Das architektonisch anspruchsvoll gestaltete Firmengebäude in einem Mönchengladbacher Industriegebiet wäre eigentlich wie geschaffen dafür, in lichtdurchfluteten Räumen für die Kundschaft ein Exponat an das andere zu reihen, um eine repräsentative Ausstellung für Bad oder Heizung zu bieten. Doch das findet beim SHK-Unternehmen Haaß so nicht statt.
Außergewöhnliches hat sich herumgesprochen
Stattdessen hat sich unter Interessierten, die in die Gebäudetechnik für Bad oder Heizung investieren wollen, längst Außergewöhnliches herumgesprochen: Es ist der beeindruckende „Rundgang“ durch das virtuelle Bad per 3D-Brille zum Abschluss der Planungsphase. Was im Planungsgespräch an eigenen Vorstellungen des Kunden umsetzbar ist und mit fachkundiger Kompetenz ausgeführt werden kann, findet von der Fliese über den Heizkörper bis zur Duscharmatur den digitalen Weg in die Präsentationssoftware.
Als potenzieller Auftraggeber bekommt man den fertigen Planungsentwurf eben nicht nur am Monitor zu sehen. Vielmehr: Die aufgesetzte Datenbrille führt dem Kunden die schöne, neue Badwelt innerhalb der eigenen vier Wände schon vorab vor Augen, noch ehe ein Installateur für das Projekt Hand angelegt hat. „Das beeindruckt natürlich und schafft klare Vorstellungen von dem, wie es sein wird“, stellt Kathrin de Blois das Erfolgsrezept vor. Die Wirkung steht für sie außer Frage, denn gerade diese Umsetzung aus der Kundenberatung hinein in die bewegten Bilder führt für das Haaß-Team allermeist auch zum Auftrag.
Datenströme möglichst schützen
Doch was den Kunden bei seinem Bauprojekt fasziniert in die virtuelle Zukunft schauen lässt, beruht auf jeder Menge Bits und Bytes. Und das geht weit über Planungsphase und Präsentation hinaus. Auch die gesamte Projektabwicklung erreicht für die Firma Haaß erst dann den angestrebten professionellen Level, wenn notwendige Abläufe in der Baubegleitung digital gestaltet werden können – von der Materialbestellung bis zum Aufmaß.
Was dazu an Hard- und Software bereitsteht, muss allerdings vor einem Blackout dringend geschützt werden. Dazu bedarf es einer Sicherheitsarchitektur, die dem Prinzip „Hoffnung, dass schon nichts passieren wird“ keinen Freiraum lassen will.
Ein Trojaner grüßt nicht
Kathrin de Blois führt zusammen mit ihrem Bruder Bernd Haaß das mittelständische Familienunternehmen mit derzeit knapp 60 Personen. Seit etwa zwölf Jahren kümmert sie sich darum, dass zum einen die Arbeitsabläufe im Unternehmen von der Planung bis zur Endabnahme und darüber hinaus auch für Wartungsaufgaben möglichst ohne Komplikationen realisiert werden können. Zum anderen hat die gut vernetzte Unternehmerin immer auch den Handlungsbedarf für die Firma gesehen, die Hürden für Datenverluste jeglicher Art möglichst hoch zu halten. Häckerangriffe oder andere Schadensfälle in der digitalen Welt hält sie für realistisch.
Entsprechend strebt sie im Unternehmen an, Hard- und Software penibel zu schützen und eine regelmäßige Datensicherung durchzuführen. Und was für sie ebenso wichtig ist: „Alle Nutzer im Unternehmen – ob Azubi, Altgeselle oder Büroangestellte – sind bei uns für mögliche Gefahren sensibilisiert. Ein Trojaner kommt schließlich nicht mit großem Hallo herein, sondern geht eine Zeit lang unerkannt an die Arbeit.“
Jede(r) im Unternehmen wird einbezogen
Um dem unberechtigten Datenzugang oder gar dem Verlust einen Riegel vorzuschieben, hatte Kathrin de Blois (über die Jahre gesehen) viele Baustellen, die sie mit Ausdauer und sicher auch mit einer guten Portion an Hartnäckigkeit angegangen ist und meistern konnte. Auf Details wird dieser Beitrag noch eingehen. Was jedoch von entscheidender Bedeutung sein dürfte: Die Unternehmerin versteht es offensichtlich, die jeweils betreffenden Personen auf den verschiedensten Positionen im Handwerksbetrieb in wichtige digitale Entwicklungen einzubeziehen.
„Bei der ganzen Digitalisierung ist der Faktor Mensch immer das Entscheidende. Immer!“, zeigt sie sich überzeugt. Für sie hat große Bedeutung, dass keineswegs einfach von oben herab entschieden wird, wie genau ein neues digitales System eingeführt werden kann, damit Arbeitsprozesse besser laufen.
Denn um das zu erreichen, setzt sich zunächst ein dafür ausgewählter Kreis von Mitarbeitern mit der Thematik auseinander, prüft die Praxistauglichkeit einer Hard- oder Software im Alltag und gibt dann entsprechende Beurteilungen ab. Erst wenn eine Neuerung nach ersten Tests in kleiner Runde als erfolgversprechend angesehen wird, lohnt es sich, in erweitertem Kreis darüber zu diskutieren. Dabei zeigt sich meist auch, ob eine noch weiterführende Modifizierung Voraussetzung für die allgemeine Einführung sein müsste.
Alle Nutzer im Unternehmen – ob Azubi, Altgeselle oder Büroangestellte – sind bei uns für mögliche Gefahren sensibilisiert.
Bild: TD
Reger Austausch ist willkommen
Was bei Haaß Haustechnik schon über Jahrzehnte hinweg gepflegt wird, erläutert Kathrin de Blois so: „Jede und jeder im Unternehmen weiß, dass Ideen und Verbesserungsvorschläge grundsätzlich willkommen sind. Mag sein, dass zurzeit etwas gegen die Realisierung eines Vorschlags spricht. Aber wir tauschen uns darüber aus, was gerade machbar ist und wie die Idee weiterverfolgt werden kann.“ Soll eine Idee möglichst bald in die Umsetzung kommen, heißt es meist: „Das ist jetzt dein Projekt – kümmere dich darum!“, was gleichzeitig die Eigenverantwortung und Wertschätzung des Einzelnen unterstreicht.
Interne Besprechungen sind wichtiger Bestandteil in der Firma: Für das Team in der Verwaltung gibt es jede Woche ein Meeting, in dem meist kaufmännische Themen im Vordergrund stehen. Die Handwerker finden Möglichkeiten zum Austausch meist jeden Tag in kleiner Runde, wenn sie am Nachmittag in den Betrieb zurückkommen. Dann bestimmt der Baustellenalltag, ein Reparaturfall oder ein technisches Detail, was gerade zur Sprache kommt.
Darüber hinaus gibt es mindestens einmal im Quartal für das gesamte Team ein Meeting, in dem die aktuellen Entwicklungen im Unternehmen besprochen werden können. Bedeutende Schritte in der digitalen Weiterentwicklung waren dabei stets mit auf der Tagesordnung. Im Folgenden lässt Kathrin de Blois herausragende Punkte Revue passieren.
Computer seit Jahrzehnten im Einsatz
Als Seniorchef habe schon ihr Vater 1988 für das Unternehmen einen Computer angeschafft und eine Affinität für die Datenverarbeitung entwickelt. Als sie nach ihrem BWL-Studium ebenfalls in die Firma einstieg und bewusst in allen Abteilungen arbeitete, wurde ihr deutlich, dass manche Arbeitsabläufe sehr routiniert liefen, andere dagegen nur mit Schwierigkeiten. Da begann sie vor zwölf Jahren anzusetzen.
Vor etwa vier Jahren war die Einführung eines Mobile-Device-Managements zweifellos ein Meilenstein. Denn mehr als 30 Smartphones und eine zunehmende Zahl an Tablets, die inzwischen im Job genutzt werden, gilt es, zentral zu steuern. Das heißt beispielsweise, dass ein Mitarbeiter, der im Kundendienst arbeitet, über das System alle relevanten Apps für den Kundendienst automatisch auf sein Handy und auch auf sein Tablet geladen bekommt.
Um ein solches System für die Erfordernisse im Handwerksbetrieb passend zu machen, hat es etwa drei bis vier Wochen gedauert, bis typische Startschwierigkeiten beseitigt waren – doch diese Experimentierphase beschreibt die Unternehmerin als einmalig. Wenn zukünftig turnusmäßig Neugeräte zu konfigurieren sind, wird die Einrichtung z. B. eines Apple-Gerätes nicht mehr wie ursprünglich etwa fünf Stunden Zeit in Anspruch nehmen, sondern allenfalls noch eine Viertelstunde zum Ende der individuellen Konfiguration, wie die Praxis bereits gezeigt hat.
Durch das Mobile-Device-Management gibt es jetzt weder ein „vergessenes“ Update noch sonstige vermeidbare Hindernisse im Datenfluss. „Ein Smartphone oder ein Tablet ist bei uns mittlerweile genauso ein Werkzeug wie eine Pumpenzange“, beschreibt Kathrin de Blois diese digitale Grundausstattung, kommt aber auch gleich auf eine weitere Schwierigkeit zu sprechen.
Datensicher kommunizieren
Um vom Zeitalter der Pinnwand mit allgemeinen Mitteilungen wegzukommen, ging es um eine digitale Alternative. „Eine firmeninterne Kommunikation über WhatsApp oder Signal laufen zu lassen, kam für uns aus Gründen des Datenschutzes nicht infrage“, schildert die Unternehmerin. Doch die passende Lösung für eine Mitarbeiter-App war nicht einfach zu finden, dauerte letztlich zwei Monate und kam auch nicht aus dem Handwerk.
Eine von den Stadtwerken für diesen Zweck genutzte Software erwies sich da als weitgehend passend. Jetzt wird längst jede und jeder im Haaß-Team definitiv drahtlos erreicht. So lässt sich beispielsweise auf einen Termin oder ein Event hinweisen, Fragen können gestellt oder es kann die Einteilung für ein Montageteam vorgenommen werden – konform mit dem Datenschutz.
Open Masterdata bringt Erleichterung
In der Schnittstelle „Open Masterdata“ sieht Kathrin de Blois einen weiteren Meilenstein. Dass sich Handwerk, Großhandel und Softwarehäuser nach Jahre währendem Hin und Her in der SHK-Branche auf einen gemeinsamen Datenstandard geeinigt haben, wertet sie als eine enorme Erleichterung: „Im Frühjahr 2023 gab es den Startschuss für dieses Echtzeitsystem, mit dem sich passend zum Produkt beispielsweise umfangreiche technische Daten und Illustrationen abrufen lassen. Jetzt bekommt man auch endlich einen Preis genannt, der tagesaktuell ist. Allen Beteiligten, die sich für Open Masterdata bislang und auch in Zukunft starkmachen, möchte ich da ein riesiges Lob aussprechen!“
ERP-System „Label“ kommt mit KI-gestützten Funktionen
Was in Zukunft künstliche Intelligenz an erweiterten Funktionen in den verschiedensten Softwareprogrammen bringen wird, erwartet Kathrin de Blois mit Spannung. Sie sieht die KI-Entwicklungen erst am Anfang, z. B. in sprachgeführten Anwendungen für ERP-Systeme. Mit dem Programm „Label“ arbeitet der Betrieb seit 2001, und sie findet neuerdings dort die Möglichkeit, dass mit der Angabe einiger Stichpunkte z. B. ein Monteurbericht oder die Leistungsbeschreibung einer Wartung erstellt werden kann.
Inzwischen sind auch sprachliche Barrieren im Schriftverkehr weitgehend überwunden. Anschreiben oder Arbeitsanweisungen lassen sich längst per ChatGPT in Deutsch oder einer anderen Sprache verfassen und übersetzen. „Ich nutze bereits solche Unterstützungen beispielsweise für Anschreiben und stelle fest, wie zeitsparend sich dies auswirkt“, lautet ihr Resümee. „Deshalb halte ich das für lohnenswert, sich in einer Unternehmensführung baldmöglich mit diesen KI-Funktionen zu beschäftigen.“
Bei der ganzen Digitalisierung ist der Faktor Mensch immer das Entscheidende. Immer!
Bild: TD
Angst vor einem Cyberangriff?
Der Trend zum möglichst papierlosen Büro hält seit Jahren an. Cloudbasierte Systeme haben sich längst breitgemacht. KI-gestützte Kommunikation dringt in viele Bereiche vor. Im SHK-Unternehmen sind es neben den rein baulichen Tätigkeiten durchweg digitale Prozesse, die die Logistik beherrschen. Bei manchem Entscheider im Handwerksbetrieb mag das Unbehagen erzeugen. Was ist, wenn eines Tages plötzlich die Monitore im Unternehmen schwarz werden, weil ein Cyberangriff den Laden getroffen hat?
Kathrin de Blois will einen solchen Ernstfall auch für Haaß Haustechnik nicht ausschließen. Viel wichtiger erscheint ihr die Frage: Welche Sicherheitsvorkehrungen hat der Betrieb für einen solchen Ernstfall getroffen?
Fehlende Datensicherung wäre fatal
Sollte ein Betrieb mit einem Blackout der EDV konfrontiert sein, wird das betreuende Softwarehaus wahrscheinlich eine Neuinstallation in Betracht ziehen, die vermutlich einige Tage in Anspruch nehmen wird. Schon diese Ausnahmesituation wäre eine schwierige Lage für den Handwerksbetrieb, schätzt Kathrin de Blois ein und gibt zu bedenken, dass mit dem Blackout der EDV meist auch die Kommunikation über das Festnetz nicht mehr funktionieren wird.
Bei Haaß Haustechnik sind für die EDV zwei parallel laufende Server im Einsatz und sichern die Daten im Zwei-Minuten-Takt. Die Datenströme jedes Arbeitstages kommen auf ein Datenband und werden außerhalb der Firma aufgehoben. Damit nicht genug, denn zusätzlich gibt es eine Datensicherung, die alle 14 Tage erhoben wird. „Falls sich ein Trojaner einschleicht und sich nach meist wenigen Tagen bemerkbar macht, wollen wir für ein Reset der Programme auf Daten zurückgreifen, die noch nicht infiziert wurden. Deshalb ist uns diese zusätzliche Sicherung wichtig“, erklärt die Unternehmerin.
Servicetermine gesondert abgesichert
Sollten die EDV-Systeme für einige Zeit ausfallen, muss das Servicegeschäft mit weit über 100 Terminen pro Woche autonom weiterlaufen können, so die Strategie bei Haaß. Deshalb werden die vereinbarten Termine für jeden Techniker – wie zu alten Zeiten – noch immer zusätzlich für etliche Tage ausgedruckt. „Wir haben das bislang nie nutzen müssen, aber der Aufwand ist es uns wert, um auch noch diese zusätzliche Absicherung zur Verfügung zu haben“, erklärt Kathrin de Blois mit einem Faible für gut strukturierte Arbeitsprozesse.
Weitere Geschäftsfelder im Visier
Warum das SHK-Unternehmen auf klar strukturierte Geschäftsfelder so viel Wert legt, wird durch den Aufbau weiterer Aktivitäten deutlich. Sowohl bei Elektroinstallationen als auch für Trockenbau sowie Fliesenleger- und Malerarbeiten ist das Unternehmen inzwischen auf Expansionskurs.
Das geschieht von Anfang an unter der Prämisse, die nötigen Bauprozesse auf ähnliche Weise digital zu begleiten – so wie dies bereits im SHK-Bereich zur Routine geworden ist.(TD)
Projektübersicht DigiResHand
Auf welche Weise kann der SHK-Fachbetrieb eine digitale Unterstützung nutzen, um einen Arbeitsprozess zu verbessern? Was hat sich bereits bewährt, könnte optimiert werden oder fehlt? Diesen Fragen geht das Forschungsprojekt zur „Steigerung der Resilienz im SHK-Handwerk bei praxisnaher Einführung von digitalen Assistenzsystemen“ (kurz: DigiResHand) seit dem 1. Juli 2023 nach. Gefördert wird das Forschungsprojekt vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Rahmen seiner Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA).
Auf Initiative des ZVSHK werden beispielsweise digitale Systeme durch Monteure und Büroangestellte in Experimentierräumen erprobt und Erfahrungen in Workshops zusammengetragen. Final soll Mitte 2025 ein Praxisleitfaden mit Lernvideos entstehen, von dem weitere Handwerksunternehmen profitieren können. Alle Infos zum Forschungsprojekt und wie Mitmachen möglich ist, findet man auf den Seiten von www.shk-resilient.de.
Schon jetzt gibt es SHK-Handwerksbetriebe, die bereits seit Langem digitale Unterstützung für den betrieblichen Alltag durch Eigeninitiative forciert einsetzen. Die Redaktion wird neben diesem Beitrag weitere Beispiele bringen.