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Das Recyclingpotenzial von Duschwasser ist enorm

SBZ: Herr Nolde, sobald es in den Medien etwas zum Thema Grauwasser gibt, taucht Ihr Name auf. Sie werden fast überall zurate gezogen und zitiert. Es scheint, als wären Sie in Deutschland der einzige Experte auf diesem Gebiet.

Erwin Nolde: Wahrscheinlich liegt das daran, dass es nicht viele Experten gibt, die sich schon so lange mit dem Thema beschäftigen. Wasser, speziell die Betriebswassernutzung, begleitet mich ja bereits seit meinem Studium. Wir haben in den 1990er-Jahren, da war ich wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU Berlin, zusammen mit dem Bundesgesundheitsamt und der Senatsbauverwaltung Qualitätsanforderungen für die Nutzung von Regen- und Grauwasser entwickelt. Diese haben dann auch Eingang in die entsprechenden Merkblätter und Regelwerke gefunden. 1999 habe ich mich mit meinem Ingenieurbüro selbstständig gemacht, weil mir das Thema sehr am Herzen lag. Profitabel war das damals aber nicht. Dafür waren die Hindernisse und Bedenken noch zu groß und auch der Klimawandel und die damit zusammenhängende Wasserproblematik nicht so stark im Vordergrund.

SBZ: Lange Zeit hieß es ja, Deutschland ist ein wasserreiches Land. Welches Problem mit Wasser haben wir denn konkret?

Nolde: Wir haben durchaus Regionen, die über genügend Wasser verfügen und die sich auf absehbare Zeit wahrscheinlich keine ernsthaften Gedanken machen müssen. Und wir haben Regionen, die bereits heute mit ernsthafter Wasserknappheit zu kämpfen haben. Die Region Berlin-Brandenburg ist zum Beispiel eine der trockensten Gegenden in Deutschland. Hier fällt weniger Regen als auf der Insel Kreta oder im Mittelmeerraum. In Flüssen schwindet neben den Pegelständen auch die Biodiversität, die Stadt überhitzt im Sommer, weil es nicht genügend Wasser zur Bewässerung der Stadtbäume und Parks gibt. Und weniger Bäume bedeuten weniger Kapazitäten, um CO2 zu binden, Wasser zu verdunsten und Schatten zu spenden. Das hängt alles miteinander zusammen und wir müssen das auch bei den Strategien und Maßnahmenkonzepten so betrachten. Es kommt nicht nur auf das Sparen bei Trinkwasser an, sondern auch auf den richtigen Umgang mit Abwasser.

SBZ: Und der wäre?

Nolde: Wir sollten uns bei Abwasser am Kreislauf­wirtschaftsgesetz orientieren. Abwasser ist eine Ressource für Wasser, Energie und Nährstoffe. Das Ziel muss sein, Abwasser weitgehend zu vermeiden, was nicht vermieden werden kann zu recyceln und nur was nicht recycelt werden kann, zu beseitigen. Aber wir sprechen in Deutschland immer noch im großen Stil von Stadtentwässerungswerken und Abwasserbeseitigungsplänen. Davon müssen wir unbedingt wegkommen.

SBZ: Wie könnte das gelingen?

Nolde: Es ist ja leider so, dass sich viele Akteure erst dann eines Themas annehmen, wenn innerhalb der Regierung eine entsprechende Weichenstellung vorgenommen wurde. Solange es diese Weichenstellung nicht gibt und es allgemein heißt, wir haben genügend Wasser, brauchen wir uns nicht zu wundern, dass auf diesem Gebiet wenig passiert. Doch es ist nur noch eine Frage der Zeit. Das ist sehr gut am Beispiel von Berlin zu sehen. Bis vor ein paar Jahren konnte ich in lokalen Medien lesen: Berliner, verschwendet mehr Wasser. Mittlerweile hat sich der Tenor gedreht, jetzt wird überall zum Wassersparen aufgerufen, weil nicht genügend zur Verfügung steht.

SBZ: Wofür plädieren Sie, in welche Richtung sollte eine Weichenstellung seitens der Politik erfolgen?

Nolde: Im Bereich der Regenwasserbewirtschaftung und Regenwassernutzung gibt es meiner Meinung nach genügend Lösungen auf dem Markt und auch die Nachfrage ist durchaus vorhanden. Aber was die Wiederverwertung von Wasser im Gebäudebereich, genauer das Grauwasserrecycling angeht, da sind wir noch nicht so weit. Deswegen sollte die Weichenstellung auf eine Systemtrennung von Toiletten und Grauwasser im Gebäude ausgerichtet sein. Wir brauchen neben dem Verteilnetz für das Trinkwasser ein zweites Verteilnetz für Betriebswasser. Wir haben schon in den 1990er-Jahren in unseren Forschungen gezeigt, dass Betriebswasser ohne Komfortverlust und ohne hy­gienisches Risiko für die Toilettenspülung, zum Wäschewaschen und für die Bewässerung genutzt werden kann. Und damit hier endlich Bewegung in die Sache kommt, sollte das zweite Leitungsnetz auch gefördert werden.

SBZ: In welchen Gebäuden ist der Einsatz einer Grauwassernutzungsanlage sinnvoll und wirtschaftlich?

Nolde: Wir haben mittlerweile gute Systeme für größere Gebäude, etwa für ­Mehrfamilienhäuser mit ca. 50 Bewohnern und mehr. Die Kosten hängen natürlich von vielen Faktoren ab, aber zur Orientierung kann ich pro angeschlossene Person für die Aufbereitung des Grauwassers etwa 500 Euro zusätzliche Investitionskosten und pro Wohneinheit noch 500 Euro für das zweite Leitungs­netz ansetzen. Wenn ich jetzt eine Familie mit drei Personen auf 100 m² Wohnfläche habe, komme ich in Mehrfamilienhäusern auf Mehrkosten von ca. 20 Euro/m². Das macht sich bei den Quadratmeterpreisen, die heutzutage in Berlin für eine Wohnung bezahlt werden, nicht groß bemerkbar.

SBZ: Entscheidend ist schlussendlich aber, ob die Anlagen auch im Betrieb überzeugen. Konnten sie das in den bereits realisierten Projekten?

Nolde: Und wie! Wir haben zum Beispiel zusammen mit der landeseigenen Berlinovo Immobilien Gesellschaft ein siebengeschossiges Apartmentgebäude für Studenten geplant und umgesetzt. Hier kommt eine Grauwassernutzungsanlage mit Wärmerückgewinnung zum Einsatz. Damit kann nicht nur das Duschwasser für die Toilettenspülung, sondern auch die Abwärme des Duschwassers für die Warmwasserbereitung genutzt werden. Die Einsparungen sowohl beim Trinkwasser- als auch beim Energieverbrauch sind so hoch, dass sich die Anlage bereits nach wenigen Jahren rechnet – und das ohne jegliche Förderung. Die Zahlen sprechen für sich, sodass inzwischen weitere Neubauprojekte in Planung bzw. auch schon in der Realisation sind.

SBZ: Und was empfehlen Sie für kleinere, privat genutzte Gebäude?

Nolde: Für Ein- und Zweifamilienhäuser würde ich zum jetzigen Zeitpunkt immer auf die Regenwassernutzung setzen. Bei diesen Gebäuden sind die Kosten und der Aufwand für die Grauwassernutzung noch nicht rentabel. Ich bin mir aber sicher, dass es nicht lange dauern wird, bis auch hier gute Systeme auf den Markt kommen. Und in Mehrfamilienhäusern ist Grauwasserrecycling in Kombination mit Wärmerückgewinnung ein Muss. Für mich ist jeder Neubau, der dieses Konzept nicht realisiert, eine Bausünde. Diese Gebäude stehen für die Nutzung von Betriebswasser für die nächsten Jahrzehnte erstmal nicht zur Verfügung.

SBZ: Eine Nachrüstung ist also gar nicht oder nur mit erheblichem Aufwand möglich?

Nolde: Genau. Das einzig vernünftige Zeitfenster für eine Nachrüstung ist, wenn im Bestand eine Sanierung ansteht. Das sollte jetzt auch vor allem in den vielen Häusern, die energetisch saniert werden, Berücksichtigung finden. Hier steht ja nicht selten die Neuverlegung des Wärmeverteilnetzes an. Eine bessere Chance, um gleichzeitig auch ein Betriebswassernetz zu installieren, wird es nicht geben. In mehrstöckigen Gebäuden etwa erfolgt die Sanierung häufig mit Installationsschächten, in die sich ein zweites Leitungsnetz sehr gut integrieren lässt.

SBZ: Bleiben wir kurz auf der Energieseite. Warum setzen Sie sich so vehement für die Kombination mit Wärmerückgewinnung ein?

Nolde: Weil alles andere einfach Verschwendung wäre. Über ein 15 cm dickes Abwasserrohr geht oftmals mehr Wärme verloren als über mehrere 1000 m² gedämmte Gebäudehülle. Mit der dezentralen Wärmerückgewinnung aus Grauwasser wird dieses Wärmeloch gestopft. Das Abwasser aus Dusch- und Badewanne hat im Schnitt eine Temperatur von 31 °C. Diese Wärme kann hervorragend zur Vorerwärmung des Trinkwassers genutzt werden. Grauwassernutzung in Kombination mit Wärmerückgewinnung holt aus dem Abwasser deutlich mehr Energie, als zum Betrieb der Anlage benötigt wird. Im Keller steht sozusagen eine dezentrale, energiepositive Kläranlage.

SBZ: Vorher muss sie aber dort installiert werden. Brauchen Fachhandwerker hierfür spezielle Kenntnisse?

Nolde: Ich wage zu behaupten, wer ein Sanitärprofi ist, der kommt ohne besondere Zusatzausbildung auch mit der Installation eines Betriebswassersystems zurecht. Zu einer guten Grauwasseranlage gehört bei mir aber auch zwingend ein Monitoring dazu. Denn sorgfältiges Monitoring ist die wesentliche Voraussetzung für eine ressourceneffiziente Anlage und niedrige Betriebskosten. Damit sollte der Fachhandwerker auch umgehen können. Empfehlenswert sind natürlich ebenfalls die Herstellerschulungen, bei denen der Installateur mit den jeweiligen Produkten und Systemen bekannt gemacht wird.

SBZ: Wie kann SHK-Betrieben der Einstieg in die Grauwassernutzung am besten gelingen?

Nolde: Ausschlaggebend dafür, ob sich eine Anlage rechnet oder nicht, ist neben guten, ausgereiften Produktlösungen vor allem auch der Betrieb und die Wartung der Anlage. Dafür braucht es eine SHK-Firma in der Nähe. Hier sehe ich eine gute Chance, um einen unkomplizierten Einstieg in das Segment zu bekommen. In vielen Regionen fehlen Firmen, die sich damit auskennen. Im Rahmen der Wartung und mit entsprechender Planer- und Herstellerunterstützung können sich die Fachhandwerker dann mit der Anlage vertraut machen und immer weiter in die Technik einarbeiten. Der Rest kommt von ganz alleine. Übrigens: Der Fachhandwerker, mit dem ich lange Jahre zusammengearbeitet habe, musste seinen Betrieb aus Altersgründen aufgeben. Jetzt bin ich selbst auf der Suche nach einem Nachfolger aus dem SHK-Bereich. Wenn Sie da jemanden kennen, gerne an mich weiterleiten.

SBZ: Ich höre mich gerne um. Herr Nolde, vielen Dank für das interessante und aufschlussreiche Gespräch.

Fließbild einer Grauwassernutzungsanlage.

Bild: Nolde

Fließbild einer Grauwassernutzungsanlage.

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