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Der SHK-Betrieb ist der Experte

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SBZ: Herr Reichert, nach knapp zehn Jahren haben DVGW und Frabo ihren Rechtsstreit außergerichtlich beigelegt. Hat das Ende dieses Verfahrens Einfluss auf die Bedeutung einer DVGW-Zertifizierung für ein Trinkwassersystem?

Reichert: Der Frabo/DVGW-Fall hat insofern Einfluss auf eine DVGW-Zertifizierung, dass wir heute gemeinsam mit der Branche und dem DVGW die erforderlichen Prüfungen für eine DVGW-Zertifizierung kritisch überprüfen. Neue Prüfungen und Testverfahren werden europarechtlich hinterfragt und, wo nötig, angepasst. Nach wie vor halten wir die Qualitätsmarke DVGW hoch und unterstützen die Bestrebungen, diese Qualität in Europa zu manifestieren.

SBZ: Trinkwasserhygiene ist ein komplexes Thema. Inwieweit kann ein SHK-Betrieb, losgelöst von Normen und Vorschriften, Einfluss nehmen auf die Hygienevorgaben?

Reichert: Völlig losgelöst von normativen Regelungen und Vorschriften können die gestellten Anforderungen an hygienisch einwandfreie Trinkwasserinstallationen nicht gemeistert werden. Wenn man dennoch die zahlreichen Regelwerke auf drei Kernbotschaften reduzieren möchte, so lauten diese:

  1. Die trinkwasserhygienische Eignung der verwendeten Bauteile im Kontakt mit Trinkwasser muss gegeben sein. Diese Forderung gilt über die gesamte Lieferkette, also von der Herstellung bis zum Einbau. Der Installateur hat hierbei in der Handhabung und Lagerung der Materialien einen nennenswerten Einfluss. Die Verwendung von vor Verschmutzung geschützten Komponenten, wie Fittings und Rohre mit Verschlusskappen, hilft diese Forderung zu erfüllen.
  2. Trinkwasser muss fließen. Der regelmäßige Wasseraustausch in der Trinkwasserinstallation ist Kernstück in der Definition des bestimmungsgemäßen Betriebes. Es ist zwar eine Betreiberpflicht, doch sollte der Installateur die Voraussetzungen dafür schaffen, dass sich in der Nutzung solch eine Betriebsweise einstellt. Der Installateur kann positiven Einfluss darauf nehmen, indem er eine Leitungsführung mit möglichst geringem Stagnationspotenzial wählt. Beispielsweise durch Reihen- und Ringleitungen anstelle von stark verzweigten T-Stück-Installationen und Einzelzuleitungen, wobei Pauschalempfehlungen zur Leitungsführung nicht zielführend sind. Die Leitungsführung muss objektbezogen festgelegt werden. Weitere Einflussgrößen, wie Nutzungsart, Druckverhältnisse, Leitungslängen, Schall- und Brandschutz spielen hier ebenso mit.
  3. Die richtige Temperaturhaltung auf der Kalt- und Warmwasserseite. Durch die Wahl der Leitungsführung und Dämmung hat der Installateur einen großen Einfluss auf die Erwärmung der Kaltwasserleitungen. Im Problembereich Schacht kann der Installateur beispielsweise durch einen oben liegenden Zirkulationssammler oder durch eine innenliegende Zirkulation eine warmgehende Leitung eliminieren und die Wärmelast auf die Kaltwasserleitung minimieren. Auf der Warmwasserseite muss bei zentraler Trinkwassererwärmung dem Grundsatz gefolgt werden, dass die Bevorratungstemperatur von 60 °C nicht unterschritten werden darf und das Temperaturband von 55 °C bis 60 °C im gesamten Warmwasserzirkulationssystem durch hydraulischen Abgleich sichergestellt ist.

SBZ: Was zeichnet eine optimale Trinkwasserinstallation aus?

Reichert: Die Fachwelt ist sich darüber einig, dass Trinkwasserinstallationen, die nach den anerkannten Regeln der Technik geplant, gebaut und betrieben werden, die hygienischen Anforderungen erfüllen. Es geht also um das Zusammenspiel der drei Säulen Planung, Bau und Betrieb. Als optimal gilt, wenn sich die der Planung zugrundeliegende Nutzung – bei fachgerechter Ausführung – auch einstellt.

SBZ: Gibt es das ideale Trinkwasser-Installationssystem, auch unter Betrachtung des Kosten-Nutzen-Verhältnisses?

Reichert: Zur Beantwortung dieser Frage muss man das mit Trinkwasser zu versorgende Objekt betrachten. Nicht alle Trinkwassersysteme sind für jeden Anwendungsfall gleichermaßen geeignet. So sind Trinkwasserinstallationen in Großprojekten nicht mit Installationen in Einfamilienhäusern vergleichbar. Zur Auswahl des geeigneten Systems muss die Peripherie mitbetrachtet werden. Folgende Fragen können helfen, das ideale System im Hinblick auf Kosten und Nutzen zu finden:

  • Welche Rohrdimensionen und welches Fittingsortiment stehen zur Verfügung?
  • Welche Softwarelösungen zur Rohrnetzberechnung stehen zur Verfügung?
  • Wie wird der Brandschutz realisiert?
  • Gibt es geeignete Schallschutznachweise?
  • Wie wird die thermische Längendehnung gesteuert?
  • Welche Ersatzteilsicherheit bietet der Rohrhersteller?
  • Wie hoch ist der Befestigungsaufwand im Hinblick auf Schellenabstände und Realisierung von Fixpunkten?
  • Wie hoch ist die Verfügbarkeit?

Jedoch dürfen wir nicht vergessen, dass wir vom Transport des Lebensmittels Trinkwasser sprechen. Die Führungsgröße in der Entscheidung muss die langfristig gesicherte Trinkwasserqualität sein. Alleinige Kosten-Nutzen-Überlegungen sind hier nicht maßgebend.

SBZ: Inwieweit steht der Hersteller eines Trinkwasser-Installationssystems in der Pflicht, seine Kunden über aktuelle technische und normative Entwicklungen zu informieren?

Reichert: Eine rechtliche Pflicht gibt es hierzu nicht. In unserem Verständnis von Partnerschaft verstehen wir diese Aufgabe als Verpflichtung gegenüber unseren Kunden. Wir begleiten aktiv die Normungsprozesse auf dem Trinkwassersektor und geben dieses Wissen gerne an unsere Kunden weiter. Sowohl in der Kundenbetreuung von Planern und Installateuren als auch in zahlreichen Veranstaltungen und Schulungsmaßnahmen halten wir unsere Kunden auf dem aktuellen technischen und normativen Stand.

SBZ: Was dürfen SHK-Betriebe und TGA-Fachplaner künftig an Neu- oder Weiterentwicklungen bei Rohrleitungssystemen für die Trinkwasserinstallation erwarten? Wo besteht aus Sicht der Hersteller noch Verbesserungspotenzial?

Reichert: Bislang lag die Hauptanforderung an ein Trinkwassersystem im sicheren Wassertransport von A nach B. Die zukünftigen Herausforderungen gehen in Richtung Trinkwassermanagement, also einer intelligenten Verteilung und Bereitstellung von Trinkwasser in einem Gebäude. Dazu zählen beispielsweise die Überwachung und Sicherstellung der geforderten Temperaturen auf der Kalt- und Warmwasserseite als auch konstruktive Maßnahmen zur regelmäßigen Wassererneuerung. Für diese Aufgabenstellungen müssen die Rohrleitungssysteme noch stärker mit MSR-Technik vernetzt werden.

SBZ: Herr Reichert, vielen Dank für die interessanten Erläuterungen.