt sich das auf der Grundlage von heute besser einordnen. Bleibt alles beim Alten, dann weiß man heute schon ganz gut, wohin die Reise geht: Nimmt man die Aussagen des Klimaschutzplans 2050 als Schablone dazu, dann lässt sich recht konkret herauslesen, wohin die Politik die weitere Entwicklung im Wärmesektor nun schiebt.
Autor
Dittmar Koop ist Dipl.-Ing. der Raum- und Stadtplanung (TU). Seit 2004 arbeitet er als freiberuflicher Fachjournalist für erneuerbare Energien. Seine Schwerpunkte sind Bioenergie, Photovoltaik und die Solarthermie. E-Mail: info@dittmar-koop.de