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So lernen Quereinsteiger und Azubis mehr und besser

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Wer wissen möchte, wie der Bedarf an fähigen Fachkräften zu decken ist, dem sei ein Besuch in Ulm nahegelegt. In der Talfinger Straße 3 – nur einen Steinwurf weit entfernt vom Gebäude der Agentur für Arbeit – ist die Sanitär Saier GmbH beheimatet. Quasi unter den Augen der obersten Jobvermittler Deutschlands findet hier eine bemerkenswerte Evolution in der Aus- und Weiterbildung von Auszubildenden und Quereinsteigern im SHK-Handwerk statt (vom Jobcenter natürlich unbeachtet). Das Zauberwort dazu lautet: E-Learning!

Der Betrieb Saier mit seinen rund 60 Mitarbeitern darf in der Region als Branchenschwergewicht betrachtet werden. Längst bietet das Team um die Geschäftsführer Felix Saier und Stefan Eschenbach mit der eigenen Planungsabteilung Leistungen an, die über das Kerngeschäft SHK hinausgehen: Unter anderem gibt es Unternehmensbereiche für Elektroinstallation, Fliesen, Maler und Trockenbau. Sogar ein Schreiner ist angestellt. Contracting ist kein Fremdwort, auch die Projektierung und Umsetzung großer Vorhaben wird gerne geschultert. „Die Auftragslage ist ausgezeichnet, schwächelt ein Bereich, ist in einem anderen dafür umso mehr zu bewältigen“, sagt Felix Saier. Vorausgesetzt, es sind die fachlich und menschlich passenden Mitarbeiter vorhanden.

Betriebe müssen sich einfach auf eine neue Generation an Azubis einstellen.

Felix Saier

Das Ziel: hervorragend ausgebildetes Personal

Es ließe sich leicht von rosigen Zeiten sprechen, wäre da nicht der allgegenwärtige Fachkräftemangel. Oder freundlicher ausgedrückt: der deutlich gestiegene Fachkräftebedarf. Der Begriff bezeichnet plakativ das erhöhte Verlangen nach Köpfen, die mitdenken, und nach Händen, die beherzt mitanfassen. Salopp gesagt: einfach mehr Leute. Es schwingt aber eine zweite Bedeutung mit, die ebenso wichtig ist. Es wird dringend auch besser ausgebildetes Personal benötigt. Also Leute, die mehr können oder die zumindest mehr können wollen. Diese beiden Anforderungen beschäftigen fast alle Unternehmen in der Gebäudetechnik, unabhängig von der Größe und der Ausrichtung. Mehr und besser ausgebildete Fachkräfte sind das Gebot der Stunde! Die Sanitär Saier GmbH hat einen neuen Weg eingeschlagen, um beides zu erhalten.

Im Gespräch mit Felix Saier wird vorab schnell deutlich: Der Geschäftsführer ist äußerst unzufrieden mit dem Stand der Ausbildung zum/zur Anlagenmechaniker/in SHK. Gerade die Wissensvermittlung in den überbetrieblichen Institutionen bilde nicht mehr den Status quo ab, findet er. Die Berufsschulen, deren Lehrpläne und Ausstattung hinkten der Zeit hinterher. Vor allem die Lehrinhalte entsprächen kaum noch den aktuellen Anforderungen der Betriebe. „Erstens: Da bleibt einfach zu wenig hängen. Und zweitens: Wir bzw. unsere Azubis benötigen zum Teil ganz anderen Stoff, Stichwort Wärmepumpe“, sagt Felix Saier. Allerdings gebe es schon Unterschiede zwischen den Einrichtungen, fügt er hinzu. Einen Teil des Betriebsnachwuchs schickt er zum Beispiel von Ulm nach Stuttgart zur überbetrieblichen Ausbildung. Da sieht er die jungen Menschen besser aufgehoben als in der Heimat.

Der Weg: Basiswissen per Videoclip vermitteln

Diese Maßnahme verdeutlicht: Nur meckern um des Meckerns Willen ist nicht Felix Saiers Ding. Er packt an und sucht Lösungen, um Zustände zu ändern, die ihm nicht passen. Dreh- und Angelpunkt rund um die Aus- und Fortbildung ist in seinem Betrieb ein neues Konzept, das sogenannte E-Learning. Für Azubis und Quereinsteiger im SHK-Handwerk bietet es einige Vorteile. E-Learning (Electronic Learning) bedeutet, dass Lernen durch digitale Medien oder Werkzeuge unterstützt wird. Die Bezeichnung umfasst die Aufbereitung, Präsentation und Verteilung von Lerninhalten – und das Abprüfen und Vertiefen von Wissen. Am besten per Bewegtbild, sprich: Videoclips. Das klingt erst mal so, als läge das weit weg vom Handwerksalltag. Tatsächlich deckt genau diese Herangehensweise mittels Lehr-Videoclips für die Sanitär Saier GmbH den Bedarf nach zusätzlicher, individueller Qualifikation für Auszubildende und Quereinsteiger gleichermaßen ab. Das liegt eigentlich auf der Hand, man muss sich die jungen Leute ja nur genauer anschauen: „Durch die extreme Nutzung der Handys nimmt seit Jahren die Aufmerksamkeitsspanne ab und Sprachbarrieren werden auch eher größer als kleiner. Ich denke, dass sich Betriebe hier einfach auf eine neue Generation an Azubis einstellen müssen“, sagt Felix Saier. Entsprechend anders (oder angepasst) muss die Vermittlung von Fachwissen erfolgen.

Ein Experte rund um Konzepte fürs E-Learning ist Martin Sommer. Er ist Gesellschafter von www.e-learning-plus.de und Lehrbeauftragter für Fachdidaktik an der Universität Ulm. Gemeinsam mit Felix Saier hat er in den vergangenen Monaten das neue Lehr- und Lernkonzept auf die Beine gestellt. Sie haben eine Plattform aufgebaut, auf der vorproduzierte Videoclips und weiteres Ausbildungsmaterial „gehostet“ werden, sodass die Azubis oder Quereinsteiger online darauf zugreifen können. Basis sind knackig kurze Videos – von 30 Sekunden an aufwärts bis hin zu wenigen Minuten –, in denen ein Thema auf den Punkt genau erklärt wird. Als Darsteller treten Mitarbeiter aus Felix Saiers Personalstamm auf. So lernen die „Neuen“ direkt schon mal Kollegen kennen. Aber einfach vor die Kamera zu treten und etwas zu erzählen, „das ist zu kurz gedacht“, sagt Martin Sommer.

Die Ausbildung geht schneller, sie ist gründlicher und das Stammpersonal wird entlastet.

Martin Sommer

Das Vorgehen: Erst die Struktur, dann die Inhalte erstellen

Denn Lernvideos allein bringen nichts. Wichtig ist, dass als Erstes die richtigen Lerninhalte erkannt, strukturiert und dann abgebildet bzw. aufgezeichnet werden. Weiter geht es darum, dass Videos durch interaktive Elemente – wie das Beantworten eingeblendeter Fragen – ergänzt werden, sodass das Lernverhalten der Azubis erfasst wird und der Ausbildungsleiter gezieltes Feedback geben kann. Das Konsumieren der Videos ist aber lediglich der erste Schritt. Erfolgreiches Lernen findet nur statt, wenn das Wissen auch verarbeitet und verinnerlicht wird. Darum gibt es zu allen Lerninhalten ein begleitendes Arbeitsbuch, Sommer nennt es „Workbook“. Darin können die Azubis die Lernmomente sauber strukturiert notieren. „Erst die Wiederholung schafft Wissen“, sagt Felix Saier. Darüber hinaus gibt es zu allen Themen auch Übungsaufgaben für eine betriebsinterne „Lehrwerkstatt“, sodass die Azubis das Erlernte in einem dritten Schritt dann auch rasch in die Praxis übertragen können. Kurz gesagt: Die reine Wissensvermittlung erfolgt über ein Lernvideo, die Übungsphase ist in der Lehrwerkstatt, bei der ein Meister letztlich das Ergebnis kontrolliert.

Wichtig ist, dass es einen Ausbildungs- und Einarbeitungsplan für neue Mitarbeiter gibt, sodass diese systematisch und gründlich an Themen herangeführt werden, bis sie darin sattelfest unterwegs sind. Martin Sommer: „E-Learning ist dabei ein Werkzeug, das man richtig einsetzen muss – wie jedes andere Werkzeug eben auch.“ Dann können neue Mitarbeiter systematisch ausgebildet werden, sodass sie am Ende der Ausbildung wirklich alles beherrschen, was sie können müssen – und was der Betrieb benötigt. Fazit: „Die Ausbildung geht schneller, sie ist gründlicher und das Stammpersonal wird entlastet“, sagt Felix Saier. Weiterer Pluspunkt: Das Konzept stärkt natürlich auch den Auftritt der Saier GmbH als Arbeitgebermarke. Und wer weiß, vielleicht schauen eines Tages sogar mal Mitarbeiter des Jobcenters beim innovativen Nachbarn vorbei.

Felix Saier (links) und Martin Sommer haben das neue Lernkonzept erarbeitet und ausgearbeitet.

Bild: SBZ / Jäger

Felix Saier (links) und Martin Sommer haben das neue Lernkonzept erarbeitet und ausgearbeitet.
Auf die Theorie im Betrieb …

Auf die Theorie im Betrieb …
… folgt der Praxisteil in der Lehrwerkstatt …

… folgt der Praxisteil in der Lehrwerkstatt …
… bevor's rausgeht ins richtige Arbeitsleben.

Bilder: SBZ / Jäger

… bevor's rausgeht ins richtige Arbeitsleben.
Zum Einstieg holen sich auch Praktikantinnen und Praktikanten Basisinfos in den Videoclips.

Bild: SBZ / Jäger

Zum Einstieg holen sich auch Praktikantinnen und Praktikanten Basisinfos in den Videoclips.

Lernclips planen und produzieren

Wie genau läuft eine Produktion von Lehr-Videoclips ab? Es gibt grundsätzlich drei Möglichkeiten. Die erste ist, dass der Betrieb einfach fertige Basisinhalte von einem Top-SHK-Betrieb übernimmt. Hier steht bereits gutes ­Video-Lernmaterial zur Verfügung. Die zweite Möglichkeit ist, dass ein Teil der Lerninhalte für den jeweiligen Betrieb individualisiert wird. Denn bestimmte Abläufe sind in jedem Unternehmen anders. Das kann man in ein bis zwei Drehtagen gut abbilden bzw. neu erstellen. Als dritte Möglichkeit gibt es die Vollproduktion aller Lerninhalte nach einem eigenen, individuellen Lehrplan je SHK-Betrieb. Diese Lösung ist allerdings mit einem gewissen Zeitaufwand verbunden. Hier rechnet man mit fünf bis sieben Drehtagen. Empfehlenswert ist in der Regel eine Kombination aus Basisinhalten und einer Teilindividualisierung. Der Vorteil ist, dass die digitale Schulungsplattform dadurch schnell einsatzbereit ist und das Unternehmen vom Wissen bzw. der „Vorarbeit“ anderer SHK-­Meisterbetriebe profitieren kann.

Ganz wichtig: Es braucht für die Einarbeitung neuer Mitarbeiter immer ein gutes Konzept, Personalreferenten sagen auch: Onboarding. Darin können fachliche Basisinhalte enthalten sein, die bei jedem Betrieb gleich sind. Dann ist es aber wichtig, dass das Konzept um individuelle und firmenspezifische Inhalte ergänzt wird, sodass die Ausbildung und die Einarbeitung wirklich die Situation im jeweiligen Betrieb abbilden.

www.e-learning-plus.de
AUTOR
Dennis Jäger ist Chefredakteur der SBZ.

Bild: SBZ

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