Der Gebäudesektor ist in der EU einer der größten Energieverbraucher – mit seit 20 Jahren steigender Tendenz. So verschlingt er in Deutschland rund 40 % des Endenergiebedarfs. In diesem Bereich sind es besonders die Altbauten, die Handeln erfordern: Einerseits bedarf es einer Reduktion des Wärmebedarfs und andererseits umweltfreundlicher Heiztechniken, die den Aufbau eines erneuerbaren Energiesystems auch bei der Wärmeerzeugung unterstützen. In der Studie „Was kostet die Energiewende? Wege zur Transformation des deutschen Energiesystems bis 2050“ hat das Fraunhofer ISE mit dem Simulationsprogramm REMod-D untersucht, wie ein regeneratives Energiesystem für Deutschland aussehen könnte. Wärme, Strom, Mobilität, Speicherung, Angebot und Nachfrage, Kosten – alles wird für den Zeitraum bis 2050 berechnet, die wesentlichen Bereiche stundengenau. In der Studie wurden auch mehrere Varianten für Heiztechniken untersucht.
Die in Abbildung 2 gezeigte Variante mit 85 % CO2-Einsparung im gesamten deutschen Energiesystem bis 2050 beschreibt den Heizungssektor so: 80 % aller Anlagen sind gas- und elektrisch betriebene Wärmepumpen. Der Rest der Gebäude ist an Wärmenetze angeschlossen. In diesem Szenario haben 12 % aller Gebäude den Energiestandard von Passivhäusern, der Rest den heutiger Neubauten. Die Gesamtkosten für das CO2-arme Energiesystem 2050 liegen dabei nicht höher – eher niedriger – als die Gesamtkosten heute.
Wärmepumpen kommt demnach eine Schlüsselrolle für eine zukunftsfähige Versorgung von Gebäuden mit Wärme zu. Damit sie dieser Rolle gerecht werden, sind die wichtigsten Ziele von Forschungs- und Entwicklungsarbeiten eine weitere Erhöhung der Effizienz, Kostensenkung und der Verwendung nicht klimaschädigender Kältemittel.
Wärmepumpe für sanierte Altbauten
Das im August 2016 erfolgreich abgeschlossene EU-Projekt GreenHP verfolgt genau diese Ziele. Die Partner haben eine Luft/Wasser-Wärmepumpe entwickelt, die eine effiziente Wärmeabgabe auch bei Vorlauftemperaturen über 60 °C ermöglicht, wobei im Projekt bis 55 °C getestet wurde.
Die neun Institutionen aus Forschung, Industrie und Wirtschaft wollten ein möglichst großes Anwendungssegment abdecken und legten 30 kW Heizleistung bei einer Auslegungstemperatur von –10 °C, städtische Umgebung und eine mittlere Klimazone für Europa (Düsseldorf) als Rahmenbedingung fest. Dabei gingen sie von folgenden Fakten aus: 60 % der Weltbevölkerung wird 2030 in Städten leben, 83 % der Gebäude in Europa wurden vor 1995 erbaut, 27 % der Heizfläche liegt in Mehrfamilienhäusern, gegenüber 12,8 % in gewerblichen Immobilien. Das typische Gebäude für die Auslegung ist ein MFH mit sechs bis acht Wohneinheiten, das energetisch saniert wurde. Es hat einen Heizbedarf von 16 – 23 kW und einen Warmwasserbedarf pro Wohnung von 100 – 120 l, die um 45 °C erwärmt werden müssen. In verdichteten Wohngebieten ist meistens kein Platz für Erdsonden, außerdem stehen die hohen Investitionskosten ihrer weiten Verbreitung entgegen. Deshalb ist die GreenHP eine Luft/Wasser-Wärmepumpe.
Kühl- und Heizsystem
Abbildung 1 zeigt das Gesamtsystem. Herz des Kältekreises sind die im Projekt neu entwickelten Komponenten, insbesondere der Tischverdampfer, der Ventilator sowie der Scroll-Verdichter. Oben aufgesetzt im schwarzen, zylinderförmigen Gehäuse befindet sich der Ventilator, der die Umgebungsluft durch den im unteren Bereich des Glaskastens sichtbaren Verdampfer ansaugt. Der Ventilator wurde mithilfe bionischer Ansätze konstruiert, um ihn möglichst effizient und leise zu machen. Bionisch bedeutet, dass biologische Systeme aus der Tier- und Pflanzenwelt als Vorbild dienten. Dadurch entsteht eine bemerkenswerte Form der Ventilatorschaufeln, die in Abbildung 3 zu sehen sind.
Die luftseitigen Strömungsbedingungen im Verdampfer sind so gewählt, dass Luftgeschwindigkeit und Geräuschentwicklung so gering wie möglich ausfallen. Der aus Aluminium gefertigte Verdampfer besteht aus 64 senkrechten, sehr flachen MPE (Multi Port Extrusion)-Rohren mit jeweils 20 Kanälen (Abbildung 4). Rohre dieses Typs ermöglichen sehr geringe Kältemittelfüllmengen, was ein wichtiger Teilaspekt für die umweltschonende und sichere Anwendung von Kältemitteln ist.
Ein ebenfalls nach bionischen Kriterien ausgelegter Kältemittelverteiler (Abbildung 5) führt dem Verdampfer das Kältemittel zu. Er gestattet in gelöteten Aluminium-Wärmeübertragern eine Verteilung des zu verdampfenden, flüssigen Kältemittels, eine Begrenzung der Kältemittelmenge und je nach Luftführung eine kompakte Bauweise. Eine wichtige Aufgabe im Projekt bestand in der Prüfung unterschiedlicher Lamellen, um ein möglichst langzeitstabiles Betriebsverhalten und geringen luftseitigen Druckverlust trotz Frostwachstum aufzuzeigen.
Der restliche Kältekreis ist im L-förmigen Glaskasten zu sehen: Der vertikale Zylinder ist ein Scroll-Verdichter (Abbildung 6), der im Projekt speziell für das verwendete Kältemittel entwickelt und getestet wurde. Darüber befindet sich der ebenfalls aus MPE-Rohren gefertigte Verflüssiger als energetische Schnittstelle zum Heizkreis. Der Verdichter komprimiert das Gasgemisch nach dem Verdrängungsprinzip mit zwei ineinander verschachtelten Spiralen (Abbildung 7 + 8). Ein verbessertes Ölmanagement reduziert die Kältemittelfüllmenge von üblichen 2,5 l auf 1,5 l. Wegen der sehr guten Löslichkeit des Kältemittels im Kältemaschinenöl hilft das auch, die Füllmenge von Propan insgesamt zu reduzieren.
Regelsysteme
Drei miteinander verknüpfte Regelkreise (Abbildung 9) arbeiten im GreenHP-System: Kühlkreis, Heizkreis und optional einem Energiemanagementsystem. In diesem Fall werden Informationen über das Wetter, das Stromnetz, den Gebäudestatus und den prognostizierten Wärmebedarf so verbunden, dass die GreenHP netzdienlich betrieben wird. Das bedeutet beispielsweise, dass bei Stromüberschuss im Netz die Wärmepumpe einen Wärmespeicher belädt.
Besondere Merkmale
Aufgrund des Kältemittels Propan kann die GreenHP Brauchwasser problemlos auf 65 °C erhitzen und ist für Heizungsvorlauftemperaturen bis 55 °C geeignet. Dieses Heiztemperaturniveau war neben einer Außentemperatur von –10 °C die Auslegungsbedingung bei der die GreenHP 30 kW Wärmeleistung erbringen sollte. Nach dem Zusammenbau und ersten Tests beim Koordinator AIT des Projekts wurden bei 7 °C Außentemperatur und einer Vorlauftemperatur von 55 °C eine Leistungszahl (COP) von 3,0 gemessen und ein SCOP (Seasonal COP) gemäß EN 14825 von 3,3 bestimmt, ohne dass das System in längeren Versuchsreihen oder Feldtests optimiert worden wäre. 1
Das Kältemittel: Propan hat nur ein dreimal höheres Treibhauspotenzial (Greenhouse Warming Potential GWP) als Kohlendioxid. Herkömmliche FKW-Kältemittel können hundert- bis tausendfach höhere GWP-Werte aufweisen. So hat beispielsweise 1 kg R-410A einen GWP-Wert von 2088, was einer Angabe in kg an emittiertem CO2 entspricht. Durch Betriebsoptimierung ist die GreenHP vergleichbar effizient wie herkömmliche Luft/Wasser-Wärmepumpen. Dabei ermöglicht sie durch Propan und den Verdichter mit Zwischeneinspritzung sehr hohe Temperaturhübe und eine weitgehend monovalente Betriebsweise.
Die Menge des notwendigen Kältemittels ist minimiert, genauso wie Platzbedarf, Geräuschemission und Stromverbrauch. Mit dem Energiemanagementsystem kann die GreenHP netzdienlich betrieben werden und unterstützt so ein nachhaltiges Energiesystem.
Marktaspekte
Die Projektpartner haben ein funktionstüchtiges und leistungsfähiges System entwickelt und mit Hardware-in-the-Loop im Labormaßstab getestet. Aufgrund des besonderen Projektansatzes ohne Endgerätehersteller bestehen keine exklusiven Nutzungsrechte der neu entwickelten Komponenten. Hersteller können jetzt Komponenten, Teilsysteme oder gar das ganze Systemkonzept der Wärmepumpe für ihre Produkte nutzen, um mit Feldtests und Optimierung ein marktfähiges Endprodukt zu entwickeln. Interessierte können sich an den Projektkoordinator, die Forschungs- und Industriepartner oder den Autor wenden.
Auf dem Markt gibt es bereits eine umfangreiche Reihe von Wärmepumpen für Wohngebäude mit natürlichen Kältemitteln, allerdings nicht unbedingt für das Heiztemperaturniveau und den Leistungsbereich der GreenHP. Einen guten Überblick über Anlagen mit natürlichen Kältemitteln vermittelt beispielsweise www.hydrocarbons21.com. Über den europäischen Wärmepumpenverband EHPA und beim Bundesverband Wärmepumpen BWP existieren umfangreiche Übersichten zur Industrie und somit Endgeräten, die bei der Recherche nach Anlagen gute Dienste leisten.
Wer mit Propan betriebene Wärmepumpen installieren will, braucht das notwendige kältetechnische Fachwissen für den Umgang mit diesem Gefahrstoff. Der für den Laborbetrieb notwendige Aufwand an Sicherheitstechnik muss bei einer Kommerzialisierung des GreenHP-Konzepts angepasst werden. Damit jederzeit ein sicherer Zustand der Anlage gewährleistet werden kann, sind größere Anlagen üblicherweise belüftet und mit Sensoren ausgestattet. Bei kleineren Anlagen mit sehr niedrigen Füllmengen kann das aber durchaus entfallen.
Wärmepumpenfeldtest
Neben der Entwicklung neuer Systeme ist die Qualitätskontrolle von Wärmepumpen im Bestand unverzichtbar. Die praktischen Erfahrungen haben gezeigt, dass neue Techniken oft nicht optimal installiert, eingestellt oder gewartet werden und so das CO2-Minderungspotenzial nicht ausschöpfen.
Seit 2006 untersucht das Institut Elektrowärmepumpen im Feldtest, vor allem in Einfamilienhäusern. Die Bandbreite des spezifischen jährlichen Heizenergiebedarfs reicht von 40 (Neubau) bis 220 kWh/m2 (unsanierter Bestand). Über 250 Anlagen wurden im Rahmen von drei Projekten im Alltagsbetrieb über mehrere Jahre vermessen.
Die Abbildungen 10 und 11 zeigen Jahresarbeitszahlen (JAZ) und CO2-Einsparung im Vergleich mit einem Gaskessel aus den Feldtests für die zwei Wärmepumpen-Haupttypen.
Das erfreuliche Ergebnis: Die Effizienz der Anlagen im praktischen Einsatz steigt kontinuierlich. So lagen im letzten Projekt WP-Monitor die mittleren JAZ für elektrische Luft/Wasser-Wärmepumpen bei 3,1, für Sole/Wasser-Wärmepumpen bei 4,0.
Die Tests zeigten auch, wie entscheidend besonders bei bestehenden Gebäuden die richtige Einbindung und ein effizienter Betrieb sind. Das wird jetzt in dem neuen Feldtest „WPsmart“ an 100 elektrisch angetriebenen Wärmepumpen in älteren Einfamilienhäusern untersucht. Das Forschungsprojekt wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) gefördert.
Wärmepumpenlabortest
Der bionische Verteiler der GreenHP wurde im ServiceLab Heat Pumps and Chillers, die netzdienliche Betriebsweise im ServiceLab Smart Energy des Fraunhofer ISE (Abbildung 12) entwickelt. Diese Einrichtungen können auch externe Entwickler für ihre Zwecke nutzen.
Das Prüf- und Entwicklungszentrum für Heiz- und Kühlgeräte kann unterschiedlichste Systeme hochgenau vermessen und ist sicherheitstechnisch zugelassen für den Umgang mit Kältemitteln der Klassen A1–A3 inklusive A2L gemäß EN378. Eine Besonderheit ist die kalorimetrische Doppelklimakammer für Prüflinge mit bis zu 2 x 50 kW Heiz- oder Kühlleistung. Sie hat Gasanschlüsse, Luftkanäle und Abgaseinrichtungen, die auch das Testen von Gas- oder Hybridwärmepumpen erlauben.
Für die Industrie attraktiv ist die Konditionierungstechnik und deren modulare Verfügbarkeit für Luft, Wasser, Sole und auch Kältemittel. Damit sind „Hardware in the Loop“-Messungen (HiL) für alle HLK-Bereiche möglich. Dabei können die Klimabedingungen, Bauweisen und Nutzergewohnheiten zum Beispiel in Skandinavien so nachgebildet werden, dass der Prüfling in wenigen Tagen ein virtuelles Jahr absolviert. Die Anlagen können hochdynamische Vorgänge abbilden und messen – zum Beispiel Temperatursprünge in der Hydraulik einer Wärmepumpe, die vom Heizungs- auf Brauchwarmwasserbetrieb umschaltet.
Das SmartEnergyLab untersucht, wie Ein- und Mehrfamilienhäuser in ein Smart Grid eingebunden werden können. Es verfügt über eine umfassende Ausstattung von regenerativen und effizienten Erzeugern und Speichern, sowohl elektrisch als auch thermisch. Mit der Abbildung und Vernetzung aller Energieflüsse bietet es Entwicklern eine Plattform zur Analyse, Bewertung und Entwicklung von Smart-Home- und Smart-Grid-Technologien für das Verteilnetz.
Zukunfsaussichten
Auch in einem regenerativen Energiesystem werden die Wohnungen warm bleiben. Es gibt effiziente Alternativen zu den fossilen Energieträgern, die zudem helfen, die Fluktuationen in der Stromproduktion durch intelligenten Betrieb zu mildern. Damit diese Vision Wirklichkeit wird, ist allerdings noch einiges zu tun: Industrie und Forschung müssen die Technik, Politik und Gesellschaft die Bereitschaft zum Umdenken und Investieren weiter fördern. Schließlich haben Planer und Handwerker die Aufgabe, sich stetig weiterzubilden und beim Einsatz der neuen Heiztechniken größte Sorgfalt walten zu lassen. So gilt für alle, dass nur ein kühler Kopf für warme Füße sorgt.
Fußnoten
1 Umfangreichere Ergebnisse sind im Bericht D9.1 zu finden unter http://www.greenhp.eu/deliverables/public-deliverables/.
Weblinks
www.ise.fraunhofer.de/was-kostet-die-energiewende
Studie Energiesystem mit Grafik zu Heiztechniken der Zukunft
Webseite mit Berichten zum GreenHP Projekt.
Das Projektkonsortium aus den neun Partnern setzte sich folgendermaßen zusammen: AIT (Koordinator, Verdampfervereisung, Zusammenbau, Testing), AKG (Wärmeübertrager), Emerson Climate Technologies (Verdichter), Fraunhofer ISE (Smart-Regelung, Verdampfer Kältemittelführung, Abtauung Verdampfer), Gränges (Aluminiumhalbzeuge Wärmeübertrager), Hesch Regelungstechnik (Heizungsregler), KTH (Verflüssiger, Kältemittel, Gebäude), Ziehl-Abegg SE (Ventilator, Strömungsführung Luft).
Marktüberblick Wärmepumpen mit natürlichen Kältemitteln
www.wp-monitor.ise.fraunhofer.de
Details des Feldtests zu einzelnen Wärmepumpenanlagen
Autor
Dipl.-Ing. Thore Oltersdorf ist Projektleiter im Bereich Thermische Anlagen und Gebäudetechnik am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE. Er hat die Entwicklung der GreenHP von Anfang an begleitet.